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4.Rechtshängigkeit

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156a) Rechtshängigkeit. Rechtshängigkeit tritt mit Erhebung der Klage ein, §§ 253 Abs. 1, 261 ZPO. Sie dauert bis zur Beendigung des Prozesses, etwa durch rechtskräftiges Urteil, Vergleich, Klagerücknahme, Erledigung. Die Rechtshängigkeit schließt das Recht nicht aus, dass eine Partei die streitbefangene Sache veräußert oder den geltend gemachten Anspruch abtritt, § 265 Abs. 1 ZPO.

Klausurproblem: Kläger klagt auf Herausgabe eines Pkw. Der Beklagte veräußert während des Prozesses den Pkw an einen Dritten. Der Kläger erklärt daraufhin den Rechtsstreit für erledigt. Es liegt keine Erledigung vor, §§ 265 Abs. 1, Abs. 2 ZPO. Der Beklagte führt als Prozessstandschafter den Prozess für den Dritten weiter.

157Sonderfälle der Rechtshängigkeit: Im Mahnverfahren, § 696 Abs. 3 ZPO, tritt Rechtshängigkeit mit Zustellung des Mahnbescheids ein, wenn „alsbald“ abgegeben wird. Sonst mit Zustellung der Klage, wenn die Voraussetzungen des § 253 ZPO erfüllt sind. Ist die Klage unter der Bedingung der Prozesskostenhilfe erhoben, so wird sie erst mit ihrer Zustellung nach Bewilligung rechtshängig. Bei Arrest und einstweiliger Verfügung tritt Rechtshängigkeit (aber natürlich nur des Eilantrags, nicht der Hauptsache) bereits mit Einreichung des Antrags (Anhängigkeit) ein. Bei Haupt- und Hilfsantrag liegt eine für den Hilfsantrag auflösend bedingte Rechtshängigkeit vor, der Hilfsantrag wird sofort rechtshängig, die Rechtshängigkeit erlischt aber rückwirkend, wenn das Gericht dem Hauptantrag voll stattgibt. Die Stufenklage macht den Leistungsantrag, der erst später beziffert werden kann, rechtshängig. Nachträglich erhobene Ansprüche werden mit Zustellung des Schriftsatzes rechtshängig, also etwa Klageerweiterung oder Widerklage. Die Aufrechnung macht hingegen die Forderung nicht rechtshängig.

Klausurproblem: Der Beklagte rechnet im Prozess beim Landgericht Stuttgart gegen eine Hauptforderung von 10.000 Euro mit einer Gegenforderung von 20.000 Euro auf, die er selbst bereits beim Landgericht Leipzig eingeklagt hat. Kläger rügt doppelte Rechtshängigkeit. Eine solche liegt nicht vor, da die Aufrechnung die Gegenforderung nicht rechtshängig macht. Begründet wird dies damit, dass die Aufrechnung in diesem Fall lediglich ein Angriffs- und Verteidigungsmittel ist (BGH NJW-RR 2004, 1000).

158b) Materiell-rechtliche Wirkungen der Rechtshängigkeit. Die Verjährung ist gehemmt, § 204 Abs. 1 BGB. Es besteht ein Anspruch auf Prozesszinsen, § 291 BGB. Die verschärfte Haftung besteht, §§ 292 Abs. 1, 818 Abs. 4, 987, 988, 989, 990, 994 Abs. 2, 996 BGB.

159c) Prozessrechtliche Wirkungen der Rechtshängigkeit. – aa) Prozesshindernis. Während der Rechtshängigkeit kann derselbe Streitgegenstand von keiner Partei mehr anderweitig anhängig gemacht werden, § 261 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (Sachurteilsvoraussetzung; von Amts wegen zu berücksichtigen).

Klausurproblem: Der Kläger klagt aus einem Vertrag vom 1.2.2020 10.000 Euro ein. Der Beklagte bestreitet und erhebt sodann eine Klage gegen den Kläger mit dem Antrag festzustellen, dass er dem Kläger aus dem Rechtsverhältnis nichts schulde. Diese negative Feststellungsklage hat zwar einen anderen Antrag, geht aber in der Leistungsklage auf, sodass die zweite Klage unzulässig ist.

160bb) Perpetuatio fori, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Eine bei Klageerhebung bestehende Zuständigkeit des Prozessgerichts wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt: „Einmal zuständig, immer zuständig“.

Klausurproblem: Kläger klagt gegen den Beklagten, der in Leipzig wohnt, nach §§ 12, 13 ZPO beim Landgericht in Leipzig. Nach Klageerhebung zieht der Beklagte nach Stuttgart und rügt die Unzuständigkeit des Landgerichts Leipzig. Ein Wohnsitzwechsel des Beklagten nach Rechtshängigkeit ist für die Zuständigkeit unbeachtlich, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, das Streitgericht bleibt nach §§ 12, 13 ZPO zuständig.

Klausurproblem: Kläger klagt beim Landgericht 10.000 Euro ein. Nach Rechtshängigkeit sinkt der Streitwert auf 3.000 Euro ab. Das Landgericht bleibt zuständig, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Eine Ausnahme gilt nur beim Amtsgericht, § 506 Abs. 1 ZPO: Erhöht sich der Streitwert durch Klageerweiterung auf die Zuständigkeit des Landgerichts oder wird eine Widerklage erhoben, die zur Zuständigkeit des Landgerichts gehört, so kann jede Partei Verweisung an das Landgericht beantragen.

Die perpetuatio fori gilt für die örtliche, sachliche und internationale Zuständigkeit. Für die Rechtswegzuständigkeit gilt § 17 Abs. 1 S. 1 GVG. Voraussetzung ist aber stets, dass der Streitgegenstand derselbe bleibt, bei einer Veränderung des Streitgegenstandes gilt § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht. Stellt der Kläger also einen anderen Antrag, der nicht durch § 264 ZPO gedeckt ist, bleibt die Zuständigkeit nicht bestehen.

Klausurproblem: Kläger klagt beim Landgericht 10.000 Euro ein. Nachdem der Beklagte bezahlt hat, stellt er die Klage um und verlangt Feststellung, dass der Rechtsstreit erledigt ist. Auch wenn der Streitwert unter 10.000 Euro sinkt (Streitwert nur noch die Prozesskosten), bleibt das Landgericht zuständig, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Der neue Antrag ist nach § 264 Nr. 3 ZPO keine Klageänderung.

Alternative: Nachdem der Beklagte gezahlt hat, verlangt der Kläger nun Zahlung von 1.000 Euro aus einem anderen Vertragsverhältnis. Hier greift § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht mehr ein. Es liegt ein anderer Streitgegenstand vor, § 264 ZPO hilft hier dem Kläger nicht.

161cc) Klageänderung. Eine Klageänderung, § 263 ZPO, ist nach Eintritt der Rechtshängigkeit nur zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet. Die Klageänderung ist in folgenden Schritten zu prüfen:

(1) § 264 Nr. 1–3 ZPO – diese Änderungen werden nicht als Klageänderungen gesehen;

(2) ausdrückliche Zustimmung, § 263 1. Alt. ZPO;

(3) rügelose Einlassung, § 267 ZPO;

(4) Sachdienlichkeit, § 263 2. Alt. ZPO, wenn also mit dem bisherigen Prozessstoff ein weiterer Streitpunkt erledigt und ein neuer Prozess vermieden werden kann (BGH NJW 1985, 1841).

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