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Kapitel 55: Im Kaufrausch

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Speedy jedenfalls war im Kaufrausch, geriet in einen Kaufrausch, und ich mit, ich rauschte mit. Ich bin ja der geborene Mitläufer, Mitmacher, Opportunist. Ihre Begleitung, Speedys Begleitung, und das mußten sie doch denken, diese Verkäuferinnen dort in den verschiedenen Läden, den Miederwarengeschäften, die Speedy nacheinander mit mir aufsuchte, derer drei an diesem Tage, weil wohl aller guten Dinge drei sind, daß ich nur zu ihrer Begleitung mit bin, mitgekommen bin, daß es uns um etwas Schönes für die schöne Speedy ginge, um Wäsche für sie, die Frau, die schöne Frau, und nicht etwa für mich, den häßlichen Mann, der hinter ihr herdackelte wie ein folgsames Hündchen. Aber es ging um mich, und das war das Fatale, und natürlich kam es bei den drei Geschäften jeweils ganz entscheidend auf diesen einen Moment an, wo ihnen dies in den drei diversen Läden klar würde, diesen wirklich sehr verschiedenen Verkäuferinnen dort – gleich dreimal an einem Tag die gleiche Prozedur. Aber jedesmal anders. Anders, weil wir es jedesmal mit sehr unterschiedlichem Verkaufspersonal zu tun hatten, mit Verkäuferinnen, die sehr differenziert auf Speedys Ansinnen reagierten, auf ihre feste Absicht, für ihren Mann ein bißchen was an Wäsche zu kaufen, anders auch, weil die Situation doch auch eine jeweils sehr unterschiedliche war: Der erste Laden war voller Kundschaft, ausschließlich weiblicher Kundschaft, der zweite war es nicht, er war leer, fast leer und ausgerechnet dann auch noch ein männliches, sehr männliches Wesen dort anwesend, und beim dritten Miederwaren- und auf Korsetts spezialisierten Geschäft waren und blieben wir das dann auch die ganze Zeit, mit der Chefin, der Ladeninhaberin, allein, die dort noch selber hinterm Verkaufstresen stand. Anders aber auch, weil Speedy dies durchaus zu variieren wußte, wie sie es den Frauen mitteilte, die es doch wissen mußten, daß sie nach Wäsche für mich suche, für ihren Mann. Und ich glaube, das machte ihr richtig Spaß, damit mal so und dann wieder anders herauszukommen und mich jedesmal wieder neu bloßzustellen – was für ein raffiniertes Biest sie doch war. Und eine gestrenge Herrin, eine unerbittliche Frau Lehrerin, und ich hatte einiges an Lektionen zu lernen an diesem Tag. Und hätte ihr Gott, der alles sieht, alles sehen kann, an diesem Tag die Muße aufgebracht, uns beiden von oben herab zuzuschauen, ihm wäre garantiert nicht langweilig geworden, dem alten Spanner, dem sensationslüsternen Voyeur.

Im ersten Geschäft hatten wir es mit einer älteren, einer erfahrenen Verkaufskraft zu tun, mit einer Frau, die so abgebrüht und distanziert war aufgrund langjähriger Berufserfahrung, daß ihr nichts mehr etwas anhaben konnte, mit einer Frau, die sich wohl auch dazu entschlossen hatte, sich durch nichts mehr beeindrucken oder gar aus der Ruhe bringen zu lassen – eine Angestellte zwar nur, aber die Herrscherin in diesem Laden, das war sie, und sie war es, obwohl dort eine etwas holprig klingende Abwandlung des berühmten Spruchs vom König Kunden an der Wand hing: Bei uns ist die Kundin Königin – nun denn: dieser Spruch wird da heute wohl nicht mehr hängen im neudeutschen Führerstaat, wo die deutsche Frau wie seit altersher wieder in die Küche verbannt und zum Kinderkriegen da ist. Aber diese Läden, die gibt es natürlich immer noch, denn so dumm ist der Nazi nun nicht, daß er nicht wüßte, daß die oberen Schichten in ihrem Lebensstil besser nicht anzutasten sind und besonders gutbürgerliche Damen zu Furien werden können, nimmt man ihrem frustrierten Leben die so angenehmen Pläsierchen. Geld ist ja auch jetzt noch vorhanden, und da immer ungleicher verteilt, wird’s in so einem feinen Laden, wie in dem, in den Speedy mich als erstes hineinexpedierte, auch heute noch brummen. Das Ding war ja voll oder sagen wir: gut gefüllt an diesem späten Vormittag, fast schon um die Mittagszeit, eine Dame arbeitet ja nicht, muß ja nicht arbeiten gehen, und um ihren Haushalt, ihre Kinderchen kümmern sich andere. Diese Verkäuferin in ihrem Stoizismus, sie paßte da wirklich sehr gut hinein, sie war selber Dame, und irgendwie taufrisch sah sie nun wirklich nicht aus, und in die Breite gegangen war sie mit ihrem Fahrgestell auch schon etwas, und also wußte sie um die Schwäche der schon etwas reiferen deutschen Frau und wohlgenährten Dame, der Kuchen- und Törtchenfresserin, die etwas noch in Form zu bleiben wünscht, geformt vom deutschen Mieder, und insofern waren wir da schon ganz richtig, Speedy und ich und besonders ich, der dickliche, ein bißchen zu sehr schon aufgeschwemmte Mann, der ja dort weiblich perfektioniert und mit einer Taille versehen werden sollte. Wie stoisch und abgebrüht sie war, diese Verkäuferin, das zeigte sich an ihrer Reaktion darauf, als Speedy sie dies wissen ließ, daß sie nicht etwa für sich nach neuer Wäsche suchte, sondern für mich, ihren Mann, der wie ein begossener Pudel neben ihr stand: sie verzog keine Miene. Und als sie kurz zu mir herüberschaute, war ihr nichts, aber auch gar nichts an Erstaunen anzumerken, und das war ja schon mal eine Leistung.

