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d) Fehlende inländische Ansässigkeit und niedrige Besteuerung

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Weitere Voraussetzung für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht ist die fehlende Ansässigkeit im Inland. Das Gesetz differenziert in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 AStG in zwei Alternativen danach, ob der Steuerpflichtige in keinem ausländischen Gebiet (Alt. 2) oder in einem ausländischen Gebiet (Alt. 1) ansässig ist.

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Bemerkenswert ist, dass das Gesetz mit dem Begriff der „Ansässigkeit“ einen Begriff verwendet, der nur aus dem Recht der Doppelbesteuerungsabkommen bekannt ist und sonst in den deutschen Steuergesetzen nicht verwendet wird[25]. Der Begriff ist weit zu verstehen. Ansässig ist der Steuerpflichtige daher in solchen Gebieten, in denen er aufgrund eines Wohnsitzes, eines gewöhnlichen Aufenthalts oder eines anderen ähnlichen Merkmals nach dortigem Recht steuerpflichtig ist (vgl auch die Terminologie in Art. 4 Abs. 1 OECD-MA)[26].

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Die Alt. 2 meint – ausgelegt nach ihrem Telos (Sinn und Zweck) – ausschließlich den Fall der Ansässigkeit in überhaupt keinem Gebiet, also insbesondere nicht die Ansässigkeit im Inland[27]. Die Rechtsfolge der erweiterten beschränkten Steuerpflicht tritt dann ohne weiteres ein[28]. Nur für den Fall der Ansässigkeit im Ausland (Alt. 1) kommt es zusätzlich darauf an, dass der Steuerpflichtige mit seinem Einkommen in dem ausländischen Gebiet einer niedrigen Besteuerung unterliegt. Was unter einer niedrigen Besteuerung zu verstehen ist, ist für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht abschließend in § 2 Abs. 2 AStG definiert[29]. Man unterscheidet für die Feststellung einer niedrigen Besteuerung zwischen dem sog. abstrakten Steuerbelastungsvergleich nach § 2 Abs. 2 Nr 1 HS 1 AStG, der sog. Vorzugsbesteuerung nach § 2 Abs. 2 Nr 2 HS 1 AStG und dem sog. konkreten Steuerbelastungsvergleich nach § 2 Abs. 2 Nr 1 HS 2 oder Nr 2 HS 2 AStG.

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Nach dem abstrakten Steuerbelastungsvergleich liegt eine niedrige Besteuerung vor, wenn die Belastung durch die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer bei einer in diesem Gebiet ansässigen unverheirateten natürlichen Person, die ein steuerpflichtiges Einkommen von Euro 77 000,– bezieht, um mehr als ein Drittel geringer ist als die Belastung im Inland ansässiger natürlichen Personen durch die deutsche Einkommensteuer unter gleichen Bedingungen (§ 2 Abs. 2 Nr 1 AStG). Bezug genommen wird auf die tarifliche Einkommensteuer[30] unter Einbeziehung von tariflichen Freibeträgen.

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Ferner liegt eine niedrige Besteuerung vor, wenn der ausländische Staat gegenüber der allgemeinen Besteuerung eine sog. Vorzugsbesteuerung einräumt und die Steuerbelastung des Steuerpflichtigen durch die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer dadurch erheblich gemindert sein kann (§ 2 Abs. 2 Nr 2 AStG). Der Tatbestand ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Eine Vorzugsbesteuerung ist nach Tz. 2.2.2 Nr 2 der Grundsätze zur Anwendung des Außensteuergesetzes insbesondere dann gegeben, wenn in dem ausländischen Staat aus dem Ausland zuziehende Personen einkommensteuerfrei sind, wenn Steuervergünstigungen (zB Besteuerung aufgrund ihres Verbrauchs, begünstigende Steuerverträge, Erlasse oder Steuerstundungen ohne Rücksicht auf die steuerliche Leistungsfähigkeit) erlangt werden können oder wenn die Einkünfte aus den im Inland verbliebenen Wirtschaftsinteressen gegenüber anderen Einkünften bevorzugt besteuert werden. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist es ausreichend, wenn diese Vergünstigungen für wesentliche Teile des Einkommens gewährt werden[31]. Richtigerweise wird man ferner aufgrund der Zielsetzung des § 2 AStG nur solche Vergünstigungen einbeziehen können, die an den speziellen Status des Steuerpflichtigen als Einwanderer in dem ausländischen Staat anknüpfen[32]. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr 2 AStG kommt es in diesem Rahmen allein auf die Möglichkeit einer Vorzugsbesteuerung an[33].

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Sowohl bei § 2 Abs. 2 Nr 1 als auch bei § 2 Abs. 2 Nr 2 AStG hat der Steuerpflichtige nach seiner Wahl die Möglichkeit, in einen konkreten Steuerbelastungsvergleich einzutreten, falls nach dem abstrakten Steuerbelastungsvergleich oder aufgrund einer Vorzugsbesteuerung eine niedrige Besteuerung und damit die Voraussetzung für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht gegeben wäre (vgl jeweils den HS 2 der Vorschriften: „… es sei denn …“). Die niedrige Besteuerung nach § 2 Abs. 2 Nr 1 HS 1 und Nr 2 HS 2 AStG ist damit regelungstechnisch als widerlegliche Vermutung ausgestaltet[34]. Zur Widerlegung der Vermutung muss der Steuerpflichtige nachweisen, dass die von seinem Einkommen insgesamt zu entrichtenden Steuern mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer betragen, die er bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG zu entrichten hätte[35]. Dabei sind sämtliche ausländischen (auch aus Drittstaaten) und inländischen Steuern in eine fiktive Steuerberechnung (Schattenveranlagung[36]) unter Berücksichtigung etwaiger DBA oder des § 34c EStG einzubeziehen[37]. Das Gesetz spricht nur davon, dass die Steuerbelastung des Steuerpflichtigen durch die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer dadurch „erheblich“ gemindert sein kann. Was unter „erheblich“ zu verstehen ist, bleibt unklar. In der Literatur wird von einer gegenüber der deutschen Einkommensteuerbelastung relativen Minderung zwischen 10% und 33,33% ausgegangen[38].

Internationales und Europäisches Steuerrecht

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