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Abschnitt 2:Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber Unterabschnitt 1:Anwendungsbereich

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§ 115 GWBAnwendungsbereich

Dieser Abschnitt ist anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und die Ausrichtung von Wettbewerben durch öffentliche Auftraggeber.

1§ 115 GWB legt den Anwendungsbereich des Abschnitts 2 „Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber“ fest. Danach findet Abschnitt 2 auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und die Ausrichtung von Wettbewerben (§ 130 Abs. 6 GWB) durch öffentliche Auftraggeber i. S. d. § 99 GWB Anwendung. Abschnitt 2 dient damit im Kern der Umsetzung der wesentlichen Vorgaben der VRL und bündelt alle zentralen Elemente des Vergabeverfahrens im GWB.1

2Der Abschnitt 2 umfasst die §§ 115 bis 135 GWB und ist untergliedert in den Unterabschnitt 1 „Anwendungsbereich“ und den Unterabschnitt 2 „Vergabeverfahren und Auftragsausführung“.

3Auf die in Abschnitt 3 geregelten Vergaben (Vergabe durch Sektorenauftraggeber, Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen, Konzessionsvergabe) findet der Abschnitt 2 nur insoweit Anwendung als auf die jeweiligen Vorschriften gesondert verwiesen wird (z. B. in den §§ 142, 147 und 154 GWB).

§ 116 GWBBesondere Ausnahmen

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber, wenn diese Aufträge Folgendes zum Gegenstand haben:

1. Rechtsdienstleistungen, die eine der folgenden Tätigkeiten betreffen:

a) Vertretung eines Mandanten durch einen Rechtsanwalt in

aa) Gerichts- oder Verwaltungsverfahren vor nationalen oder interna­tionalen Gerichten, Behörden oder Einrichtungen,

bb) nationalen oder internationalen Schiedsgerichts- oder Schlichtungsverfahren,

b) Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt, sofern diese zur Vorbereitung eines Verfahrens im Sinne von Buchstabe a dient oder wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Angelegenheit, auf die sich die Rechtsberatung bezieht, Gegenstand eines solchen Verfahrens werden wird,

c) Beglaubigungen und Beurkundungen, sofern sie von Notaren vorzunehmen sind,

d) Tätigkeiten von gerichtlich bestellten Betreuern, Vormündern, Pflegern, Verfahrensbeiständen, Sachverständigen oder Verwaltern oder sonstige Rechtsdienstleistungen, deren Erbringer durch ein Gericht dafür bestellt oder durch Gesetz dazu bestimmt werden, um bestimmte Aufgaben unter der Aufsicht dieser Gerichte wahrzunehmen, oder

e) Tätigkeiten, die zumindest teilweise mit der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen verbunden sind,

2. Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, es sei denn es handelt sich um Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 73000000-2 bis 73120000-9, 73300000-5, 73420000-2 und 73430000-5 fallen und bei denen

a) die Ergebnisse ausschließlich Eigentum des Auftraggebers für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit werden und

b) die Dienstleistung vollständig durch den Auftraggeber vergütet wird,

3. den Erwerb, die Entwicklung, die Produktion oder die Koproduktion von Sendematerial für audiovisuelle Mediendienste oder Hörfunkmediendienste, wenn diese Aufträge von Anbietern von audiovisuellen Mediendiensten oder Hörfunkmediendiensten vergeben werden, die Ausstrahlungszeit oder die Bereitstellung von Sendungen, wenn diese Aufträge an Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten oder Hörfunkmediendiensten vergeben werden,

4. finanzielle Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten, Dienstleistungen der Zentralbanken sowie mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus durchgeführte Transaktionen,

5. Kredite und Darlehen, auch im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten oder

6. Dienstleistungen, die an einen öffentlichen Auftraggeber nach § 99 Nummer 1 bis 3 vergeben werden, der ein auf Gesetz oder Verordnung beruhendes ausschließliches Recht hat, die Leistungen zu erbringen.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Wettbewerbe anzuwenden, die hauptsächlich den Zweck haben, dem öffentlichen Auftraggeber die Bereitstellung oder den Betrieb öffentlicher Kommunikationsnetze oder die Bereitstellung eines oder mehrerer elektronischer Kommunikationsdienste für die Öffentlichkeit zu ermöglichen.

Schrifttum: Hattenhauer/Butzert, Auftragsvergabe im Wissenschaftsbetrieb aus vergaberechtlicher Sicht, VergabeR 2017, 580 (583).