Daß ein Mann, ein männliches Wesen in einem solchen Laden und Miederwarengeschäft auftaucht, das wird ja wohl eine große Ausnahme sein. Und ein Mann allein eine noch größere Seltenheit – ein Mann allein, das muß ein Hallodri sein, ein Mann, der auf dem Wege zu seiner heimlichen Geliebten ist und ihr mal eben ein Paar neue Seidenstrümpfe mitbringen will für die bevorstehenden Stunden der Zweisamkeit oder ein anderes, mehr aufwendiges Mitbringsel, quasi als Bezahlung, Vergütung für zu erbringende sexuelle Leistungen. Aber auch der Mann, der, wie ich es tat, wie ich den Anschein machte, daß ich’s täte, seine Frau nur bei einem solchen Wäschekauf begleitet, ist sicher eine so seltene Erscheinung, nehme ich mal an, daß sich da dann die erfahrene Verkaufskraft in die Bresche wirft, mit dieser dann doch etwas delikateren Situation klarzukommen. Normalerweise kaufen Frauen ihre Unterwäsche alleine, und ich könnte mir vorstellen, daß das dann keine Schwierigkeit für eine Verkäuferin sein dürfte, so sie erfahren genug ist, über genügend Berufserfahrung verfügt, sich da der nötigen Diskretion zu befleißigen und auch von Frau zu Frau, wenn nötig, die entsprechenden Hinweise zu geben. Ein Fettpölsterchen hier zuviel vielleicht, ein bißchen zu wenig Brust – das läßt sich ja alles doch geschickt kaschieren. Alles nur eine Frage der Diskretion, und daß es nur angedeutet bleibt, so direkt nicht ausgesprochen wird, und diese Kundinnen aus der geldgierigen, Geld auch ausgebenden Oberschicht, diese Damen, die nichts wissen, nichts in der Grütze haben, auf eines verstehen sie sich, darauf, wie von einer Dame Dienstboten zu behandeln sind, wie Luft nämlich und so, als ließe man sich durch sie nicht sonderlich stören. Wenn aber nun ein Mann mit dabei ist, wird’s kompliziert, denn da spielen ja nicht nur ihre Wünsche eine Rolle, da hat der Mann vielleicht auch noch ein Wörtchen mitzureden, und diese Wünsche müssen ja nicht vollkommen übereinstimmen, und das verlangt dann sicher von einer Verkäuferin schon ein gewisses Fingerspitzengefühl, der Umgang mit einem Paar, besonders, wenn es dann der Mann ist, der das alles bezahlen soll. Es wird da sicher in jedem etwas größeren Geschäft die eine Verkäuferin geben, die besonders dafür geeignet ist, mit so einer besonderen Situation umzugehen, eine, die das gelernt hat, die über die entsprechende Erfahrung verfügt.

Ich schätze mal, und da ich nichts Besseres zu tun habe, als mich spekulativ den eigentlich wichtigen Fragen des Lebens zu widmen, und doch auch gern noch einmal wieder von diesem wirksamen Anti-Nazi-Verdrängungsmittel Wäscheladen, Miederwarengeschäft Gebrauch machen möchte, verschätze ich mich da auch gerne und verspekuliere mich, wenn’s denn sein muß – Hauptsache, ich bin anderweitig beschäftigt, und anderweitig beschäftigt schätze ich mich glücklich, anderweitig beschäftigt zu sein, und also schätze ich mal, daß sich da, was Paare betrifft, Paare, die zusammen einen solchen Wäscheladen, ein Miederwarengeschäft, betreten, folgende Fallgruppen werden unterscheiden lassen: zum einen könnte ich mir junge Paare vorstellen, jung verheiratete Paare, Paare, die sich noch in ihrem erotischen Honeymoon befinden, in einer aufregenden Anfangszeit, einer Zeit der Entdeckungen, in der Zeit, wo für Ehepaare noch sexuell einiges offen ist, bevor es sich dann doch einspielt und festfährt, was deren Eheleben dann sexuell ausmachen wird, und zu diesen Entdeckungen eines solchen Paares könnte ja sehr wohl auch die schöne, sexuell reizvolle Unterwäsche gehören, so sehr gehören, daß sie dann vielleicht ihr letztes Geld zusammenkratzen, um sich da etwas Schönes und Reizvolles, sexuell Aufreizendes an Wäsche zu kaufen – für eine Verkäuferin sicher delikat, sich einem solchen Paar gegenüberzusehen. Hier finden Weichenstellungen statt, hier sind zukünftige Kunden zu gewinnen. Aber Wäsche ist eben auch nur Wäsche, und der Mitteleuropäer, und nicht nur der, hat sich angewöhnt, Wäsche unter der Oberbekleidung zu tragen, Wäsche aber als ein Bestandteil der Erotik, das ist noch etwas anderes, berührt das Gebiet des Fetischismus, und für Fetischismus ist so ein normal bürgerliches und seriöses Miederwarengeschäft ja nun eigentlich nicht zuständig, diese Seite des Geschäfts dürfte zu den ausgeblendeten, den verdrängten gehören. Eine Verkäuferin aber, die hier Kundschaft gewinnen will, wird diesen Aspekt einem solchen Paar gegenüber nicht ganz unbeachtet lassen können, doch der Rahmen des Schicklichen, er darf natürlich auch nicht überschritten werden, er gehört zur Geschäftsgrundlage – schwierig, schwierig, würde ich meinen. Schwierig, wenn auch in anderer Weise, eine andere Fallgruppe, die von Paaren, wo es einen größeren Altersunterschied zwischen der Frau und dem in der Regel dann älteren Mann gibt, dem Liebhaber und Galan der jungen Dame, und besonders in diesem Falle dürfte Fingerspitzengefühl verlangt sein, denn diese Männer sind es dann doch, die bezahlen, die dann vielleicht auch genaue Vorstellungen davon besitzen, wie sie ihre jungen Gespielinnen ausstaffiert sehen wollen. Aber es ist natürlich der weibliche Part, der hier Kundin ist, mit der es eine Verkäuferin vornehmlich zu tun hat, der sie da auch irgend etwas und zwar möglichst Teures andrehen muß, dies