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3.Zustellung der Klage

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141a) Anordnung der Zustellung. Angeordnet wird die Zustellung durch das Gericht, durch den Vorsitzenden. Die Klage ist unverzüglich zuzustellen, § 271 Abs. ZPO, sie wird von Amts wegen bewirkt, § 166 Abs. 2 ZPO. Voraussetzung ist, dass keine Verfahrenshindernisse bestehen (etwa §§ 239, 240 ZPO) und dass eine ordnungsgemäße Klageschrift vorliegt, § 253 ZPO. Beim Landgericht muss die Klage durch einen Anwalt eingereicht werden. Die Zustellung erfolgt aber nur nach Zahlung des Kostenvorschusses, § 12 Abs. 1 GKG (3 Gebühren nach Nr. 1210 KV Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Kein Vorschuss ist zu leisten nach § 12 Abs. 2 GKG (z. B. bei der Widerklage und § 14 Nr. 1–3 GKG – u. a. bei PKH). Nach § 4 Abs. 1 ZPO ist für die Wertberechnung zunächst der Zeitpunkt der Einreichung der Klage bei Gericht entscheidend.

142b) Zustellung. Die Zustellung ist die Bekanntgabe eines Schriftstücks an eine Person in der durch das Gesetz bestimmten Form. Sie wird bewirkt nach den §§ 166 ff. ZPO und – bei der Amtszustellung – vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle durchgeführt, § 168 Abs. 1 ZPO. Zum Nachweis der Zustellung ist eine Urkunde anzufertigen, § 182 ZPO. Die §§ 166 ff. ZPO regeln lediglich das allgemeine Übermittlungsverfahren. Wann eine (förmliche) Zustellung erforderlich ist, ergibt sich aus den speziellen Vorschriften des Prozessrechts, §§ 271, 310 Abs. 3, 317 ZPO. Der Regelfall ist die Amtszustellung, §§ 166–190, 270 Abs. 1, 166 Abs. 2 ZPO, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist. Ausnahmsweise findet die Parteizustellung statt, §§ 191–195 ZPO, wie bei Arrest und einstweiliger Verfügung, §§ 922 Abs. 2, 936 ZPO.

143Die wichtigsten Fälle der Amtszustellung: Klageschrift, §§ 253, 270 Abs. 1 ZPO; Klagerücknahme, §§ 269 Abs. 2 Satz 3, 270 Abs. 1, Abs. 2 ZPO; Schriftsätze mit Sachanträgen, § 270 Abs. 2 ZPO; Ladungen, §§ 214, 274 Abs. 2 ZPO; nicht verkündete Beschlüsse, die eine Terminsbestimmung enthalten oder eine Frist in Lauf setzen, §§ 329 Abs. 2, Abs. 3 ZPO; Urteile, § 317 Abs. 1 ZPO; Mahnbescheide, § 693 Abs. 1 ZPO.

144c) Die Zustellungsarten. Über die Auswahl des Zustellungsweges entscheidet die Geschäftsstelle nach pflichtgemäßem Ermessen unter Bindung an Weisungen des Prozessgerichts, § 168 ZPO.

145aa) Die förmliche Zustellung. Diese ist der Regelfall, bei Zustellung an Rechtsanwälte wird regelmäßig die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis, § 174 ZPO, gewählt. Die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis ist bewirkt, wenn der Adressat nach Erhalt des Schriftstücks (mit einfacher Post oder durch Einlegen in das Postfach) eine Empfangsbestätigung unterzeichnet und diese samt Vermerk über den Zustellungszeitpunkt zurückschickt. Diese Art der Zustellung ist nur bei Adressaten zulässig, bei denen aufgrund der beruflichen Stellung von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann (Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Gerichtsvollzieher, Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts).

146bb) Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein, § 175 ZPO. Der Rückschein hat den Beweiswert einer privaten Urkunde. Diese Zustellungsform erfordert die tatsächliche Übergabe des Schriftstücks an den Adressaten.

