Читать книгу Vergaberecht - Corina Jürschik - Страница 108

Оглавление

§ 127 GWBZuschlag

(1) 1Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. 2Grundlage dafür ist eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. 3Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. 4Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.

(2) Verbindliche Vorschriften zur Preisgestaltung sind bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zu beachten.

(3) 1Die Zuschlagskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. 2Diese Verbindung ist auch dann anzunehmen, wenn sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht, auch wenn sich diese Faktoren nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken.

(4) 1Die Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. 2Lassen öffentliche Auftraggeber Nebenangebote zu, legen sie die Zuschlagskriterien so fest, dass sie sowohl auf Hauptangebote als auch auf Nebenangebote anwendbar sind.

(5) Die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung müssen in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden.

Schrifttum: Bartsch/von Gehlen, Keine zutreffende Ermittlung des besten Preis-Leistungsverhältnisses mit Interpolationsformeln, NZBau 2015, 523 ff.; Bartsch/von Gehlen/Hirsch, Mit Preisgewichtung vorbei am wirtschaftlichsten Angebot?, NZBau 2012, 393; Brackmann, Nachhaltige Beschaffung in der Vergabepraxis, VergabeR 2014, 310; Burgi, Die Förderung sozialer und technischer Innovationen durch das Vergaberecht, NZBau 2011, 77 ff.; Diemon-Wies, Soziale und ökologische Kriterien in der Vergabepraxis, VergabeR 2010, 317; Frenz, Bildung, Vorauswahl und Wertung von Aufträgen nach § 97 Abs. 3 GWB n. F. im Lichte des Europarechts und aktueller Judikatur, VergabeR 2011, 13 ff.; Gaus, Ökologische Kriterien in der Vergabeentscheidung – Eine Hilfe zur vergaberechtskonformen nachhaltigen Beschaffung, NZBau 2013, 401 ff.; Haak, Vergaberecht in der Energiewende – Energieeffiziente Beschaffung und Ausschreibungsmodelle nach dem EIG 2014, NZBau 2015, 11 ff., 64 ff.; Höfler, Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, NZBau 2010, 73 ff.; Kiiver/Kodym, Die Ermittlung des Preis-Leistungs-Verhältnisses von Angeboten, NZBau 2015, 59 ff.; Kraus, Die Gewichtung von Zuschlagskriterien mittels Margen, VergabeR 2011, 171 ff.; Kulartz/Scholz, Zuschlagskriterien – Grenzen bei der Gewichtung? VergabeR 2014, 109; Otting, Eignungs- und Zuschlagskriterien im neuen Vergaberecht, VergabeR 2016, 316 ff.; Popescu, Zur Behandlung des Zwischengebots- und Zuschlagsfrist erkannten Kalkulationsirrtums, ZfBR 2015, 342 ff.; Probst/Winters, Der (grenzenlose) Beurteilungsspielraum des Auftraggebers im Vergabeverfahren, VergabeR 2014, 115 ff.; Roth, Methodik und Bekanntgabe von Wertungsverfahren zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots, NZBau 2011, 75 ff.; Städler, Der Umfang mit anfechtbaren Angeboten und Praxisfragen der dritten Wertungsstufe, NZBau 2014, 472 ff.; Wegener, Umweltschutz in der öffentlichen Auftragsvergabe, NZBau 2010, 273 ff.

Übersicht Rn.
A. Vorbemerkungen 1, 2
B. Die beim Zuschlag zu beachtenden Vorgaben 3–40
I. Wirtschaftlichkeit (§ 127 Abs. 1 GWB) 3–15
1. Allgemeines 3
2. Die Zuschlagskriterien 4–8
3. Preis als einziges Zuschlagskriterium 9–13
4. Unterscheidung zwischen Ausschlusskriterien und Wertungskriterien 14
5. Unterscheidung zwischen Eignungskriterien und Zuschlagskriterien 15
II. Verbindliche Vorschriften zur Preisgestaltung (§ 127 Abs. 2 GWB) 16
III. Verbindung mit dem Auftragsgegenstand (§ 127 Abs. 3 GWB) 17–25
1. Allgemeines 17
2. Erweiterter Auftragsbezug 18–25
IV. Festlegung der Zuschlagskriterien im Einzelfall 26–38
1. Wertungssystem 26–34
2. Wertung von Nebenangeboten 35
3. Wertung durch den Auftraggeber selbst 36
4. Nachprüfbarkeit der Wertungsentscheidung 37
5. Exkurs: Kein Recht des Auftraggebers zum Zuschlag auf falsch kalkuliertes Angebot bei Unzumutbarkeit 38
V. Bekanntmachung der Zuschlagskriterien 39, 40

A.Vorbemerkungen

1Mit dem Zuschlag wird entschieden, welches Angebot aus dem Kreis der geeigneten Bieter den Zuschlag erhält. In der Gesetzesbegründung wird daher zurecht darauf hingewiesen, dass die Festlegung von Zuschlagskriterien und die Zuschlagsentscheidung selbst neben der Leistungsbeschreibung, der Vorgabe von Eignungskriterien und der Bedingungen für die Auftragsausführung ein zentrales Element der Planung und Durchführung des Vergabeverfahrens darstellen.

2§ 127 GWB ersetzt den bisherigen § 97 Abs. 5 GWB a. F. Während dieser noch mit der ebenso schlichten wie zutreffenden Aussage auskam, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist, enthält § 127 GWB fünf Absätze, die vom Auftraggeber bei der Zuschlagserteilung zu beachten sind.

B.Die beim Zuschlag zu beachtenden Vorgaben

I.Wirtschaftlichkeit (§ 127 Abs. 1 GWB)

1.Allgemeines

3Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Welches Angebot das wirtschaftlichste ist, bestimmt sich nach den vom Auftraggeber vorgegebenen Zuschlagskriterien. Das bedeutet, dass der Auftraggeber es über die Zuschlags­kriterien in der Hand hat, die Wirtschaftlichkeit in jedem Vergabeverfahren neu zu justieren und dadurch das für ihn im Einzelfall beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu ermitteln.

2.Die Zuschlagskriterien

4Zur Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden. Systematisch werden die Zuschlagskriterien auf der vierten Wertungsstufe geprüft (nach der Prüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angebote, der Eignung der Bieter und der Angemessenheit des Preises oder der Kosten eines Angebots).

5Bei der Auswahl der Zuschlagskriterien, anhand derer das wirtschaftlichste Angebot ermittelt werden soll, ist der Auftraggeber grundsätzlich frei.1 Er besitzt insoweit einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Gestaltungsspielraum.2 Welche Kriterien der Auftraggeber im Einzelfall in die Wertung einstellt, hängt maßgeblich von dem zu erteilenden Auftrag ab. Nicht abschließende Beispielkataloge für zulässige Kriterien finden sich in den Vergabeordnungen (vgl. § 58 Abs. 2 VgV, § 52 Abs. 2 SektVO, § 31 Abs. 2 KonzVgV, § 34 Abs. 2 VSVgV, § 16d EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A, § 16 VS Abs. 2 VOB/A, § 16d Abs. 1 Nr. 3 VOB/A und § 43 Abs. 2 UVgO).

6Als mögliche Zuschlagskriterien bei Oberschwellenvergaben werden danach in der VgV, der SektVO und der EU VOB/A weitgehend übereinstimmend genannt der Preis oder die Kosten, die Qualität einschließlich technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Zugänglichkeit der Leistung, insbesondere für Menschen mit Behinderungen, ihrer Übereinstimmung mit Anforderungen des Designs für alle, soziale, umweltbezogene und innovative Eigenschaften sowie Vertriebs- und Handelsbedingungen (letztere nur in der VgV und der SektVO), die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführungen haben kann sowie Kundendienst, technische Hilfe und Ausführungsfrist sowie Liefer­bedingungen wie Liefertermin, Lieferverfahren sowie Liefer- oder Ausführungsfristen. § 31 KonzVgV enthält keinen Beispielkatalog. Konzessionsgeber können die in den anderen Vergabeordnungen genannten Zuschlagskriterien aber – soweit passend – auch bei Konzessionsvergaben anwenden.

7Bei Unterschwellenvergaben werden in der VOB/A und der UVgO genannt Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe sowie Lieferzeitpunkt und Lieferungs- oder Ausführungsfrist. Dass die verschiedenen Vergabeordnungen teils unterschiedliche Zuschlagskriterien anführen, ist für die Vergabepraxis der öffentlichen Auftraggeber ohne Belang. Sie sind bei der Auswahl der Zuschlagskriterien frei, so lange diese mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen (siehe hierzu unten bei der Kommentierung von § 127 Abs. 3 GWB).

