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6.Prozessführungsbefugnis und Sachlegitimation

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85Prozessführungsbefugnis ist das Recht, im eigenen Namen über ein materielles Recht zu prozessieren. Sie steht grundsätzlich demjenigen zu, der an dem streitigen Rechtsverhältnis materiell beteiligt ist. Sie ist Sachurteilsvoraussetzung, fehlt sie, ist die Klage als unzulässig abzuweisen (BGH NJW 2000, 738). Demgegenüber ist die Sachlegitimation eine Frage des materiellen Rechts und damit der Begründetheit. Der Gläubiger ist aktiv-, der (richtige) Schuldner ist passivlegitimiert.

Beispiel

K klagt gegen B auf Unterlassung einer Handlung aus einem Unterlassungsvertrag. Stellt sich heraus, dass der Vertrag – damit der Unterlassungsanspruch – nicht besteht, ist K nicht aktivlegitimiert; die Klage ist als unbegründet abzuweisen. Stellt sich heraus, dass zwar der Vertrag besteht, der K ihn aber nicht mit B, sondern mit C geschlossen hat, dann hat K den Falschen verklagt, dieser ist nicht passivlegitimiert, die Klage ist ebenfalls als unbegründet abzuweisen.

86Die Prozessführungsbefugnis steht grundsätzlich demjenigen zu, der selbst Rechtsinhaber ist. Bedeutsam wird die Frage der Prozessführungsbefugnis dann, wenn die Rechtsordnung ausnahmsweise die Befugnis zur Prozessführung im eigenen Namen einer anderen als der am materiellen Rechtsverhältnis beteiligten Persson zuweist. Die Prozessführungsbefugnis kann – kraft Gesetzes oder gewillkürt – demjenigen zustehen, der fremde Rechte im eigenen Namen verfolgt. Das Recht im eigenen Namen über ein fremdes Recht zu prozessieren nennt man Prozessstandschaft. Die Prozessstandschaft ist nur in besonderen Fällen zulässig:

87a) Gesetzliche Prozessstandschaft. Diese besteht bei den Parteien kraft Amtes (vgl. oben 4.) und im Falle des § 265 Abs. 2 ZPO. Ferner bei der Erbengemeinschaft, § 2039 BGB; actio pro socio (BGH NJW 2001, 1210) und bei Ehegatten, §§ 1368, 1369, 1629 Abs. 3 BGB.

Klausurproblem: Der Beklagte veräußert während des Prozesses den streitgegenständlichen Pkw; dies ist zulässig und hat auf den Prozess keinerlei Einfluss, § 265 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte, der damit nicht mehr Eigentümer/Besitzer des Pkw ist, verliert damit sein Recht an der Sache, die Sachlegitimation, was an sich zur Abweisung der Klage führen müsste. Aber es liegt ein Fall der gesetzlicher Prozessstandschaft, § 265 Abs. 2 ZPO, vor, der B prozessiert weiter als Prozessstandschafter über ein fremdes Recht.

Klausurproblem: Verkauft der Ehemann den gemeinsamen Fernsehapparat ohne die Einwilligung der Ehefrau, so kann diese nach §§ 1368, 1369 BGB die Rechte gegenüber Dritten kraft gesetzlicher Prozessstandschaft im eigenen Namen geltend machen.

88b) Gewillkürte Prozessstandschaft. Sie liegt vor, wenn die Befugnis über ein fremdes Recht zu prozessieren, einem Dritten durch Rechtsgeschäft übertragen wird. Dies kann nur auf Klägerseite geschehen. Sie ist nur zulässig, wenn der Rechtsträger den Dritten ermächtigt hat (auch stillschweigend; BGH NJW-RR 2002, 1377) und die Rechtsausübung übertragbar ist (BGH NJW 1983, 1561). Zum Schutz des Gegners verlangt die Rechtsprechung ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Prozessführung über das fremde Recht (BGH NJW 2003, 2232) und dass dem Gegner kein Nachteil entsteht. Dieses wird anerkannt, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessstandschafters hat (BGH NJW-RR 1988, 127) oder wenn ein wirtschaftliches Eigeninteresse besteht (BGH NJW 1995, 3186) und der Kläger ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozessführung hat.

Klausurproblem: Das Haus des Eigentümers E ist bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden, da mehrere Pkw auf das Haus gefahren sind. E ermächtigt seine Ehefrau, die bei dem Unfall mit ihrem Fahrzeug beteiligt war, in ihrem Ersatzprozess auch seine Schadensersatzansprüche im eigenen Namen gegen den Unfallgegner mit geltend zu machen. Hier ist die Prozessstandschaft wohl zulässig, da die Entscheidung des Rechtsstreits auch Einfluss auf die Rechtslage der Standschafterin hat. Sie haftet u. U. aus dem Verkehrsunfall gegen ihren Ehemann.

89Gewillkürte Prozessstandschaft ist anerkannt: Beim Treuhänder, den Berechtigten im Falle der sog. Drittschadensliquidation (vgl. BGHZ 25, 258) und beim Schuldner im Insolvenzverfahren, wenn er mit Ermächtigung des Insolvenzverwalters eine Insolvenzforderung geltend macht (BGH NJW 1987, 2018). Eine Einziehungsermächtigung reicht zur Annahme der Prozessführungsbefugnis jedenfalls dann aus, wenn für die Einziehung eine Provision gewährt wird (BGH NJW 1988, 1210; str.). Die Schutzwürdigkeit des Eigeninteresses fehlt bei unbilliger Beeinträchtigung der Belange des Prozessgegners, die aber bei Gefährdung des Kostenerstattungsanspruches (BGH NJW 1999, 1717) oder bei Beweisnachteilen (BGH NJW-RR 1988, 127) noch nicht vorliegt.

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