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Ich habe mich wohlgefühlt als „Stadtteilnonne“
ОглавлениеIn meinem Stadtteil hier in Rüttenscheid werde ich manchmal „die Stadtteilnonne“ genannt, weil ich schwarze Kleider anhabe und die Leute wissen: Ich bin gläubig, ich bete für sie, ich segne Leute, viele vertrauen sich mir auch seelsorgerlich an, ich habe ein paar Trauerfälle mit begleitet, ein paar Taufen und auch viele Hochzeiten in meiner CVJM-Gemeinde gestaltet. „Stadtteilnonne“ zu sein fand ich auch ganz schön. Ich hatte eine Phase, in der habe ich keinen Mann vermisst und viel gearbeitet, vielleicht ein bisschen zu viel für die Kirche. Ich habe etliche Bücher geschrieben, bin viel gereist, habe Lesungen gehalten und war als Geschichtenerzählerin unterwegs. Außerdem bin ich in vielen Ländern zu Gast gewesen und habe es sehr genossen, so unabhängig zu sein und meinen Kalender nicht mit einem anderen Menschen abstimmen zu müssen. Und trotzdem konnte ich immer wieder nach Hause kommen. Ich hatte ein Zuhause, wo gekocht wurde, da haben Leute gebetet und gesungen, es gab Gäste, und ich habe mich sofort immer als vollwertiges Mitglied gefühlt. Ich bin nie allein in eine kalte leere Wohnung gekommen.
Das Haus gehört zurzeit sechs Erwachsenen, und wir haben ein assoziiertes Ehepaar, das mit dazugehört, insgesamt also acht Erwachsene und vier Kinder. Eins von diesen Paaren ist meine Schwester mit ihrem Mann, sie beide waren von Anfang an dabei. Meine andere Schwester wohnt noch im Sauerland, dort, wo wir herkommen. Sie ist Grundschullehrerin in unserer alten Schule und ist ganz nah dran geblieben an Zuhause. Sie ist in vielem ganz anders als ich, aber sie ist mir trotzdem sehr nah: Sie ist auch geschieden, auch wieder verheiratet und ebenfalls kinderlos. Diese Brüche im Leben, die viel Traurigkeit bedeutet haben, haben uns eng miteinander verbunden. Ich muss nicht mit ihr zusammenleben, das würde auch im Alltag vielleicht nicht so gut funktionieren, aber wir sind uns sehr nah. Wenn es irgendein großes Problem gibt oder eine Traurigkeit, von der ich denke, das versteht sowieso keiner, dann würde ich wahrscheinlich als erstes Dorothea anrufen.