8Zu näheren Hinweisen zu den einzelnen Zuschlagskriterien siehe die Kommentierungen zu den oben genannten Vorschriften.

3.Preis als einziges Zuschlagskriterium

9 Der Preis stellt bei der Angebotswertung häufig das wichtigste, aber nicht zwingend das allein entscheidende Kriterium dar.3 Nach § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB muss der Preis immer als Zuschlagskriterium angewendet werden („… können neben dem Preis oder den Kosten …“).

10Unterschiedlich beurteilt wird die Frage, ob der Preis mit einem bestimmten Mindestfaktor in die Wertung einzustellen ist. Als regelmäßige Untergrenze für die Gewichtung des Kriteriums „Angebotspreis“ wurde in der Rechtsprechung vereinzelt ein Ansatz von in der Regel 30 % gefordert, da der Preis das zentrale und am leichtesten zu vergleichende Zuschlagskriterium sei.4 Anderenfalls sei ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot anzunehmen.5 Dies soll grundsätzlich auch bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen gelten, selbst wenn die deutschen Teilnehmer am Vergabeverfahren an die HOAI gebunden sind. Eine feste Regel, dass der Preis immer mit zumindest 30 % gewichtet werden müsste, gibt es aber nicht.6

11Je detaillierter die Beschreibung der zu vergebenden Leistung ist, umso stärker kann die Wertung allein anhand des Zuschlagskriteriums Preis durchgeführt werden. Wenn der Auftraggeber die Leistung bezüglich bestimmter qualitativer Aspekte genau definiert hat, besteht kein Anlass, diese Aspekte zusätzlich noch einmal als Zuschlagskriterien anzuwenden. Je weniger genau die Leistung beschrieben ist, umso mehr gewinnen dagegen die sogenannten „weichen“ Zuschlagskriterien an Bedeutung.

12Ob eine Angebotswertung allein anhand des Zuschlagskriteriums Preis“ zulässig ist, war bisher umstritten. Dieser Meinungsstreit hat sich durch die Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots in § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB erledigt. Dort heißt es nämlich, dass zu dessen Ermittlung „neben dem Preis oder den Kosten“ auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden „können“. Dies heißt, dass Auftraggeber andere Zuschlagskriterien als den Preis auswählen können, dies aber nicht müssen. Bestätigt wird dies durch § 35 VgV, der Nebenangebote auch dann zulässt, wenn der Preis das alleinige Zuschlagskriterium ist.7 Unterstützt wird dies durch die Gesetzesbegründung, wo es ebenfalls heißt, dass bei der Leistungsbewertung „auch zusätzliche Kriterien“ Berücksichtigung finden können.8

13Das europäische Recht bestätigt diese Sichtweise. Nach Art. 67 Abs. 2 VRL können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die öffentlichen Auftraggeber den Preis oder die Kosten nicht als einziges Zuschlagskriterium verwenden dürfen. Von dieser Befugnis hat der deutsche Gesetzgeber in § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB keinen Gebrauch gemacht und damit im Umkehrschluss festgelegt, dass Auftraggeber frei sind, entweder nur den Preis oder die Kosten oder den Preis oder die Kosten und weitere Aspekte als Zuschlagskriterien anzuwenden.

4.Unterscheidung zwischen Ausschlusskriterien und Wertungskriterien

14Die Zuschlagskriterien lassen sich unterteilen in Ausschluss- und Wertungskriterien. Von einem Ausschlusskriterium spricht man, wenn ein Angebot, dass dieses Kriterium nicht zu 100 % erfüllt, zwingend auszuschließen ist.9 Bei Wertungskriterien wird hingegen der Erfüllungsgrad geprüft und gewertet.

5.Unterscheidung zwischen Eignungskriterien und Zuschlagskriterien

15Von der Prüfung des wirtschaftlichsten Angebots zu unterscheiden und streng zu trennen ist die Prüfung der Eignung der Bieter.10 Anderenfalls liegt eine unzulässige Vermischung der beiden Wertungsstufen vor. Die Eignungsprüfung ist unternehmensbezogen, d. h. der Auftraggeber prüft insoweit, ob das Unternehmen, von dem das Angebot oder der Teilnahmeantrag stammt, fachkundig und leistungsfähig ist und nicht nach den §§ 123 oder 124 GWB ausgeschlossen werden muss (vgl. § 122 Abs. 1 GWB). Bei der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots spielt die Frage der Eignung des Unternehmens dagegen keine Rolle mehr. Hier werden lediglich die Angebote gewertet um zu entscheiden, welches Angebot das wirtschaftlichste ist. Dies gilt auch und insbesondere bei der Anwendung der neuen personenbezogenen Zuschlagskriterien („Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann“). Im Rahmen der Angebotswertung nach § 127 GWB dürfen insoweit lediglich die auftragsbezogenen Faktoren, nicht hingegen Aspekte wie die Personalstärke oder die Anzahl besonders qualifizierter Mitarbeiter beim Bieter insgesamt berücksichtigt werden, da es sich dabei um Eignungsaspekte handelt.

II.Verbindliche Vorschriften zur Preisgestaltung (§ 127 Abs. 2 GWB)

16Nach § 127 Abs. 2 GWB sind verbindliche Vorschriften zur Preisgestaltung bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zu beachten. Das bedeutet, dass bei Geltung einer gesetzlichen Gebühren- oder Honorarordnung, die entsprechenden Honorarvorgaben bei der Beurteilung des Zuschlagskriteriums „Preis“ zu berücksichtigen sind. Der wichtigste Anwendungsfall der Vorschrift war die HOAI. Nachdem der EuGH die Vergütungsregelungen der HOAI aber für europarechtswidrig erklärt hat11, gibt es für Architekten- und Ingenieurleistungen keine verbindlichen Vorschriften zur Preisgestaltung mehr.

III.Verbindung mit dem Auftragsgegenstand (§ 127 Abs. 3 GWB)

1.Allgemeines

17Die Zuschlagskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Damit sind rein wohlfahrtsorientierte oder allgemeinpolitische Anforderungen, die nur der Gesellschaft als Ganzes zu Gute kommen, als Zuschlagskriterien unzulässig. Unzulässig wäre daher z. B. ein über die Losaufteilung hinausgehendes Zuschlagskriterium „Mittelstandsförderung“, bei dem bei gleicher Leistung kleine Unternehmen gegenüber großen zu bevorzugen sind.12 Ebenfalls unzulässig wären allgemeinpolitische Erwägungen, wie z. B. die Forderung einer bestimmten Frauenquote in den Gremien des Auftragnehmers.13

2.Erweiterter Auftragsbezug

18Nach § 127 Abs. 3 Satz 2 GWB wird der Auftragsbezug auf den gesamten Lebenszyklus der Leistung erweitert. Der Auftraggeber kann danach auch Folgendes werten:

19– Herstellung der Leistung.

20– Bereitstellung der Leistung.

21– Entsorgung der Leistung.

22– Handel mit der Leistung.

23– Andere Stadien im Lebenszyklus der Leistung.

24Bei allen genannten Faktoren ist es nicht erforderlich, dass sich diese auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken. Dadurch können politisch für sinnvoll gehaltene Faktoren im Zusammenhang mit der Leistungserbringung rechtssicher bei der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots gewertet werden. Als Beispiele können z. B. der Bezug von Öko-Strom14 oder von fair gehandeltem Kaffee15 bei der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots gewertet werden, obwohl der Öko-Strom bzw. der fair gehandelte Kaffee materiell nicht „besser“ als andere Produkte sind und oftmals auch teurer als diese sein werden16. Gleiches gilt bei der Bevorzugung einer ortsnahen Versorgung bei der Ausschreibung der Restabfallentsorgung einer Stadt.17 Als weitere Beispiele werden in der Gesetzesbegründung Kriterien benannt, nach denen zur Herstellung der zu beschaffenden Waren keine giftigen Chemikalien verwendet werden dürfen, oder die vorgeben, dass Dienstleistungen unter Einsatz energieeffizienter Maschinen erbracht werden müssen.

