Читать книгу Vergaberecht - Corina Jürschik - Страница 104

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38Die Einzelheiten zum Ablauf der Innovationspartnerschaft sind in der VgV sowie in den Vergabeverordnungen geregelt.71

IV.Teilnahmewettbewerb

39Beim nicht offenen Verfahren, dem Verhandlungsverfahren mit vorheriger öffentlicher Aufforderung zur Teilnahme, dem wettbewerblichen Dialog und der Innovationspartnerschaft geht dem eigentlichen Vergabeverfahren ein Teilnahmewettbewerb voraus, den § 119 Abs. 4 GWB als Auswahl von Unternehmen nach objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien definiert. Anders als beim offenen Verfahren werden im Rahmen dieses Teilnahmewettbewerbs Nachweise zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen nach §§ 123 und 124 GWB sowie zur Fachkunde und Leistungsfähigkeit (Eignung) i. S. d. § 122 GWB nicht gleichzeitig mit der Angebotsabgabe verlangt, sondern in einem vorgeschalteten Wettbewerb, dessen Ziel es ist, die geeigneten Teilnehmer für das eigentliche Vergabeverfahren zu qualifizieren. Der Teilnahmewettbewerb schließt mit der Auswahl derjenigen Unternehmen durch den Auftraggeber ab, die geeignet sind, in dem nachfolgenden Verfahren ein Angebot einzureichen. Die Prüfung und Bejahung der Eignung eines Bewerbers durch den Auftraggeber ist notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Bewerber zur Einreichung eines Angebots aufgefordert werden darf.72 Unternehmen, die die im Teilnahmewettbewerb geforderten Nachweise nicht erbringen, dürfen deshalb am weiteren Verfahren auch nicht mehr beteiligt werden.73

40Selbst bei nachgewiesener grundsätzlicher Eignung haben die am Teilnahmewettbewerb beteiligten Unternehmen aber keinen Rechtsanspruch auf Beteiligung am nachfolgenden Vergabeverfahren.74 Wie aus der VgV und den Vergabeverordnungen ersichtlich,75 muss der Auftraggeber nicht allen Bewerbern, die die geforderten Nachweise beigebracht haben und die genannten Eignungsmerkmale aufweisen, eine Angebotsaufforderung zukommen lassen, sondern nur einer von der jeweiligen Verfahrensart abhängigen Mindestzahl. Darüber hinaus kann der Auftraggeber die Anzahl derjenigen, die ein Angebot abgeben können, nach oben begrenzen. Will der Auftraggeber die Zahl der Teilnehmer von vornherein begrenzen, so hat er in der Auftragsbekanntmachung die von ihm vorgesehenen objektiven, transparenten und nicht diskriminierenden Kriterien die vorgesehene Mindestzahl und gegebenenfalls auch die Höchstzahl an einzuladenden Bewerbern anzugeben.76

41Der Vergabestelle steht ein Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum bei der Aufforderung geeigneter Unternehmen zur Angebotsabgabe zu, wenn es mehr geeignete Bewerber als die in der Bekanntmachung festgesetzte Mindestanzahl gibt. Der Auftraggeber hat dann nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wer aus dem Kreis der geeigneten Bewerber die Qualifikationskriterien seiner Ansicht nach am ehesten erfüllen wird. Er hat sich dabei von sachbezogenen Erwägungen leiten zu lassen und darf nicht willkürlich entscheiden,77 d. h. er hat insbesondere das Wettbewerbs-, Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot des § 97 Abs. 2 GWB zu beachten und hat sich an die vorgegebenen Auswahlkriterien zu halten. Dieses Ermessen steht dem Auftraggeber auch dann zu, wenn er eine Höchstzahl an einzuladenden Unternehmen nicht angegeben hat.78 Ist eine Höchstzahl angegeben, hat sich Vergabestelle aber insoweit selbst gebunden und stellt es einen Verstoß gegen das Willkürverbot und das Transparenzgebot dar, wenn die Vergabestelle die Höchstzahl überschreitet und einen weiteren Bieter zulässt.79 Von einem Ausschöpfen der Höchstzahl an Bietern kann die Vergabestelle jedoch unter Umständen mit entsprechend zu dokumentierenden Ermessenerwägungen absehen.80

42Die Auswahlkriterien muss der Auftraggeber zur Gewährleistung einer willkürfreien Auswahl in der Auftragsbekanntmachung mitteilen, damit sich die interessierten Unternehmen darauf einstellen können.81 Sind sachliche und nachvollziehbare Erwägungen für die Entscheidung des Auftraggebers, wie viele und welche Bewerber er zur Angebotsabgabe auffordert, nicht ersichtlich, insbesondere weder im Rahmen eines Vergabevermerks dokumentiert, noch im Verfahren dargelegt, hat der Auftraggeber sein Auswahlermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.82

43Sofern die Zahl von Bewerbern, die die Eignungskriterien und Mindestanforderungen erfüllen, unter der in der Bekanntmachung angegebenen Mindestzahl liegt, kann der öffentliche Auftraggeber das Verfahren dennoch fortführen, indem er den oder die Bewerber einlädt, die über die geforderte Eignung verfügen.83

44Mit der Auswahl der geeigneten Bewerber nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbes hat der Auftraggeber festgelegt, von welchen Unternehmen er Angebote erhalten will und von welchen nicht. Er kann deshalb Angebote nicht aufgeforderter Unternehmen nicht berücksichtigen und diese insbesondere nicht in die Wertung einbeziehen.84 Angebote von Bietern, die nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht zur Abgabe aufgefordert wurden bzw. keinen Teilnahmeantrag gestellt haben, müssen deshalb zwingend ausgeschlossen werden bzw. dürfen nicht zu demselben Verfahren zugelassen werden.85 Die regelgerecht aufgeforderten Unternehmen haben insoweit ein Recht darauf, sich im Wettbewerb nur mit Unternehmen messen zu müssen, die zuvor die Kriterien des Teilnahmewettbewerbs durch Vorlage der geforderten Nachweise erfüllt haben und dann als geeignet ausgewählt wurden.86

45Auch eine Änderung in der Konstellation auf Bieterseite nach Abgabe des Teilnahmeantrags, beispielsweise die Bildung einer Bietergemeinschaft87 – nicht jedoch wie aus § 124 Abs. 1 Nr. 2 GWB ersichtlich die Insolvenz eines Partners einer mehr als zweigliedrigen Bietergemeinschaft88 – führt zum zwingenden Ausschluss. Das gilt ebenso für den Austausch oder Wegfall eines Unterauftragnehmers auf dessen Kapazitäten sich der Bewerber im Teilnahmewettbewerb im Hinblick auf seine wirtschaftliche und finanzielle oder seine technische und berufliche Leistungsfähigkeit beruft.89 In diesem Fall kann der öffentliche Auftraggeber den Nachweis des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 GWB sowie die Nachweise für die Fachkunde und Leistungsfähigkeit i. S. d. § 122 GWB der Unterauftragnehmer auch bereits mit dem Teilnahmeantrag verlangen, andernfalls eine die Prüfung der Eignung des Bewerbers, mit der der Teilnahmewettbewerb abschließt, nicht möglich ist.

§ 120 GWBBesondere Methoden und Instrumente im Vergabeverfahren

(1) Ein dynamisches Beschaffungssystem ist ein zeitlich befristetes, ausschließlich elektronisches Verfahren zur Beschaffung marktüblicher Leistungen, bei denen die allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmale den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers genügen.

(2) 1Eine elektronische Auktion ist ein sich schrittweise wiederholendes elektronisches Verfahren zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots. 2Jeder elektronischen Auktion geht eine vollständige erste Bewertung aller Angebote voraus.

(3) 1Ein elektronischer Katalog ist ein auf der Grundlage der Leistungsbeschreibung erstelltes Verzeichnis der zu beschaffenden Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in einem elektronischen Format. 2Er kann insbesondere beim Abschluss von Rahmenvereinbarungen eingesetzt werden und Abbildungen, Preisinformationen und Produktbeschreibungen umfassen.

(4) 1Eine zentrale Beschaffungsstelle ist ein öffentlicher Auftraggeber, der für andere öffentliche Auftraggeber dauerhaft Liefer- und Dienstleistungen beschafft, öffentliche Aufträge vergibt oder Rahmenvereinbarungen abschließt (zentrale Beschaffungstätigkeit). 2Öffentliche Auftraggeber können Liefer- und Dienstleistungen von zentralen Beschaffungsstellen erwerben oder Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge mittels zentraler Beschaffungsstellen vergeben. 3Öffentliche Aufträge zur Ausübung zentraler Beschaffungstätigkeiten können an eine zentrale Beschaffungsstelle vergeben werden, ohne ein Vergabeverfahren nach den Vorschriften dieses Teils durchzuführen. 4Derartige Dienstleistungsaufträge können auch Beratungs- und Unterstützungsleistungen bei der Vorbereitung oder Durchführung von Vergabeverfahren umfassen. 5Die Teile 1 bis 3 bleiben unberührt.

