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B.Regelungsbereich der Vorschrift

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2§ 111 GWB bestimmt, welchen Vorschriften die Vergabe gemischter öffentlicher Aufträge oder gemischter Konzessionen unterliegt, wenn diese aus mehreren Auftragsteilen bestehen, die für sich genommen entweder gar nicht dem Vergaberecht oder einem erleichterten Regime einer anderen Richtlinie unterfallen. Im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 111 GWB wird über die anwendbaren Regelungen entschieden, wenn die verschiedenen Beschaffungskomponenten dazu führen, dass die Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche Auftraggeber mit den Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch Sektorenauftraggeber, zur Vergabe verteidigungs- oder sicherheitsspezifischer öffentlicher Aufträge oder zur Vergabe von Konzessionen durch Konzessionsgeber zusammenfallen.3 Als Beispiel für ein gemischtes Vertragsverhältnis nennen die Richtlinien die Errichtung eines einzigen Gebäudes, von dem ein Gebäudeteil direkt vom Auftraggeber genutzt und ein anderer Gebäudeteil auf der Basis einer Konzession, zum Beispiel als öffentliches Parkhaus, bewirtschaftet werden soll.4

I.Objektiv trennbare Auftragsteile (§ 111 Abs. 1 bis 3 GWB)

3§ 111 Abs. 1 GWB überlässt dem öffentlichen Auftraggeber das Wahlrecht, Teile eines öffentlichen Auftrags, die jeweils unterschiedlichen rechtlichen Regelungen unterliegen aber objektiv trennbar sind, entweder als getrennte Aufträge für jeden Teil oder als Gesamtauftrag zu vergeben. Entscheidet sich der öffentliche Auftraggeber für eine getrennte Auftragsvergabe bestimmen sich die anwendbaren vergaberechtlichen Vorschriften nach den Merkmalen des jeweiligen Einzelauftrags (§ 111 Abs. 2 GWB). Entscheidet sich der öffentliche Auftraggeber für eine Gesamtvergabe bestimmt § 111 Abs. 3 GWB welche Regelungen in unterschiedlichen Konstellationen auf die Vergabe des Gesamtauftrags Anwendung finden. Eingeschränkt wird das Wahlrecht des öffentlichen Auftraggebers durch das Umgebungsverbot des § 111 Abs. 5 GWB und die Verpflichtung zur Losvergabe aus § 97 Abs. 4 GWB.

4Bei der Beurteilung, ob eine objektive Trennbarkeit der einzelnen Auftragskomponenten vorliegt, ist darauf abzustellen, ob diese selbstständig bestehen können oder aber kraft Zusammenhangs als ein untrennbares Ganzes anzusehen sind. Ebenso liegt eine Untrennbarkeit in den Fällen vor, in denen die Auftragsvergabe aufgrund der Natur des Ausschreibungsgegenstandes nur an einen einzigen Auftragnehmer erfolgen kann.5

II.Fallgruppen eines Gesamtauftrags (§ 111 Abs. 3 GWB)

5§ 111 Abs. 3 GWB regelt in fünf Fallgruppen, welche Regelungen auf objektiv trennbare Auftragsteile anzuwenden sind, wenn sie als Gesamtauftrag vergeben werden.

1.Ausnahmen des § 107 Abs. 2 GWB (§ 111 Abs. 3 Nr. 1 GWB)

6§ 111 Abs. 3 Nr. 1 GWB dient der Umsetzung von Art. 3 Abs. 3 UAbs. 2 und Art. 16 Abs. 2 UAbs. 3 VRL sowie von Art. 5 Abs. 3 UAbs. 2 und Art. 25 Abs. 2 UAbs. 3 SRL. § 111 Abs. 3 Nr. 1 GWB bestimmt, dass ein Auftrag, bei dem ein Auftragsteil die Voraussetzungen für eine Ausnahme gem. § 107 Abs. 2 Nr. 1 GWB (Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen) oder § 107 Abs. 2 Nr. 1 GWB (Waffen, Munition und Kriegsmaterial)6 erfüllt, ohne Anwendung des vierten Teils des GWB vergeben werden kann.

7Voraussetzung ist jedoch, dass die Vergabe eines Gesamtauftrags aus objektiven Gründen gerechtfertigt ist. Vor der Einleitung der Vergabe eines nur teilweise den Ausnahmebereich des § 107 Abs. 2 GWB betreffenden Auftrags muss der Auftraggeber deshalb prüfen, ob auch eine getrennte Vergabe möglich ist. Nur wenn sachliche Gründe vorliegen, die einen Gesamtauftrag sinnvoll erscheinen lassen, kommt die Vergabe als ein Auftrag in Betracht. Dabei genügt es nicht, dass der Auftraggeber subjektiv meint, dass ein einheitlicher Auftrag erteilt werden sollte. Es müssen Gründe vorliegen, die aus Sicht eines objektiven Dritten nachvollziehbar sind und eine einheitliche Vergabe an einen Auftragnehmer rechtfertigen. Die Notwendigkeit der Gesamtvergabe wird in § 111 Abs. 3 Nr. 1 GWB nicht ausdrücklich gefordert, führt aber jedenfalls zu einer ausreichenden Rechtfertigung. Es bedarf der wertenden Betrachtung und der Abwägung zwischen den objektiv mit einer einheitlichen Beauftragung an einen Auftragnehmer verbundenen Vorteilen und den damit einhergehenden Nachteilen für einen diskriminierungsfreien und transparenten Wettbewerb.