aber immer so, daß sie die junge Dame nicht überfordert, nicht darin überfordert, ihren älteren Liebhaber dazu zu kriegen, die Rechnung am Ende dann auch zu bezahlen. Bei einem solchen Paar ist sicher auch mit der delikaten Situation zu rechnen, daß der Mann auch mal sehen will, seine junge Gespielin in der Unterwäsche, auf die sie scharf ist, um ihn scharfzumachen, bewundern will, daß er das begutachten will, wofür er dann aufzukommen hat. Ein solcher Mann wird mit in die Kabine zur Anprobe kommen wollen, wird vielleicht auch mal anfassen, das junge Fleisch unter den erlesenen Stoffen spüren wollen, wird auch in eine sexuelle Erregung geraten können, und eine Verkäuferin wird hier sicher so tun müssen, als übersähe sie dies alles, wird aber auch dafür sorgen müssen, daß ein solcher Mann nicht zu weit geht, daß das alles also im Rahmen bleibt und keinen Skandal verursacht. Irgendein Gejuchze und Gekicher darf natürlich nicht aus dieser Kabine dringen, und wahrscheinlich wird es sich eine erfahrene Verkäuferin angelegen sein lassen, ein solches Paar bei der Anprobe möglichst nicht für längere Zeit allein zu lassen. Das alles unter Kontrolle zu halten wird hier die wichtigste Aufgabe sein – spekuliere ich mal so.

Aber es wird auch noch den Fall Torschlußpanik geben, den Fall eines Ehepaares, das schon eine Weile verheiratet ist, und mit dieser Weile, mit dem Ehealltag erkaltet ja in der Regel die sexuelle Begierde. Man gewöhnt sich aneinander. Der Reiz des Neuen stumpft doch sehr rasch ab, und ich würde doch mal sagen, daß der Mensch, und das meint mir geschlechterübergreifend Männlein wie Weiblein, nicht für die Ehe geschaffen ist, nicht für die Monogamie jedenfalls, und das ist ja etwas, das ich immer an Speedy bewundert habe, daß sie sich da keinen Illusionen hingegeben hat, mich auch nicht in Illusionen gewiegt hat. Aber Speedy ist sicher ein extremer Fall, und im Normalfall ist es mehr ein Sehnen als gelebte Lebenswirklichkeit, ein Sehnen nach dem anderen Mann, von dem die verheirateten Frauen ergriffen werden, das Sehnen nach dem Abenteuer, nach der erfüllten Sexualität. Die mit dem eigenen Mann nicht zu haben ist. Auch wenn sich das Männer, verheiratete Männer, viel selbstverständlicher herausnehmen, das Recht auf den Seitensprung, die Affaire oder daß sie mal zu einer Nutte gehen, und Ehefrauen da mehr im Hätte und Würde gern verharren – was ich übrigens nie verstanden habe, wo es doch wohl jeder Frau ein leichtes sein dürfte, fremdzugehen, sich einen Liebhaber anzuschaffen, besonders, wenn es da Geld im Hintergrund gibt, und diese Regel von dem Topf, der schon seinen Deckel finden wird, die stimmt doch wohl. Aber vielleicht ändert sich das ja bald und noch zu meinen Lebzeiten, das mit der blöden Treue der Frauen, und sie sind es dann, die vornehmlich sexuell außerhäusig, außerehelich aktiv werden – zu wünschen wäre es ja. Aber in dem Fall, den ich hier für mich spekulativ abhandele, hat es die Ehefrau versäumt, sich die sexuelle Befriedigung bei anderen Männern zu holen, die ihr bei ihrem Ehegatten doch versagt ist, und auch wenn sie Tausendmal im Geiste fremdgegangen ist, getan hat sie’s dann doch nicht, davor zurückgeschreckt ist sie doch. Sie hat geträumt, von anderen Männern geträumt und träumend ihre Zeit vertan, und nun spürt sie das Alter nahen, spürt sie, wie ihre sexuellen Reize nachlassen, und will es doch noch einmal wissen, wie das ist mit der Liebe, der körperlichen Liebe, und in der Situation nun verfällt sie darauf, es noch einmal mit ihrem Angetrauten zu versuchen. Den eigenen Mann zu verführen, das ist die Aufgabe, vor die sie gestellt ist und für die sie sich erst einmal vollkommen unvorbereitet sieht. Und genau da nun verfällt sie auf die Mittelchen, sucht sie Hilfe in den Methoden, einen Mann zu reizen, von denen sie doch in ihrem fortgeschrittenen Alter schon weiß, die sie aber niemals eines Tages selber anzuwenden gedacht hätte. Und die Wäsche ist so etwas. Die Wäsche dann nicht nur als Be-, sondern auch als Entkleidungsstück. Nicht mehr nur, daß Wäsche ihre Scham bedecke, Wäsche, um auf das Darunter hinzuweisen, und wahrscheinlich wird eine solche Frau beim Verkehr, wenn es denn dazu kommt, wenn sie denn ihren Mann doch rumkriegt, diese Wäsche anbehalten, und sie wird also darauf aus sein, daß ihre Wäsche reizvoll sei, ihre Reize, die schon abgenommen haben, grad im Abnehmen begriffen sind, zur Geltung bringe, und stellen wir uns einmal vor, eine solche Frau hätte den Erfolg, den sie haben will und den ich ihr doch auch gönnen möchte, dann wäre dies sicher das sicherste Anzeichen ihres Erfolges, würde sie ihren Mann soweit kriegen, mit ihr in ein Miederwarengeschäft zu gehen, um dort dann, möglichst gemeinsam mit ihm, etwas Schönes auszusuchen, etwas, das eine aufregende Nacht versprechen könnte. Und für die Verkäuferin, die es mit einem solchen Paar zu tun bekommt, das sicher sehr leicht als ein solches zu erkennen sein dürfte, in seiner ehelichen Vertrautheit und Gewöhnung auch, unterbrochen von Momenten aufflackernder Lust, für die Verkäuferin wird es wohl ein leichtes sein, diese beiden dann richtig zu melken, zu schröpfen und zum Kauf der mehr gewagten Modelle unter den Dessous zu verleiten – nehme ich mal an. Aber ob das so stimmt?