25Die Erweiterung des Auftragsbezugs gem. § 127 Abs. 2 GWB enthält keine Verpflichtung des Auftraggebers, sondern gibt diesem lediglich eine Gestaltungsmöglichkeit an die Hand. Der Auftraggeber kann Lebenszyklusaspekte in seine Bewertung einfließen lassen, muss dies aber nicht. So dürften z. B. viele Auftraggeber damit überfordert sein, Entsorgungsaspekte in die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots einfließen zu lassen. Bei Zuschlagskriterien im Zusammenhang mit der Herstellung oder Bereitstellung einer Leistung sollte den Auftraggebern außerdem klar sein, dass sie in der Regel keine echten Überprüfungsmöglichkeiten haben werden, sondern Eigenerklärungen der Bieter akzeptieren müssen.

IV.Festlegung der Zuschlagskriterien im Einzelfall

1.Wertungssystem

26Nach § 127 Abs. 4 GWB obliegt es dem Auftraggeber, ein Wertungssystem aufzustellen, bei dem der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und das eine wirksame Überprüfung der Angebote bezüglich der Erfüllung der Zuschlagskriterien zulässt. Auch die Vergabeordnungen enthalten keine weiterführenden Bestimmungen bezüglich zulässiger oder unzulässiger Wertungssysteme. Was sich auf den ersten Blick positiv als Gestaltungsfreiheit des Auftraggebers darstellt, entpuppt sich auf den zweiten Blick oftmals als äußerst schwieriges Unterfangen. Grund hierfür ist die umfangreiche Rechtsprechung, die von den Auftraggebern bei der Aufstellung des Wertungssystems zu berücksichtigen ist, die viele Auftraggeber überfordert und zu einer Flucht in die – politisch unerwünschte – reine Preiswertung führt. Der aktuelle Stand der Rechtsprechung zur Ausgestaltung von Wertungssystemen und zur Durchführung der Wertung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

27Der Auftraggeber hat auch bei der Auswahl des Wertungssystems und der Durchführung der Wertung einen großen Beurteilungs- und Ermessensspielraum, der allerdings insbesondere wie folgt eingegrenzt ist:

28– Keine Wertung von Eignungskriterien als Zuschlagskriterien (siehe hierzu oben Rn. 15).

28a– Keine Änderung der Zuschlagskriterien im laufenden Vergabeverfahren.18 Eine Ausnahme soll nach der Rechtsprechung für die nachträgliche Festlegung von Unterkriterien vor Ablauf der Angebotsfrist gelten, sofern dadurch die Hauptkriterien nicht abgeändert werden, die nachträglich festgelegten Unterkriterien keine Gesichtspunkte enthalten, die die Vorbereitung der Angebote hätten beeinflussen können und keine Unterkriterien festgelegt werden, welche geeignet sind, Bieter zu diskriminieren.19 Der Auftraggeber ist in diesen Fällen verpflichtet, die Unterkriterien nachträglich bekannt zu machen und gegebenenfalls die Angebotsfrist zu verlängern.20 Da die nachträgliche Festlegung von Unterkriterien häufig zu Rechtsstreitigkeiten über das Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen führt, sollte der Auftraggeber nur in Ausnahmefällen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und wenn möglich alle von ihm angewandten Zuschlagskriterien einschließlich Unterkriterien in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufführen.

29– Die Wertungskriterien müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Werden einzelne Bewertungskriterien zu gering gewichtet, handelt es sich um unzulässige Alibi-Wertungskriterien. Ein Alibi-Kriterium liegt jedenfalls bei der Gewichtung eines Wertungskriteriums mit nur 1 % vor, kann aber auch bei einer höheren prozentualen Gewichtung vorliegen.21

30– Disproportionale Wertungssysteme sind rechtswidrig. Dieses Problem wurde von der Rechtsprechung in letzter Zeit mehrfach bei der Interpolation von Preisen nach Vergabe von Preispunkten aufgegriffen. Ein disproportionales Wertungssystem liegt z. B. dann vor, wenn der Auftraggeber die Qualität auf einer Punkteskala von 0 bis 100 Punkten bewertet, bei der das beste Angebot 100 und das schlechteste 0 Punkte erhält. Eine solche Bewertung führt jedenfalls dann zu einem wettbewerbsverzerrenden Ergebnis, wenn nur zwei Bieter ein Angebot abgeben (und ist damit immer rechtswidrig).22 Ebenfalls disproportional ist eine Preiswertung, bei der für den höchsten Gesamtangebotspreis die niedrigste Punktzahl von 3 Punkten, für den niedrigsten Gesamtangebotspreis dagegen die höchste Punktzahl von 10 Punkten vergeben wird.23 Wenn Auftraggeber Preispunkte bilden, sind sie verpflichtet, das Punktesystem so auszugestalten, dass die tatsächlich angebotenen Preise im Punktesystem verhältnismäßig wiedergegeben werden. Teilweise wird auch vertreten, dass Interpolationsmethoden zur Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses generell ungeeignet sind.24

31– Zumindest problematisch sein kann die Gewichtung des Preises im Rahmen der UfAB (Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen), nachdem nachgewiesen wurde, dass eine solche Wertungsmethode zu „Flipping-Effekten“ führen kann, die zu einer Verzerrung der Zuschlagsentscheidung durch eine Abhängigkeit des Wertungssystems vom Inhalt der Angebote Dritter führen kann.25 Wenn Wertungsmethoden nach der UfAB angewandt werden, sollte daher auf eine Umrechnung des Preises in Leistungspunkte verzichtet werden. Dann allerdings ist eine Wertung nach der einfachen Richtwertmethode oder der erweiterten Richtwertmethode jedenfalls nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung eine der rechtssichersten Wertungsmöglichkeiten außerhalb einer reinen Preiswertung. Allerdings wird der Auftraggeber dabei zumindest bei der einfachen Richtwertmethode insoweit in seiner Gestaltungsfreiheit eingeschränkt, als die Leistungspunkte stets durch den Preis geteilt werden und der Preis dadurch eine hohe Wertigkeit mit einer Gewichtung von (nicht mathematisch exakt, aber annähernd) 50 % erhält.

32, 33– Unzulässig sind ferner intransparente Wertungssysteme. Bis Anfang 2017 ging die deutsche Rechtsprechung überwiegend davon aus, dass ein Wertungssystem schon dann intransparent sei, wenn die Bieter nicht erkennen können, welchen Erwartungshorizont der öffentliche Auftraggeber bei einem bestimmten Zuschlagskriterium hat und welchen Erfüllungsgrad ein Angebot aufweisen muss, um eine bestimmte Punktzahl zu erhalten.26 Intransparent sollte insbesondere die bloße Vorgabe eines Punktesystems ohne Angabe von Erwartungshorizont und Erfüllungsgrad sein (sogenannte „Schulnoten-Rechtsprechung“). In der Praxis stellte dies viele Auftraggeber vor nahezu unüberwindbare Probleme, insbesondere dann, wenn sehr viele Wertungskriterien vorlagen, die alle vorab mit Erwartungshorizont und Zielerfüllungsgrad unterlegt werden mussten.

Im Anschluss an die Dimarso-Entscheidung des EuGH27 hat die deutsche Rechtsprechung ihre sehr hohen Anforderungen an die Transparenz der Wertungssysteme abgemildert und verlangt seitdem nur noch, dass die Zuschlagskriterien hinreichend klar bestimmt sind und die Bieter dadurch vor willkürlichen Entscheidungen geschützt werden. Eine genaue Beschreibung des Erwartungshorizonts und des Erfüllungsgrads sind danach nicht mehr erforderlich.28 Auftraggeber sind infolgedessen nicht mehr verpflichtet, für jedes Zuschlagskriterium einzeln und detailliert den Erwartungshorizont und den Zielerfüllungsgrad zu definieren. Es steht einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe vielmehr in der Regel nicht entgegen, wenn der Auftraggeber für die Erfüllung qualitativer Wertungskriterien Noten mit zugeordneten Punktewerten vergibt, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl abhängen soll. Der Wertungsprozess ist allerdings sorgfältig zu dokumentieren. Nach wie vor rechtswidrig sind aber intransparente Wertungssysteme, die die Bieter nicht vor einer willkürlichen Wertung des Auftraggebers schützen. Diese können von den Vergabe-Nachprüfungsinstanzen auch von Amts wegen aufgegriffen werden.29

34– Schließlich reicht es auch bei ausreichend beschriebenen Wertungskriterien nicht, die Wertung durch eine schlichte Punktevergabe vorzunehmen. Die Vergabe einer bestimmten Punktzahl muss zusätzlich zumindest stichwortartig begründet werden.30

2.Wertung von Nebenangeboten

35Nach § 127 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Zuschlagskriterien so festzulegen, dass sie sowohl auf Hauptangebote als auch auf Nebenangebote anwendbar sind. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 45 Abs. 2 Satz 2 VRL. Gewünscht ist, dass Auftraggeber so oft wie möglich Nebenangebote zulassen, um innovativen Lösungen eine Zuschlagschance zu geben. Viele Auftraggeber kommen dieser politischen Zielvorstellung nicht oder nur zögerlich nach, weil die Wertung von Nebenangeboten zusätzliche Probleme wie die Frage der Gleichwertigkeit des Nebenangebots aufwirft und daher einen zusätzlichen Angriffspunkt in Vergabeverfahren darstellt.

