Читать книгу Vergaberecht - Corina Jürschik - Страница 107

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„(1) Öffentliche Auftraggeber schließen ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund nach § 123 oder § 124 vorliegt, nicht von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren aus, wenn das Unternehmen dem öffentlichen Auftraggeber oder nach § 8 des Wettbewerbsregistergesetzes dem Bundeskartellamt nachgewiesen hat, dass es […]“

Nach dem neuen Wortlaut wird klargestellt, gegenüber wem der Nachweis der Selbstreinigung zu erbringen ist. Zum einen ist der Nachweis wie bisher und ohne dass es im Wortlaut zum Ausdruck kommt, gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber zu erbringen. Zum anderen ist dann der Nachweis auch gem. § 8 WRegG gegenüber dem Bundeskartellamt möglich,8 bei dem gem. § 1 Abs. 1 WRegG das Wettbewerbsregister eingerichtet und geführt wird.

II.Schutzzweck

3Der Schutzzweck des § 125 GWB orientiert sich an der Zweckbestimmung des § 122 GWB. Nur Unternehmen, deren Integrität sichergestellt ist, sollen an Vergabeverfahren teilnehmen dürfen, um eine ordnungsgemäße Leistungserbringung gegenüber den öffentlichen Auftraggebern zu gewährleisten. Das Unternehmen muss nach dem Gesamteindruck seines bisherigen Verhaltens bzw. des Verhaltens seiner Vertreter Gewähr dafür bieten, dass es sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß, d. h. gem. den gesetzlichen Vorschriften und unter Beachtung der guten Sitten, ausüben wird.9 § 125 GWB dient damit der Sicherstellung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Über die Prüfung und Forderung von Selbstreinigungsmaßnahmen leistet der öffentliche Auftraggeber einen Beitrag dazu, dass das Unternehmen zukünftig gesetzeskonform handelt. Auch dient die Vorschrift dem Gleichbehandlungsgebot. Die geeigneten und zuverlässigen Bewerber und Bieter haben einen Anspruch darauf, nicht mit unzuverlässigen Bewerbern und Bietern gleichgestellt zu werden, sodass die Vorschriften über die Selbstreinigung der teilnehmenden Unternehmen auch drittschützende Wirkung entfalten.10 Ein auszuschließendes Unternehmen ist ohne die Durchführung von Selbstreinigungsmaßnahmen, mit denen es seine Integrität wiederherstellt, nicht mit den zuverlässigen Unternehmen vergleichbar. Ebenso trägt die Regelung des § 125 GWB dem Verhältnismäßigkeitsprinzip im Hinblick auf die das Unternehmen treffende Sanktion Rechnung. Durch das Ergreifen von Selbstreinigungsmaßnahmen kann das Unternehmen einem Ausschluss gem. §§ 123, 124 GWB entgehen, der den intensivsten Eingriff für ein Unternehmen, das sich an Vergabeverfahren beteiligt, darstellt. Für die Unternehmen bietet der § 125 GWB einen Anspruch gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber, trotz des Vorliegens von Ausschlussgründen nach §§ 123, 124 GWB nicht von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden, wenn sie ausreichend Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer Integrität und Zuverlässigkeit nachgewiesen haben.11

III.Anwendungsbereich

4§ 125 GWB steht im Kapitel 1 Abschnitt 2 des Vierten Teils des GWB und ist daher gem. § 115 GWB unmittelbar nur auf die Vergabe öffentlicher Aufträge und die Ausrichtung von Wettbewerben durch den öffentlichen Auftraggeber anwendbar.12 Aufgrund von § 142 GWB gilt er darüber hinaus mit Abweichungen auch für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber,13 gem. § 147 GWB auch für die Vergabe von verteidigungs- und sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen14 und gem. § 154 Nr. 2 GWB für die Vergabe von Konzessionen.15 Die Vorgaben gelten auch für die Vergabe von Bauaufträgen; auf untergesetzlicher Ebene enthält die VOB/A teils eigene und von der VgV und der VSVgV abweichende Vorschriften.

5Inhaltlich bezweckt § 125 GWB die Wiederherstellung der Integrität des Unternehmens und findet daher Anwendung in den Fällen, in denen im Unternehmen Verstöße gegen Vorschriften oder sonstige Vorgaben begangen wurden, die implizieren, dass auch zukünftig im Unternehmen nicht ordnungsgemäß gehandelt wird. Die Selbstreinigungsmaßnahmen des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GWB und die Bewertung der ergriffenen Maßnahmen nach § 125 Abs. 2 Satz 1 GWB knüpfen sämtlichst an „eine Straftat oder ein Fehlverhalten“ an. Eine Selbstreinigung kommt daher nur in Betracht, wenn die Ausschlussgründe des § 123 GWB oder des § 124 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4, 7, 8 und 9 GWB greifen. Der Schluss von dem Vorliegen einer Verfehlung in der Vergangenheit auf das Fehlen der Integrität des Unternehmens in der Zukunft beruht immer auf einer Prognose über die Zuverlässigkeit bei der Ausführung der zu beschaffenden Leistung. Diese Prognose ist bei den zwingenden Ausschlussgründen weitgehend vorgegeben und muss bei den fakultativen Ausschlussgründen konkret vom öffentlichen Auftraggeber vorgenommen werden. Im Rahmen dieser Prognose sind ggf. entsprechende Selbstreinigungsmaßnahmen zu berücksichtigen.16 Eine Selbstreinigung ist dann wirksam, wenn sie zur Folge hat, dass die Prognose trotz Verfehlung positiv ist.

6Bei Vorliegen eines Insolvenztatbestands oder im Falle einer Liquidation, eines Interessenkonflikts oder einer Vorbefassung i. S. d. § 124 Abs. 1 Nr. 2, 5 oder 6 GWB entfällt der Ausschlussgrund dagegen bereits, wenn dessen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, also z. B. wenn die Zahlungsunfähigkeit beseitigt, Insolvenzanträge zurückgenommen oder Interessenkonflikte oder Wettbewerbsverzerrungen aufgrund einer Vorbefassung beseitigt wurden. In diesen Fällen ist nicht die Integrität des Unternehmens dauerhaft beeinträchtigt, sondern nur ein Hinderungsgrund für die Teilnahme am Wettbewerb gegeben, der den Ausschluss nur so lange rechtfertigt, wie er andauert. Für Selbstreinigungsmaßnahmen ist in diesen Konstellationen kein Raum. Grund für den Ausschluss ist in keinem dieser Fälle „eine Straftat oder ein Fehlverhalten“, sodass auch die Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GWB oder die Bewertung nach § 125 Abs. 2 Satz 1 GWB keinen Anknüpfungspunkt hätten. Folgerichtig sieht auch das Formular für die Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) im Hinblick auf diese Ausschlussgründe kein Feld für Selbstreinigungsmaßnahmen vor.17

B.Maßnahmen zur Selbstreinigung

7Unter einer Selbstreinigungsmaßnahme i. S. d. § 125 GWB sind solche Maßnahmen zu verstehen, die das betroffene Unternehmen ergreift, um in Zukunft weitere Verstöße und Vergehen zu verhindern.18 Im Sinne des § 125 GWB setzt eine geeignete Selbstreinigung voraus, dass das Unternehmen, das gem. §§ 123 oder 124 GWB auszuschließen wäre, nachweist, dass es die in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GWB aufgezählten Maßnahmen ergriffen hat. Die Maßnahmen sind kumulativ zu ergreifen, wobei die Gewichtung vom Einzelfall des begangenen Verstoßes und der Tatbeiträge innerhalb des Unternehmens abhängt.19

8Das Unternehmen muss darlegen und nachweisen, dass es Maßnahmen ergriffen hat, die sicherstellen, dass solche wie die begangenen oder andere Verstöße in Zukunft nicht mehr vorkommen und damit dessen Integrität wieder hergestellt ist.20 Durch das Fehlverhalten hat das Unternehmen die Notwendigkeit einer Selbstreinigung ausgelöst, sodass es auch sachgerecht ist, ihm aufzuerlegen, die Nachweise für eine Selbstreinigung zu erbringen. Der Nachweis kann nach Maßgabe der einschlägigen Vorgaben etwa in § 50 VgV oder § 6b EU Abs. 1 VOB/A mit der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE) erbracht werden.21 Das Formular für die EEE22 sieht unter Teil III: A vor, dass das Unternehmen Angaben zu etwaigen Selbstreinigungsmaßnahmen macht, wenn es auf die Fragen betreffend strafrechtliche Verurteilungen oder die Verhängung von Geldbußen, die Nichtzahlung von Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen, die Begehung beruflicher Verfehlungen oder sonstiger Ausschlussgründe bejahend antwortet.23 Kein Feld für die Darlegung von Selbstreinigungsmaßnahmen ist vorgesehen hinsichtlich der Ausschlussgründe nach § 124 Abs. 1 Nr. 2, 5 und 6 GWB; das bestätigt, dass auch die Europäische Kommission davon ausgeht, dass hinsichtlich dieser fakultativen Ausschlussgründe eine Selbstreinigung nach § 125 GWB nicht anwendbar ist.24 Das Fehlen von Nachweisen und eine etwaige Verweigerung der Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhaltes gehen zu Lasten des Unternehmens.25

9Ist etwa im Rahmen eines sehr engen Markts mit Bewerbern zu rechnen, die sich bekanntermaßen an Rechtsverstößen beteiligt haben, etwa in den Fällen öffentlich bekannter Kartellabsprachen, bietet es sich an, von den Unternehmen die Darlegung und den Nachweis von Selbstreinigungsmaßnahmen einzufordern. Da die rechtskräftige Verurteilung oder etwa der Nachweis der Begehung einer schweren Verfehlung i. S. d. § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB oder eines sonstigen Verstoßes nach den einschlägigen Bestimmungen des § 124 Abs. 1 GWB ein starkes Unzuverlässigkeitsindiz in sich birgt, werden an die Selbstreinigung durchaus hohe Anforderungen gestellt. Mit der Selbstreinigung muss das Unternehmen die Vermutung, dass die für es handelnden Personen angesichts der bisherigen Rechtsverstöße auch zukünftig nicht ordnungsgemäß agieren, widerlegen. Der bloße Zeitablauf genügt grundsätzlich nicht, die Zuverlässigkeit wiederherzustellen.26 Etwas anderes ergibt sich nur unter den Voraussetzungen des § 126 GWB.27