In keine dieser von mir so frohgemut unterschiedenen Fallgruppen waren wohl Speedy und ich einzuordnen, wir beide als Paar, als wohl sicher leicht auch als Ehepaar zu identifizierendes Paar. Weder mochten wir noch als das verliebte junge Ehepaar durchgehen, das für sich mit der Erotik die Erotik weiblicher Unterwäsche entdeckt, noch wird der ja zwischen Speedy und mir durchaus bestehende Altersunterschied als so gravierend anzusehen gewesen sein, daß hier bei uns beiden der Eindruck hätte entstehen können, es handele sich um eine Verbindung nach dem Muster älterer Mann mit Geld und seine junge Geliebte – so jung war Speedy eben doch nicht mehr, so jung wirkte sie auch nicht, und außerdem war doch diese Frau, war Speedy, die da in Begleitung eines Mannes, in meiner Begleitung, den Laden betrat, so elegant und damenhaft gekleidet, daß hier auch nicht ein finanzielles, ein Reichtumsgefälle zwischen uns beiden anzunehmen war. Am ehesten wohl noch hätte auf sie und mich die Erklärung mit der Torschlußpanik zutreffen können, der einer verheirateten Frau, die es noch einmal geschafft hat, ihren Mann für sich sexuell zu interessieren, und dabei zum Dessous als Reiz- und Hilfsmittel gegriffen hat. Aber auch diese Variante mußte wohl von einer kundigen, einer erfahrenen Fachkraft sehr leicht, sehr rasch auszuschließen gewesen sein, denn ich verhielt mich ja nun wirklich nicht, wie sich der von mir spekulativ angenommene Ehemann in einem solchen Falle verhalten dürfte: nämlich aktiv eingreifend, seine Frau in ihrer Wahl beeinflussend, und eine Frau in Torschlußpanik, so sie denn ihren Ehegatten noch einmal rumgekriegt und bis in einen solchen Laden bugsiert hat, wird sich, vielleicht ganz gegen ihre sonstigen Gewohnheiten, was ihre Kleidung, Bekleidung betrifft, nur zu gerne von ihrem Mann beeinflussen lassen, wird über das tätige Interesse ihres Mannes, über seine aktive Anteilnahme bei der Wahl des zu kaufenden Wäschestücks glücklich sein, dies als Zeichen ihres Erfolges werten können. Ich nahm aber diesen Anteil nicht an Speedys Wahl, daran, wie sie die Regale durchforstete, ich stand ja nur, wie angewurzelt und in Erwartung des mir eventuell Bevorstehenden an Schmach und Scham, da, still und ein mühsam gequältes Lächeln versuchend, wenn Speedy sich mit einem dieser Wäschestücke in der Hand, das ihr gefiel und ihr für mich passend erschien, zu mir umwendete. Aber auch Speedy selber verhielt sich viel zu entschieden und allein nur aktiv und ohne daß sie den Versuch machte, mich in ihren Entscheidungsprozeß mit einzubeziehen, als daß sie diesem Muster entsprochen hätte – wenn, dann hätte hier eine Verkäuferin mit Augen im Kopf und der entsprechenden Erfahrung davon ausgehen müssen, daß diese Torschlußpanik-Frau, die sie vielleicht erst in Speedy vermuten konnte, in ihren Torschlußpanik-Bemühungen keinen Erfolg würde haben können, daß sie alles falsch machte. Wenn denn meine Spekulationen nicht vollkommen an der Realität vorbeigehen, an der gelebten Lebenswirklichkeit, und ich da ein Maß auch an reflektierter Erfahrung, an zumindest Intuition und Einfühlungsvermögen bei einer Verkäuferin, einer Fachkraft in einem solchen Laden und delikaten Geschäft, voraussetze, wie es eigentlich gar nicht vorauszusetzen ist, dann würde ich dies nicht für Zufall halten wollen, daß es genau diese Verkäuferin, diese schon ältere, Erfahrung ausstrahlende, seriös wirkende Frau war, die an uns, an Speedy, um genau zu sein, nach einer Weile mit der Frage herantrat, ob sie denn helfen könne, nachdem sie Speedy erst mal alleine schauen und in Ruhe gelassen hatte – ihre Kolleginnen werden sie vorgeschickt haben oder die Geschäftsleitung, von der allerdings so wenig zu sehen war, daß man fast glauben konnte, es gebe so etwas in diesem Laden gar nicht, alles laufe von selber. Und nun war Speedy gekommen, ein bißchen mal für Tohuwabohu zu sorgen, für Durcheinander und Aufruhr, und natürlich brauchte sie dabei Hilfe, die Hilfe einer Verkäuferin – ja, sie könne Hilfe gebrauchen, antwortete Speedy auf die Frage der Verkäuferin, und nachdem sie dies gesagt hatte, ging sie, in Begleitung nun dieser Verkäuferin, ein paar Schritte zu einem Regal zurück, an dem sie länger gestanden, in dem sie sich schon umgetan hatte. Speedy hatte längst ihre Wahl getroffen, nur ich, ich hatte es nicht mitbekommen.

