Читать книгу Speedy – Skizzen - Florian Havemann - Страница 63

Kapitel 59: Erhöhte Dosis

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Diese Unterbrechung, sie hat mich zwar abgehalten, das angekündigte farbliche Bekenntnis abzulegen, wie sehr auch mir doch die hautfarbene Farbe gefiel und richtig für mich schien, die Speedy, aus welchen Gründen und wie zufällig vielleicht auch immer, für meine Wäsche gewählt hatte, aber sie kommt mir insofern doch ganz recht, diese Unterbrechung, denn dann muß ich das alles nämlich nicht weiter und bis zu Ende berichten, bis zu dem Moment, wo’s ans Bezahlen ging, das natürlich Speedy übernahm, während ich wieder wie ein mit Peinlichkeit übergossener Pudel daneben stand und stehen mußte – noch nicht mal mehr in diesem Punkte Mann und der üblichen Männerrolle gemäß. Der mit der Brieftasche. Dieser schriftstellerische Coitus interruptus hier der Fanfare, er befreit mich von dem zwanghaften Zwang zur Vollständigkeit, das alles haarklein und in allen peinlichen Details aufzuschreiben, was in diesem ersten Laden geschah, auf den ja noch ein zweiter folgen sollte, das Spezialgeschäft, in dem wir dann doch ein altertümliches, aus der Mode geratenes Korsett für mich zu finden hofften, auf den aber erst ein ganz anderer zweiter Laden folgte, Chris, ein modisches und damit eigentlich für uns und unser Anliegen von vornherein gänzlich ungeeignetes Dessousgeschäft, an dem wir auf unserem Fußmarsch nach Friedenau vorbeikamen – schon diese neumodische Angewohnheit, einem solchen Laden einen solchen Namen zu geben, Chris, sagte doch alles. Wer mochte das wohl sein, Chris? Die Inhaberin des Ladens, die wir später dann ja auch noch kennenlernten, ihr Vorname? Eine Christine, aus der Chris wurde? Man muß da heutzutage alles für möglich halten, jedwede Anbiederung an den Zeitgeschmack, und der Zeitgeschmack tendiert nun mal dahin, daß man sich selber im Leben erst noch finden muß, erfinden und deshalb immer mehr Leutchen mit ihrem Namen unzufrieden sind, den sie von ihrer Familie her haben, den ihnen ihre Eltern gegeben und in dem altertümlichen Glauben verpaßt haben, sie würden ihn fraglos annehmen und durchs Leben tragen, wie es sich gehört – aber was rege ich mich darüber auf? Wenn die alten Sitten noch gelten würden, dann hieße Speedy nicht Speedy und ich müßte sie entweder Elfriede nennen oder mit Elisabeth anreden, und ich hätte noch nicht mal darin eine Wahl, denn natürlich haben ihre dummen Schweizer Eltern meine Speedy Elfriede gerufen – was für ein unpassender Name für meine Speedy, die so wenig friedlich ist, sondern in der Hauptsache schnell und immer also speedy. Aber verrückt ist das schon, daß die Spitznamen immer mehr um sich greifen, daß sie wirklich an einem Menschen kleben bleiben, zu dem Namen werden, mit dem sie dann nicht nur von allen anderen, mit dem sie sich auch selber nennen. Ich habe Speedy den Namen Speedy gegeben, aber es ist ihr Name geworden – so was wie ein Künstlername, könnte man fast meinen, und von George die Frau, sie wurde Maud genannt und der Georg George, er