147cc) Förmliche Zustellung nach §§ 176 ff. ZPO. Die Zustellung erfolgt auf Veranlassung der Geschäftsstelle durch die Post oder eine andere Behörde. Das Schriftstück wird in einem formularmäßigen, verschlossenen Umschlag dem Adressaten übergeben. Der Vorgang wird auf einem Zustellungsvordruck, § 182 ZPO, umfassend dokumentiert. Das Zeugnis nach § 182 ZPO dokumentiert den Zustellungsvorgang mit der Wirkung des § 418 ZPO. Die förmliche Zustellung nach §§ 176 ff. ZPO ermöglicht die Ersatzzustellung, wenn der Adressat (oder sein Vertreter) nicht angetroffen oder die Annahme des Schriftstücks verweigert wird, insbesondere durch Einlegung in den Briefkasten.

148dd) Die Zustellung elektronischer Dokumente. Diese ist nur in bestimmten Konstellationen, vgl. § 174 Abs. 1 ZPO, insbesondere im Verhältnis zwischen Rechtsanwälten und Gerichten zugelassen. Eine Übermittlung von elektronischen Dokumenten sieht § 174 Abs. 3 ZPO vor. Nach § 174 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist das zuzustellende Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a Abs. 4 ZPO zu übermitteln und gegen unbefugte Kenntnisnahme Dritter (durch Verschlüsselung) zu schützen. Die Zustellung wird dabei durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen, § 174 Abs. 4 S. 3 ZPO.

149d) Zustellungsempfänger.

– Die Zustellung erfolgt an die Partei selbst, an jedem Ort, an dem sie angetroffen wird, § 177 ZPO.

– Bei nicht prozessfähigen natürlichen Personen und bei juristischen Personen, rechtsfähigen Personengesellschaften oder Behörden ist Zustellungsadressat der gesetzliche Vertreter, § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Er ist in der Adresse zu bezeichnen.

– An den rechtsgeschäftlich bevollmächtigten Vertreter kann mit gleicher Wirkung wie an den Vertretenen zugestellt werden, § 171 Satz 1 ZPO, so z. B. an den Prokuristen (§ 48 HGB). Es muss aber eine schriftliche Zustellungsvollmacht geben, die dem Zustellungsorgan vorzulegen ist, § 171 Satz 2 ZPO.

– In einem anhängigen Verfahren hat die Zustellung zwingend an den für den Rechtszug nach § 80 ZPO bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen, § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Auf Mängel bei der Bevollmächtigung kommt es nicht an (BGH NJW 2002, 1728).

Klausurproblem: Eine Zustellung kann, wenn ein Prozessvertreter nach § 80 ZPO bestellt ist, nicht an die Partei erfolgen. Erfolgt sie dennoch an die Partei, liegt keine wirksame Zustellung vor. Eine Heilung nach § 189 ZPO tritt nicht durch die Übergabe an die Partei ein, sondern erst dann, wenn der Prozessbevollmächtigte Kenntnis erlangt.

150e) Ersatzzustellung. Es gilt ein strikt „abgestuftes System der Ersatzzustellung“: Zuerst § 178 ZPO, dann § 180 ZPO und erst zuletzt § 181 ZPO:

151aa) § 178 ZPO. Die Ersatzzustellung in der Wohnung und in den Geschäftsräumen ist generell zulässig. In der Wohnung kann das Schriftstück an erwachsene Familienangehörige oder an ständige Mitbewohner (einschließlich nichteheliche Lebenspartner und Mitbewohner einer Wohngemeinschaft) übergeben werden. In Geschäftsräumen ist die Ersatzzustellung während der üblichen Bürozeiten an dort (d. h. in den Räumen selbst) beschäftigte Personen zulässig (also Ersatzzustellung möglich an Sekretärin oder Sachbearbeiter; nicht jedoch an den Lagerarbeiter oder den Nachtportier). Bei Gemeinschaftseinrichtungen (Altenheime, Krankenhäuser etc.) erfolgt die Ersatzzustellung an den Leiter.