Schrifttum: Knauff, Neues europäisches Vergabeverfahrensrecht: Dynamische Beschaffungssysteme (Dynamische elektronische Verfahren), VergabeR 2008, 615 ff.; Müller, Das dynamische elektronische Verfahren, NZBau 2011, 72 ff.; Schaller, Zentrale Beschaffungs- und Vergabestellen – Einrichtung, Aufbau, Organisation und Gestaltung, LKV 2018, 348 ff.

Übersicht Rn.
A. Vorbemerkungen 1
B. Dynamische Beschaffungssysteme (§ 120 Abs. 1 GWB) 2–7
C. Elektronische Auktionen (§ 120 Abs. 2 GWB) 8–10
D. Elektronische Kataloge (§ 120 Abs. 3 GWB) 11–14
E. Zentrale Beschaffungsstellen (§ 120 Abs. 4 GWB) 15–19

A.Vorbemerkungen

1§ 120 GWB enthält Begriffsbestimmungen zu besonderen Methoden und Instrumenten im Vergabeverfahren. Die bei der Anwendung der hier definierten Methoden und Instrumente geltenden Voraussetzungen und verfahrensrechtlichen Einzelheiten sind dabei der VgV zu entnehmen und zwar

– zu dynamischen Beschaffungssystemen den §§ 22–24 VgV

– zu elektronischen Auktionen den §§ 25–26 VgV und

– zu elektronischen Katalogen dem § 27 VgV.

Mit den durch die neue Vorschrift in das GWB aufgenommenen Begriffsbestimmungen verfolgt der Gesetzgeber die Absicht sicherzustellen, dass die genannten Mittel allen öffentlichen Auftraggebern und Sektorenauftraggebern zur Verfügung stehen.1

B.Dynamische Beschaffungssysteme (§ 120 Abs. 1 GWB)

2§ 120 Abs. 1 GWB definiert den Begriff des dynamischen Beschaffungssystems anhand von drei Merkmalen. Danach handelt es sich um ein

zeitlich befristetes,

ausschließlich elektronisches Verfahren

zur Beschaffung marktüblicher Leistungen.

Die Definition entspricht damit weitgehend jener des unter altem Recht verwendeten Begriffes des „dynamischen elektronischen Verfahrens“ gem. § 101 Abs. 6 Satz 2 GWB a. F. und dient der Umsetzung von Art. 34 VRL sowie Art. 52 SRL.2 Einzig hinsichtlich der Verfahrensart enthält § 120 Abs. 1 GWB keine Aussage, während § 101 Abs. 6 Satz 2 GWB a. F. noch anordnete, es handele sich um ein offenes Vergabeverfahren. Insofern regelt allerdings nunmehr § 22 Abs. 2 VgV, dass der öffentliche Auftraggeber die Vorschriften für das nicht offene Verfahren zu beachten hat, was der Vorgabe des Art. 34 VRL bzw. Art. 52 SRL entspricht.

3Während das alte Recht noch eine konkrete Befristung des Verfahrens auf grundsätzlich maximal vier Jahre vorsah (vgl. § 5 Abs. 2 lit. f VOL/A bzw. § 5 EG Abs. 2 lit. g VOL/A a. F.), ist nunmehr eine ausdrückliche Höchstfrist weder dem § 120 Abs. 1 GWB noch den §§ 22–24 VgV zu entnehmen. Das Merkmal der Befristung an sich wurde indes ausdrücklich aufrechterhalten, so dass der ein dynamisches Beschaffungssystem einrichtende öffentliche Auftraggeber stets eine solche festzusetzen hat. In Ermangelung konkreter Vorgaben wie diese zu bestimmen ist, dürfte es sich dabei empfehlen, auf die voraussichtliche Dauer des mit dem System abzudeckenden Beschaffungsbedarfes abzustellen. Sollte sich die Befristung später als unpassend erweisen, bleibt dem öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit, das System vorzeitig zu beenden oder die Gültigkeitsdauer zu verlängern (§ 23 Abs. 2 VgV), so dass die in zeitlicher Hinsicht ggf. notwendige Flexibilität trotz der zwingenden Befristung erhalten bleibt.

4Nachdem § 120 Abs. 1 GWB anordnet, dass es sich um ein ausschließlich elektronisches Verfahren handelt, sind insbesondere die Vorgaben zum Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel gem. §§ 11 f. VgV zu beachten. Offen bleibt, ob neben der Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel eine zusätzliche (Parallel-)Publikation in klassischen Medien zulässig ist.3 Die ausschließliche Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel dient jedenfalls der Effizienz und Beschleunigung der Beschaffung standardisierter Waren und Leistungen.

5Ferner dürfen dynamische Beschaffungssysteme nur für die Beschaffung marktüblicher Leistungen, bei denen die allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmale den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers genügen, Anwendung finden, worin das zentrale Zulässigkeitskriterium zu sehen ist.4 Ob eine Spezifikation der zu beschaffenden Leistung in diesem Sinne „allgemein auf dem Markt verfügbar“ ist, wird in wertender Einzelfallbetrachtung zu bestimmen sein. Nicht darunter fallen jedenfalls zunächst solche Leistungsspezifikationen, die vor Einrichtung des Verfahrens so am Markt noch nicht angeboten wurden. Auch dürfte es nicht ausreichend sein, wenn eine Leistung, deren Spezifikationen den Anforderungen des Auftraggebers genügen, lediglich von einem einzelnen oder einer kleinen Gruppe von Marktteilnehmern angeboten wird,5 denn erforderlich ist, dass die Leistung „allgemein“ auf dem Markt verfügbar ist. Das Verfahren eignet sich mithin vornehmlich zur Beschaffung von Massenverbrauchsgütern wie z. B. Papier- oder Reinigungsartikeln oder einfacheren Dienstleistungen.6 Aufträge bzgl. Leistungen, die zunächst auf die spezifischen Anforderungen des Auftraggebers abgestimmt oder zugeschnitten werden müssen, können nicht unter dynamischen Beschaffungssystemen vergeben werden.7 Erforderlich ist, dass die Leistungsbeschreibung anhand verkehrsüblicher Bezeichnungen und der Festlegung von Spezifikationen möglich sein muss, die den Merkmalen der marktüblichen Leistung entsprechen.8 Genügen die allgemein auf dem Markt verfügbaren Spezifikationen den Anforderungen des Auftraggebers, so wird es sich auch stets um eine „marktübliche“ Leistung handeln, sodass dem diesbezüglichen gesetzlichen Definitionskriterium keine eigene einschränkende Bedeutung zukommt. In der Praxis wird das Verfahren dort zur Anwendung kommen, wo öffentliche Auftraggeber eine wiederkehrende Beschaffung von Standardleistungen verfolgen.

6Der lediglich terminologisch verwendete Begriff des „dynamischen“ Beschaffungssystems wird in der Definition nicht ausdrücklich reflektiert. Als „dynamisch“ lässt sich das Verfahren gleichwohl charakterisieren, da es dem das Verfahren betreibenden öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit eröffnet, anhand seines konkreten Beschaffungsbedarfs über die Laufzeit des Verfahrens Einzelaufträge zu vergeben.9 Der Umfang des Beschaffungsbedarfes muss demgemäß anders als bei anderen Vergabeverfahren also nicht bereits im Zeitpunkt der Bekanntmachung feststehen.10 Ferner haben Unternehmen gem. § 22 Abs. 4 VgV die Möglichkeit, auch während eines laufenden dynamischen Beschaffungssystems noch zum Verfahren zugelassen zu werden. Das Verfahren ist mithin auch im Hinblick auf die beteiligten Unternehmen „dynamisch“.11

7Gemäß Art. 34 Abs. 1 Satz 3 VRL können dynamische Beschaffungssysteme in Kategorien von Waren, Bauleistungen oder Dienstleistungen untergliedert werden, die anhand von Merkmalen der vorgesehenen Beschaffung in der betreffenden Kategorie objektiv definiert werden. Ferner dürfen diese Merkmale eine Bezugnahme auf den höchstzulässigen Umfang späterer konkreter Aufträge oder auf ein spezifisches geografisches Gebiet, in dem spätere konkrete Aufträge auszuführen sind, enthalten. Diese Gestaltungsspielräume sind vom nationalen Gesetzgeber im Rahmen von § 120 Abs. 1 GWB nicht ausdrücklich reflektiert worden, lediglich sind § 23 VgV Vorgaben zur Untergliederung des Systems in Kategorien zu entnehmen, die allerdings in ihrem Detaillierungsgrad hinter den Regelungen des Art. 34 Abs. 1 Satz 3 VRL zurückbleiben. Im Wege der europarechtskonformen Auslegung und insbesondere vor dem Hintergrund, dass der nationale Gesetzgeber die genannte Bestimmung mit § 120 Abs. 1 GWB ausdrücklich umsetzen wollte,12 ist indes davon auszugehen, dass den öffentlichen Auftraggebern die so eingeräumten Spielräume bei der Ausgestaltung dynamischer Beschaffungssysteme gleichwohl zur Verfügung stehen.

