Читать книгу Grundwissen Zivilrecht im Assessorexamen - Christian Kaiser - Страница 26
8.Beteiligung Dritter am Rechtsstreit
Оглавление95a) Hauptintervention. In der Praxis wenig bedeutsam ist die Hauptintervention, wenn ein Dritter eine Sache oder ein Recht, worüber die Parteien einen Rechtsstreit führen, für sich in Anspruch nimmt.
Beispiel
A klagt gegen B auf Herausgabe eines Klaviers. C meint, das Klavier gehöre ihm. Er kann Hauptintervention gegen A und B erheben. Der Dritte kann im Wege der Hauptintervention seinen Anspruch durch eine gegen beide Prozessparteien gerichtete Klage geltend machen, § 64 ZPO. Der Hauptprozess kann auf Antrag bis zur Entscheidung über die Hauptintervention ausgesetzt werden, § 65 ZPO.
96b) Nebenintervention. Ist ein Außenstehender daran interessiert, dass eine Partei im Prozess obsiegt, kann er, wenn es sich dabei um ein rechtliches Interesse handelt, dieser Partei als Nebenintervenient im Rechtsstreit beitreten, § 66 ZPO (häufig in Bauprozessen). Das rechtliche Interesse besteht, wenn sich die Rechtsstellung des Dritten durch die Entscheidung rechtlich verbessern oder verschlechtern kann, etwa wenn die Hauptpartei im Falle des Unterliegens gegen den Dritten einen Regressanspruch hat (BGH WM 2006, 1252). Ein tatsächliches, ideelles oder rein wirtschaftliches Interesse reicht hingegen nicht.
Klausurproblem: Der Bauherr klagt gegen seinen Vertragspartner – den Generalunternehmer – der einen Wohnblock errichtet hat, auf Mangelbeseitigung oder Schadensersatz für Elektroarbeiten. Der Subunternehmer (der Elektriker) befürchtet Regressansprüche des Generalunternehmers für den Fall, dass dieser den Rechtsstreit verliert. Ein typischer Fall der Nebenintervention, da der Subunternehmer, der ja „sachnäher“ ist, den Generalunternehmer in der Prozessführung unterstützen will. Er hat ein Interesse, dass der Generalunternehmer den Rechtsstreit gewinnt, da sich sonst der Generalunternehmer bei ihm versucht schadlos zu halten.
97c) Streitverkündung. In aller Regel geschieht die (Neben-) Intervention nicht freiwillig, denn wenn der Dritte interveniert, gilt die Interventionswirkung, § 68 ZPO (sogleich unten d)). Um diese Wirkung zu erreichen, wird meist eine Partei den Dritten in den Rechtsstreit hineinziehen, durch Streitverkündung, § 72 ZPO. Dies ist möglich, wenn eine Partei im Falle ihres Unterliegens gegen den Dritten einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung haben könnte oder sich selbst einem Anspruch ausgesetzt sieht, insbesondere wegen Regressansprüchen. Die Streitverkündung erfasst auch Ansprüche aus sog. Alternativverhältnissen, nämlich wenn der gerichtlich geltend gemachte Anspruch gegen den Dritten besteht, falls er gegen den dortigen Beklagten verneint wird. Letztlich befugt auch die subsidiäre Haftung des Zweitschuldners zur Streitverkündung (BGH NJW 2008, 519).
Klausurproblem: Der Kläger verklagt den Vertretenen auf Erfüllung, dieser wendet ein, der Vertreter habe ohne Vertretungsmacht gehandelt und hafte selbst nach §§ 177, 179 BGB. Eine Streitverkündung ist möglich.
Die Form der Streitverkündung ergibt sich aus § 73 ZPO. Zum Zwecke der Streitverkündung hat die Partei bei Gericht einen Schriftsatz einzureichen, aus dem sich die Streitverkündung, der Streitverkündete, der Grund der Streitverkündung und die derzeitige Lage des Rechtsstreits ergeben. Diese Streitverkündung wird dem Streitverkündeten zugestellt, der Gegner erhält sie in Abschrift. Die Streitverkündung wirkt ab Zustellung. Tritt der Streitverkündete dem Rechtsstreit bei, so besteht die gleiche Lage wie bei Nebenintervention, § 74 Abs. 1 ZPO. Tritt er nicht bei oder meldet er sich nicht, so wird der Prozess ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt, § 74 Abs. 2 ZPO.