Übersicht Rn.
A. Vorbemerkungen 1
B. Besondere Ausnahmen vom Anwendungsbereich 2–42
I. Rechtsdienstleistungen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 GWB) 2–9
1. Vertretung durch einen Rechtsanwalt (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. a GWB) 4, 5
2. Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GWB) 6
3. Beglaubigungen und Beurkundungen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. c GWB) 7
4. Gerichtlich bestellte Personen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. d GWB) 8
5. Ausübung hoheitlicher Befugnisse (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. e GWB) 9
II. Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen (§ 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB) 10–17
III. Audiovisuelle oder Hörfunkmediendienste (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 GWB) 18–21
IV. Finanzielle Dienstleistungen (§ 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB) 22–27
V. Kredite und Darlehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB) 28–30
VI. Aufträge an andere öffentliche Auftraggeber (§ 116 Abs. 1 Nr. 6) 31–37
VII. Elektronische Kommunikationsnetze, -dienste (§ 116 Abs. 2 GWB) 38–42

A.Vorbemerkungen

1§ 116 GWB enthält besondere Ausnahmen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und die Ausrichtung von Wettbewerben. Bislang waren diese Ausnahmen in den §§ 100 Abs. 4 Nr. 2 und 100a Abs. 2 bis 4 GWB a. F. geregelt. Als eigenständige Regelungen neu sind die Rechtsdienstleistungen in § 116 Abs. 1 Nr. 1 GWB sowie die gesonderte Erwähnung von Krediten und Darlehen in § 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB. Wie alle Ausnahmen sind auch die besonderen Ausnahmen des § 116 GWB eng auszulegen.1

§ 116 Abs. 1 GWB dient im Wesentlichen der Umsetzung von Art. 10 VRL. Sofern die in § 116 GWB genannten Ausnahmen auch auf die besonderen Bereiche des Abschnitts 3 (§§ 136 ff. GWB) anwendbar sind, wird in den §§ 137, 145 und 150 GWB auf die jeweiligen Ausnahmen des § 116 GWB verwiesen.2

B.Besondere Ausnahmen vom Anwendungsbereich

I.Rechtsdienstleistungen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 GWB)

2§ 116 Abs. 1 Nr. 1 GWB enthält eine Ausnahme für bestimmte Rechtsdienstleistungen und dient der Umsetzung von Art. 10 lit. d VRL. Entsprechende Ausnahmen finden sich ebenfalls in Art. 10 Abs. 8 lit. d KVR sowie Art. 21 lit. c SRL. Als Grund für die Ausnahme wird genannt, dass solche Rechtsdienstleistungen in der Regel durch Organisationen oder Personen erbracht werden, deren Bestellung oder Auswahl in einer Art und Weise erfolgt, die sich nicht nach Vergabevorschriften für öffentliche Aufträge richten kann, wie beispielsweise bei der Ernennung von Staatsanwälten in einigen Mitgliedstaaten. Diese Rechtsdienstleistungen sollten daher vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden.3 § 137 Nr. 1 und § 149 Nr. 1 GWB verweisen insofern auf die Ausnahme für Rechtsdienstleistungen i. S. d. § 116 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Die VSVR enthält keine Ausnahme für Rechtsdienstleistungen. Die besonderen Ausnahmen für verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge sind in § 145 GWB geregelt.

3§ 116 Abs. 1 Nr. 1 GWB sieht keine generelle Ausnahme für Rechtsdienstleistungen vor, sondern beschränkt die Ausnahme auf die in lit. a bis e genannten Fälle. Im Wesentlichen betrifft dies Rechtsdienstleistungen, die von gerichtlich bestellten Dienstleistern erbracht werden, die die anwaltliche Vertretung von Mandanten in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren betreffen, durch Notare erbracht werden müssen oder mit der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen verbunden sind. Für die Vergabe von sonstigen Rechtsdienstleistungen, die nicht unter die Ausnahme des § 116 Abs. 1 Nr. 1 GWB fallen, kommt nicht das allgemeine Vergabeverfahren zur Anwendung, sondern das vereinfachte Verfahren i. S. d. § 130 GWB, für das der höhere Schwellenwert von EUR 750.000 gilt.4 § 130 GWB verweist hierzu auf Anhang XIV der VRL, in dem die Dienstleistungen im juristischen Bereich erfasst sind, sofern sie nicht nach Art. 10 lit. d VRL, also nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 GWB vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgeschlossen sind.