Und was war das, was Speedy sich ausgesucht hatte, sich für mich ausgesucht hatte? Angekündigt von Speedy war der Kauf eines Korsetts für mich, um mich ein bißchen mehr auf Taille zu bringen, angekündigt war aber ebenso auch der Kauf eines Nachthemdes, auf daß das arme Schlechterchen sich auch des Nachts im Schlafe weiblich fühlen, sich in weiblich süßen Träumen wiegen könne – doch das mit dem Nachthemd für mich, das hatte ich eher als eine Zusatzidee gesehen, weil ja von mir kommend, nicht als das eigentliche Ziel von Speedy, und sie war ja dann auch in diesem gut sortierten Miederwarengeschäft gar nicht bis in die Nachthemd-Abteilung vorgestoßen, die sich, auch aus der Distanz gut erkennbar, in einem zweiten Raum befand, Speedy war bei der Unterwäsche selbst geblieben. Aber, und auch ich hatte mich natürlich danach umgeschaut, ein Korsett, ein klassisches Korsett war dort nicht zu entdecken, nicht ein einziges Modell, und so konnte Speedy also diese Verkäuferin, die sie angesprochen, ihr ihre Hilfe angeboten hatte, auch nicht zu einem Regal mit dem mir angekündigten Korsett führen, es gab ja keines, und was Speedy stattdessen in die Hand nahm, das war ein breiter Hüfthalter, ein sehr breiter, bis zur Taille reichender Hüfthalter, ein Hüfthalter, der unten so weit hinunterging, das er das wenige meiner Männlichkeit wohl gut bedecken und verstecken würde, und an dessen unterem Rand insgesamt sechs, auf jeder Seite also drei, wiederum auch sehr breite und kurze Strapsbänder befestigt waren, die Strümpfe zu halten – ein Korsett war das nicht, dieser Hüfthalter, aber er kam doch einem Korsett sehr nahe und mochte als Ersatz für ein Korsett herhalten können. Er ging schon in die Richtung Korsett und war auf alle Fälle gegenüber dem eher schmalen und modischen und also zu Speedy passenden Strumpfhalter, den ich bisher von ihr zum Tragen bekommen, ausgeborgt bekommen hatte, eine echte Steigerung, und der Gedanke war bei mir sofort da, daß dieser soviel breitere Hüftgürtel womöglich nicht mehr diese Tendenz haben könnte, bei mir, da es mir doch an der weiblichen Taille mangelte, nach unten zu rutschen, heruntergezogen auch von den Strümpfen, wo doch Speedy, und nicht nur sie, auch ich, die Strapse immer schön glatt und stramm haben wollte. Ich glaube nicht, daß Speedy bei ihrer Wahl dieses Hüfthalters, den sie nun aus dem Regal herausnahm und der Verkäuferin zeigte, überhaupt darauf geachtet haben wird, ob er mir denn von der Größe her passen würde – er tat dies offensichtlich nicht, er mußte für mich zu klein und viel zu eng und zu schmal geschnitten sein, das war sogar für mich und meinen ungeübten Blick erkennbar. Aber, und so schien es auch mir sofort, er konnte auch Speedy nicht passen, für sie mußte er wiederum zu groß, zu weit sein, und an etwas anderes als daran, daß sich Speedy diesen Hüfthalter für sich selber ausgesucht habe, daran konnte doch die Verkäuferin in diesem Moment noch gar nicht denken, etwas anderes nicht vermuten, und also machte sie Speedy darauf aufmerksam, daß dieser Hüfthalter jedenfalls für ihre schlanke Gestalt etwas zu groß sein dürfte, zu weit. Speedy zeigte in ihrer Reaktion darauf keinerlei Erstaunen, sie sagte, etwas schnippisch im Ton, daß sie davon ausgegangen wäre, es ließe sich im Lager schon das Passende finden, sie habe sich erst einmal nur für das Modell entschieden, das sie haben wolle, weil es ihr gefalle, und genau dieser Hüfthalter gefalle ihr, genau den wolle sie haben. Immer noch in der fälschlichen Annahme, dieser Hüfthalter, der Speedy gefiel, den sie haben wolle, wäre dann auch für sie bestimmt, erwiderte die Verkäuferin, daß auch sie annehmen würde, es ließe sich sicher im Lager die für Speedy passende Größe finden, und nach einem kurzen Blick, mit dem sie Speedys Bekleidungsgröße zu taxieren schien, sagte sie, während sie sich dann schon anschickte, ins Lager zu gehen: »Ich werde mal nachsehen gehen.« Das ging alles sehr schnell, und ich will mal nicht annehmen, daß Speedy es absichtlich darauf angelegt hatte, dies sehr laut und deutlich und für die beiden Damen in unserer Nähe auch deutlich hörbar sagen zu müssen, was sie dann laut und deutlich sagte, um zu verhindern, daß die Verkäuferin in ihrer Ahnungslosigkeit mit einem Hüfthalter der falschen, weil für Speedy passenden Größe zurückkäme. Sie sagte, und sie sagte es, wie gesagt, sehr laut und deutlich vernehmbar: »Ich möchte diesen Hüfthalter aber nicht für mich, sondern für meinen Mann hier.«