98d) Wirkung der Streitverkündung. Durch den Beitritt wird der Dritte Streithelfer der Hauptpartei, nicht jedoch Partei des Prozesses (BGH NJW 1995, 199), seine Befugnisse ergeben sich aus den §§ 67, 68, 74 ZPO. Es ergeht daher auch keine Entscheidung für ihn oder gegen ihn. Im Rubrum des Urteils wird er im Anschluss an die unterstützte Hauptpartei aufgenommen. Er muss den Prozess in der Lage annehmen, in der er sich zur Zeit des Beitritts befindet. Er darf selbstständig Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen, darf sich allerdings nicht in Widerspruch zur Hauptpartei setzen (BGH NJW 2008, 261). Er darf auch nicht durch Klagerücknahme, Verzicht, Anerkenntnis, Vergleichsabschuss oder Aufrechnung mit einer Forderung der Hauptpartei über den Streitgegenstand verfügen, § 67 ZPO. Da er nicht Partei ist, kann er als Zeuge vernommen werden. Bei Säumnis der Hauptpartei kann er für diese die Säumnisfolgen abwenden oder sogar selbstständig Rechtsmittel einlegen, jedoch nur „für die Hauptpartei“ (BGH NJW 2001, 1355).
Die wichtigste Folge ist jedoch die Interventionswirkung, § 68 ZPO. Diese gilt für den Nebenintervenienten und auch für den Streitverkündeten über § 74 ZPO. Dabei ist gleichgültig, ob dieser beitritt oder nicht, auch bei Nichtbeitritt gilt die Interventionswirkung. Da der Nebenintervenient auf den Hauptprozess Einfluss nehmen kann, wird er im Folgeprozess zwischen ihm und der unterstützten Partei nicht mit der Behauptung gehört, der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, sei unrichtig entschieden, weil der Prozess durch die Hauptpartei mangelhaft geführt worden sei. Dies gilt jedoch insoweit nicht, als der Streithelfer im Erstprozess an der Geltendmachung von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln gehindert war, etwa wegen des Widerspruchs der Hauptpartei, wegen des fortgeschrittenen Stadiums des Rechtsstreits zur Zeit der Streitverkündung bzw. Nebenintervention oder wegen absichtlichen oder grob verschuldeten Zurückhaltens von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln durch die Hauptpartei.
Klausurproblem: Der Beklagte verkündet dem Dritten erst kurz vor Abschluss des Prozesses den Streit. Die Interventionswirkung greift dann meist weitgehend ins Leere, weil sich der Dritte darauf berufen kann, dass der Prozess falsch geführt worden sei und er keinen Einfluss auf den Prozess mehr habe nehmen können. Der Dritte wird deshalb beim Regressprozess des Beklagten nochmals eine Beweisaufnahme erzwingen können.
Bei der Interventionswirkung entfaltet nicht nur die im Tenor des Erstprozesses ausgesprochene Rechtsfolge Bindungswirkung, diese bezieht sich auch auf die tragenden tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Entscheidung in den Urteilsgründen (BGH MDR 2004, 464). Die Streitverkündung zwingt den Dritten nicht zum Beitritt, die Interventionswirkung im Folgeprozess trifft ihn jedoch nach Streitverkündung auch dann, wenn die Streitverkündung im Erstprozess zulässig war und kein Beitritt erfolgt ist. Die Zulässigkeit der Streithilfe ist bei Beitritt des Streithelfers im Erstprozess – mit Ausnahme der Sachurteilsvoraussetzungen – nur auf Antrag zu prüfen, § 71 ZPO. Die Zulässigkeit der Streitverkündung wird im Fall der Ablehnung des Beitritts erst im Folgeprozess im Rahmen der Beurteilung der Interventionswirkung geprüft.