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B.Regelungsbereich der Vorschrift
Оглавление2§ 112 GWB bestimmt, welche Vorschriften auf ein und dieselbe Beschaffung eines Auftraggebers anwendbar ist, wenn die Beschaffung für die Ausübung verschiedener Tätigkeiten des öffentlichen Auftraggebers bestimmt ist, die in den Anwendungsbereich unterschiedlicher Vergaberechtsregime verschiedener Richtlinien fallen. Das ist der Fall, wenn die Auftrags- oder Konzessionsvergabe zwar teilweise zum Zwecke einer Sektorentätigkeit i. S. d. § 102 GWB erfolgt, diese darüber hinaus aber auch für die Ausübung einer anderen Tätigkeit bestimmt ist.
3Nach Art. 1 Abs. 2 SRL bezeichnet die Auftragsvergabe im Sinne der Sektorenrichtlinie den Erwerb von Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen durch einen oder mehrere Auftraggeber bereits dann, sofern die betreffenden Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen für einen der in Art. 8 bis 14 genannten Zweck (z. B. Gas und Wärme, Elektrizität, Wasser) bestimmt ist. Gleiches gilt für Art. 7 Abs. 1 KVR, der für die Eigenschaft als Auftraggeber im Sinne der Konzessionsrichtlinie darauf abstellt, dass eine Konzession zum Zwecke der Ausübung einer der in Anhang II genannten Tätigkeiten vergeben wird.2 Auf dieser Grundlage enthält der Erwägungsgrund 16 der SRL die ergänzende Erläuterung, dass Sektorenauftraggeber Aufträge vergeben können, die unterschiedlichen rechtlichen Regelungen unterworfen sein können, um die Erfordernisse in mehreren Tätigkeitsbereichen zu erfüllen.3
I.Sektorentätigkeit (§ 112 Abs. 1 und 2 GWB)
4§ 112 Abs. 1 GWB dient der Umsetzung von Art. 6 und 26 SRL. Die Vorschrift regelt die Abgrenzung der anzuwendenden Vorschriften bei der Vergabe von Aufträgen, die neben einer Sektorentätigkeit zumindest eine weitere Tätigkeit umfassen, die entweder dem Anwendungsbereich der KVR, VRL oder der Richtlinie 2009/81/EG (Verteidigungsvergaberichtlinie) unterfallen oder außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinien liegen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Abgrenzungsvorschrift ist nur, dass eine der Tätigkeiten eine Sektorentätigkeit i. S. d. § 102 GWB ist.
5Von § 112 Abs. 1 GWB erfasste Aufträge dürfen grundsätzlich entweder nach der jeweiligen Tätigkeit getrennt oder als Gesamtauftrag vergeben werden. Wie im Rahmen des § 111 Abs. 1 GWB steht dem Auftraggeber insoweit ein Wahlrecht zu. Entscheidet sich der öffentliche Auftraggeber für eine getrennte Auftragsvergabe bestimmen sich die anwendbaren vergaberechtlichen Vorschriften nach den Merkmalen der jeweils betroffenen Tätigkeit (§ 112 Abs. 2 GWB).
II.Gesamtauftrag (§ 112 Abs. 3 GWB)
6§ 112 Abs. 3 Satz 1 GWB bestimmt, dass – mit Ausnahme des Sonderfalls in § 112 Abs. 3 Satz 2 GWB – die Vergabe eines Gesamtauftrags, der neben einer Sektorentätigkeit noch mindestens eine weitere Tätigkeit umfasst, denjenigen Bestimmungen unterliegt, die für die Tätigkeit gelten, für die der Auftrag hauptsächlich bestimmt ist. Wie aus § 112 Abs. 5 GWB ersichtlich kommt es hier auf eine objektive Feststellung an. In Erwägungsgrund (16) der SRL wird dazu erläutert, dass die Ermittlung der Tätigkeit, auf die der Auftrag in erster Linie abzielt, auf einer Analyse der Erfordernisse beruhen kann, zu deren Erfüllung der betreffende Auftrag vergeben werden soll, die vom Auftraggeber durchgeführt wird, um den Auftragswert zu veranschlagen und die Auftragsunterlagen zu erstellen. Danach muss der Auftragswert bei der Ermittlung der hauptsächlichen Bestimmung jedenfalls berücksichtigt werden. Im Übrigen wird man jedoch auf die Grundsätze zur Ermittlung des Hauptgegenstandes eines Auftrages i. S. d. § 110 Abs. 1 GWB zurückgreifen können.4
7§ 112 Abs. 3 Satz 2 GWB entspricht inhaltlich Art. 26 Abs. 2 SRL und dient dessen Umsetzung. Die Vorschrift betrifft die Vergabe eines Gesamtauftrags, der sowohl für eine Sektorentätigkeit als auch für eine Tätigkeit bestimmt ist, die Verteidigungs- oder Sicherheitsaspekte umfasst. Die Vorschrift verweist zur Bestimmung der anwendbaren Vergaberegeln dem Grunde nach auf § 111 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GWB.5 Danach kann der öffentliche Auftraggeber den Gesamtauftrag bei objektiv rechtfertigenden Gründen ohne Anwendung des vierten Teils des GWB vergeben (§ 111 Abs. 3 Nr. 1 GWB6) bzw. nach den Vorschriften über die Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Aufträgen vergeben (§ 111 Abs. 3 Nr. 1 GWB7).