C.Elektronische Auktionen (§ 120 Abs. 2 GWB)

8§ 120 Abs. 2 Satz 1 GWB definiert den Begriff der elektronischen Auktion als ein sich schrittweise wiederholendes elektronisches Verfahren zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots. Der Begriff entspricht damit teilweise dem des § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB a. F., wobei die Definition in Umsetzung des Art. 35 Abs. 1 UAbs. 2 VRL sowie Art. 53 Abs. 1 UAbs. 2 SRL ausdrücklich dahingehend ergänzt wurde, dass es sich um ein iteratives elektronisches Verfahren handelt.13

9Nachdem nähere Vorgaben zur Durchführung elektronischer Auktionen nunmehr in §§ 25–26 VgV enthalten sind, ist damit eine eindeutige gesetzgeberische Entscheidung getroffen worden, dass elektronische Auktionen von öffentlichen Auftraggebern nach Maßgabe der dortigen Regelungen durchgeführt werden können. Der diesbezügliche, unter alter Rechtslage geführte Meinungsstreit darüber, ob die Definition des Verfahrens in § 101 Abs. 6 Satz 1 GWB a. F. den öffentlichen Auftraggebern unmittelbar die Möglichkeit der Durchführung elektronischer Auktionen eröffnen sollte oder ob es sich lediglich um eine vorbereitende Begriffsbestimmung handelte, während die Frage der eigentlichen Zulässigkeit des Verfahrens dem Verordnungsgeber vorbehalten bleiben sollte,14 hat sich damit erledigt.

10Nachdem der öffentliche Auftraggeber zunächst eine vollständige erste Bewertung der Angebote durchzuführen hat (§ 120 Abs. 2 Satz 2 GWB), kann er zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots eine elektronische Auktion durchführen. Voraussetzung ist, dass der Inhalt der Vergabeunterlagen hinreichend präzise beschrieben und die Leistung mithilfe automatischer Bewertungsmethoden eingestuft werden kann (vgl. § 25 Abs. 1 VgV), da eine automatisierte Wirtschaftlichkeitsermittlung ansonsten bereits aus technischen Gründen nicht möglich ist.

D.Elektronische Kataloge (§ 120 Abs. 3 GWB)

11Die Definition elektronischer Kataloge in § 120 Abs. 3 GWB dient der Umsetzung des Art. 36 VRL sowie des Art. 54 SRL.15 Danach ist ein elektronischer Katalog ein auf Grundlage der Leistungsbeschreibung erstelltes Verzeichnis der zu beschaffenden Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in einem elektronischen Format, welches auch Abbildungen, Preisinformationen und Produktbeschreibungen umfassen darf. Durch die Öffnung elektronischer Kataloge für Abbildungen, Preisinformationen und Produktbeschreibungen wird klar, dass diese zwar freilich in digitaler Form erstellt werden müssen, aber anders als Angebote im Rahmen elektronischer Auktionen gem. § 120 Abs. 2 GWB nicht notwendigerweise eine automatisierte Bewertung zu ermöglichen haben. Bei der Formulierung von inhaltlichen Anforderungen an die Kataloggestaltung dürfte den öffentlichen Auftraggebern unter Berücksichtigung der an den jeweiligen Beschaffungsgegenstand zu stellenden Anforderungen ein Ermessensspielraum eingeräumt sein.

12Indem die gesetzliche Definition darauf hinweist, dass elektronische Kataloge insbesondere beim Abschluss von Rahmenvereinbarungen zur Anwendung kommen können, dürfte hiermit der Hauptanwendungsbereich benannt sein, denn gerade im Bereich von Rahmenvereinbarungen gem. § 21 VgV kommt es zu wiederholten Beschaffungsvorgängen hinsichtlich eines bereits vordefinierten Beschaffungsgegenstandes, so dass sich dessen Beschreibung in einem elektronischen und damit der (zumindest teil-)automatisierten Datenverarbeitung zugänglichen Katalog besonders anbietet. Allerdings folgt aus dem Gesetzeswortlaut („ins­besondere“), dass elektronische Kataloge auch außerhalb von Rahmenvereinbarungen zulässig sind und folgerichtig erlaubt § 27 Abs. 1 S. 1 VgV den öffentlichen Auftraggebern, solche für jede Form der Angebotseinreichung vorzuschreiben.

13Gemäß Art. 36 Abs. 1 UAbs. 2 VRL eröffnet der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Verwendung elektronischer Kataloge für bestimmte Formen der Auftragsvergabe verbindlich vorzuschreiben. Hiervon hat der deutsche Gesetzgeber allerdings weder in § 120 Abs. 3 GWB noch in § 27 VgV Gebrauch gemacht, so dass öffentliche Auftraggeber in keinem Vergabeverfahren verpflichtet sind, elektronische Kataloge zu verwenden. Dies stellt § 27 Abs. 1 Satz 1 VgV ausdrücklich klar, wonach die Verwendung durch den öffentlichen Auftraggeber lediglich festgelegt werden kann, nicht aber festgelegt werden muss oder gar bereits gesetzlich festgelegt wurde. Indes versteht es sich, dass öffentliche Auftraggeber an eine einmal erfolgte Festlegung im betreffenden Vergabeverfahren gebunden sind, soweit die Festlegung erfolgt ist und insofern dann elektronische Kataloge akzeptiert werden müssen (vgl. dazu § 27 Abs. 3 VgV).

14Auch elektronische Kataloge müssen den Anforderungen an elektronische Kommunikationsmittel genügen (Art. 36 Abs. 2 UAbs. 2 VRL), insofern sind die §§ 11 ff. VgV zu beachten.

E.Zentrale Beschaffungsstellen (§ 120 Abs. 4 GWB)

15§ 120 Abs. 4 S. 1 GWB definiert den Begriff der zentralen Beschaffungsstelle als einen öffentlichen Auftraggeber, der für andere öffentliche Auftraggeber dauerhaft Liefer- und Dienstleistungen beschafft, öffentliche Aufträge vergibt oder Rahmenvereinbarungen abschließt. Damit dürften in erster Linie solche öffentliche Auftraggeber gemeint sein, die „als Inhaltsschwerpunkt ihres Unternehmens“ Beschaffungsleistungen für andere öffentliche Auftraggeber erfüllen.16 Die Regelung, welche der Umsetzung des Art. 37 VRL dient, bezweckt die Verbesserung der Möglichkeiten öffentlicher Auftraggeber, Beschaffungstätigkeiten zusammenzuführen, um so Größenvorteile zu erzielen und Transaktionskosten zu verringern.17

16Die gesetzliche Regelung stellt klar, dass eine zentrale Beschaffungsstelle nur vorliegt, wenn die diesbezügliche Tätigkeit des öffentlichen Auftraggebers auf Dauer angelegt ist, also nicht lediglich im Einzelfall oder gelegentlich einen Beschaffungsbedarf eines anderen öffentlichen Auftraggebers abdeckt. Da der Wortlaut des § 120 Abs. 4 GWB den Begriff der Dauerhaftigkeit nicht auf das Tätigwerden für ein und denselben Auftraggeber bezieht, sondern auf die Dauerhaftigkeit der Beschaffungstätigkeit für andere öffentliche Auftraggeber als solche, dürfte die Einrichtung einer zentralen Beschaffungsstelle aus Sicht eines öffentlichen Auftraggebers auch dann zu bejahen sein, wenn zwar die Stelle für den betroffenen Auftraggeber nicht dauerhaft tätig wird, sie jedoch eine Vielzahl von Vergabeverfahren für andere Auftraggeber durchführt.18 Neben der Einrichtung zentraler Beschaffungsstellen bleibt es den öffentlichen Auftraggebern ­indes unbenommen, ohne festen institutionalisierten Rahmen lediglich gelegentlich gemeinsame Beschaffungen durchzuführen,19 was auch § 4 VgV ausdrücklich vorsieht.

17Gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 GWB sind zentrale Beschaffungstätigkeiten zunächst auf die Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen beschränkt, also nicht auch für die Beschaffung von Bauleistungen vorgesehen. Ergänzend hierzu regelt allerdings § 120 Abs. 4 Satz 2 GWB, dass zwar nur Liefer- und Dienstleistungen „von zentralen Beschaffungsstellen“ durch öffentliche Auftraggeber erworben werden können, aber daneben auch Bauaufträge „mittels zentraler Beschaffungsstellen“ vergeben werden dürfen. Daraus ergibt sich, dass zentrale Beschaffungsstellen auf zwei Arten tätig werden können: Sie können entweder im Wege der Auftragsvergabe im eigenen Namen Leistungen selbst erwerben und an andere öffentliche Auftraggeber weiterveräußern (und damit wie ein Warenhaus fungieren)20 oder aber im Wege der Vergabevermittlung für andere öffentliche Auftraggeber dergestalt tätig werden, dass diese die zu beschaffenden Leistungen unmittelbar erwerben. Während Liefer- und Dienstleistungen auf beiden Wegen über zentrale Beschaffungsstellen bezogen werden können, ist für Bauleistungen ausdrücklich nur die zweite Variante (Vergabevermittlung) zulässig. Unterschiede zwischen den beiden Tätigkeitsformen der zentralen Vergabestellen ergeben sich insbesondere in Bezug auf die Verantwortlichkeit für die Durchführung des Vergabeverfahrens: Während die zentrale Vergabestelle unter der ersten Variante (Eigenerwerb zur Weiterveräußerung) das Vergabeverfahren selbst und im eigenen Namen betreibt und somit auch für dessen Durchführung verantwortlich ist, liegt diese Verantwortlichkeit unter der zweiten Variante (Vergabevermittlung) bei dem eigentlich beschaffenden öffentlichen Auftraggeber, der dann im konkreten Vergabeverfahren anstelle der zentralen Beschaffungsstelle als solcher auftritt.21

18§ 120 Abs. 4 Satz 3 GWB ordnet an, dass Aufträge zur Ausübung zentraler Beschaffungstätigkeiten an eine zentrale Beschaffungsstelle ihrerseits nicht die Durchführung eines Vergabeverfahrens erfordern. Die vergaberechtliche Privilegierung solcher Aufträge ist zunächst notwendige Voraussetzung, um die mit der Einrichtung zentraler Vergabestellen beabsichtigte Steigerung der Verfahrenseffizienz zu erreichen. Von wesentlicher Bedeutung für öffentliche Auftraggeber ist dabei jedoch, dass die Privilegierung ausdrücklich nur dann eingreift, wenn der Auftragnehmer tatsächlich seinerseits zentrale Beschaffungsstelle i. S. d. § 120 Abs. 4 Satz 1 GWB ist, also eine dauerhafte Beschaffungstätigkeit für (mehrere) andere öffentliche Auftraggeber übernommen hat oder eine solche dauerhafte Übernahme zumindest beabsichtigt. § 120 Abs. 4 Satz 4 GWB stellt insofern ergänzend klar, dass die Privilegierung (insoweit die Voraussetzungen des § 120 Abs. 4 Satz 3 GWB vorliegen) auch die Beschaffung von zusammenhängenden Beratungs- und Unterstützungsleistungen (Nebenbeschaffungstätigkeiten) durch die zentrale Beschaffungsstelle umfasst. Hierunter fallen etwa Bereitstellungen von technischer Infrastruktur oder Beratungsleistungen für die Durchführung von Vergabeverfahren sowie die Vorbereitung und Verwaltung des Verfahrens selbst, wobei die Privilegierung der Nebenbeschaffungstätigkeiten nur eingreift, wenn diese mit einer anderweitigen Beschaffung verknüpft sind; eine isolierte Beschaffung solcher Leistungen wäre als Dienstleistungsauftrag ihrerseits vergabepflichtig.22

19Gemäß § 120 Abs. 4 Satz 5 GWB bleiben die Teile 1 bis 3 des GWB unberührt. Damit wird klargestellt, dass die mit § 120 Abs. 4 GWB eröffnete Möglichkeit der Einrichtung zentraler Beschaffungsstellen keine Suspendierung des Kartellrechts zugunsten der öffentlichen Hand bedeutet. Angesichts der damit einhergehenden Nachfragekonzentration sollen Transparenz und Wettbewerb sowie die Möglichkeiten des Marktzuganges für kleine und mittelständische Unternehmen aufrechterhalten bleiben.23 Vergaberechtliche Sonderregelungen insofern enthält jedoch § 185 GWB.

§ 121 GWBLeistungsbeschreibung

(1) 1In der Leistungsbeschreibung ist der Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, so dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. 2Die Leistungsbeschreibung enthält die Funktions- oder Leistungsanforderungen oder eine Beschreibung der zu lösenden Aufgabe, deren Kenntnis für die Erstellung des Angebots erforderlich ist, sowie die Umstände und Bedingungen der Leistungserbringung.

(2) Bei der Beschaffung von Leistungen, die zur Nutzung durch natürliche Personen vorgesehen sind, sind bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderung oder die Konzeption für alle Nutzer zu berücksichtigen.

(3) Die Leistungsbeschreibung ist den Vergabeunterlagen beizufügen.

Schrifttum: Quack, Enthält die VOB/A wegen Verweisung auf sie in der VergabeVO Normen des Bauvertragsrechts?, BauR 2004, 1492 ff.

Übersicht Rn.
A. Vorbemerkungen 1–3
B. Regelungsbereich der Vorschrift 4–33
I. Festlegung des Auftragsgegenstandes 4
II. Eindeutige und erschöpfende Beschreibung des Auftragsgegenstandes (§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB) 5–17
1. Eindeutige Beschreibung 7, 8
2. Erschöpfende Beschreibung 9–12
3. Beispiele aus der Rechtsprechung zur eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung 13, 14
4. Rechtsfolgen bei Verstoß 15–17
III. Ungewöhnliches Wagnis 18, 19
1. Rechtlicher Rahmen 18
2. Beispiele aus der Rechtsprechung 19
IV. Art der Beschreibung (§ 121 Abs. 1 Satz 2 GWB) 20–24
1. Funktions- oder Leistungsanforderung 21
2. Beschreibung der zu lösenden Aufgabe 22
3. Umfang der Beschreibung 23
4. Umstände und Bedingungen der Leistungserbringung 24
V. Zugänglichkeit für alle (§ 121 Abs. 2 GWB) 25–31
1. Auswirkung auf die Festlegung des Beschaffungsgegenstandes 26
2. Umfang der Anforderungen 27–29
3. Ausnahme in ordnungsgemäß begründeten Fällen 30
4. Bieterschutz 31
VI. Leistungsbeschreibung als Teil der Vergabeunterlagen (§ 121 Abs. 3 GWB) 32, 33
C. Rechtsschutz 34–37

A.Vorbemerkungen

1Mit der Umsetzung der neuen Vergaberichtlinien hat der Gesetzgeber erstmals materielle Regelungen im Hinblick auf die Durchführung des Vergabeverfahrens in das GWB aufgenommen. § 121 GWB greift allerdings nur einzelne – wenn auch wichtige – Aspekte der Leistungsbeschreibung heraus. Die wesentlichen Anforderungen an die Leistungsbeschreibung werden in den §§ 31 bis 34 VgV, 7 bis 7c EU VOB/A bzw. 7 bis 7c VS VOB/A geregelt.

2Da die Regelungen in der VgV bzw. VOB/A einen wesentlich höheren Detaillierungsgrad aufweisen, erfolgt die Kommentierung im Übrigen an diesen Stellen.

3Die Beschreibung der Leistung stellt für die Bieter die Grundlage für die Erstellung ihres Angebots dar. Gleichzeitig legt die Leistungsbeschreibung den vertraglich geschuldeten Leistungsumfang fest, der mit der vereinbarten Vergütung abgegolten ist. Die Leistungsbeschreibung ist daher einerseits von herausragender Bedeutung für das Vergabeverfahren, denn eine Vergleichbarkeit der Angebote ist nur gewährleistet, wenn alle Bieter die gleiche Leistung kalkuliert haben. Andererseits wirkt sich die Leistungsbeschreibung auch auf die spätere Vertragsdurchführung aus. Stellt sich nachträglich heraus, dass Leistungen nicht oder in einer anderen Qualität als erforderlich ausgeschrieben wurden, müssen nachträglich Änderungen im Vertragsverhältnis vorgenommen werden, die Mehraufwendungen beim Auftragnehmer und Mehrkosten beim Auftraggeber nach sich ziehen. Die Leistungsbeschreibung wird daher zutreffend als Herzstück der Verdingungsunterlagen bezeichnet.1

B.Regelungsbereich der Vorschrift

I.Festlegung des Auftragsgegenstandes

4Der Auftraggeber ist bei der Bestimmung des Auftragsgegenstandes grundsätzlich frei. Die vergaberechtlichen Regelungen betreffen nur die Frage, wie die vom Auftraggeber festgelegte Leistung zu beschaffen ist. Allerdings besteht die Bestimmungsfreiheit nicht grenzenlos. Die Bestimmung der Leistung muss durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt sein. Hierzu hat der Auftraggeber nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe anzugeben, die auch tatsächlich vorliegen müssen. Gleichzeitig darf die Bestimmung nicht willkürlich sein oder einen Wirtschaftsteilnehmer diskriminieren.2 Eine Diskriminierung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn im Vordergrund steht, einem oder mehreren Bietern die Teilnahme zu erschweren. Die Beschaffungsfreiheit findet eine weitere Schranke in der Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung.3

II.Eindeutige und erschöpfende Beschreibung des Auftragsgegenstandes (§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB)

5Der Auftragsgegenstand ist so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben. Wann eine eindeutige und erschöpfende Beschreibung vorliegt, kann nur an den damit verfolgten Zwecken gemessen werden: Für alle Unternehmen soll die Beschreibung im gleichen Sinne verständlich sein und die Angebote sollen miteinander vergleichbar sein.

