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c) Geschäftsleitung (§ 10 AO)

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Der Ort der Geschäftsleitung wird in § 10 AO definiert als der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung[90]. Dabei handelt es sich um den Ort, an dem kaufmännische Leitungsentscheidungen von einigem Gewicht getroffen werden und sich die Geschäftsführung ihren für die Unternehmensleitung maßgebenden Willen bildet[91]. Beides gilt aber nur, soweit das unternehmerische Tagesgeschäft betroffen ist. Nicht entscheidend sind strategische und unternehmenspolitische Vorgaben, auch wenn sie sich mittelbar auf das Tagesgeschäft auswirken. Der Ort der Geschäftsleitung wird allein anhand der tatsächlichen Verhältnisse ermittelt[92]. Absprachen zwischen den Gesellschaftern oder eine Festlegung des Ortes der Geschäftsleitung im Gesellschaftsvertrag binden die Finanzverwaltung insoweit nicht[93].

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Zur Geschäftsführung zählt nach dem Steuerrecht, wer durch Gesetz oder Rechtsgeschäft dazu bestimmt ist. In Einzelfällen kann auch auf die aus dem nationalen Steuerrecht bekannte Figur des sog. faktischen Geschäftsführers abgestellt werden[94]. Der Ort der Geschäftsleitung befindet sich in der Regel am Ort des Geschäftsbüros des Unternehmens, in dem sich die Geschäftsleitung für gewöhnlich aufhält. Fehlt ein solches Büro, lässt sich unter Umständen von der Wohnung des Geschäftsführers auf den Ort der Geschäftsleitung schließen[95]. Aus dem Wortlaut des § 10 AO („der Mittelpunkt“; „Oberleitung“) kann man an sich folgern, dass ein Unternehmen grundsätzlich nur einen Ort der Geschäftsleitung haben kann. Verteilt sich die Oberleitung dennoch ausnahmsweise betriebsbedingt auf mehrere Orte, kommt es auf die organisatorisch und wirtschaftlich bedeutsamste Stelle an[96].

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Der Ort der Geschäftsleitung nach § 10 AO darf nicht mit dem zivilrechtlichen Begriff des sog. Verwaltungssitzes verwechselt werden. Letzterer wird gemeinhin als der Ort definiert, an dem das Tagesgeschäft der Gesellschaft abgewickelt und in die Tat umgesetzt wird[97]. Eine gesetzliche Anknüpfung gibt es dafür nicht. Da sich der Gesetzgeber nicht zu einer Definition veranlasst sah, ist die Abgrenzung von Verwaltungssitz und Ort der Geschäftsleitung nicht leicht zu handhaben und muss in der Praxis gleichsam misslingen. Sie wird aber ohnehin allenfalls in Konzernstrukturen relevant[98].

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Die Frage des Ortes der Geschäftsleitung von Kapitalgesellschaften beschäftigt die Finanzverwaltungen in der Praxis in nicht unerheblichem Maße[99]. Während nämlich der statutarische Sitz einer Gesellschaft durch einen Blick in das jeweilige Register regelmäßig leicht zu ermitteln ist, ist eine eindeutige Feststellung des Ortes der Geschäftsleitung nicht immer ohne weiteres möglich. Dies gilt vor allem bei sog. ausländischen Domizil- oder Briefkastengesellschaften. Dabei handelt es sich um funktionslose oder funktionsarme Gesellschaften, die von inländischen Steuerpflichtigen meist in Niedrigsteuerländern angesiedelt und über die bestimmte Geschäftsaktivitäten geleitet werden, die bei einer Offenlegung des Sachverhalts gegenüber der Finanzverwaltung im Inland besteuert werden würden.

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Natürlich ist es aufgrund der Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV einer inländischen natürlichen Person (nehmen wir an, es handelt sich um einen Einzelgewerbetreibenden) unbenommen, im EU-Ausland eine Kapitalgesellschaft zu gründen und sich selbst zum Geschäftsführer zu ernennen. Ebenso ist es aufgrund der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen natürlich möglich, eine solche Gesellschaft in einer typischen Steueroase (etwa Marshall Islands) zu etablieren. Die meisten Gesellschaftsrechte, jedenfalls aber jene von EU-Mitgliedsstaaten, sehen insoweit die Möglichkeit vor, auch im Ausland ansässige Personen zu Geschäftsführern zu bestellen. In jedem Fall aber wird sich die deutsche Finanzverwaltung in einer solchen Konstellation zwei Fragen stellen: Die erste Frage betrifft die zivilrechtliche und die steuerliche Anerkennung der ausländischen Gesellschaft insgesamt. Die zweite Frage betrifft – systematisch vorgelagert – den Ort der Geschäftsleitung. Hieran kann man Zweifel haben, solange sich der Geschäftsführer in Deutschland aufhält und die Finanzverwaltung die Befürchtung haben muss, die eigentlichen Geschäftsentscheidungen hinsichtlich der ausländischen Gesellschaft würden nicht im Ausland, sondern im Inland am Wohnsitz des Geschäftsführers getroffen.

