Читать книгу Grundwissen Zivilrecht im Assessorexamen - Christian Kaiser - Страница 35

2.Eingangsverfügung des Richters

Оглавление

127a) Vorlage der Akte an Richter. Nach Zuteilung der Rechtssache wird die Akte dem Richter vorgelegt. Er hat dann:

(1) Den Streitwert festzusetzen, damit der Kostenbeamte den Vorschuss nach § 12 Abs. 1 GKG einfordern kann, dabei ist nach § 4 Abs. 1 ZPO für die Wertberechnung zunächst der Zeitpunkt der Einreichung der Klage bei Gericht entscheidend;

(2) Die Verfahrensart zu wählen, § 272 Abs. 2 ZPO: Früher erster Termin, § 275 ZPO, oder schriftliches Vorverfahren, § 276 ZPO;

(3) Die Zustellung der Klage und der getroffenen Verfügung zu veranlassen (siehe insoweit unten 3.).

128b) Verfahrensart. Nach § 272 Abs. 1 ZPO ist der Rechtsstreit in einem umfassend vorbereiteten Termin zur mündlichen Verhandlung zu erledigen. Dieser Haupttermin und die Güteverhandlung sollen so früh wie möglich stattfinden, § 272 Abs. 3 ZPO. Der Richter soll daher bereits bei Klageeingang die umfassende Vorbereitung des Haupttermins in die Wege leiten. Die ZPO bietet hierfür zwei Möglichkeiten. Entweder den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung nach § 275 ZPO oder das schriftliche Vorverfahren nach § 276 ZPO. Die Entscheidung welche Verfahrensart angeordnet wird trifft der Richter, § 272 Abs. 2 ZPO, unter dem Gesichtspunkt, auf welchem Weg die frühzeitige Sammlung des entscheidungserheblichen Streitstoffs besser oder die Erledigung des Rechtsstreits schneller herbeizuführen ist. Ganz entscheidend ist sicher der Typ des Richters. Will er Sicherheit und alles ausgeschrieben haben, damit keine Überraschungen mehr auftreten können, dann wählt er das schriftliche Vorverfahren. Ist er offen für Überraschungen und kann damit gut umgehen, dann wird er den frühen ersten Termin mit den besseren Erledigungsmöglichkeiten wählen. Er hat vor seiner Entscheidung kein rechtliches Gehör zu gewähren, sie ist in Form einer „Verfügung“ unanfechtbar (BGHZ 86, 31).