1.Vertretung durch einen Rechtsanwalt (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. a GWB)

4§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. a GWB betrifft die anwaltliche Vertretung sowohl in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren (lit. aa) als auch in Schiedsgerichts- oder Streitbeilegungsverfahren (lit. bb). Solche Dienstleistungen eines Rechtsanwalts lassen sich nur im Rahmen einer von höchstmöglicher Vertraulichkeit geprägten persönlichen Beziehung zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten erbringen.5 Der Umfang der anwaltlichen Vertretung ergibt sich dabei aus dem jeweiligen Mandatsvertrag und kann fallspezifisch variieren. Unerheblich ist dabei, ob die anwaltliche Vertretung in Deutschland, anderen EU-Mitgliedstaaten, Drittstaaten oder vor internationalen Organisationen und Einrichtungen stattfindet. § 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. a GWB findet auch im Falle der Beiordnung des Rechtsanwalts durch das Gericht Anwendung. Entscheidend für die Ausnahme ist, dass das jeweilige Gerichts- bzw. Schiedsgerichts- oder Schlichtungsverfahren begonnen hat. Die rein vorbereitende Beratung im Hinblick auf spätere Gerichts- oder Verwaltungsverfahren ist gesondert in § 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GWB geregelt.6

5Zur Definition des Begriffs des Rechtsanwalts verweist Art. 10 lit. d (i) VRL auf Art. 1 der Richtlinie 77/249/EWG zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte.7 Unter die Ausnahme fällt damit beispielsweise auch die Beauftragung eines Avocats zur Vertretung im Rahmen eines Schiedsgerichtsverfahrens in Paris.

2.Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GWB)

6§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GWB sieht eine Ausnahme für Rechtsdienstleistungen vor, die – über die anwaltliche Vertretung in Gerichts-, Verwaltungs-, Schiedsgerichts- oder Schlichtungsverfahren im Sinne des lit. a hinaus – die anwaltliche Beratung betreffen. Aufgrund der in den genannten Verfahren bestehenden Notwendigkeit umfassender Prozessverantwortung durch den Rechtsbeistand ist eine Ausnahme vom Vergaberecht angezeigt. § 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GWB enthält dabei keine allgemeine Ausnahme für sämtliche anwaltliche Beratungsleistungen, sondern fordert im Kern, dass ein Bezug zu einem künftigen nationalen oder internationalen Gerichts-, Verwaltungs-, Schiedsgerichts- oder Schlichtungsverfahren besteht. Dies ist entweder der Fall, wenn die anwaltliche Beratung zur Vorbereitung eines Verfahrens im Sinne von lit. a dient oder wenn zumindest konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass es in der Zukunft zu einem solchen Verfahren kommen kann. Eine gutachterliche Tätigkeit des Rechtsanwalts, ohne Zusammenhang mit einem unter lit. a genannten Verfahren fällt daher nicht unter die Ausnahmevorschrift, sondern wird von § 130 GWB erfasst. Die Grenze zur von der Ausnahmevorschrift erfassten Vorbereitung eines Verfahrens wird aber spätestens dann überbeschritten sein, wenn der Rechtsanwalt mit dem Entwurf einer Klage zur Einleitung eines Gerichtsverfahrens beauftragt wird. § 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GWB findet auch auf gerichtlich beigeordnete Rechtsanwälte Anwendung.8

3.Beglaubigungen und Beurkundungen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. c GWB)

7§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. c GWB nimmt Beglaubigungs- und Beurkundungsdienstleistungen vom Anwendungsbereich aus, sofern sie von Notaren zu erbringen sind. Die Ausnahme umfasst daher insbesondere die Beurkundung von Verträgen über die Veräußerung von Grundstücken, die nach § 311 b Abs. 1 BGB der notariellen Beurkundung bedürfen.

