Читать книгу Wie im richtigen Leben - Bettina von Clausewitz - Страница 15

Meine andere Schwester Katharina, die hier wohnt, bekommt natürlich meinen ganzen Alltag mit, so wie alle, die in dieser Kommunität leben. Ich würde immer sagen, das sind nicht meine besten Freunde, aber es sind meine vertrautesten – so ist eben Familie. Freunde sind noch einmal andere Menschen. Mit denen muss man auch nicht zusammenleben oder eine Küche teilen, aber wir hier, wir teilen unseren Alltag. Ganz praktisch gesagt teilen wir eine Küche, ein Wohnzimmer, ein Esszimmer, eine Kapelle, in der wir unsere gemeinsamen Gebetszeiten haben. Wir gehören alle zu derselben Gemeinde, wir sind alle sehr reiselustig, haben alle schon eine Weile in Indien gelebt – wir haben so ein gemeinsames Faible für dieses Land und ein bestimmtes Kinderheim dort – und wir haben ein Ideal von Gastfreundschaft, das wir in dieser Gruppe versuchen zu verwirklichen.

Andererseits machen wir auch bestimmt nicht immer alles gemeinsam. Ich war jetzt gerade mit Freunden im Urlaub und froh, mal mit anderen Menschen unterwegs zu sein. Mit diesen Freunden könnte ich aber, glaube ich, nicht zusammenleben, das würde wohl nicht funktionieren. Ich kann Freundschaft einerseits und Familie oder Kommunität andererseits nicht gegeneinander ausspielen. Das sind unterschiedliche Beziehungen. Aber die Leute in der Kommunität würde ich schon als meine Familie bezeichnen, weil wir unseren Alltag teilen. Die gehen mit mir durch dick und dünn, die sehen mich morgens müde an der Kaffeemaschine oder wenn ich mal zu viel getrunken habe oder wenn wir uns streiten oder wenn ich gereizt oder genervt von der Arbeit komme. Die bekommen diese ganzen dunklen Seiten von mir mit, das kann man gar nicht immer alles verstecken – eben wie in einer Familie. Du selbst bekommst auch mit, dass einer mal laut wird und eine mal weint und ganz verzweifelt oder ganz lebensmüde ist. Aber natürlich auch, dass man Erfolge hat und dass gefeiert wird und man glücklich ist und heiratet.