Früher erster Termin, § 275 ZPO Schriftliches Vorverfahren, § 276
Inhalt der Eingangsverfügung: (1) Zustellung der Klage mit Terminsbestimmung, §§ 271, 274 ZPO, (2) Fristsetzung bzw. Aufforderung nach § 275 Abs. 1 ZPO, (3) Vorbereitung des Termins durch Maßnahmen nach § 273 ZPO, insbes. Ladung von Zeugen und Sachverständigen, Einholung von Auskünften, Anordnung des persönlichen Erscheinens und Hinweise nach § 139 ZPO. Inhalt der Eingangsverfügung: (1) Zustellung der Klage ohne Terminsbestimmung, (2) Aufforderung zur Verteidigungsanzeige, § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO, (3) Fristsetzung zur Klageerwiderung, § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
Der frühe erste Termin ist vollwertiger Verhandlungstermin – § 278 ZPO, Gütetermin vorweg – Falls keine Beendigung: Vorbereitung des Haupttermins, § 275 Abs. 2 ZPO Der weitere Verfahrensverlauf hängt vom Beklagten ab: – 1. Alt.: Der Beklagte erkennt an – es ergeht Anerkenntnisurteil, § 307 Abs. 2 ZPO – 2. Alt.: Keine Verteidigungsanzeige – es ergeht Versäumnisurteil, § 331 Abs. 3 ZPO (bei Vorliegen der sonst. Voraussetzungen.) – 3. Alt. (Regelfall): Die Verteidigungsanzeige des Beklagten geht fristgemäß ein – es folgt der Haupttermin
Anmerkungen: 1. Formalien a) Zustellung der Klagschrift unverzüglich von Amts wegen, §§ 271 Abs. 1, 270 ZPO, b) Terminsbestimmung, §§ 272 Abs. 2, Abs. 3, 216 ZPO, Einlassungsfrist mindestens 2 Wochen, § 274 Abs. 3 ZPO (bei Verstoß kann kein Versäumnisurteil ergehen, § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), c) Ladung zum Termin – zusammen mit der Zustellung der Klage –, § 274 Abs. 2 ZPO, d) Bei Landgerichtsprozess: Aufforderung an Beklagten zur Anwaltsbestellung nach §§ 271 Abs. 2, 275 Abs. 1 ZPO Anmerkungen: 1. Formalien a) Zustellung der Klageschrift unverzüglich von Amts wegen, §§ 276 Abs. 1 Satz 1, 271 Abs. 1, 270 ZPO, b) Aufforderung zur Verteidigungsanzeige, § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO (dies ist eine Notfrist i. S.v § 224 Abs. 1 ZPO) c) Belehrung über Folgen, § 276 Abs. 2 ZPO (andernfalls § 335 Abs. 1 Nr. 4).
2. Aufforderung zur Klageerwiderung nach § 275 ZPO a) mit Fristsetzung (Abs. 1 Satz 1), dann gilt § 296 Abs. 1 ZPO b) ohne Fristsetzung (Abs. 1 Satz 2), dann gilt § 296 Abs. 2 ZPO 2. Die Frist zur Klagerwiderung, § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO, ist keine Notfrist.

129c) Das schriftliche Vorverfahren. Es gründet sich darauf, dass die Parteien durch den mehrfachen Austausch von Schriftsätzen die streitigen Sach- und Rechtsfragen deutlicher darstellen können. Der Beklagte teilt zunächst mit, ob er sich überhaupt gegen die Klage verteidigen will. Sodann kann er in seiner Klageerwiderung ausführlich zu den Behauptungen des Klägers Stellung nehmen. Der Kläger kann wiederum Replik halten, der Beklagte hierzu in einer Duplik erneut Stellung nehmen.

Der Hauptvorteil des schriftlichen Vorverfahrens ist, dass beim Amtsgericht und beim Landgericht eine größere Zahl an Verfahren durch Versäumnisurteil (oder Anerkenntnisurteil) abgeschlossen werden. Da dies auch ohne mündliche Verhandlung im Wege des schriftlichen Vorverfahrens möglich ist, §§ 276 Abs. 1 Satz 1, (307), 331 Abs. 3 ZPO, kann das Gericht auf diesem Wege viele Termine einsparen. Dieses Verfahren bietet auch die Chance, die entscheidungserheblichen und streitigen Tatsachen frühzeitig festzustellen und einen Haupttermin durch konzentrierte und gelenkte Stoffsammlung effektiv vorzubereiten. Der Rechtsstreit ist dann i. d. R. „ausgeschrieben“, was sich aber auch als großer Nachteil erweisen kann, weil dann die Akte viel umfangreicher ist und die Möglichkeiten für einen Vergleich dadurch oft wesentlich eingeschränkt werden.

130d) Der frühe erste Termin. Er ist die in § 272 Abs. 2 ZPO vorgesehene zweite Möglichkeit, den späteren Haupttermin vorzubereiten, wobei nach § 278 Abs. 2 ZPO der streitigen Verhandlung i. d. R. auch hier eine Güteverhandlung vorausgeht. Es handelt sich um eine mündliche Verhandlung, die sich in Inhalt und Ablauf von einem nachfolgenden Haupttermin kaum unterscheidet. Der frühe erste Termin ist vollwertiger Verhandlungstermin (BGHZ 86, 36).