umbenannte sich selber in das Englische George, und ich will nicht noch einmal mit Helmut Herzfelds Johnny Heartfield anfangen und all diesen Namen, Namen, Namen, und hätte ich nicht diesen trefflich passenden Namen Schlechter, ich hätte mir wohl auch einen anderen suchen und anschaffen müssen, und keiner nennt mich doch Rudolph. Früher war das unser Künstlerprivileg, das mit den Künstlernamen, etwas, den schöpferischen Menschen allein vorbehaltenes, den Schaffenden, die sich doch selber wirklich erst einmal selbst erschaffen müssen, nun aber will jede Tussi, jede Miederwarenladenbesitzerin ihren ureigenen Namen haben und sich selber erschaffen, sich zu einer Chris stilisieren – aber vielleicht kommt’s bei einer Chris gar nicht von uns Künstlern her, und es grenzt wieder mal an Selbstüberschätzung anzunehmen, wir Künstler hätten einen solchen Einfluß auf die Sitten und Gebräuche, eine solche Vorbildfunktion, als wären wir das Schnittmuster, nach dem sich alle anderen dann zurechtschneidern wollen. Es gibt ja eine andere Personengruppe noch, die man nur beim Vornamen nennt und meist dann wie bei Chris in einer abgekürzten Form: die Nutten, ganz genau, und bei den Nutten muß doch alles schnell gehen, da ist die Zeit nur kurz bemessen und ansonsten teuer, und also ist Chris schon mal besser als die viel zu lange Christine. Überhaupt das Milieu, und auch die Gangster kennen sich doch nur bei ihren Spitznamen, das Milieu wird das Vorbild für Chris gewesen sein, und vielleicht war sie das sogar einmal, eine Nutte, eine Nutte, die gut Geld verdient hat, denn davon träumen sie doch alle, die Nutten, eines Tages soviel an Moneten zusammengespart zu haben, daß sie ein eigenes Geschäft aufmachen können, und eine Nutte kennt sich doch auch ein bißchen mit dem Darunter der Dessous aus, das ist doch Berufskleidung bei denen – damit klärt sich alles auf.

Das erste Geschäft, in dem Speedy und ich waren, da war das natürlich alles anders, es war ja auch ein seriöses, ein nicht so modisches, es war ein Traditionsgeschäft, und es hieß folglich auch nur so, wie traditionell Geschäfte heißen, und unter mehr als der sachlichen Angabe Miederwaren firmierte das Ding auch nicht – stimmt nicht ganz, ich erinnere mich jetzt daran, daß da draußen am Ladenschild auch der Name des Geschäftsinhabers genannt wurde: Paul Knopf, und jetzt auch fällt mir erst auf, daß Knopf schon ein merkwürdiger Name ist für so einen Laden, der nicht Knöpfe verkaufte, aber doch keine Stühle, keine Möbel oder Eisenoder Haushaltswaren aller Art, und ein Kolonialwarengeschäft war’s auch nicht, und Unterwäsche, das ist doch von Knöpfen soweit nicht entfernt, auch wenn das heute mehr Haken und Ösen sind und keine Knöpfe mehr Verwendung finden, diese Stoffteile zu verschließen, damit sie zu Bekleidungsstücken werden. Es gehört von der Branche her zusammen, und ich will deshalb mal annehmen, daß das eine sehr alte Kurzwaren-Familie und vielleicht sogar Knopf-Dynastie gewesen sein muß, die Familie Knopf, von der dann einer in das benachbarte Miederwarengeschäft gewechselt haben wird.

