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dd) Konsequenzen für die gerichtliche Praxis und offene Fragen

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Dem Gerichtsstand des Sachzusammenhangs kommt nach dieser Entscheidung eine große Bedeutung für die Praxis multinationaler kartellrechtlicher Schadensersatzverfahren zu. Die durch den EuGH eröffnete Möglichkeit, vor dem Gericht eines Ankerbeklagten regelmäßig gegen alle (europäischen) Kartellbeteiligten Klage erheben zu können, ist aus Klägersicht äußerst attraktiv.97 Mit dem gewählten Forum lässt sich zudem oftmals die gewünschte materielle Rechtsordnung wählen, zumindest solange der Markt des Mitgliedstaates des angerufenen Gerichts auch „unmittelbar und wesentlich beeinträchtigt“ wurde. Dann nämlich eröffnet Art. 6 Abs. 3 lit. b Hs. 2 der Rom II-Verordnung dem Kläger die Möglichkeit, die Klage – gegebenenfalls auch gegen mehrere Kartellbeteiligte – einheitlich auf das materielle Zivilrecht des Forumstaates zu stützen. Und bei welchem paneuropäischen Kartell sind nicht die Heimatmärkte der jeweiligen Kartellteilnehmer zumindest argumentativ (schlüssig) auch unmittelbar und wesentlich beeinträchtigt? Zum Forum Shopping gesellt sich damit das Legislation Shopping.

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Es bleibt jedenfalls festzuhalten, dass das Vorliegen einer einheitlichen Sach- und Rechtslage in all jenen Fällen unproblematisch ist, in denen sich die Klage auf eine Kommissionsentscheidung stützt, mit der eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung festgestellt wurde.98

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Unklar sind immer noch die Folgen dieses Urteils für Klagen, die im Anschluss an Kommissionsentscheidungen ergehen, die keine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung feststellen. Unklar ist zudem, was bei noch nicht rechtskräftigen Kommissionsentscheidungen gilt bzw. was gelten soll, wenn die Kommissionsentscheidung später aufgehoben wird. Schließlich spricht der EuGH ausdrücklich von einer „verbindlichen“ Kommissionsentscheidung. Unklar ist auch, was bei Klagen im Anschluss an Entscheidungen anderer Kartellbehörden – etwa des BKartA – gelten soll. Offen bleibt auch, was bei der – an sich besonders schutzwürdigen – Stand-alone-Klage, also der Klage ohne vorherige Behördenentscheidung, gelten soll.99

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Weiter trifft die Entscheidung keine Aussage über die Anwendbarkeit des Gerichtsstands des Sachzusammenhangs auf konzernrechtlich verbundene Nichtadressaten der Kommissionsentscheidung. So etwa, wenn lediglich das Mutter- oder das Tochterunternehmen Adressatin einer Kommissionsentscheidung ist. Die Frage ist, ob dann die jeweilige Nichtadressatin (Mutter- bzw. Tochtergesellschaft) als Ankerbeklagte für eine Klage gegen alle Adressaten (einschließlich der Mutter- bzw. Tochtergesellschaft) herangezogen werden kann. In England wird dies bereits seit längerem großzügig gehandhabt.100 Wenn man mit dem EuGH auf die Vorhersehbarkeit einer Klageerhebung am allgemeinen Gerichtsstand der anderen Kartellteilnehmer abstellt, lässt sich die Argumentation wohl auch auf konzernrechtliche Verflechtungen erstrecken. Dagegen könnte angeführt werden, dass dann im Falle einer gegen ein internationales Großunternehmen erhobenen Klage in fast jedem Mitgliedstaat ein Gerichtsstand eröffnet wäre und der Grundregel vom Beklagtengerichtsstand in Art. 4 i.V.m. Art. 62, 63 EuGVVO praktisch keine Bedeutung mehr zukäme.101 Doch dürfte genau dies die Konsequenz der Skanska-Entscheidung sein. Der EuGH stellte klar, dass der unionsrechtliche Unternehmensbegriff aus dem Kartellbußgeldverfahren, der an das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit anknüpft, auch für das Kartellprivatrecht maßgeblich ist.102 Mehrere Rechtsträger – insbesondere Mutter- und Tochtergesellschaften – bilden eine wirtschaftliche Einheit, wenn die Tochtergesellschaften ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmen können.103 Ein derart bestimmender Einfluss wird vermutet, wenn die Muttergesellschaft (nahezu) 100 Prozent der Anteile an einer Tochtergesellschaft hält.104 In einer solchen Konstellation haftet neben der am Kartellverstoß beteiligten Tochter auch die (unbeteiligte) Mutter gesamtschuldnerisch für Kartellschäden105 und kann in der Konsequenz als Ankerbeklagte gewählt werden. Noch nicht abschließend geklärt und derzeit Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH (Rechtssache Sumal), ist die Frage, ob auch die (unbeteiligte) Tochter- für ihre Muttergesellschaft und Schwestergesellschaften untereinander haften106 und entsprechend als Ankerbeklagte herangezogen werden können. Gegen eine solche Konzernhaftung wird vorgebracht, dass die Möglichkeit der Einflussnahme Haftungsvoraussetzung sei, woran es bei Töchtern gegenüber ihren Müttern und Schwestergesellschaften untereinander fehle.107 Überzeugender dürfte es sein, die Frage nach dem Bestehen und Ausmaß der wirtschaftlichen Einheit von der Frage nach der Haftung zu trennen.108 Nur für die Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit kommt es auf den bestimmenden Einfluss an. Sodann sind alle Rechtsträger der wirtschaftlichen Einheit haftbar.

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Beispiel: Rechtsträger M (Mutter), Rechtsträger T (Tochter) und Rechtsträger S (Schwester). An dieser Stelle kommt es auf das Kriterium des bestimmenden Einflusses an. Lässt sich dieses bejahen, also hat z.B. M 100 % Anteile an T und S (Akzo-Vermutung), bilden alle drei Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit. Damit ist geklärt, welche juristischen Personen zum „Unternehmen“ im unionsrechtlichen Sinn gehören. Die Haftung folgt allein aus Zugehörigkeit zum Unternehmen. Es haftet nicht nur die juristische Person, die bestimmenden Einfluss hat (das wäre nur M bei Kartellverstößen von T und S), sondern alle Träger des Unternehmens (auch T bei Kartellverstößen von M und S). Der unionsrechtliche Unternehmensbegriff macht die wirtschaftliche Einheit als Ganzes zum Pflichten- und Haftungsadressaten.

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Die Rechtfertigung der Konzernhaftung läge darin, dass mehrere juristisch selbstständige Personen einheitlich auf dem Markt auftreten und in wirtschaftlicher Hinsicht (wenn auch nur unbewusst) vom Kartellverstoß profitieren.109 Es bleibt abzuwarten, wie weit der EuGH die Haftungsverantwortlichkeit mit Blick auf das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip fassen wird. In zuständigkeitsrechtlicher Sicht würde es jedenfalls dazu führen, dass Kläger alle Kartellanten gemäß Art. 4 Abs. 1, 8 Nr. 1 EuGVVO nicht nur am Sitz einer nicht am Verstoß beteiligten, aber dennoch passivlegitimierten Muttergesellschaft verklagen könnten,110 sondern auch am Sitz einer Schwester- bzw. Tochtergesellschaft.111 Dies führt zu einer breiten Auswahl potenzieller Gerichtsstände und bei multinationalen Unternehmen zu einer fast unbegrenzten Möglichkeit des Forum Shoppings.

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