Читать книгу Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen - Hans Haarmeyer, Christoph Hillebrand - Страница 70
V. Kleine juristische Arbeitstechnik
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Alles Recht ist (nur) eine Sollens-Ordnung und zumeist auf die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten (mit Ausnahmen z.T. im Sachenrecht) und mit nur ganz wenigen Ausnahmen auf seine Leistungsbereitschaft angewiesen, die ggf. nur mit gerichtlicher Hilfe ersetzt werden kann. Eine Ordnung ist es für die Rechtsgemeinschaft, weil Rechte und Pflichten als Konditionalsätze statuiert sind (nach dem Motto: „Wenn …, dann …“) und sich deshalb als Rechtsfolge aus einem festgelegten Tatbestand ergeben.
Für den Bereich der hier darzustellenden Vertrags- oder Ausgleichsordnung bedeutet das, dass alle in einem Rechtsverhältnis begründeten Pflichten, seien sie primärer oder sekundärer Natur, auf ein konkretes Begehren gerichtet sind, das als Rechtsfolge zu benennen ist. Dieses rechtliche Ziel, die Rechtsfolge, kann also erreicht werden, wenn ihre Voraussetzungen gegeben sind, sie also aus einem Rechtsverhältnis, konkret: aus einem Schuldverhältnis, abzuleiten ist.
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Diese Rechtsfolge lautet sowohl klausurmäßig wie auch in einem Gutachten z.B. „auf Zahlung von 500 € als Kaufpreis nach § 433 Abs. 2“ oder „als Schadensersatz nach § 823 Abs. 1“ oder „als Herausgabe des Erlangten nach § 816 Abs. 1 S. 1“. Veräußert nun etwa ein Dieb die gestohlene Sache an einen unbekannten Dritten für den angemessenen Preis von 500 €, kann der bestohlene Eigentümer vom Dieb 500 € „aus“ mehreren „Anspruchsgrundlagen“ verlangen (besser: aufgrund mehrerer durch einen Sachverhalt verwirklichter Rechtsverhältnisse, nämlich „als Schadensersatz nach §§ 823 Abs. 1 und 992“ (außerdem nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 242 Abs. 1 StGB), weil das der Wert der Sache ist, die nun weg ist, und zugleich „als Erlös nach § 816 Abs. 1 S. 1“, weil das der erzielte Kaufpreis ist. Er bekommt den Betrag aber doch nur einmal – weshalb die Formulierung „aus § 823 Abs. 1“ und „aus § 816 Abs. 1 S. 1“ etc. an sich genauso falsch, jedenfalls irreführend ist, wie diejenige eines „Anspruchs auf Schadensersatz“ zumindest unvollständig ist, denn die Berechnung des Schadensbetrags nach §§ 249 ff. gehört auch zur Rechtsfolge und ist nicht immer so einfach wie in diesem Beispiel.
Eine Pflicht kann genauso z.B. „auf Übereignung und Übergabe des Pkw Marke (…), Modell (…), Fahrgestellnummer (…) wegen Kaufs nach § 433 Abs. 1“ oder „nach §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1“ lauten, vielleicht vereinfachend auch „auf Herausgabe des Pkw (…) nach §§ (…)“, nicht aber als „Anspruch auf den Pkw (…) nach §§ (…)“. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob man Eigentümer eines Pkw werden will (erstmaliger Eigentümer, weil man den Wagen gekauft hat, oder wieder Eigentümer des eigentlich veräußerten und schon weggegebenen Wagens als Rückabwicklung eines nichtigen Kaufs oder weil der Käufer nicht bezahlt), oder ob man nur Besitzer des Pkw werden will, den man gemietet hat oder der einem gestohlen wurde.
Eigentum als umfassendes Vollrecht wird (sachenrechtlich) nach §§ 929 ff. bzw. 873, 925 übertragen, der bloße Besitz dagegen nach §§ 854 Abs. 1, 868 bereits durch Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft. Der Anspruchsteller muss sich daher entscheiden und auf das eine oder andere Begehren klagen, je nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses. Nur dann und vorausgesetzt, das behauptete Recht besteht auch wirksam, kann ein Gericht ihm solches zusprechen.
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Hierin liegt eine Fehlerquelle infolge mangelnder Differenzierung nach dem Inhalt des Rechtsverhältnisses. Sowohl die Kaufpreisforderung wie der Schadensersatzanspruch und die Pflicht zur Herausgabe des Erlangten nach Bereicherungsrecht gehen auf Übereignung einer bestimmten Geldsumme oder anderer Gegenstände. Schlichte körperliche Übergabe würden die rechtliche Güterzuordnung nicht ändern, was aber gerade Funktion dieser Ansprüche ist, nämlich den beabsichtigten bzw. rechtmäßigen Zustand der Eigentumslage (wieder)herzustellen.