10Das betroffene Unternehmen hat ein Recht auf Prüfung durch den öffentlichen Auftraggeber, ob es ausreichend Maßnahmen nach dem Katalog des § 125 GWB getroffen hat, um seine Integrität wiederherzustellen. Diese Prüfung ist von dem öffentlichen Auftraggeber in die allgemeine Prüfung über das Vorliegen von Ausschlussgründen in Bezug auf das Unternehmen einzubeziehen.28 Nach Inkrafttreten der Verordnung nach §§ 10, 12 WRegG kann ein Unternehmen die Selbstreinigungsmaßnahmen gem. § 8 WRegG in dem Verfahren über die vorzeitige Löschung der Verfehlung aus dem Wettbewerbsregister auch gegenüber dem Bundeskartellamt, dem die Führung des Wettbewerbsregisters obliegt, nachweisen. Das Löschverfahren muss von dem Unternehmen beantragt werden und ist gebührenpflichtig. Da die zentrale Selbstreinigung im Rahmen des Löschverfahrens erfolgt, kommt sie auch nur im Hinblick auf Verfehlungen in Betracht, die gem. § 2 WRegG eintragungspflichtig sind.29 Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 Satz 1 WRegG prüft die Registerbehörde das Vorliegen der Selbstreinigung nach den Maßstäben des § 125 GWB unter Berücksichtigung der Schwere und der besonderen Umstände der Straftat oder des Fehlverhaltens.30 Zum Wettbewerbsregister vgl. im Übrigen die Kommentierung zu § 126 GWB, Rn. 20 ff.

I.Ausgleich des Schadens (§ 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB)

11Die Verpflichtung des betroffenen Unternehmens, den verursachten Schaden auszugleichen, war bislang in der Rechtsprechung umstritten, tendenziell wurde sie durch die Rechtsprechung und Literatur zunehmend anerkannt.31 In § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB wird der Ausgleich des durch die Straftat oder das Fehlverhalten verursachten Schadens als eine der Selbstreinigungsmaßnahmen vorgeschrieben. Das Unternehmen kann den Schadensausgleich durch Zahlung bewirkt oder sich zum Schadensausgleich verpflichtet32 haben. Beide Alternativen stehen in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB gleichberechtigt nebeneinander, obwohl qualitativ ein erheblicher Unterschied zwischen der bereits geleisteten Ausgleichszahlung und dem Eingehen einer bloßen Verpflichtung besteht. Nach erfolgter Zahlung ist der Schadensausgleich bereits vollzogen. Geht das Unternehmen nur eine Verpflichtung ein, muss die Zahlung erst noch durchgesetzt werden.

12Der verursachte Schaden ist nur ausgeglichen, wenn der gesamte durch die Straftat oder das Fehlverhalten herbeigeführte Schaden wiedergutgemacht ist. Teilzahlungen genügen nur, wenn sich das Unternehmen im Übrigen wirksam verpflichtet hat. Oft ist dabei die Höhe des verursachten Schadens, die mitunter kaum verlässlich und ohne großen Aufwand ermittelbar ist, streitig. Daher wird zum Teil angenommen, dass sich das Unternehmen, in den Fällen, in denen zumindest Einigkeit über den entstandenen Schaden dem Grunde nach besteht, auch nur zum Ausgleich des Schadens dem Grunde nach verpflichten kann, da Zweck der Ausgleichszahlung nicht sei, eine zusätzliche strafrechtliche Pönalisierung oder einen zivilrechtlichen Schadensausgleich herbeizuführen.33 Im Beispiels­fall eines Submissionskartells34 ist der Preis des Bestbieters nicht im Wettbewerb zustande gekommen und es lässt sich daher allenfalls durch eine aufwändige Analyse der Kalkulation und Ableitung einer hypothetischen Preisbildung ein Wettbewerbspreis abschätzen. Diese hypothetische Preisbildung ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und der Geschädigte ist auf die Mitwirkung des Schädigers angewiesen, um den Schaden zu ermitteln.

13Den ihm obliegenden Nachweis, dass es den gesamten Schaden ersetzt bzw. sich zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet hat, kann das Unternehmen nur erbringen, indem es dem öffentlichen Auftraggeber auch nachvollziehbar darlegt und beweist, welcher Schaden entstanden ist. Ansonsten kann der Auftraggeber nicht beurteilen, ob die ggf. bezahlte Summe dem tatsächlich verursachten Schaden entspricht. Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung wurde angenommen, dass Voraussetzung für eine wirksame Selbstreinigung die Mitarbeit bei der Berechnung der Schadenshöhe und bei der Aufklärung des für die Schadensermittlung maßgeblichen Sachverhalts ist.35 Dem wird entgegengehalten, Vergaberecht könne nicht missbraucht werden, um die Beweislastverteilung nach Zivilrecht umzukehren, die verlangt, dass der Geschädigte die Höhe des Schadens darlegen und beweisen muss.36 Andererseits setzt die Bereitschaft, sich zukünftig immer ordnungsgemäß zu verhalten, auch Einsicht und Reue, dass das Verhalten falsch war, und den Willen, den tatsächlich dem Opfer entstandenen Schaden zu ersetzen, voraus. Dem stünde es entgegen, dem Geschädigten die Informationen vorzuenthalten, die er benötigt, um seinen Schaden beziffern zu können. Schadenswiedergutmachung umfasst daher auch Mitwirkung zur Ermittlung des tatsächlichen Schadens, also der Schadenshöhe und des Umfangs des durch das Fehlverhalten verursachten Schadens.37 Dies schreibt § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB ausdrücklich vor. Damit geht diese Vorschrift zwar über den Wortlaut des Art. 57 Abs. 6 UAbs. 2 VRL hinaus. Die Pflicht ergibt sich aber bereits aus der Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf den Ausgleich der Gesamtheit des Schadens. Einer Selbstreinigung steht insoweit nicht entgegen, dass der vermeintliche Schädiger einen vertretbaren rechtlichen Standpunkt einnimmt, der nach Meinung des Geschädigten dem (vollen) Ersatz des Schadens entgegensteht, solange der Schädiger an der Aufklärung der maßgeblichen Tatsachen mitwirkt. In diesem Fall muss entweder eine Einigung herbeigeführt oder ein Rechtsstreit ausgetragen werden. Soweit der Schaden unstreitig ist, muss er ausgeglichen werden. Insbesondere Parteien, die erkennbar auf Zeit spielen und/oder rechtlich nicht vertretbare Standpunkte einnehmen, zeigen dagegen keine Bereitschaft zum Schadensausgleich.

14Eine Schadensermittlung kann jedoch von vorneherein nur bei den Ausschlussgründen erfolgen, bei denen auch tatsächlich ein berechenbarer Schaden entstehen kann. Dies ist beispielsweise bei einer Verurteilung gem. §§ 129, 129a, 129b oder 89c StGB oftmals nicht der Fall, sodass hier kein Schadensausgleich erfolgen kann.38 Alleine aufgrund dessen, dass kein Schadensausgleich erfolgen kann, die Möglichkeit der Selbstreinigung gänzlich abzulehnen, wäre aber verfehlt. Lautet der Vorwurf etwa auf Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung gem. §§ 129, 129a StGB, liegt ohnehin der Fokus der Wiedergutmachung auf einer vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes, sodass das Unternehmen durch das Ergreifen der in Nr. 2 und 3 genannten Maßnahmen die Möglichkeit hat, einem Ausschluss zu entgehen.

II.Zusammenarbeit zur Aufklärung (§ 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB)

15Auch die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB waren in dieser Form schon vor der gesetzlichen Verankerung in der bisherigen Rechtsprechung anerkannt.39 Das Unternehmen ist verpflichtet, alle Tatsachen und Umstände sowie die dadurch verursachten Schäden40 aufzuklären und mit den Ermittlungsbehörden und dem öffentlichen Auftraggeber zusammenarbeiten.41 Die Selbstreinigungsmaßnahme nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB umfasst zwei zu trennende Schutzrichtungen. Einerseits verlangt eine Selbstreinigung die aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden. Das sind insbesondere Staatsanwaltschaft, zuständige Ordnungsbehörden und Kartellbehörden. Andererseits verlangt § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB auch Aufklärung und Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Auftraggeber. Diese zweite Alternative ist in Art. 57 Abs. 6 UAbs. 2 VRL nicht ausdrücklich angelegt und beruht auf der nationalen Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber.