Dieser zweite Miederwarenladen, er war ein ganz anderer, einer, der auch anders aussah, schon auf den ersten Blick beim Betreten einen anderen Eindruck machte. Der erste war ein alter Laden, ein altehrwürdiges, ein renommiertes Geschäft, das auch so aussah: dunkles Holz und überall pompöse Regale an den Wänden, der Rest im gleichen Holz getäfelt, nicht sehr hell, nicht vollkommen ausgeleuchtet, grün beschirmte Lampen – mit einem Wort: gediegen, sogar sehr gediegen und seriös, und es war dies wohl überhaupt kein Zufall, daß wir dort von einer so erfahrenen Fachkraft bedient wurden, das paßte genau zu diesem Laden, der etwas in eine andere Zeit zu gehören schien, noch den Geist der untergegangenen Wilhelminischen Epoche atmend. Das zweite Geschäft war sehr viel moderner, war allem Anschein nach eine Neugründung, existierte so erst seit ein paar wenigen Jahren, wie sich deutlich an der hellen Beleuchtung, an der ebenso hellen Inneneinrichtung ablesen ließ. Der Laden besaß Pariser Chic, und er war deshalb auch sehr viel weniger traditionell, war stattdessen eindeutig modischer in seinem Warenangebot und insoweit wohl schon mal von vornherein nicht so ganz das Passende für uns, für Speedy und mich, für meine Verweiblichung, die ja doch nur die in eine Dame sein konnte, nicht die in eine moderne Frau von heute – ich bin mir sicher, daß Speedy dies genauso gesehen haben wird, daß auch Speedy sofort bei unserm Eintreten in diesen zweiten Laden wußte, daß wir in ihm nicht so ganz richtig sein würden. Doch dies hielt sie nicht davon ab, auch dort für mich das Glück zu suchen, und vielleicht wollte sie ja einfach nur nicht gleich auf dem Absatz wieder umkehren müssen, wo wir nun schon mal in dem Laden drin waren. Aber ich glaube das doch eigentlich nicht, ich vermute, daß Speedys natürlich sehr spontane, sehr instinktive Entscheidung, dort in diesem Laden mit mir zu bleiben, von etwas anderem bestimmt worden sein dürfte: von dem Verkaufspersonal nämlich, von den dort dann durchgängig soviel jüngeren Verkäuferinnen – ich nehme dies jedenfalls mal so an, daß sie dort dann gleich die Chance und Möglichkeit gesehen hat, ihrem Mann, also mir, ihrem zu verweiblichenden Mann, also mir, ihrem Schüler in Sachen Weiblichkeit, devoter Weiblichkeit, eine weitere, eine etwas anders geartete, eine verschärftere Lektion zu erteilen, eine Lektion auch in Freiheit. So könnte man es doch sagen, formulieren, daß ich an diesem Tage an Freiheit gewann, an innerer Freiheit, an der Freiheit, die sich auftut, ist erst einmal die Scham, sind die exzessiv mich beherrschenden Schamgefühle überwunden – ohne daß ich dies erlebt hätte, wie aus Zwang, mir auferlegtem Zwang, aus zwanghafter Scham auch Freiheit wird, hätte ich doch all das, was auf diesen Tag in Berlin am 28. Februar 1933 folgen sollte, nie gewagt, nie mitgemacht, mit mir geschehen lassen. So peinlich das alles für mich war und so peinlich es sicher doch auch, Speedys Intentionen gemäß, für mich sein sollte, habe ich doch nur eines: Speedy zu danken, daß sie mich all dem aussetzte.

Zu danken auch für diese Lektion: eine Lektion in Rassismus – nein, kein Antisemitismus, der ja nur eine ganz spezielle Unterform des Rassismus darstellt, und eigentlich auch kein Rassismus, wenn Rassismus Rassenhaß bedeutet, die Ablehnung einer anderen denn der arischen und hier auch der weißen Rasse als minderwertig, als minderwertig und deshalb verachtenswert. Wenn dann umgekehrt und ein ins Gegenteil verkehrter Rassismus, ein pervertierter Rassismus, ein Rassismus, der den deutschen Mann in seiner Minderwertigkeit meint, und ich rede hier absichtlich nur vom deutschen Mann und also mir und nicht von der deutschen Frau und auch von Speedy nicht, bei der das einmal ganz zu vernachlässigen ist, daß sie einen Schweizer Pass in der Tasche trägt, in ihrer Handtasche, ihrer regelmäßig schicken Damenhandtasche – wie das nun?, so müßte sich hier jeder Leser fragen, und würde ich für einen Leser schreiben, ich hätte es ganz anders anfangen müssen, aber ich schreibe für mich allein und noch nicht mal für meine Frau, für Speedy. Aber