Damit war es heraus, und ich wäre natürlich am liebsten in diesem Moment im Erdboden verschwunden. Die beiden Damen in unserer Nähe drehten sich zu uns um, ihr erstaunter Blick traf mich mit voller Wucht, aber auch das Erstaunen der Verkäuferin war natürlich groß. Sie war offensichtlich vollkommen konsterniert und wirkte wie aus ihrem Konzept gebracht. Sie stand da, mit offenem Mund, hilflos und für einen Moment jedenfalls geschockt – ob sie einen gleichgelagerten, einen wenigstens ähnlichen Fall in ihrer langjährigen Berufspraxis schon mal erlebt hatte, ich bezweifele es. Und diesen Moment nun des Schocks, der offenbaren Unfähigkeit der Verkäuferin, auf diese Eröffnung zu reagieren, ihn nutzte Speedy dahingehend aus, daß sie nun, die als Kundin bisher, wie in einem solchen seriösen Geschäft wohl gewohnt, die Verkäuferin hatte machen, den Verkaufsakt hatte leiten lassen, ihrerseits die Initiative für das Weitere ergriff. Speedy sagte in die plötzliche Stille hinein, ihr Mann, also ich, ich müsse diesen Hüfthalter aber natürlich unbedingt anprobieren können. Der Verkäuferin blieb nur, beflissen zu nicken, und nachdem sie dies getan und damit ihr Einverständnis auch für dieses sicher noch einmal mehr ungewöhnliche Ansinnen gegeben hatte, wenn es denn hier überhaupt noch eine Steigerung des Ungewöhnlichen geben konnte, sagte Speedy, sie wisse leider nicht, welche weiblichen Kleidergrößen für ihren Mann die richtigen wären, es sei sicher besser, dies erst einmal bei mir nachzumessen. Wieder nickte sie, nickte die Verkäuferin in ihrer Hilflosigkeit, immer noch paralysiert und Speedy ausgeliefert, und gab damit auch dafür ihr Einverständnis. Wie in Trance drehte sie sich um und bewegte sich in Richtung der drei nebeneinanderliegenden Kabinen im rückwärtigen Teil des großen, geräumigen Ladens, in den Bereich hinein also, den wohl in der Regel nur Frauen betreten, die Kundinnen, die ein Wäschestück anprobieren wollen, und im Ausnahmefall vielleicht auch mal ein Paar – aber doch nicht eines, wo es der Mann sein würde, der dort ein solches für die holde Weiblichkeit bestimmtes Wäschestück anprobiert. Speedy folgte ihr entschlossenen Schrittes, ich trottete hinterdrein – auch ich wie in Trance und jenseits von Gut und Böse, vollkommen unter der Macht meiner Frau.

Die Verkäuferin, die vorgegangen war, trat, als wir diese Kabine erreicht hatten, einen Schritt zur Seite, um für Speedy und nachfolgend mich den Weg freizumachen, sie zog dann hinter uns dreien den Vorhang zu, und damit waren wir uns plötzlich sehr, sehr nahe und in einer sehr viel intimeren Situation auch, getrennt von dem, was sich da draußen in dem Laden abspielte, und ich würde mal annehmen, daß da zumindest ein paar sehr bedeutungsvolle Blicke gewechselt worden sein werden, unter den verbleibenden Verkäuferinnen auf alle Fälle, aber vielleicht auch zwischen ihnen und den anderen Kundinnen, zumindest mit diesen beiden Damen, die das sehr wohl in seiner entscheidenden Wendung mitbekommen hatten, was Speedy vorhatte, mit mir, mit ihrem Mann, ihrem männlichen Begleiter, und auch daran wäre zu denken, daß es da ein paar hämische Kommentare gegeben haben könnte, ein paar diesen Skandal skandalisierende. Und wahrscheinlich warteten sie alle nur drauf, was die Verkäuferin zu berichten haben würde, die mit uns nun in dieser doch engen Kabine steckte und schon ihr Zentimetermaß gezückt hatte, um mich zu vermessen, meine Taille, auf die es bei diesem Hüfthalter doch eigentlich nur ankam. Etwas ungeduldig und verlegen, wie auch ich ja verlegen war, äußerst verlegen sogar und in meiner Verlegenheit auch abhängig von den weiteren Anweisungen meiner Frau. Speedy hatte das Kommando übernommen, also ging ohne ihr Kommando nichts mehr. Und Speedy übte das Kommando aus, Speedy sagte zu mir, ich solle den Mantel ausziehen und auch meinen Anzug, damit die gute Frau, und sie nannte die Verkäuferin wirklich eine gute Frau, meine Taille messen könne, und also zog ich den Mantel aus und legte dann die Anzugjacke ab, und natürlich stockte ich einen Moment, bevor ich mir dann die Hose öffnete, unter der die Seidenstrümpfe sichtbar werden würden, die ich schon an meinen Männerbeinen trug, und mit den Seidenstrümpfen dann auch der Strumpfhalter, an dessen Strapsen sie befestigt waren, und damit eigentlich der ganze Irrsinn meiner Verweiblichung in seinem vollen Ausmaß, und zu diesem Ausmaß gehörte, wie mir erst eigentlich in diesem Moment richtig klar wurde, daß ich und Speedy mit mir längst meine weibliche Bekleidungsgröße wissen mußten, denn schließlich paßten mir doch Speedys Sachen irgendwie – aber eben nur irgendwie, und die Taille war natürlich noch mal etwas anderes, das war schon wahr, und worauf es nun ankam, das war, daß unsere Verkäuferin ihres Amtes waltete beziehungsweise fachgerecht ihren Beruf ausübte, das Messen meines Taillenumfanges vornahm, und sie tat dies, ohne mit der Wimper zu zucken, ohne eine Miene dabei zu verziehen, hinter ihrer Professionalität verschanzt. Ich hielt, von Speedy dazu aufgefordert, mein Oberhemd in die Höhe, das einzig mir verbliebene männliche Kleidungsstück, und auch das weibliche Unterhemdchen, das die Verkäuferin natürlich sehr wohl registrierte. Sie nannte die Zahl, sie nannte auch die Größe, die ich demzufolge für einen Hüfthalter brauchen würde, ich bekam beides nicht mit, ich war viel zu aufgeregt dazu. Und dann verschwand sie, und Speedy sagte in einem aufmunternden Ton: »Siehst du: alles halb so schlimm.« Speedy hatte gut reden – was wußte sie, wie peinlich mir das Ganze war.