6Die Bestimmung stellt damit auf den Empfängerhorizont der Unternehmen ab. Es kommt nicht darauf an, wie der Auftraggeber seine Beschreibung verstanden haben will, sondern wie die Unternehmen sie verstehen. Dem Wortlaut der Ausschreibung kommt dabei vergleichsweise große Bedeutung zu, weil der Empfängerkreis nur abstrakt bestimmbar ist.4 Maßgeblich ist hier auch nicht das Verständnis jedes einzelnen Unternehmens5, sondern es muss auf einen objektiven, fachkundigen Empfänger abgestellt werden.6 Der Horizont der Unternehmen und deren Verständnismöglichkeit sind ausschlaggebend, auch wenn der Erklärende selbst die Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte.7 Es geht dabei um eine beiderseits interessengerechte Auslegung.8 Einen Grundsatz der bieterfreundlichen Auslegung gibt es nicht.9

1.Eindeutige Beschreibung

7Der Begriff „eindeutig“ bildet den Gegensatz zu „mehrdeutig“. Bei einer Deutung bzw. Auslegung der Leistungsbeschreibung soll für das Unternehmen klar erkennbar sein, was der Auftraggeber meint. Vorsicht ist insbesondere geboten, wenn verwendete Begriffe in der Umgangssprache und der Fachsprache unterschiedliche Bedeutung haben. So versteht man in der Umgangssprache unter Schotter kleine, von Flüssen abgelagerte Steine, wohingegen in der Fachsprache mit Schotter gebrochene Mineralstoffe bezeichnet werden. Ziel muss also sein, Missverständnisse und Unklarheiten auszuschließen.

8Nach dem VHB ist eine Beschreibung eindeutig, wenn sie Art und Umfang der geforderten Leistungen mit allen dafür maßgebenden Bedingungen, z. B. hinsichtlich Qualität, Beanspruchungsgrad, technischer und bauphysikalischer Bedingungen, zu erwartender Erschwernisse, besonderer Bedingungen der Ausführung und etwa notwendiger Regelungen zur Ermittlung des Leistungsumfangs, zweifelsfrei erkennen lässt und keine Widersprüche in sich, zu den Plänen oder zu anderen technischen Vorgaben und vertragsrechtlichen Regelungen enthält.10

2.Erschöpfende Beschreibung

9Die Forderung nach einer erschöpfenden Leistungsbeschreibung zielt auf den inhaltlichen Umfang der Angaben. Eine detaillierte Beschreibung der Leistungen und der Rahmenbedingungen versetzt die Unternehmen erst in die Lage, ihr Angebot ordnungsgemäß und mit angemessenen Risikozuschlägen zu kalkulieren, was eine Vergleichbarkeit der Angebote überhaupt erst ermöglicht. Erschöpfend bedeutet, dass keine Restbereiche verbleiben, die vom Auftraggeber nicht klar umrissen sind.11

10Nach dem VHB ist eine Leistungsbeschreibung vollständig, wenn Art und Zweck des Bauwerks bzw. der Leistung, Art und Umfang aller zur Herstellung des Werks erforderlichen Teilleistungen und alle hierfür spezifischen Bedingungen und Anforderungen dargestellt sind.12 Die Unternehmen müssen durch die Leistungsbeschreibung in die Lage versetzt werden, sich eine ausreichende Vorstellung davon zu bilden, welche Leistung sie bei einer Beauftragung zu erbringen haben. Regelmäßig sind den Unternehmen deshalb über die reine Beschreibung der Leistung hinaus die Nutzungspläne und -absichten mitzuteilen. Nur so können sie entscheiden, ob die von ihnen angebotene Leistung für die vom Vertrag vorausgesetzte Verwendung geeignet ist.

11Maßgeblich für die Frage, ob eine eindeutige und erschöpfende Beschreibung des Leistungsgegenstands vorliegt, ist die Sicht eines objektiven Empfängers. Dabei gibt es keinen grundsätzlichen Vorrang des Leistungsverzeichnisses vor den Vorbemerkungen. Die Verdingungsunterlagen sind als sinnvolles Ganzes auszulegen.13 Sind Formulierungen der Ausschreibung sprachlich nicht aufeinander abgestimmt, ist einer Auslegung den Vorzug zu geben, welche die geforderte Eindeutigkeit nicht in Frage stellt.14 Der öffentliche Auftraggeber muss daher stets und unvoreingenommen prüfen, ob ein Dritter auf Grundlage der Verdingungsunterlagen Art und Umfang der Leistung sowie die damit zusammenhängenden Wagnisse erkennen kann.

12Gleichzeitig obliegt es jedoch auch dem Bieter, den Auftraggeber auf Unklarheiten, Lücken und sonstige Fehler hinzuweisen.15 Unterlässt er einen solchen Hinweis, kann es ihm später verwehrt sein, sich auf Defizite der Verdingungsunterlagen zu berufen.16 Die Forderung des Auftraggebers nach einer Erklärung des Bieters, dass die Verdingungsunterlagen ausreichend waren, um sämtliche zur Preisbildung erforderlichen Umstände zu erfassen, ist zu weitgehend und stellt eine unzulässige Risikoübertragung dar.17

3.Beispiele aus der Rechtsprechung zur eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung

13Verstöße gegen den Grundsatz einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung wurden in folgenden Fällen angenommen:

14Der Auftraggeber nimmt Änderungen an den Verdingungsunterlagen vor, teilt sie jedoch nicht18 oder nicht gleichzeitig19 allen Bietern mit. Die Leistungs­beschreibung widerspricht den dazugehörigen Plänen.20 Die Leistungsbeschreibung widerspricht dem beigefügten Vertrag.21 Die GEAB-Datei weicht vom Leistungs­verzeichnis im PDF-Format ab.22 Es kommen unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten in Betracht, die den Bieter im Unklaren lassen, welche Leistung von ihm in welcher Form und unter welchen Bedingungen angeboten wird.23 Es wird ein Produkt namentlich genannt, das jedoch nicht über die gleichzeitig geforderten Eigenschaften verfügt.24 Der Bieter muss den in den Vergabeunterlagen mit zwölf Werktagen nach Zuschlag angegebenen Ausführungsbeginn im Hinblick auf seine Kalkulation so verstehen, dass er spätestens zwölf Werktage nach dem vorgesehenen Zuschlagstermin mit den Arbeiten beginnen kann.25 Der Auftraggeber schreibt die Erstellung eines in die Straße einzubetonierenden Bahngleises aus, gibt jedoch nicht den maßgeblichen statischen Lastfall Bahnverkehr für die Bemessung der Unterbetontragplatte an.26 Bei der Ausschreibung von Aus- und Ummauerungsarbeiten gibt der Auftraggeber nicht an, dass die Stahlskelettkonstruktion neben senkrechten Stützen auch waagerechte und diagonale Aussteifungsverbände enthält, die den Aufwand für die Leistung erhöhen.27 Der Auftraggeber gibt ein detailliertes konstruktives Leistungsverzeichnis vor, fordert die Bieter aber gleichzeitig auf, abweichende Materialstärken und Funktionalitäten anzugeben.28 Eine vertretbare Auslegung der Vergabeunterlagen anhand des objektiven Empfängerhorizonts darf nicht zu einem Ausschluss des Angebots führen.29 Kann der Bieter selbst über Inhalt und Umfang der Geräteliste sowie der erforderlichen Wartungsarbeiten entscheiden, sind die Angebote nicht mehr vergleichbar.30 Bei einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis sind die Ausführungsplanung beizufügen und die Vordersätze vom Auftraggeber zu berechnen und nicht nur zu schätzen.31 Erstreckt der Auftraggeber die Leistungspflicht auf „erforderliche Leistungen“, wird der Leistungsumfang in unbestimmten Umfang erweitert, was nicht einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung entspricht.32 Die falsche Verwendung der Begriffe Grund- und Wahlposition stellt ebenfalls einen Verstoß dar.33

4.Rechtsfolgen bei Verstoß

15Verstößt der Auftraggeber gegen seine Verpflichtung zur eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der Leistung, hängen die möglichen Folgen vom Stand des Verfahrens ab.