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Zur ersten Frage: Die Frage der zivilrechtlichen Anerkennung einer ausländischen Gesellschaft richtet sich zunächst nach dem Gesellschaftsstatut[100], welches nach den Regeln des Internationalen Privatrechts zu ermitteln ist. Im vorliegenden Fall kommen Sitz- und Gründungsrechtstheorie[101] zu einem identischen Ergebnis, solange sich Sitz und Ort der Geschäftsleitung in dem ausländischen Staat befinden. Aus rein zivilrechtlichem Blickwinkel ist diese Vorgabe des ausländischen Gesellschaftsrechts auch für das deutsche Zivilrecht und damit die Anerkennung der ausländischen Gesellschaft maßgeblich. Im Steuerrecht jedoch gilt die sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise[102] (§§ 39 ff AO). Danach werden ausländische Gesellschaften im Inland steuerlich nur anerkannt, wenn sie mit ausreichend wirtschaftlicher Substanz ausgestattet sind. Als normativer Anknüpfungspunkt für diese Regel mag § 50d Abs. 3 EStG dienen. Kommt man zu dem Ergebnis, dass in der ausländischen Gesellschaft nicht genügend wirtschaftliche Substanz vorhanden ist, wird aufgrund eines angenommenen Rechtsmissbrauchs[103] das Trennungsprinzip und damit die Abschirmwirkung der ausländischen Kapitalgesellschaft aufgehoben und die Steuerfolgen unmittelbar bei den inländischen Gesellschaftern gezogen[104]. Man wird aber sagen können, dass bei Erfüllung der folgenden Kriterien jedenfalls von ausreichend wirtschaftlicher Substanz in der ausländischen Gesellschaft gesprochen werden kann: real existente Firmenanschrift nebst Briefpapier und Visitenkarten, ständige postalische und telefonische Erreichbarkeit von Mitarbeitern, eigene Buchführung und Ergebnisrechnung, Möglichkeit zur Vorlage von Unterlagen zur Gesellschaftsgründung (zB Registerauszüge) und zu Gesellschaftern, Möglichkeit der Vorlage von Unterlagen zum laufenden Geschäftsbetrieb (zB Wasser- und Stromrechnungen).

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Zur zweiten Frage: Welche Anforderungen konkret an einen ausländischen Ort der Geschäftsleitung gestellt werden und ab welcher Grenze davon auszugehen ist, dass die deutsche Finanzverwaltung mit Sicherheit eine inländische Geschäftsleitung annimmt oder gerade nicht mehr annimmt, lässt sich nur schwer vorhersagen, weil sich die Frage der tatsächlichen Leitung regelmäßig nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beantworten wird, wie es sich der Finanzverwaltung (ggf nach Jahren im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung) darstellt. Sicher ist jedoch, dass für den Fall, dass ausschließlich inländische Steuerpflichtige Geschäftsführer einer ausländischen Gesellschaft sind, erhöhte Anforderungen an die Dokumentation einer ausländischen Leitung gestellt werden würden.

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Es muss sichergestellt sein, dass (1) die Gesellschaft auf dem Papier und auch rein tatsächlich aus dem ausländischen Staat heraus geleitet wird und dass (2) dies gegenüber der Finanzverwaltung im Zweifelsfall auch dokumentiert werden kann. Es sollten daher – stets in Abhängigkeit vom konkreten Geschäftsgegenstand – in der ausländischen Gesellschaft die personellen und sachlichen Ressourcen vorgehalten werden, die für die tatsächliche Leitung der Gesellschaft notwendig sind. Dabei wird es sich jedenfalls um die gängigen Kommunikationsmittel handeln. Weiterhin sollten geschäftliche Entscheidungen, jedenfalls aber die wesentlichen Leitungsentscheidungen in schriftlicher Form unter Ausweis des Ortes der Entscheidung festgehalten werden. Über Vorstands- bzw Geschäftsführungssitzungen, die – mit der für den konkreten Geschäftsgegenstand erforderlichen Regelmäßigkeit – im Ausland stattfinden sollten, sind Protokolle anzufertigen, die den genauen Inhalt der Sitzung und die Beschlussfassungen wiedergeben. Insgesamt darf es sich aus der Sicht der Finanzverwaltung nicht um reine „pro forma-Sitzungen“ handeln, die den Schluss nahe legen, dass die wesentlichen Entscheidungen eigentlich an anderer Stelle getroffen werden. Sofern an den Geschäftsleitungssitzungen Personen mit inländischem Wohnsitz teilnehmen, sollten die Flüge und die Dauer des Aufenthalts nachgewiesen werden.

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Lösung Fall 11 (Rn 154):

P hat die systematische Subsidiarität des § 42 AO verkannt. Hinsichtlich der Zurechnung der von der X-AG erzielten Einkünfte zu A kommt eine Anwendung des § 42 AO deshalb nicht in Betracht, weil vorrangig zu prüfen ist, ob diese nicht im Inland den Ort ihrer Geschäftsleitung hat und daher dort unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. Nach § 1 Abs. 1 Nr 1 KStG sind Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben, unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Die X-AG ist eine nach luxemburgischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft. Auch eine solche ausländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland kann unbeschränkt steuerpflichtig sein. Geschäftsleitung ist nach § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung befindet sich dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird. Folglich kommt es darauf an, an welchem Ort die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Bei einer Körperschaft ist das meist der Ort, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführertätigkeit entfalten, dh an dem sie die tatsächlichen, organisatorischen und rechtsgeschäftlichen Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt. Insofern spricht vorliegend alles für einen inländischen Ort der Geschäftsleitung. Die X-AG ist nicht wirtschaftlich in Luxemburg tätig. Sie verfügt in Luxemburg auch über keine dazu erforderliche Geschäftsausstattung. Sie schließt vielmehr lediglich über ihre Niederlassung Verträge mit deutschen Kunden ab. Dort werden auch mit der Rechnungslegung, dem Zahlungsverkehr und der Buchhaltung besonders wichtige Verwaltungsaufgaben abgewickelt. Schließlich werden dem Stammhaus der X-AG lediglich solche liquiden Mittel von der Niederlassung zugewiesen, die das Gehalt des A und die reinen Verwaltungskosten abdecken. Es ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar, dass die X-AG überhaupt finanziell dazu in der Lage war, größere geschäftliche Aktivitäten in Luxemburg zu entfalten[105].

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