3.Wertung durch den Auftraggeber selbst

36Die Wertung und die Zuschlagsentscheidung muss zwingend durch den Auftraggeber selbst erfolgen. Dritte dürfen den Auftraggeber lediglich unterstützen, ihm aber nicht die Entscheidung abnehmen. Dabei reicht es allerdings schon, wenn der Auftraggeber sich einen von einem Dritten vorbereiteten Wertungsvorschlag ausdrücklich zu eigen macht. Eine Wertung, die der Auftraggeber nicht selbst durchführt, verstößt gegen das Transparenzgebot sowie gegen den Wettbewerbsgrundsatz und ist deshalb rechtswidrig.31

4.Nachprüfbarkeit der Wertungsentscheidung

37Die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots ist nur eingeschränkt nachprüfbar.32 Die Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Auftraggeber die Grenzen seines Wertungsspielraums durch Ermessensfehlgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung oder sachfremde Erwägungen verletzt hat.33 Die Nachprüfung kann sich mithin nur auf die Frage beziehen, ob der Auftraggeber bei seiner Entscheidung das vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, aufgrund sachgemäßer und sachlich nachvollziehbarer Erwägungen entschieden hat und sich der angelegte Beurteilungsmaßstab im Rahmen der Beurteilungsermächtigung hält. Nachprüfbar ist insbesondere, ob einzelne Wertungsgesichtspunkte objektiv fehlgewichtet wurden,34 ob der Auftraggeber den Inhalt der eingereichten Angebote tatsachengetreu verwendet, den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Bestimmungen der Vergabeordnungen umfassend eingehalten sowie für die Bieter erkennbare Kriterien zugrunde gelegt und damit die Transparenz des Nachprüfungsverfahrens sichergestellt hat und ob bei der Bewertung sonstige schwere und offenkundige Fehler vorkamen.35 Die Nachprüfungsinstanzen dürfen hierbei grundsätzlich nicht die Wertung des Auftraggebers durch eine eigene Wertung ersetzen.36 Innerhalb des Beurteilungsspielraums gibt es nämlich regelmäßig nicht nur eine einzige richtige Lösung; vielmehr können unterschiedliche Beurteilungen vertretbar sein.

5.Exkurs: Kein Recht des Auftraggebers zum Zuschlag auf falsch kalkuliertes Angebot bei Unzumutbarkeit

38Bieter sind berechtigt, ihr Angebot nach Maßgabe der §§ 119 ff. BGB anzufechten. Dies löst aber nicht das für Bieter häufigste Problem des vom Recht auf Anfechtung nicht erfassten Kalkulationsirrtums. Nach einer neueren Entscheidung des BGH verstößt der Auftraggeber gegen das in § 241 Abs. 2 BGB verankerte Rücksichtnahmegebot, „wenn dem Bieter aus Sicht eines verständigen öffentlichen Auftraggebers bei wirtschaftlicher Betrachtung schlechterdings nicht mehr angesonnen werden kann, sich mit dem irrig kalkulierten Preis als einer auch nur annähernd äquivalenten Gegenleistung für die zu erbringende Bau-, Liefer- oder Dienstleistung zu begnügen“.37 Dem Bieter steht in solchen Fällen ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Ihm steht kein Recht zu, sein Angebot anzupassen.38 Im streitgegenständlichen Fall – in dem der BGH die Leistungserbringung als für den Auftragnehmer unzumutbar erachtet hat – lag eine Preisabweichung von knapp 27 % gegenüber dem nächstgünstigen Angebot vor. Der Auftraggeber hat daher auch gegen seine Verpflichtung zur Prüfung der Angemessenheit des Angebotspreises gem. § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A a. F. (§ 16d Abs. 1 Nr. 1 VOB/A n. F.) verstoßen (worauf sich der Bieter nach Auffassung des BGH allerdings nicht berufen konnte).39

V.Bekanntmachung der Zuschlagskriterien

39Nach § 127 Abs. 5 GWB müssen die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden. Da öffentliche Auftraggeber grundsätzlich verpflichtet sind, die Vergabeunterlagen zeitgleich mit der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung zum Abruf bereit zu stellen, müssen die Zuschlagskriterien bei Oberschwellenvergaben nach neuem Recht grundsätzlich schon zum Zeitpunkt der Bekanntmachung feststehen und den Bewerbern oder Bietern entweder in der Auftragsbekanntmachung selbst oder den Vergabeunterlagen mitgeteilt werden.

40Die Pflicht zur Bekanntgabe erstreckt sich nach der deutschen Rechtsprechung auch auf beim Auftraggeber vorhandene Unterkriterien40 und Wertungsmatrizen.41 Dies wird vom EuGH in einer neueren (noch zur VKR 2004/18/EG ergangenen) Entscheidung deutlich auftraggeberfreundlicher gesehen. Öffentliche Auftraggeber sind danach nicht verpflichtet, die Bewertungsmethode in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen anzugeben, wenn die Bewertungsmethode die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung nicht verändert. Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Bewertungsmethode nicht erst nach der Öffnung der Angebote festgelegt werden darf.42

§ 128 GWBAuftragsausführung

(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen einzuhalten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder einer nach § 7, § 7 a oder § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder einer nach § 3 a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.

(2) 1Öffentliche Auftraggeber können darüber hinaus besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Absatz 3 in Verbindung stehen. 2Die Ausführungsbedingungen müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. 3Sie können insbesondere wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen.

Schrifttum: Burgi, Die Förderung sozialer und technischer Innovationen durch das Vergaberecht, NZBau 2011, 77 ff.; Diemon-Wies, Soziale und ökologische Kriterien in der Vergabepraxis, VergabeR 2010, 317 ff.; Gabriel/Bärenbrinker, Der „No Spy“-Erlass des Bundesinnenministeriums: Resümee nach 1,5 Jahren und Ausblick für die weitere Praxis, VergabeR 2016, 166 ff.; Gaus, Ökologische Kriterien in der Vergabeentscheidung – Eine Hilfe zur vergaberechtskonformen nachhaltigen Beschaffung, NZBau 2013, 401 ff.; Wegener, Umweltschutz in der öffentlichen Auftragsvergabe, NZBau 2010, 273 ff.

Übersicht Rn.
A. Vorbemerkungen 1
B. Vom Auftragnehmer generell zu beachtende Verpflichtungen (§ 128 Abs. 1 GWB) 2, 3
C. Besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (§ 128 Abs. 2 GWB) 4–12

A.Vorbemerkungen

1§ 128 Abs. 1 GWB regelt, welche Rechtsvorschriften Auftragnehmer bei der Ausführung öffentlicher Aufträge stets einzuhalten haben. § 128 Abs. 2 GWB gibt öffentlichen Auftraggebern darüber hinaus die Möglichkeit, weitere Ausführungsbedingungen festzulegen. Die Vorschrift gibt dem öffentlichen Auftraggeber damit neben der Leistungsbeschreibung und den Eignungs- und Zuschlagskriterien eine weitere Möglichkeit zur Beschreibung der von ihm gewünschten Leistung an die Hand. Die Regelung der Ausführungsbedingungen in einer eigenen Vorschrift ist zu begrüßen, da öffentliche Auftraggeber diese angesichts der systematisch problematischen Verortung zusammen mit den Eignungskriterien in § 97 Abs. 4 GWB a. F. oftmals fälschlicherweise als Eignungskriterien eingestuft haben.

B.Vom Auftragnehmer generell zu beachtende Verpflichtungen (§ 128 Abs. 1 GWB)

2§ 128 Abs. 1 GWB regelt erstmals ausdrücklich, dass Auftragnehmer selbstverständlich alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten haben. Exemplarisch genannt werden sodann die Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern, Abgaben und Beiträgen zur Sozialversicherung, die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen sowie die gesetzlichen Mindestlohnverpflichtungen.