III.Umgehungsverbot (§ 112 Abs. 4 GWB)
8§ 112 Abs. 4 GWB setzt Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 und Art. 26 Abs. 2 UAbs. 3 SRL sowie Art. 22 Abs. 1 UAbs. 3 und Art. 23 Abs. 2 UAbs. 3 KVR um. Die Regelung stellt klar, dass die Entscheidung einen Gesamtauftrag oder getrennte Aufträge zu vergeben, nicht zur Umgehung der Vorschriften des vierten Teils des GWB genutzt werden darf.8
IV.Objektive Unmöglichkeit (§ 112 Abs. 5 GWB)
9§ 112 Abs. 5 GWB setzt Art. 6 Abs. 3 SRL um. Die Vorschrift regelt den Fall, dass bei der Vergabe eines Gesamtauftrags für verschiedene Tätigkeiten nicht objektiv feststellbar ist, welcher Tätigkeit der Gesamtauftrag hauptsächlich dienen soll. Die Nummern 1, 2 und 3 bestimmen für einen solchen Fall die anwendbaren Vorschriften für unterschiedliche Tätigkeitskombinationen,9 wobei den strengeren Vorschriften der Vorrang eingeräumt wird.
1.Vorrang der öffentlichen Auftragsvergabe (§ 112 Abs. 5 Nr. 1 GWB)
10§ 112 Abs. 5 Nr. 1 GWB sieht vor, dass der Gesamtauftrag nach den Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche Auftraggeber vergeben wird, wenn ein Auftrag nicht nur für eine Sektorentätigkeit, sondern darüber hinaus für eine weitere Tätigkeit bestimmt ist, die für sich genommen unter die Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche Auftraggeber fallen würde.10
2.Vorrang der Sektorenauftragsvergabe (§ 112 Abs. 5 Nr. 2 und Nr. 3 GWB)
11§ 112 Abs. 5 Nr. 2 und Nr. 3 GWB bestimmen, dass der Gesamtauftrag nach den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Sektorenbereich (Trinkwasser-, Energieversorgung, Verkehr) vergeben wird, wenn eine solche weitere Tätigkeit für sich genommen entweder unter die Vorschriften zur Vergabe von Konzessionen fallen (Nr. 2) oder weder den Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche Auftraggeber noch den Vorschriften zur Vergabe von Konzessionen unterfallen würde (Nr. 3).11
V.Mehrere Tätigkeiten bei Konzessionen (§ 112 Abs. 6 GWB)
12§ 112 Abs. 6 GWB dient der Umsetzung von Art. 22 und 23 KVR. Die Vorschrift regelt die Abgrenzung der anzuwendenden Vorschriften bei der Vergabe von Konzessionen, die neben einer Sektorentätigkeit (§ 102 GWB) zumindest eine weitere Tätigkeit umfassen, die entweder dem Anwendungsbereich der VRL oder der Richtlinie 2009/81/EG unterfallen oder außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinien liegen. Für den Fall, dass sich objektiv feststellen lässt, für welche Tätigkeit die Konzession hauptsächlich bestimmt ist, wird § 112 Abs. 1 bis 4 GWB für entsprechend anwendbar erklärt, nachdem die in § 112 Abs. 1 GWB umgesetzten Art. 6 und 26 SRL inhaltlich weitgehend den Art. 22 und 23 KVR entsprechen.
13Lediglich im Hinblick auf die Vergabe von Gesamtkonzessionen für mehrere Tätigkeiten, bei denen es objektiv unmöglich ist, zu bestimmen, für welche Tätigkeit sie hauptsächlich vorgesehen sind, sieht Art. 22 Abs. 3 KVR abweichende Regelungen vor, die in § 112 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 bis 3 GWB umgesetzt sind.12 Auch hier wird den strengeren Vorschriften der Vorrang eingeräumt.