16Durch die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden demonstriert das Unternehmen, dass es das begangene Unrecht einsieht und die Tat bereut. Damit schafft es Vertrauen, dass beabsichtigt, zukünftig sicherzustellen, dass es zu keinen Verfehlungen mehr kommt. Problematisch ist für das betroffene Unternehmen, dass es durch die Regelung zu einer Selbstbezichtigung verpflichtet wird. Grundsätzlich gilt im Strafrecht der nemo-tenetur-Grundsatz, nach welchem man sich nicht selbst bezichtigen muss und ein Schweigen auch nicht negativ ausgelegt werden darf.42 Abweichend von diesen Grundsätzen statuiert § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB ausdrücklich die Pflicht zur Aufklärung. Anders als im Strafverfahren, wo trotz der Aussage eine Strafe droht, wird bei der Selbstreinigung dem Unternehmen durch die Aussage eine Wiederteilnahme ermöglicht. Da das Unternehmen durch seine Selbstreinigung wieder zu Vergabeverfahren zugelassen wird und damit durch die Aufklärung seine Zuverlässigkeit zurückerlangen möchte, ist eine Verpflichtung zur Aufklärung angemessen. Auch ohne Selbstbezichtigung kann das Unternehmen wieder zugelassen werden, jedoch erst nach Ablauf einer gewissen Zeit.43 Das Unternehmen wird dadurch nicht zu einer Aufklärung gezwungen, kann sich hierdurch aber besser stellen. Es hat die Wahl zwischen einer Wiederherstellung der Zuverlässigkeit durch die Durchführung von Selbstreinigungsmaßnahmen oder dem Abwarten des Zeitraumes für den Ausschluss nach § 126 GWB. Zudem wird auch im Strafprozess gem. § 46 Abs. 2 StGB das Nachtatverhalten, insbesondere die Mitwirkung bei der Tataufklärung durch Geständnis oder ersichtliche Reue, positiv bei der Strafzumessung berücksichtigt.44 Ein Widerspruch zu strafrechtlichen Grundsätzen liegt nicht vor.45

17Abweichend von Art. 57 Abs. 6 UAbs. 2 VRL statuiert § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB die Pflicht, auch mit dem öffentlichen Auftraggeber zusammenzuarbeiten. Die unionsrechtliche Bestimmung nennt nur die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden zur Aufklärung. Bereits die bisherige Rechtsprechung setzte eine aktive Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Auftraggeber für eine Selbstreinigung voraus.46 Nicht nur den klassischen Ermittlungsbehörden wie der Staatsanwaltschaft oder den zuständigen Ordnungs- und Kartellbehörden, sondern auch dem öffentlichen Auftraggeber obliegt die Ermittlung der Umstände der Tat. Er muss im Vergabeverfahren das Vorliegen von Ausschlussgründen und Selbstreinigungsmaßnahmen prüfen und hierzu die erforderliche Aufklärung betreiben. Auch der öffentliche Auftraggeber wird daher nach der amtlichen Gesetzesbegründung als Ermittlungsbehörde i. S. d. VRL angesehen.47 Anders sah es die VK Südbayern, die die Frage, ob die Vorgabe, mit dem öffentlichen Auftraggeber zusammenzuarbeiten, mit der Bestimmung des Art. 57 Abs. 6 UAbs. 2 VRL vereinbar ist, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.48 Laut VK Südbayern sei der Auffassung der amtlichen Gesetzesbegründung nicht zwingend zu folgen, da den öffentlichen Auftraggebern von ihrer Funktion her nicht die Aufgabe zukomme, allgemein Ermittlungen vorzunehmen. Auch an der Verpflichtung und Fähigkeit des öffentlichen Auftraggebers zur unparteiischen Sachverhaltsaufklärung sei zu zweifeln.49 Was den Vergleich mit der englischen Sprachfassung der Richtlinie angeht, weist die VK Südbayern darauf hin, dass die englische Fassung, soweit in ihr der „öffentliche Auftraggeber“ gemeint ist, von „contracting authorities“ und nicht von „investigating authorities“ spreche.50 Zweifel ergäben sich auch dahingehend, dass die Erschwerung der Selbstreinigung zu einer Beschränkung des Wettbewerbs auf dem europäischen Binnenmarkt führe.51 Dieser Auffassung hat sich der EuGH52 nunmehr entgegengestellt und entschieden, dass die Bestimmung des deutschen Rechts nicht gegen Art. 57 Abs. 6 UAbs. 2 VRL verstößt. Ein Wirtschaftsteilnehmer müsse in bestimmten Fällen auch mit dem öffentlichen Auftraggeber zusammenarbeiten, um den Nachweis der Wiederherstellung seiner Zuverlässigkeit zu erbringen.53 Hierbei beschränkt er die Pflicht zur Zusammenarbeit jedoch auf Maßnahmen, die unbedingt erforderlich sind, damit das Ziel der Prüfung der Zuverlässigkeit erreicht werden kann.54 Das kann die Vorlage des ungeschwärzten Bußgeldbescheids der Kartellbehörde erfordern.55

18Zudem muss das Unternehmen unabhängig von der Diskussion über den Begriff der „Ermittlungsbehörden“ mit dem öffentlichen Auftraggeber zusammenarbeiten, da ihm sonst der ihm obliegende Nachweis, die erforderlichen Selbstreinigungsmaßnahmen getroffen zu haben, nicht gelingen kann. Das Unternehmen ist verpflichtet, die Umstände, die die Selbstreinigung bewirken sollen, beizubringen.56 Nur wenn der öffentliche Auftraggeber alle Informationen zum Sachverhalt erhält, kann dieser beurteilen, ob ausreichende Selbstreinigungsmaßnahmen getroffen wurden. Es bedarf insbesondere der Aufklärung der Tatsachen innerhalb des Unternehmens, die zu dem Fehlverhalten geführt haben. Ohne dass das Unternehmen den Sachverhalt und die Umstände im Zusammenhang mit der Verfehlung vollständig aufgeklärt hat, ist es nicht imstande, die erforderlichen technischen, organisatorischen und personellen Maßnahmen i. S. d. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GWB zu treffen, die erforderlich sind, zukünftig weitere Straftaten oder Fehlverhalten zu vermeiden, oder den vollständigen Schaden gem. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB auszugleichen. Eine Selbstreinigung ist damit ohne Aufklärung ausgeschlossen. Und nur, wenn diese Erkenntnisse auch dem öffentlichen Auftraggeber mitgeteilt werden, kann dieser überhaupt beurteilen, ob die ergriffenen Maßnahmen ausreichen. Es ist auch keine unangemessene Benachteiligung des betroffenen Unternehmens darin zu erkennen, den öffentlichen Auftraggeber aktiv bei der Sachverhaltsaufklärung zu unterstützen. Das Unternehmen hat durch sein Fehlverhalten selbst die Umstände gesetzt, die zu einem Ausschluss ohne geeignete Selbstreinigung führen und es obliegt dem Unternehmen, sich nach § 125 GWB aktiv zu reinigen oder aber passiv den Zeitraum für den Ausschluss nach § 126 GWB verstreichen zu lassen.57

19Es sind alle mit dem Fehlverhalten in Bezug stehenden Umstände aufzuklären. Das Unternehmen muss sich zur Erfüllung dieser Voraussetzung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB aktiv, ernsthaft und nach außen erkennbar bemühen.58 Eine selektive Einlassung des Unternehmens oder reine Lippenbekenntnisse sind nicht ausreichend. Es muss der ernstgemeinte Wille zur Wiedergutmachung des Fehlverhaltens vorhanden und erkennbar sein. Dies muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.

III.Technische, organisatorische und personelle Maßnahmen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GWB)

20Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GWB sind technische, personelle und organisatorische Maßnahmen des Unternehmens nötig, um nicht weiterhin von den Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden. Diese Maßnahmen müssen sowohl abstrakt als auch konkret geeignet sein zu gewährleisten, dass weiteres Fehlverhalten oder Straftaten für die Zukunft ausgeschlossen sind. Anders als § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 GWB, der den schon begangenen Verstoß betrifft, der wieder gut gemacht bzw. aufgeklärt werden soll, ist § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GWB zukunftsgerichtet, indem er die Prävention weiterer Verstöße regelt. Präventive Maßnahmen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GWB bilden das Herzstück der Selbstreinigung, da sie darauf gerichtet sind, zukünftige Verstöße durch konkrete Vorkehrungen zu unterbinden, sind allein aber nicht ausreichend.59

21Die bisherige Rechtsprechung hatte schon konkrete Maßnahmen herausgearbeitet, die auch in dem Erwägungsgrund Nr. 102 VRL Erwähnung finden. Hierunter sind solche Maßnahmen zu verstehen, die auf ein Verhalten hinwirken, das mit den vergaberechtlichen Vorschriften im Einklang steht.60 Diese Compliance-Maßnahmen umfassen insbesondere Personal- und Organisationsmaßnahmen wie den Abbruch aller Verbindungen zu den an dem Fehlverhalten beteiligten Personen oder Organisationen, geeignete Personalreorganisationsmaßnahmen, die Einführung von Kontroll- und Berichtssystemen, die Schaffung einer internen oder externen Überwachungsstruktur oder auch die Einführung interner Haftungs- und Entschädigungsregelungen.61 Der Katalog von möglichen Maßnahmen ist dabei nicht abschließend. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, welche Maßnahmen in dem konkreten Fall geeignet sind sicherzustellen, dass das Fehlverhalten in Zukunft vollumfänglich verhindert wird.