4.Gerichtlich bestellte Personen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. d GWB)

8§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. d GWB erfasst insbesondere die Tätigkeit von Ergänzungs- und Umgangspflegern, Verfahrens- und Nachlasspflegern, Insolvenzverwaltern, Sachwaltern und Treuhändern sowie von Zwangsverwaltern und Sequestern in Zwangsvollstreckungsverfahren. Diese Ausnahme gilt auch für Rechtsdienstleistungen von gerichtlich bestellten Sachverständigen. Sie werden von den Gerichten aufgrund ihrer besonderen Sachkunde zur Beratung und Beweiserhebung bestellt. Durch die Bestellung wird ein öffentlich-rechtliches Verhältnis zwischen Gericht und Sachverständigem begründet.9

5.Ausübung hoheitlicher Befugnisse (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. e GWB)

9§ 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. e GWB gilt unter anderem für die Gerichtsvollzieher, die einerseits ihre Tätigkeit als selbstständiges Organ der Rechtspflege hoheitlich ausüben, andererseits aufgrund des Vollstreckungsauftrags an die Weisungen des Gläubigers insoweit gebunden sind, wie diese sich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften halten und den Dienstanweisungen des Gerichtsvollziehers nicht widersprechen.

II.Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen (§ 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB)

10§ 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB dient der Umsetzung von Art. 14 VRL. Art. 25 KVR und Art. 32 SRL enthalten entsprechende Regelungen. Bislang war die Ausnahme für Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen als allgemeine Ausnahme in § 100 Abs. 4 Nr. 2 GWB a. F. verankert. Da die neuen EU-Vergaberichtlinien einen etwas weiteren Ausnahmebereich für Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen vorsehen als bisher10 und für Vergaben in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit Art. 13 lit. j VSVR unverändert weiter gilt, war eine Einordnung unter die allgemeinen Ausnahmen des § 107 GWB nicht möglich.11

11Die Vorschrift unterscheidet sich von § 100 Abs. 4 Nr. 2 GWB a. F. durch die eingefügte Bezugnahme auf die CPV-Referenznummern, ist im Übrigen aber im Wortlaut unverändert. Damit gilt die Rückausnahme künftig nur noch für die Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, die von diesen CPV-Referenznummern umschrieben sind, also für 73000000-2 (Forschungs- und Entwicklungsdienste und zugehörige Beratung), 73100000-3 (Dienstleistungen im Bereich Forschung und experimentelle Entwicklung), 73110000-6 (Forschungsdienste), 73111000-3 (Forschungslabordienste), 73112000-0 (Meeresforschungsdienste), 73120000-9 (Experimentelle Entwicklung), 73300000-5 (Planung und Ausführung von Forschung und Entwicklung), 73420000-2 (Vordurchführbarkeitsstudie und technologische Demonstration) und 73430000-5 (Test und Bewertung). Alle Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen, die unter andere CPV-Referenznummern fallen, sind vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ganz ausgenommen, ohne dass die Rückausnahme des § 116 Abs. 1 Nr. 2 HS 2 GWB zur Anwendung kommt. Dies betrifft zum Beispiel Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (z. B. CPV-Referenznummern 73400000-6 Forschung und Entwicklung für Sicherheits- und Verteidigungsgüter oder 73410000-9 Militärforschung und -technologie).12

12Liegen die Voraussetzungen für die Rückausnahme („es sei denn“) vor, ist das Vergaberecht grundsätzlich in vollem Umfang anwendbar. Allerdings sehen die Richtlinien beispielsweise vor, dass wenn Lieferleistungen, die nicht eine Serienfertigung zum Nachweis der Marktfähigkeit des Erzeugnisses oder zur Deckung der Forschungs- und Entwicklungskosten enthalten, dann der Weg für das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb offen sein soll.13

13Für die in § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB genannten CPV-Referenznummern gilt die Rückausnahme, die zur Anwendung des Vergaberechts führt, wenn der öffentliche Auftraggeber ausschließlicher Eigentümer der Ergebnisse eines Forschung- und Entwicklungsauftrags wird, die er für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit verwendet und die Dienstleistungen vollständig durch ihn vergütet werden. Dienen die Forschungs- oder Entwicklungsaufträge somit allein dem Interesse des Auftraggebers, behält er diese für sich und vergütet diese vollständig, ist kein Grund für die Privilegierung gegeben. Durch die Ausnahme gefördert werden soll insbesondere die Kofinanzierung von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen durch die Industrie, indem in diesen Fällen das Vergaberecht nicht zur Anwendung kommt. Dabei muss es sich um eine ernsthafte Kofinanzierung handeln, so dass eine rein symbolische Beteiligung an der Vergütung des Dienstleisters nicht zur Ausnahme vom Vergaberecht führen kann.14