Klausurproblem: Zustellung an die Ehefrau in den Geschäftsräumen. Dies ist keine wirksame Ersatzzustellung nach § 178 ZPO, die Ehefrau ist nicht dort beschäftigt. Anders selbstverständlich, wenn die Ehefrau auch Beschäftigte ist.

152bb) § 180 ZPO. Scheitert eine Ersatzzustellung nach § 178, so kann das Schriftstück in den zur Wohnung oder zum Geschäftsraum zugehörigen Briefkasten eingeworfen werden. Dieser Vorgang ist zu protokollieren. Mit der Einlegung in den Briefkasten ist die Zustellung vollzogen.

153cc) § 181 ZPO. Als letzte Alternative sieht § 181 ZPO vor, das Schriftstück beim örtlichen Amtsgericht oder bei einer Postdienststelle niederzulegen. Der Adressat ist hierüber – formularmäßig und drucktechnisch hervorgehoben – zu informieren. Das Schriftstück wird drei Monate aufbewahrt, andernfalls zurückgesandt. Die Zustellung gilt jedoch mit der Mitteilung an den Adressaten über die Niederlegung als bewirkt, § 181 Abs. 1 S. 3 ZPO.

154f) Die Heilung von Zustellungsmängeln. § 189 ZPO lässt eine Heilung zu, wenn der Zustellungsadressat oder sein Vertreter tatsächlich im Sinne von §§ 171–173 ZPO Kenntnis vom zugestellten Schriftstück erhalten hat. Eine Heilung ist auch bei Notfristen möglich. Die Heilung tritt kraft Gesetzes ein. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zugang des Schriftstücks. Da dieser nicht dokumentiert ist, entscheidet hierüber das Gericht nach allgemeinen Beweisgrundsätzen, gegebenenfalls ist eben Beweis zu erheben. Weitere Heilungsmöglichkeiten ergeben sich durch rückwirkende Genehmigung oder durch Rügeverzicht, § 295 ZPO.

Klausurproblem: Die Klage wurde nicht wirksam zugestellt. Der Beklagte kann nach § 295 ZPO auf die wirksame Zustellung „verzichten“, damit ist der Mangel der Zustellung geheilt.

Klausurproblem: Die Zustellung an den Anwalt nach § 172 ZPO kann nicht nach § 189 ZPO durch Zustellung an die Partei geheilt werden. Heilung erst, wenn der Anwalt das Schriftstück erhält.

155In ganz besonderen Ausnahmefällen ist die öffentliche Zustellung möglich. In drei Fällen einer auf üblichem Wege nicht möglichen Zustellung gestattet das Gesetz die Fiktion der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung, § 185 ZPO. Dieser Zustellungsweg ist auf das Vorliegen eng begrenzter sachlicher Gründe beschränkt, da der Zustellungsempfänger faktisch keine Kenntnis von der Zustellung erhält (BGH NJW 1992, 2280). Das Prozessgericht entscheidet über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen, wenn die Durchführung einer Zustellung durch die Geschäftsstelle nicht möglich ist, § 186 Abs. 1 ZPO. Die Bewilligung erfolgt durch zu begründenden Beschluss und im Einzelfall, d. h. für jede Zustellung separat. Ist die öffentliche Zustellung bewilligt, so erfolgt sie durch Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel, § 186 Abs. 2 ZPO. Soweit die technischen Voraussetzungen vorliegen, kommt alternativ die Einstellung in ein elektronisches, öffentlich zugängliches Informationssystem im Gericht in Betracht, § 186 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Zusätzlich kann das Gericht die Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger oder in anderen Blättern, z. B. in der Tagespresse, anordnen, § 187 ZPO. Die Benachrichtigung kann auch zusätzlich in einem vom Gericht für Bekanntmachungen bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystem veröffentlicht werden, § 186 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Zustellung gilt als bewirkt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung an der Gerichtstafel 1 Monat vergangen ist, sofern nicht das Prozessgericht eine längere Frist bestimmt hat, § 188 ZPO. Die Frist wird nach § 222 ZPO berechnet. Zur Auslandszustellung und zur privaten Zustellung vgl. §§ 183 ff. und 191 ff. ZPO.

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