Читать книгу Strafrecht für Polizeibeamte - Elmar Erhardt - Страница 61
V.Zwei Fälle zur Vertiefung und zur Lernkontrolle:
Оглавление83Übungsfall 20: „Ententeich-Fall“41
Fischereibesitzer F. hatte zur Aufzucht von Nutzfischen etliche Fischteiche angelegt. Zur Fütterungszeit erschienen ganze Scharen von Wildenten, die das ausgestreute Fischfutter wegfraßen. Deshalb versuchte F., die gefräßigen Vögel durch Gewehrschüsse zu vertreiben. Am tragischen Tag irrte ein Schuss als Querschläger ab und traf einen unmittelbar in der Nähe arbeitenden Baggerfahrer B., der gerade einen neuen Fischteich aushob, tödlich.
Im „Ententeich-Fall“ zeigt sich die typische Struktur der aberratio ictus: Versuch beim Zielobjekt und Fahrlässigkeit beim getroffenen Objekt. Was die Wildenten betrifft, käme eventuell die versuchte Jagdwilderei in Frage, wobei allerdings nach § 292 der Versuch nicht strafbar ist. Hinsichtlich des getöteten Baggerführers B. kommt, abhängig vom konkreten Ermittlungsergebnis, die fahrlässige Tötung in Betracht (§ 222). Tödliche Unfälle liegen dabei sicher nicht außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung (Vorhersehbarkeit). Wer einen Baggerfahrer beauftragt, einen neuen Fischteich auszuheben, darf in dessen Reichweite keine Gewehrschüsse abfeuern (Sorgfaltspflichtverletzung).
84Übungsfall 21: „Greg Lemond-Fall“42
Der Amerikaner Greg Lemond war in den 1980er Jahren ein berühmter und erfolgreicher Radrennfahrer. Er war mehrfach Weltmeister in seiner Disziplin und mehrmaliger Tour-de-France-Sieger. Ihm war folgendes widerfahren: Auszug aus der Süddeutschen Zeitung: Greg Lemond angeschossen. Sacramento (dpa): Der 25-jährige Amerikaner Greg Lemond ist bei einer Hasenjagd in der Sierra Nevada angeschossen und schwer verletzt worden. Der Weltmeister von 1983 und Tour-de-France-Sieger des vergangenen Jahres, fällt damit für die kommenden großen Rennen in den nächsten Monaten aus. Greg Lemond wurde auf der familieneigenen Ranch seines Onkels Louis Barber von seinem Schwager Patrick Blades angeschossen, der den in einem Gebüsch stehenden Lemond mit einem Hasen verwechselte. Rund 30 Kugeln der Schrotladung trafen Lemond, der zu seinem Unglück eine Tarnjacke trug und offenbar schwer zu erkennen war, von der Hüfte abwärts in den Körper. Der bewusstlos zusammengebrochene Lemond wurde mit einem Rettungshubschrauber in das Krankenhaus von Sacramento gebracht und dort einer zweistündigen Operation unterzogen. Der unglückliche Schütze brach nach dem Zwischenfall mit einem hysterischen Anfall zusammen und wurde ebenfalls in das Krankenhaus gebracht. Die Schreckensnachricht von dem Unfall hatte auch Folgen für Greg Lemonds Frau. Kathy Lemond, die ihr zweites Kind in einem Monat erwartet, musste vorzeitig ins Hospital eingeliefert werden.
Im „Greg Lemond-Fall“ hat der arme Greg Lemond in doppelter Hinsicht Pech gehabt: Zuerst wird er offenbar mit einem kalifornischen Riesenhasen verwechselt. Zu diesem Irrtum hat er allerdings selbst mit beigetragen, weil er eine Tarnjacke trug. Oder war es vielleicht ein Häschenkostüm? Dann treffen ihn auch noch 30 Kugeln in einer besonders empfindlichen Körperregion. Was die Schussverletzungen betrifft, so ist für den Schützen Vorsatz zu verneinen, denn er wollte keinen Menschen treffen, sondern einen Hasen (error in objecto vel persona; § 16 I). Nach § 16 I Satz 2 bleibt die fahrlässige Begehung davon unberührt. So wäre jedenfalls nach den besonders strengen deutschen Maßstäben im Jagdrecht eine Strafbarkeit des Patrick Blades wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229) sicher nicht auszuschließen. Festzuhalten bleibt allerdings, dass sich der Fall in den USA ereignete.