Speedy müßte ich das auch nicht erzählen, Speedy war ja dabei, Speedy würde es reichen, wenn ich hier nur das Wort Neger sage, Neger schreibe – als wir da reinkamen in dieses zweite Dessousgeschäft des Tages, in das Geschäft, in dem wir von vornherein falsch sein würden, jedenfalls, was unseren Hauptzweck, das Korsett für mich betraf, da saß da breitbeinig, breitschultrig ein riesenhafter Schwarzer in einem der Sessel dort, und er grinste mich an und bleckte seine ungeheuer weißen Zähne. Aber wahrscheinlich galt sein unverschämtes, sein vollkommen schamloses Grinsen gar nicht mir, der ich Speedy hinterherstolperte, sondern ihr, sondern Speedy, und es war das Grinsen, mit dem er jede deutsche Frau erst einmal anzugrinsen pflegte, das anzügliche, das auszügliche, jede Frau in seiner schmutzigen Vorstellung ausziehende, das Grinsen eines Mannes, der in jeder Frau erst einmal die Frau sieht, die Frau, die seine Frau sein könnte und werden, die sich seinem exotischen Negerreiz ergibt. Und welche Frau, welche deutsche Frau macht das nicht und denkt angesichts eines Negers nicht an das Eine, an genau das, an das auch der Neger denkt, und der Neger, er denkt doch sowieso immer nur an das Eine, der Neger ist ein Tier. Egal, was er sonst noch ist oder sein mag. Trompeter in einer Jazzband, Stammeshäuptling, Häuptlingssohn, Student der Rechte – Klischee? Natürlich ist das ein Klischee, aber ohne Klischees kein Rassismus, auch meiner nicht. War das nun ein amerikanischer Export, beziehungsweise Import, geht man von unserer deutschen Provinz-Perspektive aus, ein Jazz-Neger, der Trompeter einer Jazzband zum Beispiel wegen seiner wulstigen Lippen, oder ein afrikanischer Stammeshäuptling auf Europabesuch, ein Häuptlingssohn, zum Studium nach Deutschland geschickt, auch das gab es ja? Es konnte mir eigentlich egal sein, die Hauptsache war das, was dieser schwarze Mann sozusagen und schon unausgesprochen bedeutete, in Beziehung zur deutschen Frau, zur weißen Frau bedeutete, die er in diesen Laden zur Unterwäsche, zu den Dessous hin begleitete, den weiblichen, in die zu kleiden, mittels derer sich selber zu verweiblichen ihm niemals in den Sinn gekommen wäre, aber dagegen mir. Mir sehr wohl. Mir als dekadentem Mann, als so wenig Mann. Der Kontrast konnte nicht schärfer sein. Dort der Neger, hingefläzt in diesen Sessel, seiner selbst, seiner Wirkung auf Frauen vollkommen sicher, seiner animalischen Wirkung und des Versprechens, das von dieser animalischen Wirkung auf die deutsche Frau ausgeht, auf jede deutsche Frau, würde ich meinen, auch auf die, die es sich verbietet, von einem Neger zu träumen und daran zu glauben, daß der Neger in der Regel sehr viel potenter ist als alles, was deutsche Männer zustande bekommen, triebhafter, und daß auch sein Gemächte ein afrikanisch großes und überwältigendes sei, so ja das unausrottbare Gerücht, das entsprechende Klischee, und hier ich, das deutsche Männchen, ein nasser, müder Sack im Vergleich zu diesem Schrank von Neger, ein seiner Männlichkeit so wenig gewisser Mann, ein Mann, seiner Männlichkeit beraubt, ein Mann, der bereit ist, sich in eine Frau verwandeln zu lassen. Natürlich ergab sich da eine Beziehung zwischen diesem Neger und mir, sie ergab sich schon aus der Tatsache, daß wir die beiden einzigen männlichen Wesen in diesem Laden waren, und welcher Art die Beziehung zwischen uns beiden war, welch ein entscheidender, welch gravierender Unterschied zwischen ihm und meiner Wenigkeit bestand, das war zumindest einer weiteren Person in diesem Laden von vornherein bewußt: Speedy nämlich, und dessen konnte, mußte ich mir eigentlich sicher sein, daß Speedy, so wie sie veranlagt ist, sich den Neger sofort als Mann dachte, und ich mußte auch damit rechnen, daß sie Mittel und Wege finden würde, ihr Wissen um den Unterschied zwischen uns beiden so verschiedenen Männern auch den anderen, dort in diesem Laden anwesenden Damen, zumindest den Verkäuferinnen und der Dame, die der Neger begleitete, bewußt zu machen – diese Gelegenheit würde sie sich doch nicht entgehen lassen. Speedy doch nicht, nicht an einem solchen Tag.