16Während des Vergabeverfahrens wird der Bewerber durch eine unzureichende Beschreibung des Leistungsgegenstands in seinen Rechten gem. § 97 Abs. 6 GWB verletzt.34 Diesen Rechtsverstoß muss er rügen und kann ihn im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens geltend machen.

17Nach dem Zuschlag kann dem Auftragnehmer bei einer unzureichenden Beschreibung der Leistung ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (Verschulden bei Vertragsverhandlungen) zustehen. Häufig wird an dieser Stelle auch undifferenziert ein Anspruch nach § 2 Abs. 5, 6 oder 8 VOB/B behauptet.35 Voraussetzung hierfür wäre jedoch eine Änderung des Bauentwurfs oder eine Abweichung von der vertraglich vorgesehenen Leistung. In einem ersten Schritt ist daher zu untersuchen, welche Leistungen der Auftragnehmer schuldet. Hierzu sind der geschlossene Vertrag und die Leistungsbeschreibung auszulegen. Unabhängig davon, von welcher Leistung der Auftragnehmer bei der Bearbeitung ausgegangen ist, muss für die Auslegung des Vertragsinhalts nach §§ 133, 157 BGB der objektive Empfängerhorizont berücksichtigt werden.36 Weicht die objektiv festgestellte Leistungspflicht von der durch den Auftraggeber tatsächlich geforderten Leistung ab, kommt eine Leistungsänderung mit der Rechtsfolge einer Vergütungspflicht nach § 2 Abs. 5 VOB/B in Betracht. Stellt sich bei der Auslegung jedoch heraus, dass der Auftraggeber die objektiv vereinbarte Leistung fordert, liegt keine vergütungspflichtige Leistungsänderung oder zusätzliche Leistung vor. Allerdings könnte der Auftragnehmer in diesem Fall geltend machen, dass die Leistung unzureichend und/oder fehlerhaft beschrieben war. Liegt insoweit eine vorvertragliche Pflichtverletzung des Auftraggebers vor, kann der Auftragnehmer ggf. den ihm im Vertrauen auf die – fehlerhafte – Beschreibung entstandenen Schaden ersetzt verlangen.37

III.Ungewöhnliches Wagnis

1.Rechtlicher Rahmen

18Die Regelungen im GWB und der VgV verbieten es dem Auftraggeber im Gegensatz zur VOB/A nicht, dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden, auf das er keinen Einfluss hat und dessen Einwirkung auf die Preise und Fristen er im Voraus nicht schätzen kann. Nachdem das Verbot eines ungewöhnlichen Wagnisses im Anwendungsbereich der VOL/A bei der letzten Reform entfallen ist, sind anfänglich Teile der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass es dem Auftraggeber auch ohne ausdrückliche Erwähnung untersagt ist, dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden.38 Zur Begründung wurde auf das Diskriminierungsverbot und den Wettbewerbsgrundsatz verwiesen. Die Auferlegung eines ungewöhnlichen Wagnisses beeinträchtigt die Chancengleichheit und begünstigt dadurch leistungsstarke Unternehmen.39 ­Daneben wurde angeführt, dass der Grundsatz einer eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung das Aufbürden eines ungewöhnlichen Wagnisses denknotwendig ausschließe.40 Dieser Auffassung ist das OLG Düsseldorf in mehreren Entscheidungen entgegengetreten.41 Dem hat sich die übrige Rechtsprechung, wenn auch nicht immer ausdrücklich, angeschlossen.42 Die vom Auftragnehmer zu erbringende Leistung kann klar und erschöpfend beschrieben werden und gleichzeitig können ihm ungewöhnliche Risiken auferlegt werden, solange ihm die Risiken nur eindeutig benannt sind.43 Die Vorgaben können nur im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer für Bieter oder Auftragnehmer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation beanstandet werden.44

2.Beispiele aus der Rechtsprechung

19Die VK Münster geht davon aus, dass die Leistungsbeschreibung unzumutbar i. S. d. § 121 Abs. 1 GWB sein kann, wenn die Leistungsbeschreibung den Bietern branchen- und vertragstypische Risiken auferlegt, die üblicherweise aus der Sphäre des öffentlichen Auftraggebers stammen. Diese Frage ist im Einzelnen anhand der tatsächlichen Gegebenheiten zu prüfen. Die Grenze der Zumutbarkeit ist jedenfalls dann erreicht, wenn die Vergabeunterlagen unerfüllbare Anforderungen enthalten.45 Der Auftraggeber ist allerdings nicht verpflichtet, bestehende Mengenrisiken zu übernehmen oder Kostensteigerungen durch eine Anpassungs- oder Preisgleitklausel zu berücksichtigen.46 Eine unzumutbare Risikoverlagerung liegt vor, wenn der Auftraggeber von den Bietern verlangt, eine Liefermenge vorzuhalten, die den maximalen Jahresverbrauch der letzten Jahre überschreitet, ohne dass der Auftraggeber eine Abnahmeverpflichtung eingeht.47 Eine vollständig transparent ausgestaltete Erlösanpassungsformel, die von der künftigen Entwicklung eines Preisindex abhängt, die gleichermaßen weder von der Vergabestelle noch vom Bieter prognostiziert werden kann, bei der ein fachkundiger Bieter jedoch die Auswirkungen der Bewegungen dieses Index auf seine Erlössituation berechnen kann, führt grundsätzlich nicht dazu, dass der Bieter unzumutbare Kalkulationsrisiken zu tragen hätte.48 Aus Schwankungsbreiten für Mengen von +/– 25 % ergibt sich kein unzumutbares Risiko für die Kalkulation.49 Abweichend von der AGB-rechtlichen Betrachtung sind vergaberechtlich alle Regelungen eines öffentlichen Auftrags hinzunehmen, wenn Sie dem Bieter noch eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation seines Angebotspreises ermöglichen. Eine vergaberechtlich unzumutbare Risikoübertragung ist nicht gegeben, wenn der Bieter selbst Einfluss auf die Verwendung der Leistung hat und so das damit verbundene Risiko in gewissem Umfang im Voraus schätzen kann.50

IV.Art der Beschreibung (§ 121 Abs. 1 Satz 2 GWB)

20Nach § 121 Abs. 1 Satz 2 GWB enthält die Leistungsbeschreibung die Funktions- oder Leistungsanforderungen oder eine Beschreibung der zu lösenden Aufgabe, deren Kenntnis für die Erstellung des Angebotes erforderlich ist, sowie die Umstände und die Bedingungen der Leistungserbringung. Dieser Satz fasst in einer Generalklausel den Umfang der Beschreibungspflicht zusammen, welche durch die Regelungen der VgV und VOB/A weiter konkretisiert wird.

1.Funktions- oder Leistungsanforderung

21Mit dem Begriff „Funktions- oder Leistungsanforderungen“ verwendet der Gesetzgeber an dieser Stelle einen technischen Begriff, der sich ebenfalls in § 31 Abs. 2 Nr. 1 VgV und § 7a EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A findet. Allerdings ist dieser Begriff im GWB abweichend von den Regelungen in der VgV und der VOB/A zu verstehen. In der VgV und der VOB/A werden die Leistungs- und Funktionsanforderungen als eines von mehreren Mitteln zur Beschreibung der Leistung genannt. Der Auftraggeber kann Leistungs- und Funktionsanforderungen nennen, welche die angebotene Leistung zu erfüllen hat. Alternativ kann er die Anforderungen an die auszuführenden Leistungen unter Bezugnahme auf den Anhang TS mittels der Nennung von Normen, europäischen technischen Zulassungen oder gemeinsamen technischen Spezifikationen festlegen. Der Auftraggeber hat also die Wahl zwischen den beiden Methoden zur Beschreibung der Leistung und kann diese auch miteinander kombinieren. Die in der VgV und VOB/A aufgeführten Arten die Leistung zu beschreiben, die im Übrigen auch mit den Vergaberichtlinien übereinstimmen, werden durch die Formulierung in § 121 Abs. 1 Satz 2 GWB nicht eingeschränkt. Die Formulierung „Funktions- oder Leistungsanforderungen“ stellt bei § 121 GWB einen Oberbegriff dar, dem die in der VgV und der VOB/A genannten Arten der Beschreibung unterfallen.

