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3.Klageantrag

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104a) Bestimmtheit. Die begehrte Leistung muss in der Klage genau bezeichnet sein. Der Antrag bindet das Gericht, § 308 Abs. 1 ZPO, und bestimmt die materielle Rechtskraft, § 322 ZPO. Der Tenor, der auf dem Antrag beruht, muss für die Zwangsvollstreckung durchsetzbar sein, es dürfen sich keine Unsicherheiten ergeben.

105b) Klagearten. Das Gesetz kennt die Leistungsklage, die Feststellungsklage und die Gestaltungsklage. Bei der Leistungsklage ist der Normalfall die Klage auf sofortige Leistung; ausnahmsweise kann unter den Voraussetzungen der §§ 257–259 ZPO aber auch eine Klage auf künftige Leistung zulässig sein. Bei der Feststellungsklage ist stets ein besonderes Feststellungsinteresse erforderlich, § 256 Abs. 1 ZPO.

106c) Bestimmtheit bei den Klagearten. Der Antrag muss so genau bestimmt sein, dass das daraufhin ergehende Urteil verständlich und vollstreckbar ist.

107aa) Zahlungsklage. Bei der Zahlungsklage ist stets der genaue Geldbetrag anzugeben (z. B. „Der Beklagte wird verurteilt, 10.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 1.2.2020 zu bezahlen“). Beim Unterlassungsantrag ist die zu unterlassende Handlung genau zu bezeichnen (z. B. „Der Beklagte wird verurteilt, das Betreten und Befahren des Grundstücks Hauptstraße 33 in 70178 Stuttgart, Flurstück Nr. 123 zu unterlassen“). Bei der Vornahme einer Handlung muss deren Art und Umfang bestimmt bezeichnet sein. Wird z. B. ein Unternehmen veräußert, ist der schlichte Antrag, den Beklagten zu verurteilen „alle Rechtsgeschäfte mit dem Kläger abzuschließen, die zur Übertragung des Geschäfts erforderlich sind“, nicht genügend bestimmt. Der Antrag muss vielmehr dahingehen, dass der Beklagte außer zur Herausgabe bestimmter beweglicher Sachen dazu verurteilt wird, die einzelnen Erklärungen abzugeben, die zur Übertragung des Geschäfts erforderlich sind, vgl. § 894 ZPO. Bei zeitlich gestreckten Leistungspflichten, etwa einer Klage auf künftige Leistung, § 257 ZPO, ist der zeitliche Rahmen exakt anzugeben. Beim Herausgabeantrag sind die Gegenstände genau zu bezeichnen (z. B. „Der Beklagte wird verurteilt den VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen S-AP 234, Fahrgestellnummer 12345678, nebst KFZ-Brief an den Kläger herauszugeben“).

108bb) Feststellungsklage. Bei der Feststellungsklage muss ein besonderes Feststellungsinteresse bestehen, § 256 Abs. 1 BGB. Es fehlt, wenn dem Kläger ein einfacherer oder effektiverer Weg zur Verfügung steht, sein Ziel zu erreichen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kläger ohne Durchführung einer aufwendigen Begutachtung eine bezifferte Leistungsklage erheben könnte (BGH MDR 2008, 461).

Klausurproblem: Der Antrag den Beklagten zu verurteilen, sämtliche entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen, dürfte insoweit unzulässig sein, als die entstandenen Schäden bereits bezifferbar und mit der Leistungsklage geltend gemacht werden können. Der Feststellungsantrag für die künftigen Schäden ist dagegen zulässig, weil diese noch nicht genau bezifferbar sind. Die Feststellungsklage ist zulässig, sofern bei verständiger Würdigung aus der Sicht des Geschädigten mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen ist (BGH MDR 2007, 792).

Darüber hinaus besteht trotz der Möglichkeit einer Leistungsklage ein richterlicher Spielraum bei Beurteilung des Feststellungsinteresses, wenn der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine Feststellungsklage als zulässig erscheinen lässt. Dies ist der Fall, wenn sie zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung aller aufgetretenen Streitpunkte führen kann (BGH WM 1997, 1280). So werden Feststellungsklagen gegen Versicherungsgesellschaften in großzügigem Rahmen zugelassen, weil bei diesen auf ein Feststellungsurteil hin eine Zahlung erwartet werden kann, ohne dass es einer weiteren Leistungsklage bedürfte (BGH NJW 1999, 3774).