22Insbesondere bei Personengesellschaften und juristischen Personen sind personelle Maßnahmen erforderlich, da nicht das Unternehmen selbst, sondern die für das Unternehmen verantwortlich handelnden Personen die Verstöße begangen haben. Grundsätzlich wird insoweit der Abbruch der Verbindungen zu denjenigen Personen und Organisationen gefordert, die an dem zum Ausschluss führenden Fehlverhalten beteiligt waren.62 Wird der Person, die die Straftat oder das Fehlverhalten begangen hat, die tatsächliche und/oder rechtliche Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung belassen, muss sich das Unternehmen etwaige Verfehlungen i. d. R. auch weiterhin zurechnen lassen.63 Dabei können verantwortliche Personen Gesellschafter, Organe und Mitarbeiter des Unternehmens sein. Das Verhalten dieser Personen muss dem Unternehmen zuzurechnen sein bzw. diese müssen einen gewissen Einfluss auf das Unternehmen ausüben können.64 Dabei ist es irrelevant, ob die Person den Verstoß für das Unternehmen, ein anderes Unternehmen oder um sich zu bereichern, begangen hat, ausreichend ist insoweit die Stellung in dem Unternehmen.65 Ein Verbleib der Personen in dem Unternehmen, kann daher eine wirksame Selbstreinigung ausschließen,66 insbesondere bei vertretungsberechtigten Personen wie Geschäftsführern.67 Eine personelle Selbstreinigung ist unzureichend, wenn die ­Gesellschaft weiterhin von dem bisherigen und für das Fehlverhalten verantwortlichen Alleingesellschafter dominiert wird.68 Dabei genügt nach der Rechtsprechung bereits die Möglichkeit der Einflussnahme der verantwortlichen Person auf das operative Geschäft der Gesellschaft.69 Weitere Präventivmaßnahmen seitens des Unternehmens zur Vermeidung zukünftiger Verfehlungen von Mitarbeitern können die Einrichtung einer Clearingstelle, eine externe anwaltliche Prüfung oder die Einführung eines Compliance- oder Wertemanagements mit angemessenen Schulungsmaßnahmen sein. Diese sollten zur effektiven Verhinderung erneuter Verfehlungen parallel zu der Trennung von den verantwortlichen Mitarbeiter ergriffen werden.70 Zudem kommen Sonderprüfungen der Mitarbeiter, die (vorübergehende) Suspendierung von allen Mitarbeitern, die in dem Verdacht der Mitwirkung stehen, oder die Überprüfung und Anpassung aller Handlungsvollmachten etwa die Einführung des Vier-Augen-Prinzips oder sonstige Mitzeichnungs- oder Kontrollpflichten als geeignete Maßnahmen in Betracht.71 Bei Personalmaßnahmen ist immer zu hinterfragen, ob sie überhaupt arbeitsrechtlich durchsetzbar sind; ansonsten würde deren Umsetzung einen erneuten Rechtsverstoß auslösen. Welche Maßnahmen als ausreichend erachtet werden, ist maßgeblich von dem Einzelfall abhängig.

IV.Selbstreinigung im Konzern

23Ebenso wie im Rahmen des § 123 Abs. 3 GWB72 stellt sich die Frage, inwieweit innerhalb eines Konzerns Maßnahmen i. S. d. § 125 GWB ergriffen werden müssen. Wenn nicht Bußgelder direkt gegen einzelne Konzernunternehmen festgesetzt werden, muss beachtet werden, welchen Unternehmen im Konzern das Verhalten der Person, die Straftaten oder Verfehlungen begangen hat, zuzurechnen sind. Für jedes Unternehmen, in dem die Person eine verantwortliche Position i. S. d. § 123 Abs. 3 GWB innehat, müssen hinreichende Selbstreinigungsmaßnahmen ergriffen werden. Dabei ist jedes Unternehmen separat zu betrachten. Sobald ein Unternehmen sich selbst gereinigt hat, darf es nicht mehr ausgeschlossen werden, selbst wenn ein anderes Unternehmen im Konzern noch nicht selbstgereinigt ist. Allerdings ist die Selbstreinigung gegebenenfalls nicht hinreichend, wenn die betreffende Person beispielsweise zwar als Geschäftsführer abberufen wurde, aber nunmehr über eine andere Position im Konzern womöglich mittelbar eine Kontrollposition i. S. d. § 123 Abs. 3 GWB ausübt. Für jedes Unternehmen, das sich an einer Vergabe öffentlicher Aufträge beteiligen will, muss das im Einzelfall genauestens hinterfragt und geprüft werden, auch unter Berücksichtigung der aktuellen Konzernstruktur.

C.Besondere Selbstreinigung bei Verfehlung nach § 123 Abs. 4 GWB

24§ 125 Abs. 1 Satz 2 GWB stellt klar, dass § 123 Abs. 4 Satz 2 GWB unberührt bleibt. Die Vorschriften stehen nebeneinander.73 § 123 Abs. 4 GWB betrifft Verfehlungen im Zusammenhang mit der Nichtzahlung von Steuern, Abgaben und Beiträgen zur Sozialversicherung. § 123 Abs. 4 Satz 2 GWB selbst regelt eine besondere Maßnahme der Selbstreinigung im Hinblick auf diesen zwingenden Ausschlussgrund. Danach genügt die Wiedergutmachung des Schadens durch Begleichung der Steuer-, Abgaben- oder Beitragsschuld oder durch Verpflichtung zur Zahlung (einschließlich Zinsen, Säumnis- und etwaiger Strafaufschläge). Diese Regelung gilt unabhängig von § 125 GWB. Allerdings kommt eine Selbstreinigung nach dieser Vorschrift neben § 123 Abs. 4 Satz 2 GWB nur in Betracht, wenn der Schadensausgleich auf andere Weise als durch die darin vorgesehene Zahlung der Steuer, der Abgabe oder des Beitrags oder die Verpflichtung zur Zahlung erfolgt.

D.Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers (§ 125 Abs. 2 GWB)

25§ 125 Abs. 2 GWB setzt Art. 57 Abs. 6 UAbs. 3 VRL um. Der europäische Gesetzesgeber hatte es den Mitgliedsstaaten überlassen, ob diese dem öffentlichen Auftraggeber oder einer anderen zentralen oder dezentralen Behörde die Bewertung der Selbstreinigungsmaßnahmen überlassen. Entscheidend für die Bewertung der Zuverlässigkeit eines Bewerbers oder Bieters im Vergabeverfahren ist, inwieweit die Umstände des einzelnen Falls die Aussage rechtfertigen, er werde gerade die von ihm angebotenen Leistungen, die Gegenstand des Vergabeverfahrens sind, vertragsgerecht erbringen können.74 Der deutsche Gesetzgeber hatte sich ursprünglich für eine Übertragung auf den öffentlichen Auftraggeber entschieden. Zwischenzeitlich ist das Gesetz über die Einführung eines Wettbewerbsregisters in Kraft getreten,75 nach dem die beim Bundeskartellamt angesiedelte Registerbehörde auf Antrag des Unternehmens auch über die Löschung eines Registereintrags nach Selbstreinigung entscheidet.76 Die Registerbehörde muss noch eingerichtet und das Register in Betrieb gehen, was die Verabschiedung der Verordnung über die technischen und organisatorischen Voraussetzungen und sonstigen Durchführungsvorschiften erfordert. In jedem Fall ist der öffentliche Auftraggeber nach derzeitiger Rechtslage und nach Inbetriebnahme des Wettbewerbsregisters auch weiterhin neben der Registerbehörde berechtigt, die Selbstreinigungsmaßnahmen des Unternehmens zu prüfen und zu würdigen,77 was allerdings nur dann angezeigt ist, wenn ein Ausschluss nach § 125 Abs. 1 GWB – in der Fassung des Gesetzes zur Einführung eines Wettbewerbsregisters und zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen78 – wegen des Nachweises der Selbstreinigung nach § 8 WRegG schon nicht in Betracht kommt. Hat das Unternehmen keine Löschung nach § 8 WRegG beantragt, ist die Verfehlung oder Straftat schon nicht eintragungsfähig nach § 2 WRegG oder ist das Verfahren beim Bundeskartellamt noch nicht abgeschlossen, ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, eine Selbstreinigung nach § 125 GWB zu prüfen. Die Verpflichtung zur Berücksichtigung der Selbstreinigungsmaßnahmen ist auch verfassungsrechtlich und gem. § 97 Abs. 2 Satz 1 GWB nach dem Verhältnismäßigkeits- und Wettbewerbsgrundsatz geboten. Der Ausschluss eines gereinigten Unternehmens wäre nicht mehr geeignet, die mit dem Ausschluss unzuverlässiger Bewerber und Bieter verfolgten Schutzgüter zu wahren und würde den Wettbewerb unnötig einschränken.

26Grundsätzlich muss jeder öffentliche Auftraggeber prüfen, ob Ausschlussgründe nach den §§ 123, 124 GWB vorliegen und, wenn dies der Fall ist, ob das Unternehmen ausreichend Selbstreinigungsmaßnahmen getroffen hat. Der öffentliche Auftraggeber muss der Beurteilung einen zutreffenden oder zumindest vollständig ermittelten Sachverhalt zugrunde legen.79 Sobald das geplante Wettbewerbsregister operabel ist, erfolgt die Prüfung auf Antrag des Unternehmens auch durch die Registerbehörde. Das Unternehmen muss zumindest in groben Zügen das Fehlverhalten oder den Gesetzesverstoß erläutern, welcher zu dem Vorliegen des betreffenden Ausschlussgrundes geführt hat. Andernfalls fehlt es dem öffentlichen Auftraggeber an einer Bewertungsgrundlage, ob die Selbstreinigungsmaßnahmen in Bezug auf die Schwere und die besonderen Umstände des Fehlverhaltens geeignet, erforderlich und angemessen sind. Das Unternehmen ist insoweit mitwirkungs- und beibringungspflichtig. Die Selbstreinigungsmaßnahme nach § 125 Abs. 1 Nr. 2 GWB80 überlappt sich insoweit mit dieser verfahrensmäßigen Mitwirkungspflicht.

27Der öffentliche Auftraggeber und die Registerbehörde haben die Nachweise und den Sachverhalt zu würdigen und zu bewerten. Ihnen steht insoweit ein nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, ob sie die Nachweise und die Maßnahmen des Unternehmens für ausreichend erachten.81 Liegen nach Auffassung des öffentlichen Auftraggebers bzw. des Bundeskartellamts ausreichend Maßnahmen der Selbstreinigung vor, darf das Unternehmen nicht mehr ausgeschlossen werden. Bei dem Vorliegen geeigneter nachgewiesener Maßnahmen steht dem öffentlichen Auftraggeber bzw. der Registerbehörde kein Ermessen mehr zu. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über den (Nicht-)Ausschluss bzw. des Bundeskartellamts über die vorzeitige Löschung aus dem Wettbewerbsregister.82 Es ist stets der Einzelfall auf der Basis des zugrunde liegenden Sachverhaltes zu prüfen.83 Je nach Schwere des Fehlverhaltens oder des verwirklichten Straftatbestandes sind andere und umfassendere Maßnahmen erforderlich. Grundsätzlich sind höhere Anforderungen an die Selbstreinigung zu stellen, wenn ein zwingender Ausschlussgrund nach § 123 GWB vorliegt, als bei Vorliegen eines fakultativen Ausschlussgrunds nach § 124 GWB.