14Ein „ausschließliches Eigentum des Auftraggebers für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit“ scheidet nicht bereits dann aus, wenn der öffentliche Auftraggeber Forschungsergebnisse freiwillig öffentlich zugänglich macht oder weil er aufgrund beispielsweise des Umweltinformationsgesetzes dazu verpflichtet ist. Der zivilrechtliche Eigentumsbegriff des BGB kann insoweit auch nicht ausschlaggebend sein. Denn zum einen können Forschungsergebnisse eine unkörperliche Form aufweisen, an der zivilrechtlich kein Eigentum begründet werden kann, zum anderen geht die Vorschrift auf eine europäische Norm zurück, die nicht nur durch eine einzige Zivilrechtsordnung geprägt ist und in verschiedenen Sprachfassungen vorliegt. Die Bezugnahme auf das „Eigentum“ ist deshalb sinngemäß zu verstehen als „wem das Ergebnis gehört“, „wem das Nutzungsrecht zusteht“ oder „wem die Verwertung (am Markt) zukommt“.15

15Die Rückausnahme „ausschließlich Eigentum des Auftraggebers“ liegt auch nicht schon allein deshalb vor, weil die Dienstleistung zumindest auch der Allgemeinheit zugutekommt, nachdem ein wie auch immer gearteter Nutzen für die Allgemeinheit bei öffentlicher Auftragsforschung regelmäßig vorliegt. Allein dadurch wird ein Auftrag aber weder zum von der Richtlinie ausgenommenen Beitrag zur Finanzierung von Forschungsprogrammen, noch zu einem Auftrag, dessen Ergebnis in erster Linie der Forschungsstelle selbst zur Verfügung steht, noch zwangsläufig zur Finanzierung von allgemein bedeutsamer Forschung zum Nutzen der Gesellschaft insgesamt.16

16Der Eigentumsbegriff ist auch relevant für eine Abgrenzung zu der Innovationspartnerschaft des § 119 Abs. 7 GWB, die es dem öffentlichen Auftraggeber erlaubt, noch nicht auf dem Markt verfügbare Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen entwickeln zu lassen und die entwickelten Leistungen ohne erneute Ausschreibung anschließend zu erwerben. Ginge man im Rahmen des § 119 Abs. 7 GWB und der Ausnahme des § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB von dem zivilrechtlichen Eigentumsbegriff des BGB aus, wäre die Innovationspartnerschaft nur für diejenigen Fälle relevant, die nicht schon durch § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB von der Anwendung des vierten Teils des GWB ausgenommen sind. Beispielsweise unter die CPV-Referenznummer 73000000-2 fallende und vom Auftraggeber vollständig vergütete Forschungs- und Entwicklungsdienste, an denen der Auftraggeber aber nur eine Lizenz zur Nutzung für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit erhält, würden bei einem starren Eigentumsbegriff schon aus dem Anwendungsbereich der §§ 97 ff. GWB fallen und wären damit thematisch auch nicht von der Innovationspartnerschaft erfasst.

17Was unter Forschung zu verstehen ist, wird weder in der VRL noch der SRL noch der KVR definiert. Forschung hat jedenfalls zum Ziel, neue Erkenntnisse zu gewinnen, unabhängig davon ob es sich um Grundlagenforschung oder um angewandte Forschung handelt. Der Begriff der Forschung i. S. d. § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB umfasst deshalb sowohl die Grundlagenforschung als auch die angewandte Forschung.17 In diesem Sinne definiert auch Art. 1 Nr. 27 der VSVR die „Forschung und Entwicklung“ als alle Tätigkeiten, die Grundlagenforschung, angewandte Forschung und experimentelle Entwicklung beinhalten, wobei letztere die Herstellung von technologischen Demonstrationssystemen, d. h. von Vorrichtungen zur Demonstration der Leistungen eines neuen Konzepts oder einer neuen Technologie in einem relevanten oder repräsentativen Umfeld einschließen kann.18 Ausweislich des Erwägungsgrundes (13) der VSVR, schließt der Begriff der Forschung und Entwicklung die Herstellung und Qualifizierung von der Produktion vorausgehenden Prototypen, Werkzeug- und Fertigungstechnik, Industriedesign oder Herstellung nicht ein.19

III.Audiovisuelle oder Hörfunkmediendienste (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 GWB)

18§ 116 Abs. 1 Nr. 3 GWB dient der Umsetzung von Art. 10 lit. b VRL. Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen dem § 100a Abs. 2 Nr. 1 GWB a. F., passt diesen jedoch entsprechend dem Wortlaut des Art. 10 lit. b VRL an die technischen Entwicklungen der vergangenen Jahre an.

