Читать книгу Internationales und Europäisches Steuerrecht - Florian Haase - Страница 53

3. Unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag (§ 1 Abs. 3 EStG)

Оглавление

145

Fall 9:

Der in der Ukraine wohnhafte A arbeitet im Veranlagungszeitraum 2014 während der Sommerzeit für 4 Monate als Aushilfskellner in Bayern. Er erhält einen normalen Arbeitsvertrag und bezieht für seine Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 4000,– Euro. Zusätzlich hat A Einkünfte aus der Vermietung einer in Kiew belegenen Mietwohnung in Höhe von 6000,– Euro. A möchte einen Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG stellen und spricht diesbezüglich bei dem Veranlagungsbeamten B vor. B schätzt die parlamentarisch-präsidiale Staatsform der Republik Ukraine überhaupt nicht und möchte sein Missfallen an A auslassen. Hat er hierzu die Möglichkeit? Lösung Rn 148

146

Die sog. unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag, terminologisch unscharf zuweilen auch fiktive oder fingierte unbeschränkte Steuerpflicht genannt, ist Regelungsgegenstand des § 1 Abs. 3 EStG[64]. Die Norm betrifft in erster Linie die bereits genannten Grenzpendler bzw Grenzgänger und damit Personen, die im Inland keinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt haben[65], jedoch im Inland arbeiten oder anderweitig im Inland Einkünfte beziehen (das Gesetz fordert keine bestimmte Einkunftsart). Als weiteres Erfordernis muss hinzukommen, dass es sich bei den Einkünften um inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG[66] handelt (§ 1 Abs. 3 Satz 1 EStG). Ferner müssen nach Satz 2 der Vorschrift die Einkünfte entweder zu mindestens 90 vom Hundert der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte dürfen den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr 1 EStG von 8004 Euro nicht übersteigen.

147

Die Sätze 2 und 3 des § 1 Abs. 3 EStG enthalten Einschränkungen hinsichtlich der an den vorgenannten Voraussetzungen zu messenden Einkünfte. Zunächst ist der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr 1 EStG im Kalenderjahr zu kürzen, soweit es nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen notwendig und angemessen ist[67]. Zudem ist die Vorschrift auf inländische Einkünfte, die nach einem DBA nicht oder nicht vollständig der deutschen Besteuerung unterworfen werden, nicht anwendbar[68]. Materielle Tatbestandsvoraussetzung[69] für die unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag ist schließlich nach § 1 Abs. 3 Satz 5 EStG, dass der Steuerpflichtige die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachweist[70]. Damit wird die Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG erleichtert, wonach bei der Ermittlung der Einkünfte nicht der deutschen Steuer unterliegende Einkünfte unberücksichtigt bleiben, die im Ausland nicht besteuert werden. Dies gilt aber nur, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind.

Die Regelung über die unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag ist Folge des sog. Schumacker-Urteils des EuGH[71]. Die Besteuerung von über die Grenze pendelnden Arbeitnehmern allein nach der beschränkten Steuerpflicht und die einhergehende Versagung bestimmter Vergünstigungen der unbeschränkten Steuerpflicht (vgl etwa für den Splitting-Tarif § 50 Abs. 3 Satz 1 EStG aF[72]) verstieß nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs jedenfalls dann gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 45 AEUV, wenn der Arbeitnehmer im Inland einer Erwerbstätigkeit nachgeht und seine Einkünfte dort ausschließlich oder nahezu ausschließlich erzielt.

148

Lösung Fall 9 (Rn 145):

B hat Glück, denn A wird keinen Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG stellen können. Zwar hat A keinen Wohnsitz und keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, wie es § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG voraussetzt, und A bezieht wegen § 49 Abs. 1 Nr 4 Buchstabe a EStG auch inländische Einkünfte, denn die nichtselbstständige Arbeit wird von ihm im Inland ausgeübt. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht erfüllt, denn nach dem genannten BMF-Schreiben vom 6.11.2009 ist der in der Vorschrift genannte Grundfreibetrag im Kalenderjahr nur mit einem Viertel anzusetzen, weil dies nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaats des Steuerpflichtigen angemessen erscheint. Insofern überschreitet A mit seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zum einen die absolute Grenze von 2001,– Euro (= 1/4 von 8004), zum anderen wird auch der prozentuale Auslandsanteil von 10% an den Gesamteinkünften deutlich überschritten (es müssen mindestens 90% der Einkünfte im Tätigkeitsstaat erzielt werden).

Internationales und Europäisches Steuerrecht

Подняться наверх