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c) Erfolge außerhalb des Schutzbereichs der Norm

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Beispiel 1: A und B fahren in der Nacht auf unbeleuchteten Fahrrädern. Der vorausfahrende A stößt mit dem C zusammen, der eine letale Hirnquetschung erleidet. Wäre das Fahrrad des hinter A fahrenden B ordnungsgemäß beleuchtet gewesen, so hätte B den A so ausgeleuchtet, dass der entgegen kommende C den A erkannt hätte. Ist der Tod des C dem B zuzurechnen?[36]

Lösung: Nach h. M. ist hier die Zurechnung zu verneinen, da die Beleuchtungspflicht nur dazu dient, auf sich selbst aufmerksam zu machen, nicht aber auf andere, sodass die Verhinderung der hier zu verzeichnenden Erfolgsbewirkung außerhalb des Schutzzwecks der Sorgfaltsnorm (Beleuchtungspflicht!) liegt.[37]

Beispiel 2: A fährt zwar ordnungsgemäß, hat aber keinen Führerschein und fährt den ihm vor den Wagen springenden Rentner R tot.

Lösung: Der Schutzbereich der Norm (Führerscheinpflicht!) erstreckt sich nicht auf die Verhinderung der hier vorliegenden Todesverursachung, da die Fahrerlaubnis lediglich sicherstellen soll, dass der Verkehrsteilnehmer sich ordnungsgemäß im Straßenverkehr bewegen kann. A ist daher nicht nach § 222 StGB strafbar, sondern nur nach § 21 I StVG (Fahren ohne Fahrerlaubnis; entgegen einer unter Laien und teilweise sogar unter Jurastudierenden weit verbreiteten Auffassung handelt es sich dabei nicht um einen bloßen Bußgeldtatbestand!).

Beispiel 3: A fährt in einer Ortschaft mit überhöhter Geschwindigkeit durch die X-Straße (was später durch ein Radarfoto nachgewiesen werden kann). In der Y-Straße fährt er wieder ordnungsgemäß 50 km/h, überfährt dort aber das kleine Mädchen M, das ihm plötzlich vor den Wagen springt. In der konkreten Situation hätte mit 50 km/h niemand mehr rechtzeitig bremsen können. Kann dem A der Tod im Rahmen des § 222 StGB mit dem Argument zugerechnet werden, dass M die Straße schon längst überquert gehabt hätte, wenn A nicht in der X-Straße zu schnell gefahren wäre?[38]

Lösung: Hier käme zwar als Sorgfaltswidrigkeit das zu schnelle Fahren in der X-Straße durchaus in Betracht. Aber es fehlt der Pflichtwidrigkeitszusammenhang in Bezug auf den eingetretenen Erfolg, da sich dieser außerhalb des Schutzzwecks der Norm bewegt.[39] Denn die Geschwindigkeitsvorschriften wollen nicht verhindern, dass sich ein Fahrer zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort befindet, sondern sie sollen gewährleisten, dass in einer konkret kritischen Situation rechtzeitig reagiert werden kann.

Beispiel 4:[40] A fuhr mit seinem Transporter auf eine Kreuzung mit Ampel zu, die er geradeaus überqueren wollte. Für A galt eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, er fuhr jedoch mindestens 65 km/h. Von links kommend näherte sich D, der die Kreuzung ebenfalls geradeaus überqueren wollte. Für diesen galt eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, er fuhr jedoch nur 30 km/h. Beide Fahrzeugführer überfuhren nahezu gleichzeitig die jeweils für sie geltende Haltelinie an der Kreuzung; wem ein Rotlichtverstoß zur Last fiel, ließ sich nicht klären. Als A das Fahrzeug des D wahrnahm, bremste er sofort. Der Transporter traf dennoch mit großer Wucht auf die rechte Fahrzeugseite des Fahrzeugs des D, wodurch dessen Beifahrer O zu Tode kam. Wäre A nicht schneller als 50 km/h gefahren, als D die Haltelinie überfuhr, so wäre er 0,7 Sekunden später am Unfallort gewesen. D wäre dann bereits 6 Meter weiter über die Kreuzung gefahren gewesen, sodass es zu keiner Kollision gekommen wäre.

Lösung: Das OLG Hamm hat hier zu Recht – anders als in Beispiel 3 – den Erfolg für zurechenbar gehalten, wenn D und sein Beifahrer die spätere Unfallstelle zu dem Zeitpunkt bereits passiert gehabt hätten, zu dem A bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit am Unfallort eingetroffen wäre; denn auch in einem solchen Fall verwirklichen sich die Gefahren des Fahrens mit überhöhter Geschwindigkeit, vor denen die Geschwindigkeitsregeln gerade schützen sollen. Im Unterschied zu Beispiel 3 geht es hier nämlich um ein Fehlverhalten des A in der kritischen Verkehrssituation als solcher. Und hier ist es natürlich sehr wohl auch der Sinn der Einhaltung der Geschwindigkeitsvorschriften, dass andere noch die Möglichkeit haben, einem Unfall durch Verlassen des Gefahrenbereichs gerade noch zu entgehen. Das gilt selbst dann, wenn D 30 km/h gefahren ist und bei Rot über die Haltelinie gefahren ist. Denn zwar kann jeder Verkehrsteilnehmer darauf vertrauen, dass andere Verkehrsteilnehmer ordnungsgemäß fahren (deshalb darf man bei Grün über die Ampel fahren, ohne zu schauen, dass der andere bei Rot auch wirklich hält), jedoch gilt dies nicht, wenn man sich selbst verkehrswidrig verhält, wie es A hier durch das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit getan hat.

Achtung Klausur: Fährt A mit überhöhter Geschwindigkeit den B an und erleidet dieser eine Wundinfektion, durch die er aufgrund seines geschwächten Gesundheitszustands verstirbt, so ist auch dies durchaus vom Schutzzweck gedeckt, da die Geschwindigkeitsbegrenzung selbstverständlich auch dazu dient, derartige spätere Unfallfolgen zu verhindern.[41] Dies soll nach OLG Stuttgart selbst dann gelten, wenn sich A im Krankenhaus aufgrund seines geschwächten Zustands (das ist allerdings notwendige Voraussetzung!) bei der ersten Nahrungsaufnahme verschluckt und daran verstirbt.[42] Mir erscheint dies allerdings zu weitgehend, da sich im Verschlucken nicht mehr das typische Risiko der Unfallverursachung verwirklicht. Jedenfalls aber wird die Zurechnung dann unterbrochen, wenn die Aufnahme fester Nahrung grob fahrlässig von einem Arzt verfrüht angeordnet oder zugelassen wurde (vgl. zum Einfluss ärztlichen Fehlverhaltens auf die Möglichkeit einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs u. Rn. 48 ff.).

Examens-Repetitorium Strafrecht Allgemeiner Teil, eBook

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