19Ziel der Ausnahmevorschrift für die Vergabe öffentlicher Aufträge über bestimmte audiovisuelle und Hörfunkmediendienste durch Anbieter von Mediendiensten ist, dass besondere kulturelle und gesellschaftspolitische Erwägungen angemessen berücksichtigt werden können.20 Aus diesen Gründen sieht § 116 Abs. 1 Nr. 3 GWB eine Ausnahme für die von Anbietern von audiovisuellen Mediendiensten oder Hörfunkmediendiensten vergebenen öffentlichen Dienstleistungsaufträge vor, die den Erwerb, die Entwicklung, die Produktion oder die Koproduktion von sendefertigem Material sowie andere Vorbereitungsdienste zum Gegenstand haben, wie beispielsweise Dienste im Zusammenhang mit den für die Produktion von Sendungen erforderlichen Drehbüchern oder künstlerischen Leistungen. § 116 Abs. 1 Nr. 3 GWB bezieht sich gleichermaßen auf Rundfunk-Mediendienste und auf Abruf (ondemand)-Dienste (nichtlineare Dienste). Nicht von der Ausnahme erfasst werden soll aber die Bereitstellung des für die Produktion, die Koproduktion und die Ausstrahlung dieser Sendungen erforderlichen technischen Materials.21

20Die Begriffe „audiovisuelle Mediendienste“ und „Anbieter von Mediendiensten“ haben dabei dieselbe Bedeutung wie in Art. 1 Abs. 1 lit. a bzw. lit. d der Richtlinie 2010/13/EU.22 Audiovisuelle Mediendienste“ sind danach Dienstleistungen, für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze i. S. d. Art. 2 lit. a der Richtlinie 2002/21/EG23 ist oder die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation. Bei den audiovisuellen Mediendiensten handelt es sich entweder um Fernsehprogramme24 oder um audiovisuelle Mediendienste auf Abruf.25Mediendiensteanbieter“ ist danach eine natürliche oder juristische Person, die die redaktionelle Verantwortung für die Auswahl der audiovisuellen Inhalte des audiovisuellen Mediendienstes trägt und bestimmt, wie diese gestaltet werden.

21Der Begriff „Sendung“ hat dieselbe Bedeutung wie in Art. 1 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2010/13/EU, umfasst jedoch zusätzlich Hörfunksendungen und Hörfunk-Sendematerial. Der Begriff „Sendematerial“ hat dieselbe Bedeutung wie „Sendung“.26 Eine „Sendung“ bzw. Sendematerial i. S. d. § 116 Abs. 1 Nr. 3 GWB ist danach eine Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton, die Einzelbestandteil eines von einem Mediendiensteanbieter erstellten Sendeplans oder Katalogs ist und deren Form und Inhalt mit der Form und dem Inhalt von Fernsehprogrammen vergleichbar sind. Beispiele für Sendungen sind unter anderem Spielfilme, Sportberichte, Fernsehkomödien, Dokumentarfilme, Kindersendungen und Originalfernsehspiele.

IV.Finanzielle Dienstleistungen (§ 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB)

22§ 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB dient der Umsetzung von Art. 10 lit. e VRL und betrifft Ausnahmen für bestimmte finanzielle Dienstleistungen, die teilweise in § 100a Abs. 2 Nr. 2 und § 100b Abs. 2 Nr 1 GWB a. F. geregelt waren. Neu im Vergleich zur bisherigen Ausnahme ist, dass Transaktionen mit der neu geschaffenen Finanzstabilisierungsfazilität und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ebenfalls von der Anwendung des Vergaberechts ausgenommen sind.27 Bei der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) handelt es sich um eine Aktiengesellschaft (société anonyme) nach luxemburgischem Recht mit Sitz in Luxemburg, die am 7.6.2010 gegründet wurde und als provisorischer vorläufiger Stabilisierungsmechanismus dient. Seit dem 1.7.2013 ist der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) die einzige Institution für die finanzielle Unterstützung von Mitgliedstaaten des Euroraums. Seit diesem Tag ist die EFSF nicht mehr für die Finanzierung von Programmen oder neuen Kreditfazilitäten zuständig.28 Die Ausnahme für bestimmte finanzielle Dienstleistungen ist entsprechend in Art. 10 Abs. 8 lit. e KVR und Art. 21 lit. d SRL enthalten. Insofern verweisen § 137 Nr. 4 GWB und § 149 Nr. 4 GWB auf die Ausnahme des § 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB.29

23Art. 10 lit. e VRL verweist zur Definition der Finanzinstrumente auf die Richtlinie 2004/39/EG.30 Zur Bestimmung der Begriffe „Wertpapiere“ sowie „Finanzinstrumente“ können der in Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 dieser Richtlinie 2004/39/EG definierte Begriff „übertragbare Wertpapiere“ und die Liste der Finanzinstrumente in Anhang I Abschnitt C dieser Richtlinie sowie Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2006/49/EG (Kapitaladäquanzrichtlinie) herangezogen werden.