28Die Maßnahmen sind durch den öffentlichen Auftraggeber bzw. die Registerbehörde als ausreichend zu erachten, wenn dieser bzw. sie im Zuge einer Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Maßnahmen die Erwartung rechtfertigen, dass das Unternehmen solche Verfehlungen in der Zukunft strikt unterbinden wird und es daher die für die Auftragsvergabe erforderliche Zuverlässigkeit besitzt.84 Gerade hierauf erstreckt sich der dem Auftraggeber und der Registerbehörde zustehende Beurteilungsspielraum.85 Die Prognoseentscheidung ist ausführlich zu begründen und zu dokumentieren, bei Bejahung der Selbstreinigung zur Begründung der Entscheidung gegenüber anderen Bewerbern und Bietern, bei Ablehnung der Selbstreinigung zur Begründung gegenüber dem betroffenen Unternehmen.

§ 126 GWBZulässiger Zeitraum für Ausschlüsse

Wenn ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, keine oder keine ausreichenden Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 ergriffen hat, darf es

1. bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 123 höchstens fünf Jahre ab dem Tag der rechtskräftigen Verurteilung von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden,

2. bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 124 höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

Schrifttum: Eufinger, Der Entwurf zur Errichtung eines bundesweiten Wettbewerbsregisters – Implikationen für die Compliance, CB 2017, 240 ff.; Mestmäcker/Bremer, Die koordinierte Sperre im deutschen und europäischen Recht der öffentlichen Aufträge, BB Beilage 1995, Nr. 19, 1 ff.; Pfannkuch, Das bundesrechtliche Wettbewerbsregistergesetz – Überblick und Bedeutung im Vergabeverfahren, ZfBR 2018, 342 ff.; Scherer-Leydecker, Das Wettbewerbsregister: Die bundesweite schwarze Liste für die Vergabe öffentlicher Aufträge, CB 2017, 261 ff.; Scherer-Leydecker, Die bundesweite Blacklist für die öffentliche Auftragsvergabe, ZRFC 2017, 128 ff.; siehe außerdem die Hinweise zu §§ 122–125 GWB.

Übersicht Rn.
A. Vorbemerkungen 1–5
I. Regelungsgegenstand 1
II. Sinn und Zweck 2
III. Anwendungsbereich 3–5
B. Fristenregelung 6–18
I. Fristenregelung bei Ausschlussgründen nach § 123 GWB 9, 10
II. Fristenregelung bei Ausschlussgründen nach § 124 GWB 11–18
1. Fristbeginn bei Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 GWB 13–15
2. Fristbeginn bei Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 2, 5 und 6 GWB 16
3. Fristbeginn bei Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 bis 9 GWB 17, 18
C. Ermessen 19
D. Annex zu §§ 123 bis 126 GWB: Wettbewerbsregister 20–31
I. Einrichtung des Wettbewerbsregisters 20, 21
II. Eintragungspflicht 22–25
III. Einbindung in das Vergabeverfahren 26–28
IV. Löschung von Eintragungen 29, 30
V. Rechtsbehelfe 31

A.Vorbemerkungen

I.Regelungsgegenstand

1Die Vorschrift setzt nahezu wortgleich die Regelung des Art. 57 Abs. 7 Satz 3 VRL ins deutsche Recht um. Der Gesetzgeber kommt damit der Vorgabe des Art. 57 Abs. 7 Satz 2 VRL nach, in den maßgeblichen Vorschriften insbesondere den höchstzulässigen Zeitraum des Ausschlusses für den Fall zu bestimmen, dass der Wirtschaftsteilnehmer keine Selbstreinigungsmaßnahmen zum Nachweis seiner Zuverlässigkeit ergreift. § 126 GWB selbst ermächtigt nicht zur Auftragssperre, sondern limitiert den Zeitraum, für den ein Unternehmen ausgeschlossen werden kann. Die Regelung setzt voraus, dass ein Ausschlussgrund nach §§ 123 oder 124 GWB vorliegt und ein Ausschluss von dem jeweiligen Verfahren noch gerechtfertigt ist. Entfällt ein Ausschlussgrund, darf bereits deswegen das Unternehmen nicht weiter ausgeschlossen werden, insbesondere wenn eine ausreichende Selbstreinigung nach § 125 GWB erfolgt ist. Auch ohne die ausdrückliche Nennung dieser Vorschrift darf in diesem Fall kein Ausschluss erfolgen. Gleiches gilt in den Fällen, in denen sich das Unternehmen nach § 123 Abs. 4 Satz 2 GWB selbst gereinigt hat und damit eine Verfehlung i. S. d. § 123 Abs. 4 Satz 1 GWB nicht (mehr) vorliegt.

II.Sinn und Zweck

2Nach bisheriger Sichtweise1 sollte der bloße Zeitablauf nicht genügen, die Zuverlässigkeit eines Unternehmens, das schwerwiegende Verfehlungen begangen hat, wiederherzustellen. § 126 GWB führt nunmehr Fristen für eine maximale Auftragssperre ein.2 Sinn und Zweck dieser Regelungen ist es, einen Ausgleich zwischen den Interessen des öffentlichen Auftraggebers an einer Auftragssperre3 und den wirtschaftlichen Interessen des von diesem maximalen Eingriff betroffenen Unternehmens herbeizuführen. Grundsätzlich sind demnach bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes Auftragssperren zulässig, sofern sie sich im Rahmen der in § 126 GWB festgelegten Höchstgrenzen halten. Dabei spielt auch der aus dem strafrechtlichen Verjährungsrecht bekannte Präventions- und Bewährungsgedanke eine maßgebliche Rolle. Straftaten und Ordnungswidrigkeiten verjähren in Abhängigkeit von der im Strafmaß zum Ausdruck kommenden Schwere der Tat (vgl. § 78 StGB, § 31 OWiG). Je größer der Abstand zur Tat, desto schwächer ist die präventive Effizienz der sanktionierenden Ahndung durch das Strafrecht. Durch die Unauffälligkeit über eine längere Zeitspanne hat der Täter sich bewährt und zum Ausdruck gebracht, dass es der Sanktionierung, um ihn wieder auf den rechten Pfad zu bringen, nicht mehr bedarf.4 Im Vergaberecht steht die Sicherstellung, dass der öffentliche Auftraggeber es mit zuverlässigen Vertragspartnern zu tun hat, im Vordergrund. § 126 GWB unterstellt, dass die mit dem Begehen der Verfehlungen einhergehende Beeinträchtigung der Integrität und die daraus folgende Vermutung, dass die für das Unternehmen tätigen Personen sich auch zukünftig nicht ordnungsgemäß verhalten, durch Zeitablauf widerlegt ist.

III.Anwendungsbereich

3§ 126 GWB steht im Kapitel 1 Abschnitt 2 des Vierten Teils des GWB und ist daher unmittelbar nur gem. § 115 GWB auf die Vergabe öffentlicher Aufträge und die Ausrichtung von Wettbewerben durch den öffentlichen Auftraggeber anwendbar.5 Aufgrund von § 142 GWB gilt er darüber hinaus auch für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber,6 gem. § 147 GWB auch für die Vergabe von verteidigungs- und sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen7 und gem. § 154 Nr. 2 GWB für die Vergabe von Konzessionen.8 Die Vorgaben gelten auch für die Vergabe von Bauaufträgen, für die zudem die gleichlautenden Vorschriften des § 6f EU Abs. 3 und § 6f VS Abs. 3 VOB/A Anwendung findet.

4Grundsätzlich gilt § 126 GWB im Hinblick auf jeden Ausschlussgrund nach §§ 123 und 124 GWB, also auch für § 123 Abs. 4 GWB.9 Zugeschnitten ist die Regelung aber (wie auch § 125 GWB) auf Auftragssperren infolge von Verfehlungen.10 Bei Vorliegen eines Insolvenztatbestands oder im Falle einer Liquidation, eines Interessenkonflikts oder einer Vorbefassung i. S. d. § 124 Abs. 1 Nr. 2, 5 oder 6 GWB entfällt der Ausschlussgrund, wenn dessen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, also z. B. wenn die Zahlungsunfähigkeit beseitigt, Insolvenzanträge zurückgenommen oder Interessenkonflikte oder Wettbewerbsverzerrungen aufgrund einer Vorbefassung beseitigt wurden. In diesen Fällen ist nicht die Integrität des Unternehmens dauerhaft beeinträchtigt, sondern nur ein Hinderungsgrund für die Teilnahme am Wettbewerb gegeben, der den Ausschluss nur so lange rechtfertigt, wie er andauert. § 126 GWB ist daher im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einschränkend auszulegen. Anderer Meinung ist wohl der Gesetzgeber, der von einer strikten Anwendung der Fristenregelung auch auf die Insolvenztatbestände des § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB ausgeht.11

5Andererseits regelt Art. 57 VRL den Ausschluss vom Vergabeverfahren wegen Verfehlungen, die die Integrität eines Unternehmens in Frage stellen, abschließend. Damit gelten auch die durch § 126 GWB umgesetzten Höchstfristen für Auftragssperren für sämtliche Ausschlussgründe, und zwar unabhängig davon, ob sie im GWB geregelt sind oder nicht. Auch die in § 124 Abs. 2 GWB genannten Regelungen, die Auftragssperren außerhalb des GWB vorsehen,12 sind daher an die EU-rechtlichen Vorgaben gebunden und dürfen diese nicht überschreiten. Die spezialgesetzlichen Ausschlussgründe müssen daher nicht nur einen der in Art. 57 VRL geregelten Tatbestände erfüllen,13 sondern auch die Höchstfristen des Art. 57 Abs. 7 Satz 3 VRL einhalten. Das gilt auch für etwaige landesgesetzliche Regelungen über Auftragssperren.14

B.Fristenregelung

6§ 126 GWB differenziert bei der Festlegung von Ausschlussfristen zwischen Unternehmen, bei denen ein Ausschlussgrund nach § 123 GWB vorliegt, einerseits und Unternehmen, bei denen ein Ausschlussgrund nach § 124 GWB vorliegt, andererseits. Für erstere gilt § 126 Nr. 1 GWB und für letztere § 126 Nr. 2 GWB. Die Fristenregelungen unterscheiden sich nicht nur in der Länge der Ausschlussfrist, sondern auch in der Regelung des Fristbeginns.