Wenn alles Erforderliche zu übertragen ist, muss zuerst festgestellt werden, ob dazu auch das Eigentum gehört. Dass dennoch bei Geld die Ansprüche schlicht „auf Zahlung“ formuliert werden (können), liegt allein an der unterschiedlichen prozessrechtlichen Durchsetzung. Während Geldschulden nach §§ 802a ff. ZPO beim Schuldner durch Pfändung, also vereinfacht ausgedrückt durch Wegnahme, realisiert werden, müssen andere Übereignungshandlungen von ihm erwirkt werden, vgl. §§ 883 ff. ZPO. Dazu muss das konkrete Begehren des Klägers als solches beantragt (und im Urteil antragsgemäß tituliert) worden sein. Was deshalb bei Geld (ausnahmsweise) recht undifferenziert als Anspruch formuliert werden kann, muss bei allen anderen Gegenständen nach der genauen Form der geschuldeten Pflicht (Übergabe und Übereignung oder nur Herausgabe des Besitzes) unterschieden werden. Leider beginnt die juristische Ausbildung jedoch meist mit Beispielen zum Kaufpreisanspruch und erhebt somit die Ausnahme (nämlich die Undifferenziertheit bei der Zahlung) zum vermeintlichen Standard.
Ziele und Inhalte eines Begehrens (die gewünschten Rechtsfolgen) müssen aus einem rechtlichen Verhältnis abgeleitet werden. Für ein solches vertragliches Rechtsverhältnis (vgl. die Vertragsordnung) oder ein gesetzliches Rechtsverhältnis (vgl. die Ausgleichsordnung) muss also zuerst festgestellt werden, dass es wirksam bestehe. Erst dann kann das Forderungsrecht des Einen (oder nennen Sie es die Pflicht des Anderen, beides ist dasselbe) konkret benannt werden. Dieser Feststellung von Rechtsverhältnis und damit Forderung, nämlich nach ihren tatbestandlichen Voraussetzungen, dient die juristische Arbeitstechnik (Subsumtion). Subsumtion führt einen Lebenssachverhalt „unter“ die rechtlichen Voraussetzungen z.B. einer begehrten Forderung und prüft, ob diese erfüllt sind. Das bedingt, dass zuerst die rechtlichen Voraussetzungen klar definiert werden. Erst anschließend kann ermittelt werden, ob sie gegeben sind, und dann kann das gewünschte Ergebnis festgestellt werden.
Formulierungsbeispiel:
Fiktiver Sachverhalt ist hier z.B. das Zurücklegenlassen eines Bekleidungsstücks in einer Boutique, um es später „abzuholen“; der Verkäufer durfte das als „ich kaufe“ verstehen, während der Käufer vielleicht nur eine unverbindliche „Reservierung“ gemeint haben könnte.
A könnte von B Zahlung von 500 € als Kaufpreis nach § 433 Abs. 2 beanspruchen. Dazu müsste ein wirksamer Kauf zwischen A und B vorliegen und der Käufer dürfte seine Zahlungspflicht noch nicht erfüllt haben. Ein Kauf ist ein vertragliches Austauschschuldverhältnis, bei welchem sich der Verkäufer zur Übergabe und Übereignung der Kaufsache gegen Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer verpflichtet. Fraglich ist, ob sich A und B hierauf geeinigt haben und diese Einigung wirksam ist. Eine solche Einigung setzt voraus, dass (…). Dazu müsste B (…). Allerdings hatte er lediglich (…). Entscheidend ist aber nicht (…), sondern (…). Damit genügt die Erklärung des B den Voraussetzungen. Da weitere Hinderungsgründe nicht ersichtlich sind, ist das Zahlungsverlangen des A berechtigt.
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Das hier darzustellende materielle Recht gewinnt seine volle Funktion freilich erst in der vorausschauenden gestalterischen Rechtsanwendung.
Bei Übereignungs- und bei Zahlungsforderungen (nach § 433, ebenso aber nach Bereicherungsrecht etc.) sollte regelmäßig daran gedacht werden, auch die Gegenleistung anbieten zu müssen (§ 320 Abs. 1) sonst ist der Anspruch nicht durchsetzbar; A hätte im vorigen Beispiel die Einrede des nichterfüllten Vertrages, weil er nur Zug-um-Zug gegen Bereitstellung der Ware zahlen muss. Das setzt sich in einer Klageschrift fort, als dort dann idealerweise der Leistungsantrag mit der Feststellung des Gläubigerverzugs hinsichtlich der Annahme einer allfälligen Gegenleistung verbunden werden sollte (§§ 322 Abs. 3, 274 Abs. 2, 298), um vollstreckungsrechtlich überhaupt Erfolg haben zu können (vgl. §§ 894 S. 2, 726 Abs. 2 ZPO).
Ähnlich sollte zumindest in der Praxis überlegt werden, einen Anspruch auf Herausgabe (oder Übereignung) einer Sache mit einer Fristsetzung zur Herausgabe zu verbinden (im Hinblick auf den dann an seine Stelle tretenden Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, § 281 Abs. 1 S. 1), um dem Schuldner nicht wegen des geschuldeten Gegenstands „ewig hinterherlaufen zu müssen“. Noch wichtiger ist das spätestens im Klageverfahren, den Antrag auf Herausgabe ggf. mit einer Fristsetzung und einem Schadensersatzantrag für den Fall der Nichtherausgabe (als „unechter“ Hilfsantrag) zu verbinden.
Beide Beispiele sollen andeuten, dass Die beiden zuletzt angedeuteten prozessualen Ergänzungen beruhen schlicht auf den zum relevanten Basiswissen gehörenden Einwendungen bzw. Gestaltungsrechten.
§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › B. Austauschschuldverhältnisse