24„Dienstleistungen der Zentralbanken“ sind die im BBankG geregelten Dienstleistungen, die die Deutsche Bundesbank und ihre Hauptgeschäftsstellen (§ 8 BBankG) für öffentliche Auftraggeber erbringen.

25Dienstleistungen der Zentralbanken sowie mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) durchgeführte Transaktionen sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift von der Anwendung des vierten Teils des GWB ausgeschlossen, nicht jedoch Aufträge, die die Zentralbanken selbst erteilen. Dagegen stellt sich bei den Finanzinstrumenten die Frage, wann Dienstleistungen noch „im Zusammenhang“ und damit ohne Anwendung des Vergaberechts beauftragt werden und wann dies nicht mehr der Fall ist. Verträge über Emission, Verkauf, Ankauf oder Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten sind jedenfalls als Kern der Ausnahmevorschrift von dieser erfasst. Als ihm Zusammenhang stehend werden aber auch die Dienstleistungen angesehen werden können, die Beispielsweise der Emission von Wertpapieren dienen, wie die Erstellung eines Emissionsprospektes.

26Hinsichtlich der Auftragserteilung zur Vermittlung eines US Cross-Border-Leasing-Vertrags für Einrichtungen einer Stadtentwässerung (Arrangeurvertrag) wurde im Hinblick auf ein besonderes kapitalmarktbezogenes Vertrauensverhältnis angenommen, dass dieser als Vertrag über eine „andere Finanzdienstleistung“ den Ausnahmetatbestand des § 100a Abs. 2 Nr. 2 GWB a. F. erfüllte.31

27Finanzdienstleistungen, die gleichlaufend, vorangehend oder im Anschluss an einen Vertrag über den Erwerb oder die Anmietung von Grundstücken oder bestehenden Gebäuden – gleich in welcher Form – erbracht werden, fallen weder unter den Ausnahmetatbestand des § 116 Abs. 1 Nr. 4 GWB noch unter den des § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB.

V.Kredite und Darlehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB)

28§ 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB regelt eine neue Ausnahme vom Anwendungsbereich des Vergaberechts für Kredite und Darlehen und zwar unabhängig davon, ob sie mit der Ausgabe von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten oder mit anderen diese betreffenden Transaktionen im Zusammenhang stehen oder nicht.32 § 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB dient der Umsetzung von Art. 10 lit. f VRL. Die Ausnahme für Kredite und Darlehen ist entsprechend in Art. 10 Abs. 8 lit. f KVR und Art. 21 lit. e SRL enthalten. Insofern verweisen § 137 Nr. 5 GWB und § 149 Nr. 5 GWB auf die Ausnahme des § 116 Abs. 1 Nr. 5 GWB.33

29Der Begriff des „Kredits“ ist in § 19 und 21 KWG definiert und geht weiter als der Begriff des „Darlehens“. Er umfasst auch andere Formen, da er neben Geldforderungen beispielsweise Akzeptkredite, Avalkredite und Diskontkredite umfasst.34

30Die Vorschrift stellt im Ergebnis die Kapitalbeschaffung des öffentlichen Auftraggebers von den Regeln des vierten Teils des GWB frei. Leasingmodelle, die zwar auch eine Darlehenskomponente enthalten, unterfallen deshalb der Ausnahmevorschrift jedenfalls dann nicht, wenn die Finanzierungskomponente nicht im Vordergrund steht.35

VI.Aufträge an andere öffentliche Auftraggeber (§ 116 Abs. 1 Nr. 6)

31§ 116 Abs. 1 Nr. 6 GWB dient der Umsetzung von Art. 11 VRL und entspricht dem § 100a Abs. 3 GWB a. F. Die Ausnahmeregelung betrifft Fälle, in denen ein bestimmter öffentlicher Auftraggeber oder ein Verbund von öffentlichen Auftraggebern der einzige Anbieter einer bestimmten Dienstleistung sein kann, da er für deren Erbringung ein auf Gesetz oder Verordnung beruhendes und mit den Vorschriften des AEUV in Einklang stehendes ausschließliches Recht besitzt.36