3§ 128 Abs. 1 GWB dient zunächst der Umsetzung von Art. 18 Abs. 2 VRL, wonach die geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten sind. § 128 Abs. 1 GWB geht aber über diese europarechtliche Vorgabe hinaus, indem klargestellt wird, dass auch alle anderen rechtlichen Verpflichtungen eingehalten werden müssen. Dabei ist selbstverständlich, dass maßgeblich jeweils die für den Auftragnehmer am Ort der Leistungserbringung geltenden rechtlichen Verpflichtungen sind. In der Gesetzesbegründung werden hierfür zwei Beispiele genannt1: Während bei der Beauftragung eines Call-Centers die an dessen Betriebsort geltenden rechtlichen Verpflichtungen anzuwenden sind, werden bei Warenlieferungen dagegen in der Regel die am Sitz des öffentlichen Auftraggebers geltenden Vorschriften zu beachten sein.

C.Besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (§ 128 Abs. 2 GWB)

4Über die nunmehr in § 128 Abs. 1 GWB gesetzlich statuierte Pflicht zur Einhaltung aller für den Auftragnehmer geltenden rechtlichen Verpflichtungen kann der öffentliche Auftraggeber nach § 128 Abs. 2 GWB darüber hinaus gehende besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags festlegen. Für diese besonderen Bedingungen wird der gesetzliche Begriff „Ausführungsbedingungen“ eingeführt.

5Einer gesonderten Begründung des öffentlichen Auftraggebers für die Vorgabe von Ausführungsbedingungen bedarf es nicht. Inhaltlich ist die einzige Schranke für Ausführungsbedingungen, dass diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Abs. 3 GWB in Verbindung stehen müssen. § 128 Abs. 2 Satz 3 GWB nennt beispielhaft („insbesondere“) wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen. Die früheren Auseinandersetzungen, ob innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange als Ausführungsbedingungen festgesetzt werden können, ist dadurch positiv entschieden.

6Mit der Zulässigkeit von Ausführungsbedingungen zum Schutz der Vertraulichkeit von Informationen ist klargestellt, dass auch sogenannte „No Spy-Klauseln“ zulässig sind, mit denen der Auftraggeber verlangt, dass Bieter bei Vergabeverfahren mit möglicher Sicherheitsrelevanz erklären müssen, dass sie sich verpflichten, im Falle des Zuschlags alle im Rahmen des Vertragsverhältnisses erlangten und vertraulichen Informationen, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse vertraulich zu behandeln und nicht an Dritte weiterzugeben oder anders als zu vertraglichen Zwecken zu verwenden.2 Mit No Spy-Klauseln soll insbesondere verhindert werden, dass Auftragnehmer vertrauliche Informationen an Behörden anderer Staaten weiterleiten, wie es unter anderem US-amerikanische Sicherheitsbehörden von US-amerikanischen Unternehmen verlangen können, die Kontrolle über diese Daten haben. Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass derartige No Spy-Erklärungen zulässig sind, wenn sie diskriminierungsfrei von allen Bietern verlangt werden (und damit den Weg für den Ausschluss aller Bieter freigemacht, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht bereit sind, die No Spy-Erklärung abzugeben).3

7Durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ wird klargestellt, dass der Auftraggeber nicht gehindert ist, weitere auftragsbezogene Ausführungsbedingungen festzulegen. Ohne Auftragsbezug – und damit unzulässig – sind lediglich allgemeinpolitische Forderungen, wie zum Beispiel die Beachtung bestimmter Quoten bei der Zusammensetzung eines Organs des Auftragnehmers (Vorstand, Geschäftsführung oder Aufsichtsrat). Zulässig wäre es hingegen, Quoten für die Mitarbeiter vorzugeben, die in die konkrete Auftragsausführung eingebunden sind.

8Ausführungsbedingungen werden nicht gewertet. Der Auftraggeber muss vielmehr erklären, dass er die vom Auftraggeber geforderten Ausführungsbedingungen bei Ausführung des Auftrags einhalten wird. Tut er dies nicht, ist sein Angebot zwingend auszuschließen. Faktisch handelt es sich bei Ausführungsbedingungen damit um Mindestanforderungen.

9In formaler Sicht ist zu beachten, dass die Ausführungsbedingungen sich entweder aus der Auftragsbekanntmachung oder aus den Vergabeunterlagen ergeben müssen. Die Ausführungsbedingungen müssen nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden. Es genügt, dass über die Bieter erkennbar ist, dass der Auftraggeber in diesen Vorgaben für die Auftragsausführung macht. Bieter können damit frühzeitig erkennen, ob sie bereit bzw. in der Lage sind, die vom Auftragnehmer bei Auftragsausführung zwingend zu berücksichtigenden Ausführungsbedingungen zu beachten. Sind sie dies nicht, so können sie auf die Beteiligung am Vergabeverfahren verzichten.

10Die Einhaltung von Ausführungsbedingungen kann nicht im Vergabeverfahren, sondern erst bei der Auftragsausführung geprüft werden. Der öffentliche Auftraggeber ist daher nicht berechtigt, im Vergabeverfahren Belege für die Einhaltung der Ausführungsbedingungen zu verlangen (z. B. Vorhandensein von besonders energieeffizienten Geräten, die zur Ausführung des Auftrags benötigt werden, oder von Personal, das die vom Auftraggeber für die Ausführung des Auftrags vorgegebenen Kriterien erfüllt).

11Stellt der Auftraggeber während der Auftragsausführung fest, dass der Auftragnehmer die von ihm aufgestellten Ausführungsbedingungen nicht einhält, so kann er zivilrechtliche Konsequenzen ziehen. Zur Stärkung der eigenen Position ist Auftraggebern zu empfehlen, die Ausführungsbedingungen vertraglich abzusichern, insbesondere durch Vertragsstrafenregelungen und Kündigungsrechte.4

12§ 128 Abs. 2 GWB ist aus Gleichbehandlungsgründen zweifellos bieterschützend. Ob dies auch bezüglich § 128 Abs. 1 GWB der Fall ist, ist umstritten; zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass die Beachtung der gesamten Rechtsordnung durch ein konkurrierendes Unternehmen nicht drittschutzfähig sei.5

§ 129 GWBZwingend zu berücksichtigende Ausführungsbedingungen

Ausführungsbedingungen, die der öffentliche Auftraggeber dem beauftragten Unternehmen verbindlich vorzugeben hat, dürfen nur aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes festgelegt werden.

Übersicht Rn.
A. Vorbemerkungen 1
B. Praktische Bedeutung: Gesetzesvorbehalt für zwingend zu berücksichtigende Ausführungsbedingungen 2–4

A.Vorbemerkungen

1§ 129 GWB ergänzt § 128 GWB. Während in § 128 GWB das Recht des Auftraggebers zur Festlegung von Ausführungsbedingungen geregelt wird, begrenzt § 129 GWB die Möglichkeit, öffentlichen Auftraggebern zwingend zu berücksichtigende Ausführungsbedingungen aufzuerlegen. Die Vorschrift hat gewisse Ähnlichkeit mit § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB a. F., geht aber über diesen hinaus. Während in § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB a. F. lediglich die Befugnis von Auftraggebern zur Aufstellung von anderen oder weitergehenden Anforderungen beschränkt wurde, beschränkt § 129 GWB (auch) die Befugnis von Bundes- oder Landesregierungen oder sonstigen Behörden, die Auftraggeber durch Erlass zur Festlegung bestimmter Ausführungsbedingungen zu verpflichten.

B.Praktische Bedeutung: Gesetzesvorbehalt für zwingend zu berücksichtigende Ausführungsbedingungen

2§ 129 GWB stellt klar, dass der Auftraggeber nur aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes verpflichtet werden kann, dem Auftragnehmer bestimmte Ausführungsbedingungen verbindlich vorzugeben. Damit wird sichergestellt, dass weder der Bund noch die Länder noch sonstige Stellen zwingend zu berücksichtigende Ausführungsbedingungen durch Erlass festsetzen können. Es bedarf vielmehr einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, wobei die Formulierung „aufgrund eines Gesetzes“ bedeutet, dass die entsprechende Festlegung entweder durch ein förmliches Parlamentsgesetz oder durch eine auf der Grundlage eines förmlichen Parlamentsgesetzes beruhende untergesetzliche Rechtsnorm (insbesondere eine Verordnung) erfolgen kann.1

3Durch § 129 GWB wird damit insbesondere klargestellt, dass die Länder den ihrer Gesetzgebungskompetenz unterliegenden Auftraggebern zwingend zu berücksichtigende Ausführungsbedingungen nur auf gesetzlicher Grundlage auferlegen dürfen; eine Auferlegung durch Erlass wäre unzulässig. Von dieser Möglichkeit haben alle Bundesländer außer Bayern durch den Erlass von Landesvergabegesetzen Gebrauch gemacht.