7Da es bei § 123 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 GWB keiner rechtskräftigen Verurteilung bedarf, ist § 126 Nr. 1 GWB auf diesen zwingenden Ausschlussgrund des § 123 GWB nicht direkt anwendbar. Diese Ungenauigkeit beruht darauf, dass die Fristenregelung des Art. 57 Abs. 7 Satz 3 VRL sich nur auf die Ausschlussgründe des Art. 57 Abs. 1 VRL bezieht, die in § 124 Abs. 1 GWB geregelt sind, nicht auf die Ausschlussgründe des Art. 57 Abs. 2 GWB, die durch § 124 Abs. 4 GWB umgesetzt wurden und für die keine Begrenzung der Ausschlussfrist europarechtlich vorgegeben ist.15 Da in diesen Fällen gerade im Vergleich zu den Ausschlussgründen des § 124 Abs. 1 GWB erst Recht eine Limitierung der Auftragssperre angezeigt erscheint und den Wettbewerb fördert, ist dies EU-rechtlich nicht zu beanstanden. Da der deutsche Gesetzgeber auch für den Ausschluss nach § 123 Abs. 4 Satz 1 GWB eine Begrenzung der Auftragssperre beabsichtigte, ist hinsichtlich § 123 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 GWB die Regelung des § 126 Nr. 1 GWB analog bezogen auf die behördliche oder gerichtliche Feststellung des Rechtsverstoßes anzuwenden,16 die bei der Tatbestandsvariante des § 123 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 GWB dem Urteilsspruch entspricht und wie es der EuGH im Hinblick auf den Beginn der Ausschlussfrist für den fakultativen Ausschlussgrund der wettbewerbswidrigen Abrede (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB) angenommen hat.17

8§ 126 Nr. 1 GWB findet auch für die Ausschlussgründe des § 123 GWB Anwendung, soweit diese im Sektorenbereich gem. § 142 Nr. 2 GWB oder § 154 Nr. 2 lit. a) GWB nicht zwingend, sondern nur fakultativ gelten.18 § 126 Nr. 1 GWB nimmt die Ausschlussgründe „nach § 123“ als solche in Bezug, ohne zu verlangen, dass diese auch tatsächlich zwingend sein müssten. Der zusätzliche Ausschlussgrund im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich nach § 147 Satz 1 und § 154 Nr. 2 lit. b) GWB wird gem. dem Wortlaut des § 147 Satz 1 GWB einem Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 GWB gleichgestellt. Für diesen Ausschlussgrund gilt daher auch § 126 Nr. 2 GWB.19

I.Fristenregelung bei Ausschlussgründen nach § 123 GWB

9Aufgrund eines Ausschlussgrundes nach § 123 GWB darf ein Unternehmen höchstens fünf Jahre ausgeschlossen werden. Nach dem Wortlaut der Bestimmung beginnt die Frist mit „dem Tag der rechtskräftigen Verurteilung“. Ab diesem Tag und damit einschließlich dieses Tags darf für den festgelegten Zeitraum kein Ausschluss erfolgen. Damit ist der Tag der Verurteilung in die Frist mit einbezogen und muss gem. § 187 Abs. 2 BGB bei der Fristberechnung mit berücksichtigt werden. Da die Frist nach Jahren bemessen ist, endet sie gem. § 188 Abs. 2 2. Alt. BGB folglich mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats der Frist, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

10Fristbeginn ist die rechtskräftige Verurteilung.20 Eine solche liegt vor, wenn das laufende Verfahren beendet und keine Änderung mehr möglich ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn kein reguläres Rechtsmittel mehr zur Verfügung steht, also eine Rechtsmittelfrist abgelaufen ist, ein Rechtsmittel zurückgenommen oder auf ein solches verzichtet wurde. Einer rechtskräftigen Verurteilung steht es gem. § 410 Abs. 3 StPO gleich, wenn gegen einen Strafbefehl nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt wurde. Der Begriff der „rechtskräftigen Verurteilung“ umfasst neben einer strafrechtlichen Verurteilung auch eine rechtskräftig festgesetzte Geldbuße nach § 30 OWiG; dabei ist unerheblich, ob die Festsetzung in einem mit der Ahndung der Straftat verbundenen Verfahren21 oder gem. § 88 Abs. 2 OWiG in einem selbstständigen Bußgeldverfahren festgesetzt wird. Nichts anderes gilt für die in § 123 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 GWB genannten rechtskräftigen Gerichts- oder bestandskräftigen Verwaltungsentscheidungen.22

II.Fristenregelung bei Ausschlussgründen nach § 124 GWB

11Aufgrund eines Ausschlussgrundes nach § 124 GWB darf ein Unternehmen höchstens drei Jahre ausgeschlossen werden. Nach dem Wortlaut der Bestimmung beginnt die Frist mit „dem betreffenden Ereignis“. Ab diesem Ereignis darf für den festgelegten Zeitraum kein Ausschluss erfolgen. Anders als bei § 126 Nr. 1 GWB wird der Tag, an dem das „Ereignis“ auftritt, nicht vollständig in die Frist mit einbezogen und muss daher gem. § 187 Abs. 1 BGB bei der Fristberechnung außer Acht gelassen werden. Da die Frist nach Jahren bemessen ist, endet sie gem. § 188 Abs. 2 1. Alt. BGB folglich mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats der Frist, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis fällt.

12Auf welches Ereignis im konkreten Fall abzustellen ist, hängt vom jeweiligen Ausschlussgrund ab.23 Die amtliche Begründung nennt als Beispiele den Zeitpunkt der Insolvenzbeantragung oder -eröffnung für den Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB und den Zeitpunkt der Entscheidung der Kartellbehörde für den Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Um eine grundlegende Klärung der Frage herbeizuführen, was unter dem „betreffenden Ereignis“ i. S. d. § 126 Abs. 1 Nr. 1 GWB zu verstehen ist, hatte die Vergabekammer Südbayerns den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens angerufen.24 Im zugrunde liegenden Fall ging es um die Ausschlussgründe des § 124 Abs. 1 Nr. 3 und 4 GWB. Unter Bezugnahme auf das Recht der Ordnungswidrigkeiten und das Strafrecht, wonach jeweils die Verfolgungsverjährung beginne, sobald die Handlung beendet sei, hatte sich die VK Südbayern gegen ein Vorliegen des betreffenden Ereignisses erst ab gesicherter Kenntnis ausgesprochen.25 Eine Klärung der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals i. S. d. Richtlinie hat nunmehr der EuGH mit seinem Urteil vom 24.10.2018 herbeigeführt.26 Danach wird der höchstzulässige Zeitraum des Ausschlusses ab dem Datum, an dem die für die Ahndung des Rechtsverstoßes zuständige Behörde einen Verstoß durch das betreffende Verhalten feststellt, berechnet.27 Diese Auslegung bezieht der EuGH konkret auf den Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB und damit auf die wettbewerbsverzerrende Vereinbarung als das den Ausschluss rechtfertigende Ereignis. Zur Begründung führt das Gericht die Kohärenz mit den Berechnungsmodalitäten für die Frist bei zwingenden Ausschlussgründen – die rechtskräftige Verurteilung als fristauslösendes Moment – an sowie Gründe der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit.28 In der Vorschrift selbst findet diese Sichtweise indes keine Stütze, da § 125 Nr. 1 in Abweichung zu § 125 Nr. 2 GWB gerade nicht auf die behördliche oder gerichtliche Entscheidung abstellt. Problematisch ist sie auch deshalb, weil die fakultativen Ausschlussgründe – anders als die zwingenden Ausschlussgründe, die eine rechtskräftige Verurteilung fordern – bereits greifen, wenn keine behördliche Entscheidung getroffen wird. Das gilt gerade auch für den Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB, wonach hinreichende Anhaltspunkte bereits den Ausschluss rechtfertigen können, ohne dass eine gesicherte Erkenntnis vorliegen müsste. Die Ansicht des EuGH bedeutet, dass Ausschlüsse bereits vorgenommen sein können, ohne dass der Fristlauf in Gang gesetzt würde. Das widerspricht der Zweckbestimmung des § 126 GWB.

1.Fristbeginn bei Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 GWB

13Da die fakultativen Ausschlussgründe an eine Verfehlung anknüpfen, stellt sich die Frage, ob auf den Zeitpunkt der Verfehlung selbst, also im Fall des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auf den Abschluss der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung, oder auf die Feststellung durch die zuständigen Ermittlungsbehörden, etwa die Kartellbehörden, wie in der amtlichen Begründung zum Ausdruck gebracht wird,29 oder erst die Feststellung durch den öffentlichen Auftraggeber abzustellen ist. Insoweit bedarf es nach der hier vertretenen Auffassung der konkreten Prüfung des Tatbestands des betreffenden Ausschlussgrundes.