1.Vorrang der Konzessionsvergabe durch öffentliche Auftraggeber (§ 112 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 GWB)
14§ 112 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 GWB dient der Umsetzung von Art. 22 Abs. 3 lit. a KVR. Die Vorschrift sieht vor, dass die Vergabe einer Gesamtkonzession, die sowohl für eine Tätigkeit, die für sich genommen in den Anwendungsbereich der Vorschriften zur Vergabe von Konzessionen durch Konzessionsgeber i. S. d. Nr. 2 (öffentlich-rechtlich organisierte oder beherrschte Sektorenauftraggeber) und Nr. 3 (privatrechtlich organisierte Sektorenauftraggeber) des § 101 Abs. 1 GWB fallen würde, als auch für eine Tätigkeit bestimmt ist, die für sich genommen in den Anwendungsbereich der Vorschriften zur Vergabe von Konzessionen durch Konzessionsgeber i. S. d. § 101 Abs. 1 Nr. 1 GWB (öffentliche Auftraggeber gem. § 99 Nr. 1 bis 3 GWB) fallen würde, nach letzteren Bestimmungen vergeben wird.13
2.Vorrang der öffentlichen Auftragsvergabe (§ 112 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 GWB)
15§ 112 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 GWB dient der Umsetzung von Art. 22 Abs. 3 lit. b KVR. Die Vorschrift bestimmt, dass die Vergabe einer Gesamtkonzession nach den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber erfolgt, wenn eine der Tätigkeiten, für die die Konzession bestimmt ist, diesen Vorschriften unterliegt.14
3.Vorrang der Konzessionsvergabe (§ 112 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 GWB)
16§ 112 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 GWB dient der Umsetzung von Art. 22 Abs. 3 lit. b KVR. Die Vorschrift stellt klar, dass die Vergabe einer Gesamtkonzession nach den Vorschriften zur Vergabe von Konzessionen erfolgt, wenn eine der Tätigkeiten, für die sie bestimmt ist, weder diesen Vorschriften noch den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber oder den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Bereich der Trinkwasser- oder Energieversorgung sowie des Verkehrs unterliegt.15
§ 113 GWBVerordnungsermächtigung
1Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie zur Ausrichtung von Wettbewerben zu regeln. 2Diese Ermächtigung umfasst die Befugnis zur Regelung von Anforderungen an den Auftragsgegenstand und an das Vergabeverfahren, insbesondere zur Regelung
1. der Schätzung des Auftrags- oder Vertragswertes,
2. der Leistungsbeschreibung, der Bekanntmachung, der Verfahrensarten und des Ablaufs des Vergabeverfahrens, der Nebenangebote, der Vergabe von Unteraufträgen sowie der Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen, die soziale und andere besondere Dienstleistungen betreffen,
3. der besonderen Methoden und Instrumente in Vergabeverfahren und für Sammelbeschaffungen einschließlich der zentralen Beschaffung,
4. des Sendens, Empfangens, Weiterleitens und Speicherns von Daten einschließlich der Regelungen zum Inkrafttreten der entsprechenden Verpflichtungen,
5. der Auswahl und Prüfung der Unternehmen und Angebote sowie des Abschlusses des Vertrags,
6. der Aufhebung des Vergabeverfahrens,
7. der verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Anforderungen im Hinblick auf den Geheimschutz, auf die allgemeinen Regelungen zur Wahrung der Vertraulichkeit, auf die Versorgungssicherheit sowie auf die besonderen Regelungen für die Vergabe von Unteraufträgen,
8. der Voraussetzungen, nach denen Sektorenauftraggeber, Konzessionsgeber oder Auftraggeber nach dem Bundesberggesetz von der Verpflichtung zur Anwendung dieses Teils befreit werden können, sowie des dabei anzuwendenden Verfahrens einschließlich der erforderlichen Ermittlungsbefugnisse des Bundeskartellamtes und der Einzelheiten der Kostenerhebung; Vollstreckungserleichterungen dürfen vorgesehen werden.
3Die Rechtsverordnungen sind dem Bundestag zuzuleiten. 4Die Zuleitung erfolgt vor der Zuleitung an den Bundesrat. 5Die Rechtsverordnungen können durch Beschluss des Bundestages geändert oder abgelehnt werden. 6Der Beschluss des Bundestages wird der Bundesregierung zugeleitet. 7Hat sich der Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnungen nicht mit ihnen befasst, so werden die unveränderten Rechtsverordnungen dem Bundesrat zugeleitet.
Übersicht | Rn. | |
A. | Vorbemerkungen | 1 |
B. | Ausnutzung der Verordnungsermächtigung durch die Vergaberechtsmodernisierungsverordnung vom 12.4.2016 | 2–8 |
C. | Verfahren zum Erlass der Rechtsverordnungen | 9 |