4Durch die Vorschrift nicht verboten werden Selbstverpflichtungen. Sofern ein Auftraggeber von ihm selbst für sinnvoll erachtete Ausführungsbedingungen in jedem Vergabeverfahren oder in bestimmten Vergabeverfahren immer vorgeben will, wird er daran durch § 129 GWB nicht gehindert. § 129 GWB beschränkt lediglich solche Verpflichtungen, die dem Auftraggeber von höherer Stelle auferlegt werden. Nicht von § 129 GWB erfasst werden daher auch Selbstverpflichtungen, die ein Gremium eines Auftraggebers der Verwaltung (desselben) öffentlichen Auftraggebers macht. Ein Gemeinderat wird daher durch § 129 GWB nicht in seinem Recht beschnitten, der Verwaltung der Gemeinde Vorgaben bezüglich der von dieser zu berücksichtigenden Ausführungsbedingungen zu machen. Das gleiche gilt für Beschlüsse des Aufsichtsrats, des Vorstands oder der Geschäftsführung eines privatrechtlich organisierten öffentlichen Auftraggebers. In beiden Fällen handelt es sich um bloße interne Selbstverpflichtungen, die ein Organ des Auftraggebers einem anderen Organ desselben öffentlichen Auftraggebers macht.

§ 129a GWB(weggefallen)

§ 129b GWB(weggefallen)

§ 130 GWBVergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen

(1) 1Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU stehen öffentlichen Auftraggebern das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, der wettbewerbliche Dialog und die Innovationspartnerschaft nach ihrer Wahl zur Verfügung. 2Ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb steht nur zur Verfügung, soweit dies aufgrund dieses Gesetzes gestattet ist.

(2) Abweichend von § 132 Absatz 3 ist die Änderung eines öffentlichen Auftrags über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig, wenn der Wert der Änderung nicht mehr als 20 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes beträgt.

Schrifttum: Burgi/Krönke, Es zählt mehr als nur der Preis – Qualität und Nachhaltigkeit sozialer Dienstleistungen nach dem neuen Vergaberecht, SRa 2017, 222; Csaki, Vorliegen einer Auswahlentscheidung bei öffentlichem Auftrag – Open-House-Modell, NZBau 2018, 598; Dreher, Die Open-House-Verfahren – Entwicklung und Stand der vergaberechtsfreien Zulassungsverfahren, NZBau 2019, 275; Fülling, Die Reform des Vergaberechts und ihre Auswirkungen auf die Erbringung sozialer Dienstleistungen, SRa, 2017, 226; Gerner, Die neue EU-Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe im Bereich sozialer Dienstleistungen und deren Umsetzung in nationales Recht, NZS 2016, 492; Hansen, Vergaberecht in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 18.4.2016, NZS 2016, 814; Höfer/Nolte, Das neue EU Vergaberecht und die Erbringung sozialer Leistungen, NZS 2015, 441; Kappelhoff, Vergabe von sozialen Dienstleistungen nach neuem Vergaberecht, AnwZert BauR 11/2017, Anm. 2; Koop, Die (Nicht-)Anwendbarkeit des neuen Vergaberechts auf Verträge nach § 21 SGB IX über die Erbringung von Rehabilitationsleistungen, NZS 2017, 103; Meyer-Hofmann/Bördner/Kruse, Die Ausschreibung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation – Unter den Blickwinkeln der Vergaberechtsreform und Open-House-Rechtsprechung, NZS 2018, 473; Pauka, Die Vergabe von Anwaltsdienstleistungen nach der VgV und der UVgO, ZfBR 2017, 651; Sen, Wettbewerb im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis und Ausschreibungen nach EU-Vergaberecht, SRa 2017, 90; Wagner, Ausschreibung von sozialen Dienstleistungen – Wird durch das neue Vergaberecht alles anders?, ZG 2017, 58; Wilke, Ausschreibungen in der beruflichen Rehabilitation, NZS 2012, 444; Willenbruch, Der Open-House-Vertrag – vergaberechtliche Fragen und Antworten, VergabeR 2017, 419.

Übersicht Rn.
A. Überblick 1–3
B. Strukturelemente des neuen Sonderregimes nach der VRL 4–25
I. Entfallen der Unterscheidung zwischen A- und B-Dienstleistungen 4–6
II. Erhöhter Schwellenwert 7, 8
III. Anwendungsbereich 9–25
1. Abgrenzung und Ausnahmen von der öffentlichen Auftragsvergabe und Dienstleistungskonzession 9–18
2. Soziale und andere besondere Dienstleistungen gemäß Anhang XIV 19–25
C. Verfahren 26, 27
D. Zulässige Auftragsänderungen 28

A.Überblick1

1In Umsetzung der Art. 74 ff. VRL legt § 130 GWB die besonderen erleichterten Vergabevorschriften für soziale und andere besondere Dienstleistungen i. S. v. Anhang XIV VRL fest (Sonderregime). Zudem gilt ein erhöhter Schwellenwert von 750.000 Euro (Art. 74 i. V. m. Art. 4 lit. d) VRL).2

2In der Regel haben insbesondere personenbezogene Dienstleistungen, wie etwa bestimmte Dienstleistungen im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich, lediglich eine begrenzte Binnenmarktrelevanz. Denn die Erbringung solcher Dienstleistungen, z. B. die Überlassung von Haushaltshilfen und Pflegepersonal oder administrative Dienstleistungen im Bereich der allgemeinen oder beruflichen Bildung, ist aufgrund unterschiedlicher administrativer, organisatorischer oder kultureller Traditionen in den EU-Mitgliedstaaten verschieden ausgestaltet und verleiht ihnen einen besonderen Charakter. Ferner werden entsprechende Dienstleistungen häufig lokal und in einem spezifischen Kontext erbracht.3 Die daher nur geringe grenzüberschreitende Dimension rechtfertigt die Anwendung erleichterter Vergaberegeln, um dem sensiblen Charakter dieser Dienstleistungen ausreichend Rechnung zu tragen.4

3Das Sonderregime zeichnet sich dadurch aus, dass lediglich die primärrechtlichen Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung sowie die EU-weite Bekanntmachung der beabsichtigten Vergabe und der Vergabeentscheidung zu beachten sind. Im Übrigen wird den Mitgliedstaaten ein weiter Ermessensspielraum bei der Festlegung der Verfahrensregeln eingeräumt. Dabei muss dem öffentlichen Auftraggeber ermöglicht werden, den Besonderheiten der jeweiligen Dienstleistungen Rechnung zu tragen. Die nationalen Gesetzgeber haben hierbei insbesondere Art. 14 AEUV und Protokoll Nr. 26 des AEUV über Dienste von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse zu berücksichtigen.5 Von diesem gesetzgeberischen Spielraum macht der Bundesgesetzgeber im Wege des § 130 sowie über die Ermächtigung des § 113 auf Verordnungsebene in §§ 64 ff. VgV Gebrauch.

B.Strukturelemente des neuen Sonderregimes nach der VRL

I.Entfallen der Unterscheidung zwischen A- und B-Dienstleistungen

4Mit der neuen VRL entfällt die bisherige Unterscheidung von sog. prioritären und nichtprioritären Dienstleistungen gem. Art. 20 ff. i. V. m. Anhang II Teil A und B VKR 2004/18 (A- und B-Dienstleistungen). Das neue Sonderregime der VRL findet nunmehr auf sämtliche, in Annex XIV aufgezählten sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen Anwendung. Damit werden auch bestimmte bisherige B-Dienstleistungen in das erleichterte Vergaberechtsregime überführt, wie etwa eine Reihe von Dienstleistungen aus dem Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe.

