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1. Die Ursächlichkeit der Täterhandlung für den eingetretenen Erfolg

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Rspr.[2] und Lehre[3] bestimmen die Kausalbeziehung nach wie vor überwiegend nach der Äquivalenztheorie. Danach ist die Handlung des Täters dann für den Erfolg kausal, wenn diese Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt[4] mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Die Handlung muss also conditio sine qua non sein, wobei alle Bedingungen als gleichwertig angesehen werden (daher der Name Äquivalenztheorie; der Anstifter zu einem Mord ist also ebenso kausal für den Mord wie der Vater als Erzeuger des Mörders).

In der sog. Ledersprayentscheidung hat der BGH[5] für den Kausalitätsnachweis die Feststellung genügen lassen, dass für die Körperschädigung eine andere Ursache als das Lederpflegemittel nicht ersichtlich ist, sodass es also keine andere plausible Erklärung für den Erfolg gibt.[6] Nicht erforderlich ist dagegen laut BGH die genaue Bestimmung der verantwortlichen chemischen Reaktionen. Dagegen hat sich zwar ein Teil der Lit. mit dem Argument gewandt, dass ein Kausalzusammenhang ohne die Feststellung der konkreten Ursache nicht mit der notwendigen Sicherheit nachweisbar sei.[7] Diese Literaturauffassung ist aber abzulehnen, wie ein Bsp. von Hassemer zeigt:[8]

Beispiel: A sticht zehnmal auf sein Opfer ein. Das Opfer stirbt, aber welcher Stich genau den Tod verursacht hat, bleibt ungeklärt. Auch hier kann die Kausalität der Handlung des A bejaht werden, auch wenn die Ursache über eine Zuordnung zur Person des A hinaus nicht weiter spezifiziert werden kann.

Zu weit geht der BGH allerdings in der sog. Holzschutzmittelentscheidung,[9] in der er Kausalität sogar in einem Fall für gegeben erachtete, in dem an einem Ursachenzusammenhang Zweifel wissenschaftlicher Art bestanden (Sachverständigenstreit). Zu Recht wendet Roxin hiergegen ein, dass der Richter keine wissenschaftlichen Streitfragen lösen kann, die die Wissenschaft selbst noch nicht gelöst hat.[10]

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Abgesehen von diesen Einzelfragen wirft die Äquivalenztheorie jedoch allgemeine Probleme auf, die sie zu einem umstrittenen Instrument der Kausalitätsfeststellung machen:

Problem 1: Die Formel vom Hinwegdenken „setzt voraus, was durch sie erst ermittelt werden soll“:[11]

Beispiel: Wenn man wissen will, ob Contergan Schäden verursacht hat, nützt es nichts, wenn man die Verabreichung des Mittels hinweg denkt, es sei denn man weiß bereits, dass es sie verursacht hat.

Problem 2: Fälle alternativer Kausalität lassen sich mit dieser Formel nicht lösen:

Beispiel: A und C mischen dem B unabhängig voneinander je eine zur selben Zeit wirkende tödliche Dosis Gift ins Essen.

Hier werden beide Handlungen im konkreten Erfolg tatsächlich wirksam, sodass jede Handlung durchaus hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Die Lit. greift daher hier zu einem Trick und formuliert wie folgt: Die Handlungen sind beide kausal, wenn sie zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele.[12] Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass dies in Wahrheit eine Verabschiedung von der conditio sine qua non-Formel bedeutet.

Problem 3: Fälle, in denen ein hypothetischer Kausalverlauf ebenfalls zum Tode geführt hätte, sind nach der Äquivalenztheorie ebenfalls problematisch:

Beispiel: B soll hingerichtet werden. Gerade als das Erschießungskommando schießen will, tötet A den B durch einen Schuss ins Herz.

Hier wäre der Tod auch ohne die Handlung des A eingetreten und sogar möglicherweise auch durch einen Herzschuss. Diesem Problem ist nur auszuweichen, indem man den konkreten Erfolg noch enger fasst oder indem man, wie es die h. M. tut, darauf hinweist, dass hypothetische Kausalverläufe bei der Bestimmung der Kausalität keine Rolle spielen. Auch damit wird aber in Wahrheit nur eine Schwächung der conditio sine qua non-Formel erreicht.

Problem 4: Die Äquivalenztheorie führt zu einem regressus ad infinitum,[13] d. h. zu einem Rückgriff bis ins Unendliche, weil von ihr auch Bedingungen erfasst werden, die für den Erfolg rechtlich offensichtlich irrelevant sind.

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Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang noch darauf, dass sich gerade für bestimmte problematische Fälle allgemeine Schlagworte herausgebildet haben, die das Bestehen einer Kausalitätsbeziehung deutlich machen bzw. Schwierigkeiten bei deren Feststellung verdecken sollen. Man sollte diese Schlagworte daher zumindest kennen, ohne sich freilich von ihnen beirren zu lassen:

Hypothetische Kausalität [14]

Beispiel: B soll hingerichtet werden. Bevor das Erschießungskommando schießen kann, tötet A den B.

Eine Berufung des A auf die hypothetische Kausalität der Schüsse des Kommandos soll hier unzulässig sein und die Ursächlichkeit des A für den Tod des B nicht berühren.

Überholende Kausalität

Beispiel: B verabreicht dem C ein tödliches Gift, das diesen in einer Stunde töten wird. Zuvor kommt aber A und erschießt den C.[15]

Lösung: Hier ist die von B gesetzte Ursache (Vergiftung des C) für den Tod des C nicht kausal geworden, weil A den ersten, durch B ausgelösten Kausalverlauf überholt hat.