14Bei den Ausschlussgründen nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GWB muss der Rechtsverstoß bzw. die schwere Verfehlung „nachweislich“ vorliegen. Der Tatbestand des Ausschlussgrundes ist erst dann erfüllt, wenn der Nachweis erbracht ist. Noch klarer ergibt sich das aus Art. 57 Abs. 4 lit. a) und c) VRL, der durch § 124 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GWB umgesetzt wird. Danach ist der Ausschlussgrund erst gegeben, wenn der öffentliche Auftraggeber die Verfehlung „nachweisen“ „kann“. Der Zeitpunkt lässt sich im konkreten Fall i. d. R. schwer bestimmen, da sich die Erkenntnisse des Auftraggebers meist auf vielfältige Quellen stützen, deren Einschätzung dahingehend, ob sie als Nachweis hinreichend belastbar sind, recht schwer ist. In jedem Fall wird man dem Auftraggeber dabei einen Beurteilungsspielraum zubilligen müssen, da mit dieser Einschätzung zwangsläufig auch eine Wertung und Prognose einhergeht.30 Das würde bedeuten, dass die Frist nicht bereits mit Beendigung der Tatbegehung31 oder schon bei erster Kenntnisnahme des öffentlichen Auftraggebers begänne. Jedenfalls im Hinblick auf den Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB hat der EuGH diese Rechtsfrage nunmehr einer hiervon abweichenden Klärung zugeführt.32 Die Begründung des EuGH gilt in gleichem Maße hinsichtlich der sonstigen Verfehlungen nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GWB, sodass nach dieser Rechtsprechung auch bei diesen Ausschlussgründen auf die die Verfehlung feststellende behördliche oder gerichtliche Entscheidung abzustellen sein dürfte, was natürlich voraussetzt, dass überhaupt eine solche Feststellung vorliegt.

15Der Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB liegt bereits vor, wenn dem öffentlichen Auftraggeber hinreichende Anknüpfungspunkte für eine wettbewerbswidrige Abrede vorliegen. Nach dem Wortlaut muss noch kein Nachweis erbracht sein, belastbare Indizien sind aber zu fordern. Dem Auftraggeber kommt auch insoweit eine Einschätzungsprärogative zu, die nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist.33 Dennoch beginnt die Ausschlussfrist im Fall des Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 gemäß nunmehr ergangener Rechtsprechung des EuGH an dem Tag zu laufen, an dem die entsprechende Sanktionsentscheidung ergeht.34 Wie zu verfahren ist, wenn keine behördliche oder gerichtliche Entscheidung vorliegt, lässt diese Rechtsprechung jedoch offen.

2.Fristbeginn bei Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 2, 5 und 6 GWB

16In der amtlichen Begründung35 werden im Hinblick auf den Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB der Insolvenzantrag und die Insolvenzeröffnung als Fristbeginn genannt. Da diese Termine auseinanderfallen, bleibt unklar, welcher dieser beiden Zeitpunkte maßgeblich sein soll. Im Übrigen ist dieses Beispiel auch ungeeignet. Im Fall der Insolvenztatbestände oder einer Liquidation besteht sowieso kein Anwendungsbereich für § 126 GWB, da diese einen Ausschluss nur solange rechtfertigen, wie sie andauern.36 Auch bei den Ausschlussgründen des § 124 Abs. 1 Nr. 5 und 6 GWB ist ein Ausschluss über die Dauer des Vorliegens der Interessenkollision oder der Wettbewerbsverzerrung wegen Vorbefassung als Projektant hinaus sowieso nicht zulässig und entbehrt der Rechtfertigung.37

3.Fristbeginn bei Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 bis 9 GWB

17Bei § 124 Abs. 1 Nr. 7 bis 9 GWB sieht der Tatbestand den Ausschlussgrund bereits mit der Tatbegehung als gegeben an. Zwar versteht es sich von selbst, dass der Ausschluss nur Bestand haben kann, wenn der öffentliche Auftraggeber auch nachweisen kann, dass die betreffende Verfehlung begangen wurde. Diese Nachweispflicht ergibt sich allerdings aus der dem öffentlichen Auftraggeber obliegenden Beweislast im Falle von Unsicherheiten über die zugrunde liegenden Tatsachen. Der Nachweis oder die Kenntnisnahme von den zugrunde liegenden Tatsachen durch den Auftraggeber ist – anders als bei § 124 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GWB i. V. m. Art. 57 Abs. 4 lit. a) und c) VRL – nicht das den Ausschluss begründende Ereignis. Nach hiesiger Ansicht kann daher schon deshalb nicht auf die Kenntniserlangung durch die Vergabestelle abgestellt werden. Fristbeginn bei diesen fakultativen Ausschlussgründen träte danach ein, wenn die Tat beendet ist, also insbesondere die den Tatbestand des Ausschlussgrundes erfüllende Tathandlung abgeschlossen ist, also nicht mehr andauert.38 Mit jeder neuen Verfehlung würde die Frist aufs Neue für diese weitere Verfehlung beginnen. Die Rechtsprechung des EuGH, wonach bei dem fakultativen Ausschlussgrund der wettbewerbswidrigen Abrede auf den Zeitpunkt der behördlichen Feststellung abzustellen sei,39 dürfte allerdings nicht auf diese Ausschlussgründe übertragbar sein, weil eine behördliche Entscheidung, die mit der Bußgeldfestsetzung der Kartellbehörde vergleichbar wäre, in aller Regel nicht stattfindet.

18Seitens des öffentlichen Auftraggebers ist bei solchen Verfehlungen oder Schlechtleistungen ggf. zu prüfen, ob das Verhalten des Unternehmens nicht auch den Tatbestand eines anderen Ausschlussgrundes, insbesondere § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB erfüllt. Dieser Ausschlussgrund ist neben den anderen Ausschlussgründen anwendbar. Die zusätzlichen Ausschlussgründe etwa in § 124 Abs. 1 Nr. 1, 4, 7, 8 oder 9 GWB sollen die Ausschlussmöglichkeiten für den öffentlichen Auftraggeber nicht einengen, sondern erweitern. Für eine Privilegierung dieser im Zusammenhang mit öffentlichen Beschaffungen besonders relevanten Rechtsverstöße ist kein Grund ersichtlich.

C.Ermessen

19§ 126 GWB bestimmt sowohl für den Ausschluss aufgrund eines zwingenden Grundes als auch für den Ausschluss wegen eines fakultativen Grundes Höchstfristen. Das bedeutet zum einen, dass diese Frist nicht überschritten werden darf, und zum anderen, dass der öffentliche Auftraggeber diese Fristen auch unterschreiten kann.40 Somit ist ihm ein Ermessen eröffnet, bis zu welchem Zeitpunkt er ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt und das keine hinreichende Selbstreinigung durchlaufen hat, nicht mehr zum Wettbewerb zulässt.41 Dieses Ermessen muss der Auftraggeber pflichtgemäß ausüben und ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar.42 Das bedeutet insbesondere, dass er sein Ermessen überhaupt ausüben muss und die Ausschlussfristen nicht nach fixer Vorgabe anwendet. Insbesondere bei den zwingenden Ausschlussgründen erscheint dies wesensfremd, da der Ausschluss mithin trotz Verwirklichung des Ausschlusstatbestands nicht mehr zwingend ist, sondern ein Ermessen über die Dauer des Ausschlusses ausgeübt werden muss. Im Zusammenhang mit den fakultativen Ausschlussgründen gehen die Ausübung des Ermessens, ob überhaupt ausgeschlossen werden soll und, wenn ja, wie lange ausgeschlossen werden soll, ineinander über. Maßgeblich im Rahmen der Abwägung sind insbesondere die Schwere des Tatvorwurfs im Hinblick auf die Verlässlichkeit des Unternehmens als zukünftiger Auftragnehmer einerseits und die Intensität des Eingriffs, die ein solcher Ausschluss für das Unternehmen darstellt, andererseits.43

D.Annex zu §§ 123 bis 126 GWB: Wettbewerbsregister

I.Einrichtung des Wettbewerbsregisters

20Die Länder haben bereits Korruptionsregister oder vergleichbare Datenbanken angelegt,44 um das Vorliegen von Ausschlussgründen in Vergabeverfahren adäquat prüfen zu können. Nach einem zügig durchgeführten Gesetzgebungsverfahren wurde das Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters und zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen am 28.7.2017 im BGBl. veröffentlicht.45 Dessen Art. 1 enthält das WRegG, das die Einführung eines bundesweiten Wettbewerbsregisters vorsieht. Das neue Register wird nach § 1 Abs. 1 WRegG beim Bundeskartellamt in Bonn eingerichtet und von diesem geführt. Ziel des Gesetzgebers ist die Schaffung einer elektronischen Datenbank, die ein automatisiertes, elektronisches Abrufverfahren ermöglicht.46 Dazu bedarf es nach § 10 WRegG noch des Erlasses einer Rechtsverordnung, die insbesondere inhaltliche und technische Vorgaben für das Register trifft.47 Die Inbetriebnahme wird voraussichtlich in 2021 erfolgen.

