Читать книгу Wie im richtigen Leben - Bettina von Clausewitz - Страница 28
Sehnsucht nach einer heilen, offenen Familie
ОглавлениеFamilie war bei uns nie etwas Geschlossenes. Weihnachten zum Beispiel war es selbstverständlich, dass andere bei uns mit am Tisch saßen, die kein Weihnachten zu Hause hatten. Es durften immer Freunde und andere Leute, die es gerade brauchten, mit dabei sein. Trotzdem ist Familie etwas anderes und Besonderes.
Bei allem Respekt, den ich davor habe, würde ich gerne selbst irgendwann einmal Kinder haben – und es auch immer noch besser machen wollen. Ich glaube, ich bin auf einem guten Weg. Aber mein ganzes Leben an einem Ort, in einer Kirchengemeinde, in einer Kolonie zu verbringen, wo jeder jeden kennt und man immer darauf achten muss: „Was denken denn die Nachbarn?“, das kann ich mir nicht vorstellen. So sehr ich meine Oma auch als Vorbild habe – sie hatte nie ein eigenes Leben. Das ist mir zugutegekommen, aber ich merke, ich brauche Orte, wo ich mich selbst verwirklichen kann, und deshalb mache ich heute auch einiges anders als sie. Die vielen Auslandsreisen, die ich unternommen habe, ein Jahr als Freiwillige in Tansania direkt nach dem Abitur zum Beispiel, das hat in mir das Fernweh geweckt und die Leidenschaft für andere Kulturen.
Das ist natürlich etwas ganz anderes als das Leben meiner Großeltern in ihrem Dorf. Ich war die Erste aus der Familie, die in die Welt gegangen ist. Aber auf der anderen Seite waren sie unheimlich stolz darauf. Ein paar Jahre später hat mein Opa mir ein gebundenes Buch geschenkt, mit allen meinen Briefen und E-Mails und Fotos und Berichten von meinem Jahr in Afrika. Weil er mit dem Computer nicht so gut umgehen kann, hat er viele Stunden und Tage und Monate gebraucht, um alles abzutippen, weil er so stolz war, dass „Klein-Sarah“ nach Afrika gegangen ist. Dafür schlägt auch mein Herz. Diese offene Familie, die ich schon von zu Hause her kannte, habe ich auch in Tansania wiedergefunden. So kann ich mir Familie gut vorstellen, viel eher, als eine deutsche Kleinfamilie. Nein, das wäre kein Modell für mich.