32Die Ausnahme setzt voraus, dass es sich bei dem Auftragnehmer um eine Person handelt, die selbst die Voraussetzungen des § 99 Nr. 1, 2 oder 3 GWB erfüllt. Als Leistungserbringer erfasst sind damit die Gebietskörperschaften und ihre Sondervermögen (§ 99 Nr. 1 GWB), die juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts i. S. d. § 99 Nr. 2 GWB sowie die Verbände i. S. d. § 99 Nr. 3 GWB. Zudem muss diese Person ein auf Gesetz oder Verordnung beruhendes ausschließliches Recht zur Erbringung der Leistung, vergleichbar mit einem Monopol haben. In diesem Fall wäre eine Ausschreibung sinnlos, da ohnehin nur der Monopolist den Zuschlag erhalten könnte.37

33Das ausschließliche Recht zur Leistungserbringung muss auf einem Gesetz oder einer Verordnung beruhen. Die Begründung durch einen Rechtsakt anderer Art, wie beispielsweise durch einen Verwaltungsakt, durch einen Vertrag oder eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung, genügt diesem Erfordernis nicht.38 Deshalb ergibt sich beispielsweise auch aus den für verbindlich erklärten Vorgaben der Abfallwirtschaftspläne kein Recht auf Erbringung der betreffenden Abfallbeseitigungsleistungen in diesem Sinne. Die Rechtswirkungen der Abfallwirtschaftspläne erschöpfen sich in der Verpflichtung des Abfallbeseitigungspflichtigen, den Abfall in den im Abfallwirtschaftsplan verbindlich vorgegebenen Anlagen zu entsorgen. Der Plan räumt daneben nicht – wie es für § 116 Abs. 1 Nr. 6 GWB erforderlich wäre – dem Betreiber der Abfallbeseitigungsanlage ein ausschließliches Recht auf die Erbringung der Abfallentsorgungsleistung ein.39

34Hinzu kommt, dass das ausschließliche Recht dem Leistungserbringer schon vor der Auftragserteilung zustehen muss und als Grundlage nicht erst diejenige Vereinbarung in Betracht kommt, mit der der Dienstleister beauftragt wird40 und dass dieses Recht mit dem AEUV vereinbar sein muss.41

35Die Einräumung eines ausschließlichen Rechts muss daher in erster Linie der Erfüllung von im Allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben dienen und die Aufgabe muss durch das Angebot privater Dienstleistungen möglicherweise nicht in dem Maß erfüllbar sein, wie es aus im Allgemeininteresse liegenden Gründen für erforderlich gehalten wird. Der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschriften ist damit eng begrenzt. Jedoch kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der Beauftragung des anderen Auftraggebers um eine delegierende oder mandatierende Aufgabenübertragung handelt.42

36Zu beachten ist schließlich, dass die Regelung mit der Einschränkung im zweiten Halbsatz nicht aussagt, dass als „öffentliche Auftraggeber“ zu qualifizierende Stellen einander vergaberechtsfrei beliebige Dienstleistungen gegen Entgelt erbringen dürften. Dies ergibt sich schon aus § 108 GWB, der die Ausnahmen vom Vergaberecht bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit regelt.

37Die deutsche Umsetzung der Richtlinien weicht von Art. 22 SRL bzw. Art. 11 VRL insoweit ab, als die Richtlinientexte neben den Rechtsvorschriften auch Verwaltungsvorschriften für das Monopol gelten lassen. Wegen dieser zulässigen Verschärfung im GWB greift der Ausnahmetatbestand nicht ein, wenn das ausschließliche Recht zur Erbringung der Leistung lediglich auf einer einfachen Verwaltungsvorschrift oder einer kommunalen Satzung beruht.43 Gegenüber § 100 lit. g GWB a. F. wird klargestellt, dass der Ausnahmetatbestand entsprechend den Richtlinien allein auf öffentliche Dienstleistungsaufträge Anwendung findet, nicht aber auf die Vergabe von Bauleistungen oder Warenlieferungen.

VII.Elektronische Kommunikationsnetze, -dienste (§ 116 Abs. 2 GWB)

Vergaberecht

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