Der Neger saß da, breitbeinig, breitschultrig und seiner selbst gewiß, seiner negroiden Potenz, und wartete offensichtlich, und worauf er wartete, auf wen er wartete, es schien mir jedenfalls vollkommen gewiß: auf seine deutsche Maid, auf die deutsche Frau, die er afrikanisch potent oder jazz-exotisch beschlief und die grad dabei sein mußte, sich mit neuer Unterwäsche einzudecken, damit er noch wilder hinter ihr her sei, sie noch einmal mehr beschlafe, und das eigentlich Verrückte ist, daß mir das jetzt im nachhinein erst auffällt, daß da ja ebenso gut auch Josephine Baker oder ein Baker-Girl, ein schwarzes Revuemädchen, eine zu seiner Schwärze passende Exportware dann zu ihm hätte aus der Kabine zurückkommen können – aber sie erschien nicht, die zu seiner Schwärze passende Schwarze, stattdessen aber später dann eine deutsche Frau, keine Maid allerdings, eine gar nicht mehr so taufrische deutsche Dame, das Gespenst, wie ich immer sage, innerlich in mir sagen höre, denke ich an diese umwerfend schreckliche Szene zurück, und die zwischen den beiden zum Rassenunterschied hinzutretende Altersdifferenz machte ihre Paarung noch einmal mehr obszön und zu einer offen, offensichtlichen sexuellen Angelegenheit. Eine romantische Liebestorheit war’s auf alle Fälle nicht, auch von der weiblich-gespenstischen Seite aus nicht, und ich konnte mich also in meiner Ahnung, respektive Gewißheit bestätigt fühlen, was aber nichts eigentlich daran ändert, wie erstaunlich das ist, daß ich mir meiner Sache so sicher war mit der deutschen Maid, und wenn nicht Maid, dann eben überhaupt und so weiter, auf die er wartete, nur warten konnte. Jedenfalls im nachhinein betrachtet. Heute sieht man keine schwarze Haut mehr in Deutschland, so gut wie keine, ob weiblich oder männlich, doch damals im Februar 33 waren doch die schönen 20er Jahre noch nicht ganz zu Ende, sie endeten erst an diesem Tag. Nur der Neger wußte es vielleicht noch nicht, daß es sich ausgenegert hatte in Deutschland.

Habe ich was gegen Neger?

Nein, ich habe nichts gegen Neger.

Und ich habe auch dann nischt gegen Neger, wenn ich sie hier bei mir oben in meinem deutschen Dachstübchen mal süddeutsch weich Nejer ausspreche, oder sächsisch, falls denn der Sachse seit Zeiten August des Starken und seinen Mohren damals jemals wieder einen echten Nejer jesehn haben sollte – aber beim Nejer reicht ja in der Provinz das Gerücht, es gebe ihn, und schon nehmen die Weiber Reißaus, die sich alle doch zu ihm hinsehnen, eigentlich, wenn sich’s machen ließe, und so gern mal nachsehen würden, ob das denn nu wirklich auch stimmen tut, was der Volksmund sagt, daß der Nejer besser ausgestattet wäre, besser als der beste deutsche Mann. Doch nun, je mehr ich den Neger unterhalb der nord-deutschen Tiefebene, der Lautverschiebungsgrenze als Nejer höre, desto weicher zergeht er mir auf der Zunge, desto zärtlicher und sehnsüchtiger spricht er sich in mir aus, und das ist falsch, absolut falsch, denn der Neger, dieser schwarze Riese mit dem vermuteten Riesending in der Hose, Ebenholz, Ebenholzprügel, er ist alles andere als weich, er ist hart, ein Muskelprotz, ein Muskelmann und als Mann von einer unbeschreiblich fordernden Härte, wenn erregt – die dicke, fette Beule da in seiner Hose sagt es an, wie ein Tier auf der Lauer liegt es da, träge scheint’s, und der Neger krümmt doch den Finger nicht, dann aber schnellt er los, richtet