131Der größte Vorteil des frühen ersten Termins ist das Gespräch mit den Parteien und damit vor allem die Möglichkeit der Prozesserledigung durch Vergleich, Klagerücknahme oder Anerkenntnisurteil. Der Prozess ist noch nicht ausgeschrieben, die Erledigungsmöglichkeit daher sehr groß. In diesem Stadium erfordert der Prozess allerdings große Flexibilität und Fantasie des Richters, der auch entsprechend schnell reagieren muss. In der Praxis wird die Erledigung im frühen ersten Termin bei sachgerechter Vorbereitung nach § 273 ZPO sehr häufig sein, oft können auch weitere Punkte gleich mit erledigt werden. Außerdem ist es im Gespräch besser möglich, die tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkte herauszuarbeiten und die nötigen Anordnungen zu treffen, damit im Haupttermin die nötige Aufklärung vollends erfolgen kann, § 275 Abs. 2 ZPO.

132e) Besondere Verfahrensgestaltung vor dem Amtsgericht. Bei Verfahren mit einem Zuständigkeitsstreitwert von maximal 600,– Euro erlaubt § 495a ZPO dem Richter, das Verfahren nach billigem Ermessen selbst zu bestimmen. Die Vorschrift dient der Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren und räumt dem Richter einen weiten Ermessensspielraum ein, der lediglich durch die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens beschränkt wird. So können Fristen abgekürzt oder verlängert werden, solange das rechtliche Gehör des Gegners berücksichtigt wird; es können auch telefonische Auskünfte eingeholt werden. Eine mündliche Verhandlung muss nur auf Antrag stattfinden, § 495a Satz 2 ZPO. Auch ist der Richter nicht an die Entscheidung zwischen schriftlichem Vorverfahren und frühem erstem Termin gebunden.

133Im amtsgerichtlichen Verfahren können die Klage, die Klageerwiderung sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, nach § 496 ZPO nicht nur schriftlich eingereicht werden, sondern auch mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden. Ist die Klage zu Protokoll erklärt worden, so wird dem Beklagten dieses Protokoll anstelle einer Klageschrift zugestellt, § 498 ZPO. Im Falle der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens nach § 276 ZPO ist der Beklagte über die Möglichkeit eines Anerkenntnisurteils für den Fall eines schriftsätzlichen Anerkenntnisses zu belehren, auch wenn der Beklagte bereits anwaltlich vertreten ist, § 499 ZPO. Wird ein (früher erster) Termin bestimmt, so wird zwar die Ladung des Beklagten zusammen mit der Klage zugestellt, die Ladung des Klägers zu diesem Termin erfolgt jedoch i. d. R. formlos, § 497 Abs. 1 ZPO.

134f) Fristen und deren Berechnung. Bei der Terminsbestimmung sind zugunsten der Parteien bestimmte Fristen einzuhalten. Nach Klageerhebung ist eine Einlassungsfrist des Beklagten zu wahren, Ladungsfristen sind zu beachten. In besonderen Fällen können die gesetzlichen Fristen verkürzt werden.

135aa) Die Einlassungsfrist. Sie ist eine Überlegungsfrist für den Beklagten zwischen der Klagezustellung und dem ersten Verhandlungstermin. Sie ist eine Schutzfrist zur Sache selbst (BGH NJW-RR 1994, 1213) und beträgt regelmäßig mindestens 2 Wochen, § 274 Abs. 3 ZPO. Für alle späteren Termine ist sie nicht mehr zu beachten, selbst wenn Klageänderungen oder -erweiterungen eingetreten sind oder eine Widerklage erhoben worden ist.

136Bei Auslandszustellung ist sie vom Vorsitzenden ausdrücklich zu bestimmen und sollte i. d. R. 4 Wochen nicht unterschreiten, § 274 Abs. 3 ZPO. Beim Antrag auf Erlass eines Arrests bzw. einer einstweiligen Verfügung handelt es sich nicht um eine „Klageschrift“, weshalb hier keine Einlassungsfrist zu berücksichtigen ist. Die Einhaltung der Einlassungsfrist würde auch oft zu einer unangemessenen Verzögerung des Eilverfahrens führen. Zu beachten ist in diesen Fällen lediglich die Ladungsfrist.