21Durch die Schaffung des neuen bundesweiten Registers hat der Gesetzgeber von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) und Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG (Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung) Gebrauch gemacht. Es handelt sich um eine Vollregelung, die grundsätzlich keinen Raum für Landesspezialvorschriften lässt. Der Gesetzgeber hat das Ziel verfolgt, auf Bundesebene zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse (Art. 72 Abs. 2 GG) eine übergreifende Regelung zu treffen.48 Denn die Bekämpfung etwa von Korruption und die Gewährleistung eines effektiven sowie effizienten Vergabeverfahrens haben den größten Erfolg, wenn sie länderübergreifend erfolgen.49 Das Ziel der Schaffung einer abschließenden Regelung lässt sich auch § 12 Abs. 1 Satz 2 WRegG entnehmen, wonach die landesrechtlichen Vorschriften nur noch Anwendung finden, bis das Register mit seinen wesentlichen Funktionen in Betrieb gegangen ist, was maßgeblich – wie § 12 Abs. 1 Satz 1 WRegG zum Ausdruck bringt – von dem Erlass der Rechtsverordnung nach § 10 WRegG (WRegVO) abhängt. Durch das neue Wettbewerbsregister wird der Flickenteppich von Landesvorschriften abgelöst und den öffentlichen Auftraggebern die Eignungsprüfung erleichtert sowie den Unternehmen ein zentrales Selbstreinigungsverfahren zur Verfügung gestellt.50

II.Eintragungspflicht

22In das Register sind nur Rechtsverstöße einzutragen, die im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge oder Konzessionen relevant sind. Insoweit unterscheidet sich das Wettbewerbsregister von den bereits bestehenden und beim Bundesamt für Justiz geführten Registern, dem Bundeszentralregister und dem Gewerbezentralregister. Einzutragen sind gem. § 2 Abs. 1 WRegG insbesondere rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen und Strafbefehle sowie rechtskräftige Bußgeldentscheidungen wegen

– der in § 123 Abs. 1 GWB aufgeführten Straftaten,

– Betrugs i. S. d. §§ 263, 264 StGB, der sich gegen öffentliche Haushalte richtet,

– Vorenthaltens und Veruntreuens von Bestandteilen des Arbeitsentgelts nach § 266a StGB,

– Steuerhinterziehung nach § 370 AO,

– wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen nach § 298 StGB,

– Entscheidungen nach § 8 Abs. Nr. 2, §§ 9 bis 11 SchwarzArbG, §§ 15, 15a, 16 Abs. 1 Nr. 1, 1b und 2 AÜG, § 21 Abs. 1 und 2 MiLoG oder § 23 Abs. 1 und 2 des AEntG, jeweils wenn auf Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten oder Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen erkannt oder eine Geldbuße von wenigstens 2.500 Euro festgesetzt worden ist.

Zu den danach einzutragenden Bußgeldentscheidungen zählen insbesondere Verbandsordnungswidrigkeiten nach § 30 OWiG wegen dieser Taten, ggf. auch wegen § 30 i. V. m. § 130 OWiG im Fall der Unterlassung von Aufsichtsmaßnahmen, die erforderlich sind, um in dem Unternehmen solche Zuwiderhandlungen zu verhindern. Des Weiteren sind nach § 2 Abs. 2 WRegG Bußgeldentscheidungen einzutragen, die wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 81 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 1 GWB verhängt wurden, wenn eine Geldbuße von wenigstens 50.000 Euro ergangen ist. Insoweit wird keine Bestandskraft des Bußgeldbescheids vorausgesetzt. Begründet wird dieser Unterschied zu § 2 Abs. 1 WRegG damit, dass im Hinblick auf solche Verstöße gem. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB hinreichende Anhaltspunkte genügen.51

23Sofern sich die Verurteilung, der Strafbefehl oder der Bußgeldbescheid gegen eine natürliche Person richtet, erfolgt die Eintragung nach § 2 Abs. 3 WRegG nur, wenn die Tat einem Unternehmen zuzurechnen ist.52 Diese Zurechnungsregelung entspricht derjenigen in § 123 Abs. 3 GWB. Danach ist eine Tat dem Unternehmen zuzurechnen, soweit der Täter als für die Leitung des Unternehmens Verantwortlicher gehandelt hat, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört. Anders als im Rahmen des § 123 Abs. 3 GWB ist die Regelung der Zurechnung in § 2 Abs. 2 WRegG nicht europarechtskonform auszulegen.53

24Um sicherzustellen, dass die Verfehlungen auch zeitnah eingetragen werden, sind die Strafverfolgungsbehörden und die zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten berufenen Behörden verpflichtet, ihnen bekannte eintragungsrelevante Rechtsverstöße unverzüglich dem Register mitzuteilen. Darüber hinaus müssen sie auch melden, wenn ihnen Umstände bekannt werden, die einer weiteren Speicherung der übermittelten Daten im Register entgegenstehen, also insbesondere bei Vorliegen von Erkenntnissen über Maßnahmen der Selbstreinigung nach § 125 GWB.

25Den von einer Eintragung betroffenen Unternehmen ist nach § 5 Abs. 1 WRegG eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme einzuräumen, bevor die Eintragung erfolgt. Kann ein Unternehmen schlüssig darlegen, dass eine angekündigte oder bereits vorgenommene Eintragung unrichtig ist, so hat die Registerbehörde die Eintragung mit einem Sperrvermerk zu versehen, solange sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit der Eintragung feststellen lässt. Wird die Unrichtigkeit der Eintragung festgestellt, ist die Eintragung unverzüglich zu löschen. Jedes Unternehmen und jede Person hat einen Anspruch auf Auskunft über den sie betreffenden Inhalt des Registers, dies umfasst nach § 5 Abs. 3 WRegG auch ein unbeschränktes Akteneinsichtsrecht eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes, das auch Informationen nach § 8 Abs. 3 WRegG erfasst, was der effektiven Wahrnehmung der Unternehmensinteressen dient.54

III.Einbindung in das Vergabeverfahren

26Die Einträge im Wettbewerbsregister führen nicht automatisch zu einer Auftragssperre.55 Vielmehr dienen sie der Erleichterung der Informationsbeschaffung durch den öffentlichen Auftraggeber im Rahmen des Vergabeverfahrens. Nicht abgenommen wird dem öffentlichen Auftraggeber durch das Register, weiterhin anhand aller ihm zugänglichen Informationen eine abschließende Entscheidung über einen Ausschluss zu treffen (§ 6 Abs. 5 WRegG) und insbesondere im Hinblick auf die fakultativen Ausschlussgründe sein Ermessen auszuüben.

27Der öffentliche Auftraggeber ist bei Aufträgen mit einem geschätzten Auftragswert ab 30.000 Euro ohne Umsatzsteuer nach § 6 Abs. 1 WRegG verpflichtet, vor Zuschlagserteilung bei der Registerbehörde abzufragen, ob es Eintragungen zu dem bietenden Unternehmen gibt. Die Abfragepflicht gilt mithin auch unterhalb der Schwellenwerte des § 106 GWB.56 Öffentliche Auftraggeber, die Aufträge mit einem Auftragswert unter 30.000 Euro vergeben, sind berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Einträge über das Unternehmen bei der Registerbehörde abzufragen. Ausgenommen von der Abfragepflicht sind zudem Sachverhalte, die vom Vergaberecht ausgenommen sind sowie Vergaben durch Auslandsdienststellen.57

28Auch im Hinblick auf Sektorenauftraggeber und Konzessionsnehmer ist die Abfragepflicht abgeschwächt: Zum einen sind nur Sektorenauftraggeber nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB und Konzessionsnehmer nach § 101 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GWB abfrageverpflichtet. Zum anderen besteht die Abfragepflicht hier erst ab Erreichen der Schwellenwerte des § 106 GWB.

IV.Löschung von Eintragungen

29Eintragungen werden gem. § 7 Abs. 1 WRegG teilweise nach fünf Jahren, teilweise nach drei Jahren ab Rechts- oder Bestandskraft der Entscheidung gelöscht. Die Löschfristen orientieren sich an den nach § 126 GWB zulässigen Höchstfristen für einen Ausschluss vom Vergabeverfahren.58 Soweit sich demnach die Eintragung auf einen der zwingenden Ausschlussgründe des § 123 Abs. 1 und Abs. 4 GWB bezieht, erfolgt eine Löschung spätestens fünf Jahre nach dem Tag der Rechtskraft der Entscheidung. In den übrigen Fällen gilt eine Drei-Jahres-Frist ab dem Tag des Erlasses des Bußgeldbescheides bzw. der Unanfechtbarkeit der eintragungspflichtigen Gerichts- oder Bußgeldentscheidung.

30Zudem kann das Unternehmen nach § 8 Abs. 1 WRegG eine vorzeitige Löschung unter Darlegung der von ihm ergriffenen Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB59 sowie nach § 123 Abs. 4 Satz 2 GWB verlangen. Ein entsprechender Antrag ist nach § 8 Abs. 1 Satz 2 WRegG zulässig, wenn das Unternehmen ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Löschung glaubhaft macht. Hierüber entscheidet die Registerbehörde von Amts wegen, wobei sie sich auf die Prüfung der Angaben und Nachweise des Unternehmens beschränken kann. Die Behörde kann nach § 8 Abs. 2 Satz 2 WRegG vom Antragsteller auch die Vorlage eines Gutachtens eines Wirtschaftsprüfers oder eines Rechtsanwalts oder anderer geeigneter Unterlagen verlangen. Daneben kann sie die Strafverfolgungsbehörde oder die Behörde, die für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständig ist, gem. § 8 Abs. 3 WRegG um Auskunft ersuchen. Eine ablehnende Entscheidung der Registerbehörde ist nach § 8 Abs. 4 Satz 3 WRegG zu begründen. Für die Prüfung fällt eine Verwaltungsgebühr an.

V.Rechtsbehelfe

31Gegen die Entscheidungen der Registerbehörde, insbesondere die Vornahme einer Eintragung oder die Ablehnung einer Löschung etwa wegen Selbstreinigung, ist nach § 11 Abs. 1 WRegG die Beschwerde zum Oberlandesgericht zulässig. Hierbei handelt es sich um eine verdrängende Rechtswegzuweisung. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist dies angezeigt, da sich die Zuweisung an das gem. § 171 GWB für Vergabesachen zuständige Oberlandesgericht anbiete, um auf diese Weise die Expertise der Vergabesenate nutzbar zu machen.60 Noch wichtiger ist jedoch, wie vom Gesetzgeber ebenfalls angeführt, dass der Sonderrechtsweg auf eine einheitliche Rechtsprechungspraxis insbesondere im Bereich der Selbstreinigung hinwirkt. Nicht geregelt ist im WRegG, ob auch ein Wettbewerber des betroffenen Unternehmens gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz vorgehen kann. Dies betrifft insbesondere Entscheidungen über eine Selbstreinigung. § 8 Abs. 4 Satz 3 WRegG geht wohl davon aus, dass nur ablehnende Entscheidungen angegriffen werden können, da nur diese nach der Vorschrift zu begründen sind.61

Vergaberecht

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