er sich auf, zu stattlicher Größe, sowie ein Opfer in seine Nähe kommt, ein weibliches Opfertier, Opfermensch und als Frau potentielles Opfer seiner Lust, ihrer eigenen Negergelüste, und vollkommen egal, ob wir das nur in ihn hineinprojizieren und auch dieser Mann ein Schlaffi ist. Ist er nicht. Wozu sonst brauchen wir einen Neger? Das Neger-Klischee, und ich habe nichts gegen Neger, nichts gegen Neger allgemein, gegen den Neger, den Neger an und für sich, nur gegen diesen einen Neger, wie er da breitschultrig, breitbeinig und ungeheuer unverschämt dasaß in seiner sicher vermuteten Großschwänzigkeit, gegen den hatte ich was, allerdings – nein, eigentlich auch das nicht, denn schließlich sah er wirklich imposant aus mit seinen breiten Schultern, seinem rasierten Schädel, und ich verstehe natürlich die deutsche Frau, die sich mit einem Schwarzen einläßt, der, im Unterschied zum seelisch angeknacksten deutschen Mann, noch bumsen will und kann und potent mehrmals auch hintereinander kann. Und der mehr Penis hat, einen längeren, einen größeren als so ein armes Kerlchen, wie ich einer war oder ich einer bin, immer bin und sein werde, der ich mich ducke und klein mache, so klein wie ich bin – warum mußte er ausgerechnet da rumsitzen, sich rumfläzen, wo ich armes Kerlchen auftauchte, ich, von Natur aus minderbemittelter Deutscher, ich kleinschwänzig Ding, wegen meiner Kleinschwänzigkeit dann gleich ganz meiner Männlichkeit beraubt, des letzten kleinen Restes Mann, zur Frau gemacht? Warum? Was sollte er da? Was hatte er da zu suchen, wo meine Frau Frauenunterwäsche für mich aussuchen wollte? Nichts hatte er da verloren, nichts. Weg mit dem Neger! Man befreie uns vom Neger. Der Jude kann von mir aus bleiben, aber der Neger muß weg, muß aus Deutschland hinausexpediert werden. Man stelle einen Sammeltransport zusammen, man sammele sie alle ein, suche nach ihnen in allen deutschen Betten. Man schicke ihn nach Madagaskar, den Neger. Soll er am Leben bleiben. So sind wir doch nicht, wir haben schließlich Gemüt. Das ist es ja. Unsere große Schwäche. Nur in der Schwäche sind wir groß. Und deshalb brauchen wir den Nazi, der hat wenigstens noch einen großen Gummiknüppel – mehr aber auch nicht.

Ja, wäre das jetzt eine ausgedachte Geschichte von mir und nicht etwas, das ich selber erlebt habe, dieser Neger mit dem großen schwarzen Ebenholzprügel, er wäre mir sogar um des Kontrastes willen sehr recht, und mich neben ihn, wenigstens in Gedanken, mit meinem kleinen weißen Kringel zu stellen, es wäre das sicher ein Spaß – aber es war Ernst, der Ernstfall des Lebens und nicht eines meiner Hirngespinste, dieser Neger, er war unglaublich real, ungeheuer wirklich. Aber dafür konnte er natürlich nichts, er doch nicht – also, was habe ich denn nun gegen diesen Neger, von dem ich hier spreche? Er störte, er paßte mir nicht ins Konzept, mit ihm hatte ich so überhaupt nicht gerechnet. Wie er dasaß, so breitschultrig dieser Neger, breitbeinig in einem der beiden dicken Sessel des Ladens, und auch, wenn ich nichts gegen Schwarze habe und gegen Frauen, die sich mit Schwarzen abgeben, überhaupt nichts, aber darauf war ich doch nicht eingestellt, daß es da in diesem Laden einen Mann geben könnte, und auf einen Neger schon gar nicht. Und deshalb habe ich doch was gegen Nejer, gegen Nejer, die sich hier auf unseren dicken Sesseln breitmachen und die nichts anderes zu tun haben