5Die frühere, in VKR 2004/18 vorgenommene Unterscheidung kategorisierte Dienstleistungen abhängig von ihrer Binnenmarktrelevanz. In einem ersten Schritt sollten nur prioritäre Dienstleistungen nach Anhang II Teil A den Vorschriften des EU-Vergaberechts unterfallen (Art. 23–55 VKR 2004/18), um sämtliche Möglichkeiten für eine Zunahme des grenzüberschreitenden Handels voll auszunutzen.6 Hierzu gehörten z. B. Instandhaltung und Reparatur oder finanzielle Dienstleistungen. Nichtprioritäre Dienstleistungen nach Anhang II Teil B hingegen, etwa Rechtsberatung oder Arbeits- und Arbeitskräftevermittlung, unterlagen aufgrund ihrer geringen grenzüberschreitenden Dimension lediglich begrenzten Vorgaben zu technischen Spezifikationen und der Pflicht zur Vergabebekanntmachung (Art. 23 und 35 Abs. 4 VKR 2004/18). Dennoch fanden die Primärrechtsgrundsätze auch auf nichtprioritäre Dienstleistungen Anwendung. Der EuGH hatte in der Vergangenheit aus diesen Grundsätzen konkrete Verpflichtungen – wie z. B. die vorherige Bekanntmachung bei eindeutigem grenzüberschreitenden Interesse – abgeleitet.7

6Bei den Vorarbeiten zur VRL kam die EU-Kommission zu dem Ergebnis, dass die seit der RL 92/50/EWG8 im Wesentlichen unveränderte Differenzierung durch die steigende Zahl grenzüberschreitender Vergaben auf ihr Fortbestehen überprüft werden müsse. Da die Privilegierung bestimmter B-Dienstleistungen mit nunmehr erhöhter Binnenmarktrelevanz nicht mehr gerechtfertigt war, wurde der Anwendungsbereich der VRL auf eine Reihe von Dienstleistungen ausgeweitet.9 Die Aufgabe der A- und B-Dienstleistungen war im EU-Parlament und Ministerrat aufgrund der spezifischen Natur der entsprechenden Dienstleistungen sowie der Befürchtung vor mehr Bürokratie oder Verzögerungen in der Auftragsvergabe nicht unumstritten10 und gehörte zu den Kernpunkten der Verhandlungen auf EU-Ebene. Dabei wurde etwa bis zuletzt um einzelne Dienstleistungen und Formulierungen für die von den erleichterten Vergaberegeln erfassten CPV-Codes bzw. vollständige Bereichsausnahmen von der VRL zwischen den Unionsgesetzgebern gerungen. Vor diesem Hintergrund führt der letztlich erreichte Kompromiss über das Sonderregime nunmehr die unterschiedlichen Interessen ausgewogen zusammen und ist im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung sowie von mehr Wettbewerb, Transparenz und Effizienz öffentlicher Ausgaben im europäischen Binnenmarkt begrüßenswert.

II.Erhöhter Schwellenwert

7Die erleichterten Vorschriften finden gem. Art. 74 i. V. m. Art. 4 lit. d) VRL auf öffentliche Dienstleistungsaufträge betreffend soziale und andere besondere Dienstleistungen Anwendung, deren geschätzter Wert 750.000 Euro überschreitet.11 Unterhalb dieses Schwellenwerts kann davon ausgegangen werden, dass für entsprechende Dienstleistungen in der Regel kein grenzüberschreitendes Interesse für Dienstleister aus anderen Mitgliedstaaten besteht.12 Ob ein solches Interesse besteht, ist grundsätzlich im Einzelfall unter Würdigung aller maßgeblichen Gegebenheiten zu beurteilen. Dabei ist nicht der Auftragswert allein entscheidend, da sich z. B. Ballungsräume manchmal über das Gebiet mehrerer Mitgliedstaaten erstrecken können.13 Vielmehr ist eine Prognose der konkreten Marktverhältnisse einschließlich der Branchenkreise, des Orts der Leistungserbringung oder des Auftragsvolumens anzustellen.14 Abgesehen von einem geringen Auftragswert können auch die Merkmale einer Sozialdienstleistung sowie des betreffenden Marktsegments gegen ein grenzüberschreitendes Interesse sprechen.15 Ein Anhaltspunkt für das Bestehen eines solchen Interesses kann beispielsweise auch die Finanzierung grenzüberschreitender Projekte durch die Union sein.16 Anders als bei den übrigen, an das GPA angelehnten Schwellenwerten erfolgt keine automatische und regelmäßige Anpassung.17 Obgleich der praktische Anwendungsbereich der besonderen Vergaberegeln aufgrund der Höhe des Schwellenwerts zunächst wohl eher gering bleiben dürfte,18 sollte man die Entstehungsgeschichte der Neuregelung nicht außer Acht lassen. Denn selbst mit dem ursprünglich vorgeschlagenen Schwellenwert von 500.000 Euro blieb der Kommissionsvorschlag19 aufgrund der neuen, einheitlichen Verfahrenspflichten für A- und B-Dienstleistungen ein Streitpunkt. Erst nach zähen Verhandlungen und dem Zugeständnis eines erhöhten Schwellenwerts konnten sich EU-Parlament und Ministerrat überhaupt mehrheitlich auf das Sonderregime verständigen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass bei künftigen Überarbeitungen der EU-Richtlinien nicht nur der Schwellenwert, sondern das gesamte Sonderregime nochmals auf den Prüfstand gestellt werden wird.

8Bund und Länder haben sich trotz des nur geringen grenzüberschreitenden Interesses entschieden, im Rahmen der UVgO das neue Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen i. S. dieser Vorschrift grundsätzlich auch unterhalb der EU-Schwellenwerte anzuwenden.20 Hintergrund ist, dass im Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene anlässlich der umfassenden Reform EU-weiter Vergaben abermals eine Ausweitung auf den Unterschwellenbereich diskutiert worden war.21 Denn im Vergabeverfahren mit lediglich nationaler Publizität griff bislang in erster Linie, neben dem Primärrecht, das Haushaltsrecht.22 Da Beschaffungen beispielsweise durch die Bundesagentur für Arbeit oder im Gesundheitsbereich oftmals höhere Auftragsvolumen erreichen, als etwa Projekte der Jugendhilfe, kam es bei den entsprechenden Dienstleistungen somit zu unterschiedlichen Verfahrensregeln.23 Diese Unterscheidung der Vergabevorschriften wurde mit der geringen Binnenmarktrelevanz kleinerer, lokal begrenzter Projekte sowie des besonderen Charakters sozialer und anderer besonderer Dienstleistungen allgemein gerechtfertigt. Die Neuregelung schafft nunmehr aber auch im Bereich der nationalen Vergaben von Sozialdienstleistungen mehr Kohärenz und Rechtssicherheit.

III.Anwendungsbereich

1.Abgrenzung und Ausnahmen von der öffentlichen Auftragsvergabe und Dienstleistungskonzession

9Die VRL erfasst nur diejenigen Formen öffentlicher Ausgaben, die für den Erwerb von Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen im Wege eines öffentlichen Auftrags getätigt werden und präzisiert – ohne den Anwendungsbereich der VKR 2004/18/EG zu erweitern – aufgrund der zunehmenden Vielfalt öffentlicher Tätigkeiten den Begriff der Auftragsvergabe. Damit sind verschiedene Konstellationen im Bereich der sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen von der Auftragsvergabe abzugrenzen, wie etwa die Lieferung einer Ware zur Erfüllung eines Sozialleistungsanspruchs oder infrastrukturelle Dienstleistungen und Waren zur Gewährleistung von Sozialleistungspflichten. Hierbei ist insbesondere bei Zusammentreffen unterschiedlicher Leistungen der Hauptgegenstand maßgeblich.24

10Zunächst stellt der Unionsgesetzgeber klar, dass die Mitgliedstaaten in eigener Entscheidung die Erbringung von gesetzlichen sozialen Dienstleistungen oder anderen Dienstleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse oder als nichtwirtschaftliche Dienstleistung von allgemeinem Interesse oder als eine Mischung davon organisieren können.25 Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung. Beide Formen unterfallen dem Begriff der Dienste von allgemeinem Interesse (DAI) gemäß dem Protokoll Nr. 26 des AEUV. DAI werden von den mitgliedstaatlichen Behörden auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene als im Allgemeinen Interesse liegend eingestuft und unterliegen deshalb spezifischen Gemeinwohlverpflichtungen.26