Anders ist es, wenn B den C, nachdem er ihn überfahren hat, auf der Straße liegen lässt und anschließend der A mit seinem Auto daherkommt und ebenfalls über den auf der Straße liegenden C fährt. Dann ist auch B selbstverständlich für den konkreten Tod des C kausal geworden, denn er hat den C durch das Anfahren derart auf die Straße geschleudert, dass dieser erst in der konkreten Weise durch den nachfolgenden A überfahren werden konnte. Im Übrigen ist dann auch die objektive Zurechnung des Erfolges zum Ersthandelnden zu bejahen, da sich die typische Gefahr des Unfalls letztlich im Erfolg verwirklicht hat (es ist die Gefahr eines Unfalls, bei dem ein Dritter auf die Straße geschleudert wird, dass dieser durch nachfolgende Autos nochmals überfahren wird; dagegen ist Kausalität, nicht aber Zurechenbarkeit zu bejahen, wenn jemand die Lage des Opfers C für einen Kopfschuss ausgenutzt hätte, denn es ist nicht die Gefahr eines Unfalls, dass das Opfer in seiner Hilflosigkeit erschossen wird. B wäre in diesem Fall daher nur wegen fahrlässiger Körperverletzung zu bestrafen, da sich die von ihm geschaffene Unfallgefahr dann nicht mehr im Erfolg realisiert hätte). Vgl. zu den Fragen der objektiven Zurechnung im Einzelnen u. Rn. 36 ff.

Kumulative Kausalität

Beispiel: A und C geben dem B unabhängig voneinander[16] eine je für sich gesehen nicht tödliche Menge Gift (jeweils 0,1 g) ins Essen. Nur durch das Zusammenwirken (also durch die 0,2 g) wird der Tod herbeigeführt.[17]

Lösung: Hier ist jeder der beiden Täter für den Tod kausal geworden. Eine andere Frage ist dagegen, ob der Erfolg den Tätern jeweils auch objektiv zurechenbar ist (vgl. dazu u. Rn. 75 a. E.!).

Alternative Kausalität

Beispiel: A und C mischen unabhängig voneinander dem B je eine zur selben Zeit wirkende tödliche Dosis Gift ins Essen.

Lösung: Gerade weil hier der Erfolg gleichzeitig durch beide Handlungen bewirkt wurde, passt die Formel vom Hinwegdenken nicht mehr und bildet – wie gesehen – eines der Hauptprobleme der conditio sine qua non-Formel. Das Schlagwort alternative Kausalität kann darüber nicht hinwegtäuschen und der Hinw. der h. M., dass die Handlungen zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, entlarvt in Wahrheit nur die Schwäche der Formel.

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In der Lit. hat sich aufgrund der Schwächen der Äquivalenztheorie (vor allem im Bereich der alternativen und hypothetischen Kausalität) eine Lehre zur Kausalitätsfeststellung entwickelt, die als sog. Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung mittlerweile verbreitet vertreten wird.[18] Danach soll eine Handlung dann kausal sein, wenn sich an sie zeitlich nachfolgende Veränderungen in der Außenwelt angeschlossen haben, die mit der Handlung gesetzmäßig verbunden sind und sich als tatbestandsmäßiger Erfolg darstellen. Diese von Engisch entwickelte Formel[19] hat den Vorteil, dass sie nicht danach fragt, was ohne die Handlung passiert wäre, sondern was durch sie passiert ist.

Auch diese Lehre versagt aber etwa bei der sog. psychisch vermittelten Kausalität. Denn zumindest wenn man Willensfreiheit voraussetzt,[20] lässt sich der Vorgang der Willensbildung (etwa bei der psychischen Beihilfe), wie Rothenfußer[21] überzeugend nachgewiesen hat, nicht gesetzmäßig erklären. Rothenfußer entwickelt daher ein Kausalitätskonzept, bei dem die Ursächlichkeit durch das Kausalitätskriterium der „notwendigen Bedingung“ definiert wird, wobei dafür genügt, dass eine historische Zustandsveränderung in irgendeiner Weise mit vorangegangenen Ereignissen verknüpft ist und daher als Folge dieser vorangegangenen Ereignisse betrachtet werden kann,[22] sodass alle Ereignisse, die zu dem Erfolg geführt haben, in die Betrachtung mit einzubeziehen sind.[23] Dieses Konzept verdient nicht zuletzt deshalb Beachtung, weil es die bislang bestehenden Probleme bei der Kausalitätsbestimmung – etwa bei Gremienentscheidungen[24] – beseitigt. In der Klausur freilich sollte man einstweilen mit den herkömmlichen Lehren arbeiten.

Achtung Klausur: Studierende sollten überhaupt die Problematik in der Fallbearbeitung nicht überstrapazieren und grundsätzlich von der Äquivalenztheorie ausgehen. Nur dort, wo sich ein Problem der alternativen oder hypothetischen Kausalität stellt, bietet es sich an, auf den Streit näher einzugehen und sich der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung anzuschließen. In allen anderen Fällen lässt sich dagegen Kausalität grundsätzlich mit der Äquivalenztheorie bejahen und eine etwa erforderliche Einschränkung über die Lehre von der objektiven Zurechnung erreichen (s. sogleich Rn. 36 ff.).

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