2.Verteidigungs- oder sicherheitsspezifischer Auftrag (§ 111 Abs. 3 Nr. 2 GWB)

8§ 111 Abs. 3 Nr. 2 GWB beruht auf denselben Richtlinienvorschriften, wie § 111 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Die Vorschrift entspricht § 99 Abs. 13 Satz 1 GWB a. F., die der besonderen Sensibilität und Schutzbedürftigkeit verteidigungs- und sicherheitsrelevanter Leistungen Rechnung tragen sollte.7

9Nach § 111 Abs. 3 Nr. 2 GWB kann ein Auftrag insgesamt gemäß den Vorschriften über die Vergabe verteidigungs- oder sicherheitsspezifischer öffentlicher Aufträge vergeben werden, wenn ein Auftragsteil in den Anwendungsbereich dieser Vorschriften fällt. Dadurch kann beispielsweise ein Auftrag, der die Verwendung von Verschlusssachen i. S. d. § 104 Abs. 3 GWB beinhaltet, auch dann nach der VSVgV vergeben werden, wenn dieser Auftragsgegenstand nur den kleineren Teil des Auftrags ausmacht. Auch hier muss die Vergabe des Gesamtauftrags jedoch aus objektiven Gründen gerechtfertigt sein.8

3.Sektorenbereich (§ 111 Abs. 3 Nr. 3 GWB)

10§ 111 Abs. 3 Nr. 3 GWB dient der Umsetzung von Art. 3 Abs. 5 VRL sowie Art. 5 Abs. 4 UAbs. 2 und 3 SRL und Art. 20 Abs. 4 KVR. Die Vorschrift betrifft die Vergabe öffentlicher Aufträge, bei denen die verschiedenen Teile des Auftrags für ein und dieselbe Tätigkeit bestimmt sind, ein Auftragsteil jedoch in den Anwendungsbereich der Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber fällt und ein anderer Auftragsteil anderen vergaberechtlichen Vorschriften des vierten Teils des GWB unterliegt.9 Für einen solchen Fall bestimmt § 111 Abs. 3 Nr. 3 GWB, dass die Vergabe eines Gesamtauftrags dann den Vorschriften der zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber unterliegt, wenn der Wert des Auftragsteils, der unter die Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber fällt, den Schwellenwert des § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB erreicht oder überschreitet. Dieser Vorrang der Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber gilt auch dann, wenn der andere Teil des Auftrags den Vorschriften über die Vergabe von Konzessionen unterliegt.

11Für die Bestimmung des Wertes des Auftragsteils, der den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber unterliegt, gilt § 2 SektVO. Das bedeutet insbesondere, dass sich die rechtliche Einordnung des Gesamtauftrages nicht mehr ändert oder als vergaberechtswidrig zu betrachten ist, wenn die Schätzung bei Einleitung des Vergabeverfahrens ordnungsgemäß war, sich aber im Rahmen der Vergabe herausstellt, dass der Schwellenwert des § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB doch nicht erreicht wird.

4.Konzessionen (§ 111 Abs. 3 Nr. 4 GWB)

12§ 111 Abs. 3 Nr. 4 GWB dient der Umsetzung von Art. 3 Abs. 4 UAbs. 3 VRL und von Art. 20 Abs. 4 SRL. Die Vorschrift betrifft die Vergabe eines Gesamtauftrags, bei dem ein Auftragsteil den Vorschriften zur Vergabe von Konzessionen und ein anderer Auftragsteil den Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt. Die Vergabe des Gesamtauftrags erfolgt dann gemäß den Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge, wenn der Wert des Auftragsteils, der unter diese Vorschriften fällt, den geltenden Schwellenwert erreicht oder überschreitet. Andernfalls finden die Vorschriften über die Vergabe von Konzessionen Anwendung.10

13Für die Bestimmung des Wertes des Auftragsteils der den Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt, gilt § 3 VgV.11

5.Auftragsteile außerhalb GWB (§ 111 Abs. 3 Nr. 5 GWB)

14§ 111 Abs. 3 Nr. 5 GWB dient der Umsetzung von Art. 3 Abs. 4 UAbs. 2 VRL, Art. 5 Abs. 4 UAbs. 2 SRL und von Art. 20 Abs. 3 UAbs. 2 KVR. Die Vorschrift betrifft öffentliche Aufträge, bei denen ein Auftragsteil dem vierten Teil des GWB unterliegt und ein anderer Auftragsteil nicht von diesen Vorschriften erfasst wird. § 111 Abs. 3 Nr. 5 GWB bestimmt, dass der Gesamtauftrag in einem solchen Fall ungeachtet des Wertes der Auftragsteile, die an sich sonstigen rechtlichen Regelungen außerhalb des vierten Teils des GWB unterliegen würden, gemäß den jeweils einschlägigen Bestimmungen des vierten Teils vergeben werden.

15Vertreten wird, dass § 110 Abs. 2 Nr. 1 GWB bei Zusammentreffen von Dienstleistungen, die von den Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge oder Konzessionen über soziale und andere besondere Dienstleistungen (§§ 130, 153 GWB) erfasst sind, mit anderen Dienstleistungen, die nicht dem vierten Teil des GWB unterliegen, vorrangig ist.12 In diesem Fall würde der Hauptgegenstand, der sich nach dem geschätzten höheren Wert des Auftragsteils bestimmt, über das anwendbare Recht entscheiden.13 Gegen diese Ansicht spricht, dass § 110 GWB das Vergaberechtsregime für untrennbare Leistungen im Anwendungsbereich ein und derselben Richtlinie regelt und nicht wie § 111 Abs. 3 GWB für objektiv trennbare Auftragsteile, von denen ein Auftragsteil gar nicht dem Vergaberecht oder einem erleichterten Regime einer anderen Richtlinie unterfällt.14

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