Aber es war ja nur der Anfang, denn in der Zeit, in der sich unsere Verkäuferin im Lager nach einem Hüfthalter meiner Größe auf die Suche machte und sicher auch gleich mal ihren Kolleginnen Bericht erstattete, Bericht darüber, was mit mir los wäre, was für ein Mann ich sei, was für ein Wenig-Mann und weiblicher, wäschemäßig verweiblichter Mann, gab mir Speedy die Anweisung, ich solle mir da gleich auch mal mein Oberhemd ausziehen, ich sähe ja lächerlich dabei aus, wenn ich’s mir so verzweifelt in die Höhe halte, damit ihr schmaler Strumpf- nun durch einen neuen, breiten Hüfthalter ausgetauscht werden konnte, und lächerlich, das war auf alle Fälle das passende Wort, lächerlich, mächtig lächerlich kam ich mir wirklich bei alledem vor. Doch auch dies reichte ihr nicht, auch das Hemdchen mußte weg, von dem sie behauptete, es würde zu tief hinunterreichen und den Hüfthalter verdecken, den ich anzuprobieren hatte. Und so stand ich dann da, noch mehr der Lächerlichkeit preisgegeben, in meinem lächerlichen BH und noch einmal mehr lächerlichen, weil nicht ausgestopften Büstenhalter, und harrte der Dinge, die da kommen würden, der Verkäuferin, die da wieder zu uns in die Kabine zurückkommen würde und hoffentlich wenigstens mit einem mir passenden Hüfthalter, denn dies wäre ja noch peinlich lächerlicher gewesen, hätte ich da umsonst warten und mich nur entblößen müssen, weil meine Frau es so von mir verlangte. Speedy schien bester Laune, sie hatte offensichtlich ihren Spaß. Ihren Spaß auch daran, wie wenig spaßig ich die ganze Situation fand. Wie peinlich. Wie lächerlich ich mir vorkam, vorkommen mußte. Egal war ihr das jedenfalls nicht, und das war immerhin besser, als daß es ihr egal gewesen wäre. Man wird ja sehr bescheiden bei so einer Frau.

Und dann kam sie zurück, die Verkäuferin, endlich und nachdem genug Zeit auch vergangen war, ihre Kolleginnen über das zu informieren, was diese natürlich brennend interessieren mußte, und wenigstens das: sie hatte einen Hüfthalter in der Hand, etwas, das ich nun anzuprobieren hatte – aber ganz korrekt ist das so nicht formuliert: ich hatte nur die Vorarbeit zu leisten, damit mir dieser Hüfthalter dann anprobiert werden konnte, ich hatte mich ja erst noch des Strumpfhalters zu entledigen, den diese neue Errungenschaft, so sie dies denn würde, ersetzen sollte, und das hätte Speedy mir eigentlich auch einen Moment früher sagen können, aber sie wollte mir wohl auch diese Peinlichkeit nicht ersparen, mir die Seidenstrümpfe in Gegenwart unserer Verkäuferin von den Strapsen lösen zu müssen – klar, Speedy hätte, darauf angesprochen, das Gegenteil behauptet: daß sie mir die Peinlichkeit ersparen wollte, mit hängenden Strümpfen vor dieser Frau stehen zu müssen, wenn sie zu uns in die Kabine zurückkommt. So hat jeder seine Perspektive. Kann jedenfalls so tun, als sei es doch gut gemeint gewesen, was dem anderen ein Greuel ist. Die hängenden Strümpfe, die lächerlich an meinen lächerlichen Männerbeinen herunterrutschenden Strümpfe, sie gab es ja auch so noch zu sehen, und dann gab es für mich noch die wundervolle Aufgabe, mir diese Strümpfe dann wieder an den Strapsen des neuen, wirklich breiten und bis zu meiner Taille reichenden Hüfthalters zu befestigen, nachdem mir die Verkäuferin, die gute Frau, das gute Stück hinten auf der Rückseite, direkt über meinem sicher nun herausstehenden Hintern verhakt hatte, und es gab einige Haken, und das dauerte seine Zeit, Zeit genug für ihren Hinweis, ihren Hinweis für Speedy oder für mich oder für uns beide, daß sich diese Haken auch vorne zumachen ließen, was Speedy als Frau natürlich wußte, und was auch ich als Frau natürlich wußte, denn genauso hatte ich mir doch den BH angezogen, den ausgestopften, den die Verkäuferin nun ausführlichst an mir zu sehen bekam. Das mit den Strapsen, das klappte dann wenigstens einigermaßen problemlos, obwohl sie wegen ihrer Kürze noch einmal weniger leicht für eine solche Anfänger-Frau wie mich zu handhaben waren als die längeren, mit denen ich schon etwas Übung hatte – aber auch da wiederum würde ich es nicht ausschließen wollen, ausschließen können, daß Speedy so ihre Hintergedanken hatte: denn daß ich mit diesen Strapsen ganz gut zurechtkam, es zeigte doch, zeigte der Verkäuferin, so sie denn Sinne für diese Feinheiten besaß, daß ich als Frau nicht ganz ungeübt war und also nicht erst seit heute Frau sein mußte. Und auch das war ja etwas, das sie dann ihren Kolleginnen zu berichten haben würde. Aber egal. Wenn Speedy das wollte, egal.