109cc) Teilklage. Der Klageantrag kann auf einen Teil eines Anspruchs beschränkt werden. Dies hat wegen des geringeren Streitwerts kostenrechtliche Vorteile, aber auch den Nachteil, dass häufig ein weiterer Rechtsstreit über den Restbetrag nötig wird, da nur über den Teilbetrag rechtskräftig entschieden ist. Der Prozessgegner kann jedoch eine Entscheidung über den gesamten Forderungsbetrag herbeiführen, indem er über den Klageabweisungsantrag hinaus im Wege der Widerklage die Feststellung begehrt, dass dem Kläger der restliche Anspruch nicht zusteht (sog. Negative Feststellungswiderklage, § 256 Abs. 1 ZPO). Wird ein Teilbetrag aus mehreren selbstständigen Ansprüchen wie Reparaturkosten, Nutzungsentschädigung und Schmerzensgeld geltend gemacht, so muss in der Klage eine bezifferte Aufteilung der Anteile auf die einzelnen Ansprüche erfolgen oder es muss ein Anspruch zum Hauptanspruch erklärt werden, die übrigen in bestimmter Reihenfolge zu Hilfsansprüchen (BGH NJW-RR 1997, 441), andernfalls ist die Klage unzulässig.

110c) Objektive Klagenhäufung, § 260 ZPO. Der Kläger kann im Prozess nicht nur einen Antrag stellen, er kann gegen den Beklagten auch mehrere Anträge stellen und damit mehrere Ansprüche geltend machen.

Klausurproblem: Der Vermieter klagte auf Zahlung von 3.000 Euro Mietzins für die Monate Januar, Februar und März und gleichzeitig noch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Dies ist problemlos nach § 260 ZPO zulässig.

§ 260 ZPO regelt dabei nur den Fall der Anspruchshäufung innerhalb eines Prozessrechtsverhältnisses, also des Klägers gegen den Beklagten. Bei mehreren Verhältnissen, etwa Kläger gegen Beklagte 1, 2 und 3 finden die §§ 59 ff. ZPO Anwendung.

111Voraussetzungen nach § 260 ZPO sind:

(1) Personenidentität,

(2) gemeinsame Zuständigkeit des Prozessgerichts,

(3) gleiche Prozessart – gemeint ist damit die gleiche Verfahrensart, für die die gleichen Verfahrensregeln gelten: Also nicht eine einstweilige Verfügung und ein normales Erkenntnisverfahren oder eine Zivilsache und eine Familiensache oder ein Urkundenprozess und ein „normaler“ Prozess –,

(4) kein Verbindungsverbot, §§ 578 Abs. 2 ZPO, 126 Abs. 2, Abs. 3 FamFG.

112Über die zulässig verbundenen Ansprüche wird einheitlich verhandelt und entschieden. Die Ansprüche behalten dennoch ihre Selbstständigkeit. Die (Prozess-) Voraussetzungen sind für jeden Anspruch selbstständig zu prüfen, über jeden Anspruch kann ein selbstständiges Endurteil (dann Teilurteil, § 301 ZPO) ergehen.

113Auch eine Eventualklagehäufung, also mehrere Ansprüche in einer bestimmten Reihenfolge (wie z. B. Kläger K verlangt Herausgabe eines PKW und für den Fall, dass dieser zwischenzeitlich untergegangen ist, Schadensersatz) ist möglich. Eine solche liegt auch vor, wenn der Kläger (1) Herausgabe eines Gegenstandes verlangt und (2) sollte der Anspruch nicht begründet sein, Herausgabe der Bereicherung verlangt und (3) sollte auch dieser Anspruch nicht begründet sein, Schadensersatz verlangt.

114d) Ausnahmen vom konkreten Klageantrag. Diese Ausnahmen sind für die Klausur besonders wichtig und sind in nahezu jedem Examen zu behandeln.

115aa) Unbezifferter Klageantrag. Schon das Reichsgericht (RGZ 10, 353) hat einen unbezifferten Antrag zugelassen, wenn die Bezifferung unmöglich oder dem Kläger aus besonderen Gründen nicht zumutbar ist. Dies ist der Fall, wenn der Klagebetrag von der Beurteilung eines Sachverständigen (Schätzung der Schadenshöhe, § 287 ZPO), der Billigkeitsabwägung (Schmerzensgeld, § 253 Abs. 2 BGB) oder dem Ermessen des Gerichts (Herabsetzung der Vertragsstrafe, § 343 BGB) abhängig ist. Der Kläger würde sonst bei zu hohem Klagebegehren und teilweiser Klageabweisung einen Kostennachteil nach § 92 Abs. 1 ZPO erleiden. Bei vorsorglich zu niedrigem Klagantrag würde er etwas verschenken, was ihm zusteht, weil das Gericht über den Antrag nicht hinausgehen darf, § 308 ZPO.

