Читать книгу Strafrecht Allgemeiner Teil - Bernd Heinrich - Страница 40
2.Grundsätze der Auslegung
Оглавление99Die Grundsätze der Auslegung sollen hier ebenfalls nur kurz wiedergegeben werden. Im Einzelnen lassen sich vier verschiedene Auslegungsgrundsätze unterscheiden, die im Zweifel zusammen berücksichtigt werden müssen:
a) Grammatikalische Auslegung.
100 Definition
Unter der grammatischen Auslegung versteht man eine Auslegung, die sich am Wortlaut des Gesetzes orientiert. Entscheidend ist die Heranziehung des natürlichen – aber auch des juristischen – Sprachgebrauchs.
Bsp.: Natürlicher Sprachgebrauch: Wenn beim Diebstahl, § 242 StGB, von einer Sache (Definition: „körperlicher Gegenstand i. S. des § 90 BGB“) die Rede ist, so wird hiervon nach dem natürlichen Sprachgebrauch ein Buch sicherlich erfasst, die Elektrizität, die „aus der Steckdose kommt“, hingegen nicht. Bei einer Batterie, die ja auch Elektrizität verkörpert, ist dies allerdings schon wieder anders.
Bsp.: Juristischer Sprachgebrauch: Wenn beim Diebstahl, § 242 StGB, von einer „fremden Sache“ die Rede ist, dann wird hier letztlich auf den juristischen Begriff des Eigentums – und somit auf die Eigentumsordnung des Zivilrechts – verwiesen.
Die natürliche Wortlautgrenze ist dabei sowohl erster Anhaltspunkt als auch Grenze der zulässigen Auslegung. Eine Auslegung, die die Wortlautgrenze des jeweiligen Tatbestandes überschreitet, wäre in jedem Fall unzulässig.
b) Historische Auslegung.
101 Definition
Unter der historischen Auslegung versteht man eine Auslegung, die sich an der Intention des Gesetzgebers orientiert.
Bei der historischen Auslegung ist also zu prüfen, was sich der Gesetzgeber bei der Abfassung der jeweiligen Vorschrift gedacht hat. Oftmals finden sich umfangreiche schriftliche Aufzeichnungen über das Gesetzgebungsverfahren, Protokolle und Beschlüsse, aus denen sich ergibt, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Vorschrift ins Gesetz aufgenommen hat und wie er diese verstanden haben wollte. Diese können allerdings nur einen ersten Anhaltspunkt geben, denn einerseits haben sich vielfach die Verhältnisse seit Erlass des Gesetzes weiterentwickelt, andererseits ist es aber auch möglich, dass der Gesetzgeber fehlerhafte Begriffe verwendet hat, d. h. Begriffe, die letztlich einen ganz anderen Sinn ergeben. Dies kann nur dadurch korrigiert werden, dass der Gesetzgeber das Gesetz ändert, nicht aber dadurch, dass der Richter dem Gesetz entgegen seinem klaren Wortlaut einen anderen Sinn unterlegt. Insoweit ist nicht vom subjektiven, sondern vom objektivierten Willen des Gesetzgebers auszugehen.
c) Systematische Auslegung.
102 Definition
Unter der systematischen Auslegung versteht man eine Auslegung, die sich an der systematischen Stellung einer Vorschrift im Gesetz orientiert.
Zu fragen ist hier also stets, in welchem Normzusammenhang die jeweilige Vorschrift steht. Insoweit wäre es z. B. unzulässig, eine Vorschrift, die sich im Abschnitt der Vermögensdelikte befindet und auch vom Wortlaut her auf diese zugeschnitten ist, auf Verhaltensweisen anzuwenden, die nichtvermögensrechtliche Bereiche betreffen. Insoweit kann als „Nachteil“ im Rahmen der Untreue, § 266 StGB, nur ein Vermögensnachteil verstanden werden, da sich die Vorschrift in einem Abschnitt des StGB befindet, der die Straftaten gegen das Vermögen regelt.
d) Teleologische Auslegung.
103 Definition
Unter der teleologischen Auslegung versteht man eine Auslegung, die sich am Sinn und Zweck einer bestimmten Vorschrift orientiert.
In der teleologischen Variante liegt – insbesondere im Strafrecht – der Schwerpunkt der Auslegung. Dabei muss gefragt werden, wozu die jeweilige Strafbestimmung dient, welche Rechtsgüter sie schützen will, auf welche Weise der Schutz dieser Rechtsgüter am effektivsten erfolgen kann, was für Konsequenzen eine bestimmte Auslegung im Hinblick auf andere Tatbestände nach sich ziehen könnte und welche Auswirkungen dies im Hinblick auf die Gesamtrechtsordnung hätte. So wäre z. B. eine Auslegung unzulässig, die ein Verhalten gestattet, welches durch eine andere Vorschrift gerade verboten wird. Ebenso wäre eine Auslegung unzulässig, die gegen geltendes Verfassungsrecht oder auch gegen Vorschriften des internationalen Rechts verstößt (hinzuweisen ist allerdings darauf, dass die „verfassungskonforme“ und die „europarechtskonforme“ Auslegung von vielen als eigenständige Auslegungsmethoden angesehen werden).