2.Beschreibung der zu lösenden Aufgabe

22Die Beschreibung der zu lösenden Aufgabe zielt vornehmlich auf geistig-schöpferische Leistungen, wie etwa Planungsleistungen, bei welchen die Leistung bzw. die Lösung vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann. Hier beschränkt sich die Beschreibung auf die zu lösende Aufgabe. Die Einzelheiten werden in der VgV kommentiert.51

3.Umfang der Beschreibung

23Des Weiteren stellt § 121 Abs. 1 Satz 2 GWB Anforderungen im Hinblick auf die Beschreibungstiefe. Der Auftraggeber hat danach die Funktions- oder Leistungsanforderungen oder eine Beschreibung der zu lösenden Aufgabe anzugeben, deren Kenntnis für die Erstellung des Angebotes erforderlich ist. Hieraus ergibt sich für den Auftraggeber sowohl eine Ermittlungsverpflichtung als auch eine Mitteilungspflicht. Sofern Funktions- oder Leistungsanforderungen noch nicht bekannt sind, welche jedoch für die Erstellung des Angebotes erforderlich sind, hat er diese zu ermitteln und anzugeben. Insofern wird auf die Kommentierung zu § 7 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A verwiesen.52

4.Umstände und Bedingungen der Leistungserbringung

24Der Auftraggeber hat die Umstände und Bedingungen der Leistungserbringung anzugeben. Hierzu zählen beispielsweise der zeitliche Rahmen der Leistungserbringung, Abhängigkeiten der Leistungserbringung von Vorleistungen des Auftraggebers oder Dritten, Erforderlichkeit von Koordinierung mit anderen Unternehmen und die Zugänglichkeit zum Leistungsort, Zugangsbeschränkungen (bspw. Sicherheitsüberprüfung), Projektbesprechungen, Berichtswesen, Leistungsaufzeichnungen, Bemusterungen, Probebetrieb und Abnahmeprozedere. Weitere Hinweise zu Umständen und Bedingungen der Leistungserbringung finden sich in der DIN 18299 unter Ziffer 0.2.

V.Zugänglichkeit für alle (§ 121 Abs. 2 GWB)

25Im Einklang mit den Vergaberichtlinien wurde in § 121 Abs. 2 GWB aufgenommen, dass bei der Beschaffung von Leistungen, die zur Nutzung durch natürliche Person vorgesehen sind, bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung, außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen, die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderung oder die Konzeption für alle Nutzer zu berücksichtigen sind. Als weitere Begriffe werden – nicht zwingend deckungsgleich – „Barrierefreiheit“, „Design für alle“ oder „universelles Design“ verwendet. Ziel der Regelung ist, dass die von öffentlichen Auftraggebern beschafften Leistungen, sofern sie zur Nutzung durch natürliche Personen vorgesehen sind, für alle Personen im gleichen Maße zugänglich sind.

1.Auswirkung auf die Festlegung des Beschaffungsgegenstandes

26Diese Regelung betrifft die Festlegung des Beschaffungsgegenstandes. Die Festlegung des Beschaffungsgegenstandes wird allerdings nach dem bisherigen Verständnis der Rechtsprechung vom Vergaberecht nur in Ausnahmefällen erfasst.53 Der Auftraggeber ist vom Grunde her frei, welche Leistung er für erforderlich hält und beschaffen will. Die vergaberechtlichen Regelungen sollen erst eingreifen, wenn der Auftraggeber auf den Markt tritt und die konkret von ihm festgelegte Leistung beschafft. Insofern wird das „was“ und das „ob“ als außerhalb des Vergaberechts stehend angesehen und nur das „wie“ der Beschaffung unterfällt dem Regelungsbereich. Diese klare Trennung wird durch die Formulierung des § 121 Abs. 2 GWB durchbrochen. Sie stellt konkrete Anforderungen an die Leistung selbst und damit an die Frage, was durch den öffentlichen Auftraggeber beschafft wird. Diese Regelung hat der Auftraggeber bei der Festlegung des Beschaffungsgegenstands zu beachten.

2.Umfang der Anforderungen

27Der Grundsatz ist, dass die Leistung für alle zugänglich sein muss. Bei Software bedeutet das Barrierefreiheit bei der Programmierung, bei Bauleistungen ein uneingeschränkter Zugang für alle Menschen mit körperlicher Behinderung und auch Lieferleistungen müssen so festgelegt werden, dass sie von allen Personen unabhängig von einer Behinderung nutzbar sind. In Einzelfällen wird eine solche uneingeschränkte Nutzbarkeit allerdings nicht erforderlich sein. Eine solche Einschränkung kann sich daraus ergeben, dass die zu beschaffende Leistung für einen bestimmten Personenkreis gedacht ist, der über keine oder nur geringfügige Einschränkungen verfügt. So werden beispielsweise die Nutzer von Feuerwehrfahrzeugen nur in geringem Umfang an körperlichen Behinderungen leiden. Insofern müssen nicht alle erdenklichen Arten von Einschränkungen berücksichtigt werden, sondern nur diejenigen, welche bei den möglichen Nutzern vorkommen können. Hierbei darf allerdings nicht übersehen werden, dass sich der eingeschränkte Nutzerkreis häufig aufgrund einer eingeschränkten Nutzbarkeit der bisherigen Leistung ergeben hat. Bei der Beurteilung ist daher aufgrund von objektiven Kriterien und unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Bestrebens, Zugang für alle zu ermöglichen, der Nutzerkreis festzulegen und im Anschluss zu prüfen, welche Anforderungen sich hieraus an die Leistung stellen.

28Daneben können sich Einschränkungen allerdings auch aus der Leistung selbst ergeben. Die Barrierefreiheit kann sich gegebenenfalls nachteilig auf die Leistung auswirken. So ist es zwar grundsätzlich vorstellbar, dass der Auftraggeber bei der Beschaffung von Fahrzeugen vorsieht, dass diese auch mit unterschiedlichen körperlichen Behinderung gefahren werden können, dies führt jedoch im Ergebnis dazu, dass die Fahrsicherheit für den überwiegenden Teil der Nutzer eingeschränkt wird. Gegebenenfalls muss der Auftraggeber in diesen Fällen nur einen Teil der zu beschaffenden Leistungen im Hinblick auf die Zugänglichkeit für alle beschaffen.

29§ 121 Abs. 2 GWB gibt dem Auftraggeber allerdings auf, sich in jeden Einzelfall damit auseinanderzusetzen, wer die Leistungen nutzen wird und wie er die Nutzbarkeit für alle sicherstellt.

3.Ausnahme in ordnungsgemäß begründeten Fällen

30Liegen die Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 GWB vor und muss der Auftraggeber Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderung oder die Konzeption für alle Nutzer berücksichtigen, kann er dennoch hiervon in ordnungsgemäß begründeten Fällen abweichen. Weder die Gesetzesbegründung noch die Beweggründe der Richtlinie enthalten einen Hinweis darauf, wann ein ordnungsgemäß begründeter Fall vorliegt. In Betracht werden hier technische, künstlerische und wirtschaftliche Gründe kommen. Der Auftraggeber hat dabei eine Abwägung vorzunehmen, wobei aufgrund der klaren Vorgabe des § 121 Abs. 2 GWB der Barrierefreiheit ein besonderes Gewicht zukommt. Vorstellbar ist beispielsweise das bei der Sanierung denkmalgeschützter Gebäude oder Areale zur Erhaltung des optischen Gesamtbildes auf an sich notwendige Maßnahmen zur Barrierefreiheit verzichtet wird. Die Musterbauordnung lässt Abweichungen von der grundsätzlichen Pflicht zum barrierefreien Bauen zu, wenn die Anforderungen wegen des Einbaus eines sonst nicht erforderlichen Aufzugs, wegen ungünstiger vorhandener Bebauung oder im Hinblick auf die Sicherheit der Menschen mit Behinderung nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können.54

4.Bieterschutz

31Eine andere Frage in diesem Zusammenhang ist allerdings, ob sich Bieter auf eine Verletzung dieser Regelung berufen können. Das ist im Ergebnis abzulehnen. Die Regelung des § 121 Abs. 2 GWB richtet sich ausschließlich an die Auftraggeber. Ähnlich wie bei einer unvernünftigen Beschaffungsentscheidung des Auftraggebers können sich die Bieter nicht darauf berufen, dass eine andere Leistung besser geeignet wäre. Durch eine gegen § 121 Abs. 2 GWB verstoßende Festlegung werden die Bieter in ihren Rechten auf ein den Vergabegrundsätzen entsprechendes Vergabeverfahren nicht verletzt.

VI.Leistungsbeschreibung als Teil der Vergabeunterlagen (§ 121 Abs. 3 GWB)

32Nach § 121 Abs. 3 GWB ist die Leistungsbeschreibung den Vergabeunterlagen beizufügen. Was genau unter Vergabeunterlagen zu verstehen ist, wird im GWB nicht definiert. Allerdings wird im GWB vorausgesetzt, dass es sich um diejenigen Unterlagen handelt, welche dem Bieter für die Bearbeitung seines Angebots zur Verfügung gestellt werden. Zum Inhalt der Vergabeunterlagen finden sich weitere Angaben in § 29 VgV und § 8 EU VOB/A.

