Читать книгу Speedy – Skizzen - Florian Havemann - Страница 45
Kapitel 41: Aber mais
ОглавлениеEs wurde nichts draus.
Pascin berührte sie, aber er nahm sie sich nicht. Er verschmähte sie, meine Speedy. Und sie schlief nicht in seinem bequemen, weil breiten, weil amerikanischen Bett. Und es gab nichts zu schlürfen für mich. Was für eine Enttäuschung. Eine Enttäuschung für mich und wohl mehr noch für Speedy, die sich ihres Erfolges so sicher gewesen war. Pascin zeichnete. Verzweifelt. Und schlecht. Mit vom Alkohol zittriger Hand. Und ich, der ich hoffte, meine frisch angetraute Frau bei meiner Rückkehr in sein Atelier, sein studio, dann eines baldigen Tages in seinem Bett liegend vorzufinden, dackelte durch Paris, mir die Stadt anschauen. Noch voller Hoffnung, alles würde gut, und frohgemut und aufgekratzt, und während Pascin also malte beziehungsweise vorbereitend zeichnete, skizzierte, wie er und ich da noch glaubten, und Speedy vorbereitend posierte und vielleicht auch schon probeweise die Schenkel spreizte, während Pascin schon am Vormittag sein erstes Gläschen Rotwein zu sich nahm und Speedy ihr Blut anderweitig in Wallung brachte, stromerte ich also durch die große Stadt Paris, hier und da mal in einem Bistro einen kleinen bitteren Espresso schlürfend, ungemein belebend, und dann ging’s gleich wieder weiter auf dem harten Pflaster, und das war es wohl in jeder Beziehung, ein hartes Pflaster, das pariserische, und was mir Pascin so erzählte von seiner ersten Zeit dort in der großen Metropole, das hörte sich wirklich grauslich an. Pascin war ja schon älter, als ich dachte, fünf entscheidende Jahre älter als ich, und das machte ihn fast, weil bei uns doch in der Generation der Krieg dazwischengekommen war, zu einem Mann der vorausgegangenen Epoche, der guten alten Zeit, die aber für Leute wie ihn eben überhaupt keine gute, sondern eine harte, die härteste Zeit überhaupt gewesen war. »Wenn du hast Geld, dann Paris gut«, sagte Pascin, »wenn du aber kein Geld hast, willst du einen Stein nehmen und ihn vor Wut in die Atelierfenster deiner unerreichbaren Kollegen werfen – nur bist du so abgehärmt, daß du so hoch hinauf nicht werfen kannst, und deshalb ertränkst du dich im Absinth.« In seinen schlimmsten Anfangszeiten hatte das angefangen mit seiner Sauferei, nur war er’s mit dem Geld, das er irgendwann doch verdiente, dem Atelier, das er sich dann leisten konnte, nicht wieder losgeworden. Was ich auch vorher nicht wußte, Pascin war gar kein Franzose, er war Bulgare, ein richtiger Balkanese und sah so wüst und feurig auch aus mit seinen schwarzen Locken, er hatte sich nur französisiert, hatte aus seinem Julius Pincas einen Jules Pascin werden lassen. Das sind so die Metamorphosen, zu denen nur der entschlossene vertikale Eindringling sich entschließen kann, und Pincas-Pascin war entschlossen, sein Glück zu machen. Daß er ein paar Jährchen auf der andern Seite des großen Teiches verbracht hatte, das wußte ich, nicht jedoch, daß er, bevor er 1905 nach Paris ging, erst in Wien und dann in München gelebt und da dann schon einen ersten Erfolg mit Zeichnungen für den Simplicissimus gehabt hatte, unter seinem bulgarischen Namen – wie weit das alles doch schon damals zurücklag. Wir haben das ja dann später an den vielen Ungarn erleben können, wie gut die sich adaptieren können, besonders bei denen im Filmgeschäft, wie die Vertreter dieser kleinen Völkerschaften sich auch sprachlich anpassen, und Pascin kramte doch wirklich bei unseren Gesprächen wieder seine Brocken Deutsch hervor, vermischt mit französischen Wörtern und den englisch-amerikanischen Ausdrücken seiner New Yorker Zeit – très drôle, very funny und wahrscheinlich die Sprache der Zukunft, falls den Deutschen nicht doch mal die Weltherrschaft gelingen könnte mit einer aufgenordeten Nazisprache. Ich kam mir richtig wie ein verstockter Provinzler dagegen vor. Zu mehr, als mir einen Kaffee zu bestellen, reichte mein bißchen Französisch nicht, aber dazu reichte es immerhin.