137bb) Die Ladungsfrist. Diese ist im Gegensatz zur Einlassungsfrist vor jedem Termin, zu dem Parteien geladen werden, zu beachten. Die Ladungsfrist ist der Zeitraum, der in einer anhängigen Sache zwischen Zustellung der Ladung und dem Terminstag liegen soll, § 217 ZPO. Diese Frist ist daher auch bei Verlegung eines Termins nach § 227 ZPO wieder einzuhalten, nicht aber, wenn nur die Terminsstunde am selben Tag geändert wird. Die Ladungsfrist beträgt im Anwaltsprozess mindestens 1 Woche, in allen anderen Prozessen mindestens 3 Tage, § 217 ZPO. Bei Verkündungsterminen i. S. d. § 218 ZPO, zu denen nicht noch besonders geladen werden muss, ist auch diese Frist nicht einzuhalten (BGH NJW 1964, 658). Ist die Einlassungs- oder Ladungsfrist nicht gewahrt, so braucht sich der Beklagte auf die Verhandlung nicht einzulassen. Gegen den nicht verhandelnden oder nicht erschienenen Beklagten darf kein Versäumnisurteil ergehen, § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Vielmehr ist von Amts wegen zu vertagen, § 337 ZPO.

138cc) Abkürzung. Durch Verfügung des Vorsitzenden können Einlassungs- und Ladungsfristen auf Antrag abgekürzt werden, § 226 Abs. 1 ZPO. Die Abkürzung erfolgt nach freiem Ermessen und ist sogar möglich, wenn dadurch die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung durch Schriftsätze nicht vorbereitet werden kann, § 226 Abs. 2 ZPO. Rechtliches Gehör des Gegners ist für die Fristverkürzung nicht erforderlich, § 226 Abs. 3 ZPO.

139dd) Die Fristberechnung. Bereits bei der Terminsbestimmung muss der Richter berechnen, wann voraussichtlich die Zustellung an den Beklagten erfolgen wird, um dann unter Berücksichtigung der einzuhaltenden Einlassungsfrist den (alsbald) möglichen Terminstag zu ermitteln. Für die Berechnung der Einlassungsfrist und der Ladungsfrist gelten die §§ 222 ZPO, 186 ff. BGB.

140Der Fristlauf der genannten Fristen wird an die Zustellung der Klage oder der Ladung an die Partei geknüpft. Da für die Frist folglich ein „Ereignis“ maßgebend ist, wird für die Fristberechnung der Tag der Zustellung nicht mitgerechnet, § 187 Abs. 1 BGB. Soweit Einlassungs- und Ladungsfristen als Wochenfristen ausgestattet sind, fällt der Fristablauf auf das Ende des Wochentages, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an welchem die Zustellung erfolgte, § 188 Abs. 2 BGB.

Klausurproblem: Erfolgt die Zustellung der Klage am Montag, so läuft die zweiwöchige Einlassungsfrist am Montag der zweiten Woche ab und der früheste Termin ist am Dienstag möglich. Fällt das Ende einer Frist aber auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, so endet die Frist erst mit Ablauf des nächsten Werktages, §§ 222 Abs. 2 ZPO, 186 ff. BGB. Erfolgt die Zustellung der Klage also am Samstag, so läuft die zweiwöchige Einlassungsfrist am Montag der dritten Woche ab und der Termin ist erst am folgenden Dienstag möglich. Soweit bei der Ladungsfrist eine Drei-Tages-Frist gilt, endet die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist, § 188 Abs. 1 BGB. Der Tag der Zustellung wird nicht eingerechnet, § 187 Abs. 1 BGB. Bei Fristende an Samstagen, Sonn- und Feiertagen endet die Frist wiederum am nächsten Werktag, § 222 Abs. 2 ZPO.

Grundwissen Zivilrecht im Assessorexamen

Подняться наверх