33Die zwingende Verpflichtung, die Leistungsbeschreibung den Vergabeunterlagen beizufügen, hat zur Konsequenz, dass der Auftraggeber auch im nicht offenen Verfahren und beim Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb die Leistungsbeschreibung bereits bei Bekanntmachung vollumfänglich zur Verfügung stellen muss. Die bei § 28 VgV enthaltene Formulierung, dass den Vergabeunterlagen die Leistungsbeschreibung nur in der Regel beizufügen ist, kann vor dem Hintergrund des § 121 Abs. 3 GWB nicht so verstanden werden, dass die Leistungsbeschreibung im Falle eines Teilnahmewettbewerbs erst mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe zur Verfügung gestellt werden muss.

C.Rechtsschutz

34Die Regelung in § 121 Abs. 1 GWB ist bieterschützend. Beschreibt der Auftraggeber die Leistung nicht in dem Maße wie § 121 Abs. 1 GWB und die entsprechenden Konkretisierungen in der VgV bzw. der VOB/A es fordern, kann sich der Bieter im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens hierauf berufen.

35Verletzt der Auftraggeber seine Verpflichtung zur eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der Leistung, können darüber hinaus Schadensersatzansprüche des Auftragnehmers bestehen.55

36Die Regelung des § 121 Abs. 2 GWB ist hingegen nicht bieterschützend. Sie richtet sich ausschließlich an den Auftraggeber und stellt Anforderungen hinsichtlich der Festlegung des Auftragsgegenstandes.56 Ein Rechtsschutz ist nur insoweit möglich, als der Auftraggeber den ihm zugestandenen Rahmen für die Festlegung des Beschaffungsgegenstandes überschreitet.57

37Die Regelung des § 121 Abs. 3 GWB ist bieterschützend. Ein eigenständiger Anwendungsbereich wird sich allerdings regelmäßig nicht ergeben, da der Auftraggeber in diesem Fall bereits die Anforderungen des § 121 Abs. 1 GWB oder die Regelungen zur Bekanntmachung der Vergabeunterlagen nach § 41 VgV bzw. § 12a EU VOB/A verletzt.

§ 122 GWBEignung

(1) Öffentliche Aufträge werden an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 ausgeschlossen worden sind.

(2) 1Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt. 2Die Eignungskriterien dürfen ausschließlich Folgendes betreffen:

1. Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung,

2. wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit,

3. technische und berufliche Leistungsfähigkeit.

(3) Der Nachweis der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 kann ganz oder teilweise durch die Teilnahme an Präqualifizierungssystemen erbracht werden.

(4) 1Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. 2Sie sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen.

Schrifttum: Braun/Petersen, Präqualifikation und Prüfungssysteme, VergabeR 2010, 433 ff.; Burgi, Ausschluss und Vergabesperre als Rechtsfolge von Unzuverlässigkeit, NZBau 2014, 595 ff.; Byok, Die Entwicklung des Vergaberechts seit 2009, NJW 2010, 817 ff.; Byok, Die Entwicklung des Vergaberechts seit 2015, NJW 2016, 1494 ff.; Byok, Der novellierte Rechtsrahmen für Auftragsvergaben im Bereich der PPP, KommJur 2009, 281 ff.; Dreher/Hoffmann, Der Marktzutritt von Newcomern als Herausforderung für das Kartellvergaberecht, NZBau 2008, 545 ff.; Eiermann, Primärrechtsschutz gegen öffentliche Auftraggeber bei europaweiten Ausschreibungen durch Vergabenachprüfungsverfahren – Teil 2, NZBau 2016, 76 ff.; Einmahl, Neue Vorgaben für die Eignungspflicht in der VOB/A 2009, KommJur 2011, 121 ff.; Figgen, Die Eignungsprüfung – Fallstricke in der Praxis und aktuelle Rechtsprechung, VergabeR 2009, 320 ff.; Freise, Berücksichtigung von Eignungsmerkmalen bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes?, NZBau 2009, 225 ff.; Gröning, Referenzen und andere Eignungsnachweise, VergabeR 2008, 721 ff.; Hölzl/Friton, Entweder – Oder: Eignungs- sind keine Zuschlagskriterien, NZBau 2008, 307 ff.; Knauff, Strukturfragen des neuen vergaberechts, NZBau 2016, 195 ff.; Kossens, Präqualifizierung in der Bauwirtschaft – Haftungsbefreiung für Generalunternehmer, NZBau 2009, 419 ff.; Portz, Das neue Vergaberecht – Eine Bewertung aus kommunaler Sicht, BWGZ 2016, 75 ff.; Poster/Naujok, Vergaberechtsreform 2009/2010, NVwZ 2011, 786 ff.; Reichling/Scheumann, Durchführung von Vergabeverfahren (Teil 3): Zuschlagskriterien und Ausführungsbedingungen, GewArch 2016, 332 ff.; Stapelfeldt, Aktuelle Entwicklungen im Vergaberecht – die Neufassung von VOB/A und VOL/A, KommJur 2010, 241 ff.; Summa, Die Entscheidung über die Auftragsvergabe – Ein Ausblick auf das künftige Unionsrecht, NZBau 2012, 729 ff.; Tugendreich, Der Anwendungsbereich von Präqualifikationsverfahren im deutschen Vergaberecht, NZBau 2011, 467 ff.; Wirner, Die Eignung von Bewerbern und Bietern bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge, ZfBR 2003, 545 ff.

Übersicht Rn.
A. Vorbemerkungen 1–5
I. Regelungsgegenstand 1
II. Schutzzweck 2–4
III. Anwendungsbereich 5
B. Eignungsprüfung 6–11
I. Begriff der Eignung 6
II. Eignungsgrundsatz (Abs. 1) 7, 8
III. Die Eignungsprüfung im Vergabeverfahren 9
IV. Zeitpunkt 10, 11
C. Eignungskriterien (Abs. 2 und Abs. 4) 12–32
I. Eignungsfeststellung 13
II. Kriterien zur Feststellung der Eignung 14–29
1. Eignungskriterien nach § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1–3 GWB 15–25
a) Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung (Abs. 2 Satz 2 Nr. 1) 17–21
b) Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit 22, 23
c) Technische und berufliche Leistungsfähigkeit 24, 25
2. Abgrenzung der Eignungskriterien von Zuschlagskriterien 26
3. Verhältnismäßigkeit (Abs. 4 Satz 1) 27–29
a) Eignung 28
b) Angemessenheit 29
III. Beurteilungs- und Ermessensspielraum 30
IV. Bekanntmachung (Abs. 4 Satz 2) 31, 32
D. Präqualifikation (Abs. 3) 33–36

A.Vorbemerkungen

I.Regelungsgegenstand

1§ 122 GWB leitet die Vorschriften des GWB zur Eignungsprüfung ein. Er schreibt in Abs. 1 den Grundsatz fest, der im Hinblick auf Unternehmen zu beachten ist, an die Aufträge vergeben werden. Während § 97 Abs. 4 GWB a. F. noch verlangte, dass Aufträge nur an „fachkundige, leistungsfähige sowie gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen“ vergeben werden, wurde dieser Dreiklang mit dem VergRModG 2016 aufgegeben und die Systematik des EU-Rechts übernommen. Art. 57 und 58 VRL unterscheiden zwischen den Ausschlussgründen, die nach der bisherigen deutschen Terminologie dem Eignungskriterium der Zuverlässigkeit und Gesetzestreue zuzurechnen waren, und der Eignung, bei der es auf Fachkunde und Leistungsfähigkeit ankommt.1 § 122 Abs. 2 GWB umschreibt die Eignungskriterien, wie sie in Art. 58 Abs. 1 VRL angelegt sind. Die Ausschlussgründe sind in §§ 123 und 124 GWB geregelt.2 § 122 Abs. 3 GWB übernimmt den Grundsatz des § 97 Abs. 4a GWB a. F. zu den Präqualifizierungssystemen und in seinem abschließenden Abs. 4 regelt § 122 GWB grundlegende materielle und formelle Anforderungen an die Festlegung und Veröffentlichung von Eignungskriterien.

II.Schutzzweck

2Schutzzweck der Regelungen zu den Eignungsanforderungen für Unternehmen, die sich am Wettbewerb beteiligen, ist zunächst die Sicherstellung der Qualität der Leistungserbringung. Nur Unternehmen, die im Hinblick auf Leistungsfähigkeit und Fachkunde sowie im Hinblick auf die Einhaltung der in den Ausschlussgründen geregelten Anforderungen geeignet sind, sollen am Wettbewerb teilnehmen und damit die Chance erhalten, die nachgefragte Leistung zu erbringen. Ungeeignete Unternehmen lassen eine schlechtere Leistungserbringung erwarten.

Vergaberecht

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