11Die Vorschriften des Binnenmarkts, Wettbewerbsrechts oder sonstige spezifischen EU-Regeln finden auf nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse keine Anwendung; lediglich allgemeine Primärrechtsgrundsätze können hinsichtlich bestimmter Aspekte greifen.27 Aus diesem Grunde sind diese Dienste gänzlich vom Anwendungsbereich der VRL ausgenommen, so z. B. Dienstleistungen im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung.28

12Bei Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI) – erwähnt in Art. 14, 106 Abs. 2 und Protokoll Nr. 26 des AEUV – handelt es sich dagegen um wirtschaftliche Tätigkeiten, die dem Allgemeinwohl dienen und ohne staatliche Eingriffe am Markt überhaupt nicht oder in Bezug auf Qualität, Sicherheit, Bezahlbarkeit, Gleichbehandlung oder universalen Zugang nur zu anderen Standards durchgeführt werden können.29 Hierunter können auch wirtschaftlich organisierte Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse (SDAI) fallen, wie z. B. Gesundheitsdienstleistungen, Systeme der sozialen Sicherung oder andere persönliche Dienstleistungen mit präventiver und sozial integrierender Funktion.30 Besteht eine Pflicht zur Bereitstellung einer bestimmten DAWI gegen Vergütung, müssen öffentliche Auftraggeber unabhängig davon, ob das verfolgte Ziel im Allgemeininteresse liegt, sowohl das europäische Beihilfenrecht – das sog. DAWI-Paket – als auch das EU-Vergaberecht beachten.31

13Den Mitgliedstaaten und Behörden steht es gemäß der VRL ferner frei, die entsprechenden Dienstleistungen selbst zu erbringen oder soziale Dienstleistungen in einer Weise zu organisieren, die nicht mit der Vergabe öffentlicher Aufträge verbunden ist. Dabei hat die neue Richtlinie bei den Umsetzungsarbeiten auf Bundesebene erneut zu der Diskussion geführt, ob Verträge, bei denen der öffentliche Auftraggeber – hierzu gehören unstreitig auch Träger der gesetzlichen Sozialversicherung – keine Auswahlentscheidung trifft, dem Vergaberecht unterliegen.32 Dies ist vor allem im Bereich des Gesundheitswesens umstritten.

14Die VRL selbst stellt klar, dass es sich mangels einer Auswahlentscheidung nicht um eine Auftragsvergabe handelt, wenn eine bloße Finanzierung solcher Dienstleistungen vorliegt. Auch die Vergabe durch Erteilung von Lizenzen oder Genehmigungen sowie einfache Zulassungssysteme fallen nicht unter das Vergaberecht. Voraussetzung hierfür ist, dass keinerlei Selektivität bzw. Beschränkungen oder Festlegung von Quoten bestehen und alle Wirtschaftsteilnehmer die vom öffentlichen Auftraggeber vorab festgelegten Bedingungen zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe erfüllen.33 Ein solches System muss jedoch eine ausreichende Bekanntmachung gewährleisten und den Grundsätzen der Transparenz und Nichtdiskriminierung genügen.34 Der EuGH hat die Voraussetzungen an die Vergaberechtsfreiheit von sogenannten Open-House-Modellen in seinen richtungsweisenden und viel diskutierten Entscheidungen am Beispiel von Arzneimittelrabattverträgen sowie außerhalb des Gesundheitswesens zum System der landwirtschaftlichen Betriebsberatung konkretisiert und dabei die Auswahl als wesentliches Abgrenzungsmerkmal bestätigt.35 Weitere Beispiele für solche Zulassungssysteme sind die Auswahl durch den Kunden und Dienstleistungsgutscheinsysteme, wie etwa Zulassungen für Arzneimittel, ärztliche Dienstleistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankversicherung oder Kita-Gutscheine.36

15Der Bundesgesetzgeber schließt vor diesem Hintergrund daraus, dass die Zulassung von Dienstleistungserbringern von Pflegeeinrichtungen sowie die Feststellung der fachlichen Eignung im Rahmen der Zulassung besonderer Dienste und besonderer Einrichtungen ebenso wenig den Vorschriften der VRL unterfallen. Ferner soll auch auf das sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis das Vergaberecht keine Anwendung finden.37

16Diese Klarstellung in der Gesetzesbegründung zum GWB hat erhebliche Auswirkungen auf den Streit um die zwingende Ausschreibungspflicht im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsträger, Leistungserbringer und Leistungsberechtigtem. Das Sozialrecht und europäische Vergaberecht stehen hier aufgrund unterschiedlicher Zielrichtungen in einem besonderen Spannungsverhältnis.38 Denn die Begrenzung der Ausnahme auf Leistungen der Sozialhilfe – als Unterfall des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses – hat zur Folge, dass dieses nicht per se vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgeschlossen ist.39 Damit sind die Leistungserbringung in Sozialversicherungssystemen insgesamt sowie insbesondere in der Rehabilitation40 im SGB IX grundsätzlich ausschreibungspflichtig.

17Ob das Vergaberecht bei Sozialleistungen im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis tatsächlich Anwendung findet, ist folglich von der jeweiligen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Sozialleistungsträger – dieser ist öffentlicher Auftraggeber i. S. d. Vergaberechts – und Leistungserbringer sowie von Finanzierungsform und Angebotsgestaltung abhängig.41Sozialleistungen werden entweder vom Leistungsträger selbst als Geldleistung oder durch eigenes Personal bzw. als Verwaltungshelfer tätige private Dienstleister als Sachleistungen erbracht. ­Bedient sich der Sozialleistungsträger – aufgrund Bewilligung – privater Leistungserbringer für die Erbringung von Sozialleistungen gegen unmittelbare entgeltliche Vergütung, kann dies zum Vorliegen eines entgeltlichen Beschaffungsvertrags und somit zur Anwendung des Vergaberechts führen.42 Bisher wurde ein solcher Beschaffungsvertrag verneint, wenn die Zulassung von Leistungserbringern ohne jegliche Auswahlentscheidung erfolgte und hierfür lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen waren. Dies wird nun durch die VRL bestätigt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Kriterium der Auswahlentscheidung nunmehr ebenso für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession und die Anwendung der neuen KVR gilt. In Abgrenzung zu einem entgeltlichen Beschaffungsvertrag können somit künftig die neuen sekundärrechtlichen Vorschriften – diese sehen kein Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen vor – der KVR unter Umständen auf bestimmte Leistungserbringungen im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis bei Fehlen einer unmittelbaren entgeltlichen Vergütung Anwendung finden.43

18Die grundsätzliche Einbeziehung des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses in den Anwendungsbereich des Vergaberechts ist sowohl europarechtlich als auch ordnungspolitisch gerechtfertigt.44 Die Erwägungsgründe der VRL – sowie auch in der KVR – unterstreichen eindeutig die mitgliedstaatliche Gestaltungshoheit der sozialen Sicherheitssysteme wie auch die Bedeutung einer Auswahlentscheidung als Abgrenzungskriterium für einen öffentlichen Auftrag. Übernimmt ein Leistungserbringer gegen Vergütung aufgrund einer Bewilligung des Sozialleistungsträgers die Erbringung von Sachleistungen, z. B. bei Rehabilitation oder Leistungen gesetzlicher Krankenversicherungsträger, handelt es sich um eine Beschaffung i. S. d. Vergaberechts. Dabei entsteht keine Rechtsbeziehung zwischen dem Leistungserbringer und dem Leistungsberechtigten; vielmehr betrifft die Leistung das Verhältnis zwischen Empfänger und Sozialleistungsträger mit Bezug auf den Sozialleistungsanspruch. Dies steht auch einem Wunsch- und Wahlrecht bei Sozialleistungen nicht entgegen.45 Gleichzeitig sind die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung nach § 69 Abs. 2 SGB IV den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichtet, wozu auch die Durchführung transparenter Vergaben beiträgt. Denn der möglichst effiziente Einsatz öffentlicher Gelder war eines der wesentlichen Ziele bei der Revision der VRL. Schließlich folgt die Anwendbarkeit des Vergaberechts neben dem Sozialrecht auch aus Art. 3 Abs. 1 GG, der den gleichen Zugang aller privaten Dienstleister zu öffentlichen Aufträgen im Rahmen wettbewerblicher Vergabeverfahren gewährleistet.46 Wird somit ein Auftrag rechtswidrig freihändig vergeben, kann die Vergabe in einem Nachprüfungsverfahren angegriffen werden; etwaige, einer Ausschreibung entgegenstehende sozialrechtliche Gründe müssen ebenfalls in einem solchen Verfahren beschieden werden.47

Vergaberecht

Подняться наверх