Während ich mit meinen Strapsen beschäftigt war, während die beiden Frauen, während Speedy und die Verkäuferin, die plötzlich als Frauen zusammengehörten, mir dabei zusahen, wie ich mit meinen Strapsen beschäftigt war, gab es für die beiden ein bißchen die Gelegenheit, sich mal, von Frau zu Frau sozusagen, über mich, den Mann, dem sie beim Befestigen der Strümpfe an den Strapsen zusahen, den nicht mehr ganz Mann, den Wenig-Mann, auszutauschen und zu verständigen, und Speedy nutzte sie natürlich, diese sich bietende Gelegenheit des Gedankenaustausches, diese Gelegenheit, mich noch ein bißchen mehr vor dieser Verkäuferin zu erniedrigen, und sie nutzte sie, indem sie sagte, sie habe mir eigentlich den Kauf eines Korsetts für mich angekündigt, eines richtigen Schnürkorsetts, um mir etwas weibliche Taille zu verschaffen, sie habe aber in ihrem Laden keines entdecken können, nicht ein einziges – die Verkäuferin lächelte, als sie dies zu hören bekam, und es war dies das erste Lächeln, das nach dem Schock in ihr bis zu diesem Moment gefrorenes Gesicht zurückkehrte. Ein Korsett, so antwortete sie, ein bißchen belehrend im Ton, ein Schnürkorsett insbesondere, das sei doch längst aus der Mode, old fashion, und die moderne Frau sei doch nur froh, sich von dieser Zwangsveranstaltung Korsett befreit zu haben, und Speedy, die sich nicht belehren lassen wollte, auch von dieser Fachkraft nicht, sie erwiderte, das sei ihr schon klar, auch sie würde ja kein Korsett tragen wollen, aber sie habe doch vermutet, gehofft, in einem solchen wie dem ihren doch mehr traditionell ausgerichteten Miederwarengeschäft noch eines finden zu können – für ihren Mann wohlgemerkt, der doch etwas mehr weibliche Taille brauche. Darauf die Verkäuferin: da müsse sie sie enttäuschen, auch die Kundinnen ihres Geschäftes würden, auch wenn dies vielleicht bedauerlich sei und sicher auch für ein paar ältere Damen von Nachteil wäre, keine klassischen Schnürkorsetts mehr kaufen, sie hätten deshalb also dergleichen gar nicht mehr im Angebot, aber, und nun kam es, sie könne Speedy, ganz im Vertrauen natürlich und als besonderer Kundendienst, noch ein kleines, ganz auf Korsetts spezialisiertes Geschäft nennen, das, in Friedenau gelegen, in einer Seitenstraße dort, und gar nicht so weit entfernt, leicht sogar zu Fuß zu erreichen wäre – dieser Hinweis auf die Konkurrenz, er war natürlich erstaunlich, sehr erstaunlich, aber er klärte sich dann doch etwas dadurch auf, daß sie sagte, fast sich entschuldigend sagte, dieser Laden, er werde von einer früheren Kollegin betrieben, die sich selbständig gemacht habe. Speedy dankte und sagte, sie würde sicher mit mir dort mal vorbeischauen, an ihrem Entschluß jedoch, diesen extrabreiten Hüfthalter zu kaufen, der mir offensichtlich passe, würde sich deshalb nichts ändern – schon um sie, die Verkäuferin, nicht gegenüber ihrer Geschäftsleitung in Verlegenheit zu bringen, erzielte sie keinen Verkaufserfolg, und außerdem wäre dieser Hüfthalter ja schließlich ein bißchen auch wie ein Ersatz für das Korsett, und sie könne doch auch nicht wissen, ob sie in diesem Spezialgeschäft wirklich etwas Passendes für mich finden würde. Darauf die Verkäuferin: sie sei Speedy sehr verbunden. Die beiden Frauen verstanden sich also bestens, und dieses gegenseitige Verständnis und Einverständnis, es ging dann auch noch soweit, daß sich die Verkäuferin bemüßigt fühlte, Speedy zu versichern, daß mir der Hüfthalter wie angegossen passe – was stimmte, wirklich stimmte.

Speedy – Skizzen

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