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VI.Ein Fall zum Üben

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63Übungsfall 12: „Lederriemen-Fall“26

Die späteren Angeklagten K. und J. hatten zu dem homosexuellen Versicherungskaufmann M. eine Beziehung aufgenommen, die sie finanziell ausnutzen wollten. Sie wollten sich von ihm gewaltsam Geld und Kleidungsstücke, mindestens einen Anzug für jeden, beschaffen. Zu diesem Zweck beschlossen sie, ihn mit einem ledernen Hosenriemen (Gürtel) zu würgen, um ihn widerstandsunfähig zu machen und dann in Ruhe aus seiner Wohnung diejenigen Sachen wegnehmen zu können, die sie gebrauchen konnten. Beide erkannten, dass eine solche Drosselung über die Bewusstlosigkeit hinaus auch den Tod des Opfers herbeiführen könnte, sie wollten diesen Erfolg jedoch vermeiden. Deshalb versuchten sie vergeblich ihn mit Schlaftabletten widerstandsunfähig zu machen. Danach beschlossen K. und J., den M. mit einem Sandsack zu betäuben, was sie für weniger gefährlich hielten, weil der Sandsack sich beim Zuschlagen der Schädelform anpassen würde und deshalb keine ernsthaften Verletzungen eintreten könnten. Am Tatabend begaben sie sich zu M. und baten ihn, sie bei sich übernachten zu lassen. K. hatte den Sandsack und J. für alle Fälle den Lederriemen mitgenommen. Gegen vier Uhr morgens schlugen sie zweimal kräftig mit dem Sandsack auf den Kopf des schlafenden M. Dies hatte jedoch nicht die erhoffte Wirkung. Der Sandsack platzte, M. erwachte und setzte sich zur Wehr. Nun warfen sie dem M. den Lederriemen über den Kopf. Als der Riemen über Kreuz geschlungen fest am Hals des M. anlag, zog jeder von ihnen mit aller Kraft an einem der Riemenenden so lange, bis M. in das Bett sank, die Arme fallen ließ und keinen Laut mehr von sich gab. Dann lockerten sie den Riemen. Sobald M. sich wieder rührte, zogen sie den Riemen enger zusammen. M. starb an der Drosselung, von K. und J. unbemerkt, während diese die Wohnung durchsuchten. Nach vergeblichen Wiederbelebungsversuchen verließen sie dann die Wohnung.

Wie haben sich K. und J. strafbar gemacht?

Im „Lederriemen-Fall“ (Übungsfall 12) liegt die entscheidende Frage darin, ob man bedingten Tötungsvorsatz annimmt oder nicht. Zum richtigen Aufbau des Gutachtens ist am besten mit der Prüfung des Totschlags (§ 212 I) zu beginnen.27 Der objektive Tatbestand ist offensichtlich

zu bejahen, da K. und J. durch die brutale Drosselung mit dem Gürtel den Tod des M. kausal und gemeinschaftlich (§ 25 II) verursacht haben. Im subjektiven Tatbestand geht es entscheidend um die Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit. Die richtige Problemlokalisierung liegt nach obiger Merkformel eindeutig beim jeweiligen voluntativen Element. Danach lautet die entscheidende Frage: Haben K. und J. den Tod des M. „in Kauf genommen“ bzw. sich damit „abgefunden“ oder haben sie (pflichtwidrig) darauf vertraut, dass der M. nicht sterben werde? Die Argumentation ist nahe am Sachverhalt vorzunehmen. Für eine Fahrlässigkeitslösung könnten folgende Fakten sprechen: Im gesamten Tatablauf ist das Bestreben der Täter zu erkennen, den Tod des M. möglichst zu vermeiden: Die Schlaftabletten sollten ihn nur einschläfern und widerstandsunfähig machen. Die Überlegungen mit dem Sandsack, der sich beim Schlag der Schädelform anpassen sollte, sprechen eher dafür, dass K. und J. den Tod des M. nicht wollten. „Hör auf!“ ruft K., als es ihm zu gefährlich wurde. Die Täter lockern immer wieder den Lederriemen, wenn die Gefahr des Todes nahe rückt. Wer macht Reanimationsversuche, wenn er den Tod des Opfers will? Gegen die genannten Argumente gibt es folgende Einwände: Der Gewalteinsatz von K. und J. eskaliert im Verlauf der Tat ständig und erheblich. Begonnen hat alles mit dem relativ harmlosen und erfolglosen Versuch, den M. mit Schlaftabletten einzuschläfern. Dann steigert sich die Gewalt mit dem Einsatz des Lederriemens. Spätestens in dem Zeitpunkt, als beide Täter ihr Opfer „mit aller Gewalt“ drangsalieren, indem sie an beiden Enden des Gürtels so lange ziehen, bis M. in das Bett sank, sich nicht mehr bewegte und keinen Laut mehr von sich gab, ist die ursprüngliche bloße Fahrlässigkeit in Vorsatz umgeschlagen. Denn jetzt können sie nicht mehr darauf vertrauen, dass dem M. nichts passiert. Der BGH hat dies in einem bemerkenswert deutlichen Leitsatz zum Ausdruck gebracht: „Man kann einen Erfolg auch in Kauf nehmen, wenn er einem an sich unerwünscht ist.“ Mit dieser Formulierung hat der BGH im Lederriemen-Fall den Vorsatz, damit den Totschlag, den Tatbestand des Mordes und schließlich die lebenslange Freiheitsstrafe begründet.

Mord (§ 211) liegt vor, aus „niederen Beweggründen, aus „Habgier, „heimtückisch und evtl. in „Ermöglichungsabsicht oder „zur Verdeckung von Straftaten.28 Außerdem kommen die Körperverletzungsdelikte (§§ 223 ff.) in Betracht sowie verschiedene Raubdelikte (§§ 249 ff.)29

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