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5. Schutzpflichten

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Neben diesen Haupt- und Nebenleistungspflichten bestehen im Rahmen des Schuldverhältnisses, aufgrund Auslegung nach § 157 und aus Treu und Glauben (§ 242) eine Vielzahl von (sog. Neben-, Schutz- und Treu-)Pflichten, die unselbstständig und also nicht als solche einklagbar sind. Sie erweitern nicht die Leistungsgebote, sondern ergänzen die Hauptleistung. Sie können (umgangssprachlich) durchaus in einer „Leistung“ bestehen, etwa Auskunfts-, Beratungs-, Verpackungs- oder Versicherungspflichten, ohne dass diese Pflichten aber durch Erfüllungsklage aus dem Vertrag oder mittels Gewährleistungsfolgen erreicht werden könnten. Obwohl auf die Hauptleistung bezogen, stehen sie nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) und ihr Versäumnis macht die eigentliche Leistung nicht mangelhaft. Die Pflichten schützen „nur“ das Integritätsinteresse.

Beispiel:

Die mangelhafte Verpackung etwa beim Versendungskauf (§ 447) an einen Verbraucher bleibt folgenlos, wenn die Ware dennoch unversehrt ankommt.[47] Führt sie zu einem Transportschaden, so war die Kaufsache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, nämlich bei Übergabe an die Transportperson, dennoch mangelfrei (§ 434); Rechte des Käufers bestehen aber auf Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2. Gleiches gilt zu geschuldeten Hinweisen zu Wartung und Pflege etc.

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Die Abgrenzung kann nur im Einzelfall anhand des konkreten Vertragszwecks erfolgen. So ist die Verpackungspflicht gegenüber einem gewerblichen Wiederverkäufer sicher synallagmatische Nebenleistungspflicht; ihr Versäumnis führt dann an sich bereits zur Mangelhaftigkeit (unabhängig von Transportschäden).

Beispiel:

Schuldet ein Küchenfachgeschäft anders als beim bloßen Abverkauf regelmäßig und auch ohne besonderes Entgelt sowohl eine Gestaltungsberatung wie das Einmessen des Raumes, dann im Hinblick auf die erkennbare und berechtigte Erwartungshaltung auf eine passgenaue, subjektiv wohlgefällige und arbeitsökonomisch sinnvolle Küche. Fehlende Passung ist dabei ein Sachmangel, das Einmessen des Raumes hierfür lediglich notwendiges Hilfsmittel, selbst aber keine klagbare Pflicht. Die Gestaltungsberatung dagegen ist Nebenleistungspflicht und steht als solche im Gegenseitigkeitsverhältnis, weil selbst eine bedürfnisgerechte Küche berechtigte Fragen zu Alternativen und des Geschmacks jedenfalls nicht ausschließt.

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Schutzpflichten bestehen auch außerhalb des eigentlichen Vertragszwecks; so die aus § 242 abgeleiteten und in § 241 Abs. 2 ausdrücklich benannten Rücksichtspflichten, die auf eine durch den Schutz des Vertragspartners gebotene Fürsorge gerichtet sind. Der Umfang solcher Fürsorgepflichten ergibt sich wiederum aus dem Vertragszweck, insb. der persönlichen Enge der schuldrechtlichen Bindung und ist ein anderer, je danach, ob es sich um einen alltäglichen Supermarkteinkauf, den Erwerb von Haute Couture in einer exklusiven Boutique oder von Medikamenten in der Apotheke handelt. Während der Supermarkt sich auf den Schutz vor herabfallenden Gegenständen und Sturzgefahren beschränken kann, mag man beim Erwerb von Luxusgütern von einer darauf spezialisierten Boutique durchaus erwarten, vor einem Fehlkauf auch insoweit gewarnt zu werden, als individuelle Umstände für die Nutzungsmöglichkeiten berücksichtigt werden (bei außergewöhnlichen Pflanzen auch z.B. hinsichtlich der Standort- und Pflegeanforderungen) oder der Apotheker auf Risiken und Nebenwirkungen ebenfalls ungefragt hinweisen muss.

Beachte:

Die fehlende Eignung des Kleidungsstücks für einen dem Verkäufer konkret angegebenen Anlass ist hingegen die Verletzung einer echten Nebenleistungspflicht jedes Bekleidungsfachgeschäfts und damit ein Sachmangel (selbstredend nicht so beim Textil-Discounter), etwa wenn ein Hochzeitsgast mit der dafür zu erwerbenden Robe erkennbar Gefahr läuft, einer Braut „die Show zu stehlen“.[48]

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