116Der Hauptfall – jedenfalls in der Klausurist der Schmerzensgeldantrag, dessen Höhe ins Ermessen des Gerichts gestellt wird. Voraussetzung ist aber stets, dass in der Klage genügend Grundlagen für die gerichtliche Schätzung genannt werden, sonst kann das Gericht sein Ermessen nicht ausüben und die Klage ist unzulässig. Dabei besteht grundsätzlich kein Kostenrisiko für den Kläger, denn der Streitwert entspricht dem tatsächlich zugesprochenen Betrag. Ausnahme: Der Kläger trägt doch Kosten, wenn für einen Berechnungsfaktor beweisfällig geblieben ist, etwa eine behauptete Operation ist gar nicht nötig oder ein Mitverschulden des Klägers stellt sich heraus. Rechtsmittel bestehen, wenn die vorgestellte Summe erheblich von der zugesprochenen abweicht.

Klausurproblem: Der Kläger beantragt Schmerzensgeld wegen Verletzungen aus einem Verkehrsunfall, dessen Höhe er ins Ermessen des Gerichts stellt. Weiter trägt er zu den erlittenen Verletzungen nichts vor. Der Antrag ist unzulässig, er entspricht nicht § 253 Abs. 2 Nr. 2 3. Alt. ZPO. Nachgelassen ist dem Kläger nur die konkrete Bezifferung des Betrags, aber nicht die Darlegung der Grundlage für die Bemessung. Die Grundlagen für die Schätzung sind stets anzugeben, sonst kann das Gericht sein Ermessen gar nicht ausüben.

Klausurproblem: Der Kläger verlangt Schmerzensgeld, das er ins Ermessen des Gerichts stellt, mindestens jedoch 10.000 Euro. Er schildert dazu ausdrücklich und detailliert die Schadensfolgen, u. A. auch Behinderungen beim Sport. Weiter trägt er vor, dass der Beklagte den Unfall allein verursacht habe. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass den Kläger ein Mitverschulden am Unfall trifft und dass die Schadensfolge, Behinderung beim Sport, nicht nachzuweisen ist. Das Gericht spricht deshalb nur 5.000 Euro Schmerzensgeld zu. Der Kläger trägt hier auch Kosten, da er einen Berechnungsfaktor nicht beweisen konnte (Behinderungen beim Sport) und auch ein Mitverschulden zu berücksichtigen war.

Klausurproblem: Der Antrag festzustellen, dass der Beklagte alle Schäden materieller und immaterieller Art, die schon entstanden sind und noch entstehen werden zu zahlen hat, ist in doppelter Hinsicht unzulässig.

(1) Materielle Schäden, die schon entstanden sind, sind regelmäßig mit der Leistungsklage geltend zu machen – sie hat Vorrang vor der Feststellungsklage.

(2) Künftige immaterielle Schäden sind generell mit dem einheitlich festzusetzenden Schmerzensgeld abgegolten. Das Schmerzensgeld wird einheitlich festgestellt, erfasst werden alle Folgen, die auch in der Zukunft liegen und absehbar sind. Also anders als beim materiellen Schaden. Deshalb ist ein Feststellungsantrag für künftige Schäden beim Schmerzensgeld nur zulässig für Schmerzen die noch nicht vorhersehbar aber doch noch möglich sind.

117bb) Stufenklage, § 254 ZPO. Kann der Kläger wegen fehlender Berechnungsgrundlagen seine Leistung nicht konkret bestimmen – z. B. er macht den Pflichtteil aus dem Erbe geltend, dessen Größenordnung er nicht kennt – so gestattet ihm § 254 ZPO mehrere selbstständige Ansprüche in einer Klage zu verbinden, § 254 ZPO, Stufenklage. Es handelt sich um eine Leistungsklage ohne bestimmten Antrag. Der Streitwert ist einheitlich nach der zu erwartenden Leistung zu bestimmen, wenn der Kläger wegen fehlender Berechnungsgrundlagen nicht genau angeben kann, was er fordert. Beachte: Da die Stufenklage eine Leistungsklage ist, hemmt ihre Erhebung die Verjährung, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

118Grundsätzlich besteht die Stufenklage aus drei Stufen:

(1) Auskunft: Der Kläger muss einen Auskunftsanspruch haben. Dies ist in der Klausur häufig das Problem, denn es gibt wenige Normen, die ein Auskunftsbegehren tragen, wie § 2314 BGB für den Pflichtteilsanspruch. Gibt keine Norm einen Auskunftsanspruch, muss auf § 242 BGB zurückgegriffen werden. Die §§ 259 Abs. 1, 260 Abs. 1 BGB regeln hingegen grundsätzlich nur das wie des Anspruchs, grundsätzlich jedoch nicht das ob.

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