als blöde rumzusitzen und darauf zu warten, wann sie wieder unsere deutschen Frauen ficken können – die Frauen überlassen wir ihnen natürlich gern, soll ’n sie die f … en, mit ihnen das tun, was wir mit unseren angeschlagenen deutschen Männerpsychen nicht mehr zur vollsten Befriedigung unserer Frauen tun können, wohl auch nicht mehr tun wollen. Und ich schon gar nicht – nichts dagegen, daß so ein kleinschwänziger Bläß- und Winzling gegen das Riesending eines Schwarzen nichts ausrichten kann und besser wohl gar nicht gegen ihn in Konkurrenz antrete, aber, und nun folgt das Aber, das große, dann auch groß zu schreibende ABER: so ein Neger muß mir deshalb doch nicht mein Leben schwer machen, schwerer als es schon ist, und es ist doch schon schwer genug, da muß doch nicht auch noch ein Neger in diesem, in meinem Dessousladen bei den deutschen Muschis herumlungern, mit einem weißen Käppi auf dem glattrasierten Schädel, als wäre er der Häuptling eines Negerstammes – vielleicht war er das auch, und dagegen hätte ich doch nichts: sollen sie ihren Häuptlingssohn haben, von einem Häuptlingsschwanz befriedigt werden, die unbefriedigten deutschen Frauen, aber sich ein bißchen anderweitig beschäftigen, das könnte sich der Faulpelz doch auch mal, er muß da nicht so provokativ rumsitzen, rumlungern, als hätte er alle Zeit der Welt, und ausgerechnet die deutschen Frauen mit seinen lüsternen Blicken belästigen, die dann gleich etwas über mich zu lachen haben würden. Es gibt auch anderswo deutsche Frauen, es gibt viele, von deutschen Männern nicht ausreichend befriedigte, besamte Furchen in Deutschland. Bumsen, stemmen, stöpseln, stoßen, fegen, über unsere deutschen Weiber mit seinem Afrika rübergehen – soll er’s doch.

Dieser rassistisch gefärbte, wenn auch pervers rassistisch gefärbte Text hier, der zwischen Bewunderung und Verachtung schwankende, untergründig aber natürlich nur neidisch besetzte Erguß, ich versichere es meinen Lesern, so ich denn mal Leser haben werde, ungebetene Leser, er ist so ganz ernst nicht gemeint und noch nicht mal dazu da, meine zusätzliche Bedrückung in diesem zweiten Laden des Tages zu erklären, ich übe hier nur, das ist Rollenprosa, der Versuch in mir das zu finden, was auch mich zu einem ordentlichen Nationalsozialisten machen könnte, zu einem fanatischen Anhänger der Nürnberger Rassengesetze – Antisemitismus in der Nußschale, und jeder muß sehen, was er da in sich mobilisieren kann für die allgemeine, die totale Mobilmachung, und ich auch muß das doch ein bißchen üben, mich in einem rassistischen Ton probieren, muß in meiner ausgemachten Feigheit etwas in diesem Tone daherschwadronieren lernen, um die nächsten Tausend Jahre durchhalten zu können, wo wir den Juden, den Zigeuner und natürlich auch den Neger auch dann noch hassen werden, wenn es in Deutschland schon gar keine Juden, Zigeuner und Neger mehr geben wird. Eliminiert. Aus dem Land expediert. Phantomjuden, Operettenzigeuner, Märchenbuchneger. Mein Motto sei hier: Mach was draus, mach was aus dem, was du erlebt hast! Mach aus diesem einen Neger, der dich aus sehr undeutschen Gründen gestört hat, den Neger, und mache aus dem Neger das ganze Gesockse, das den deutschen Seelenfrieden stört der Impotenten. Man hat das doch alles in sich, den ganzen Rassenhaß, wie eine Eiterblase. Man muß sie nur einmal anpieken. Und es war ja am 27. Februar auch höchste Zeit, das ein bißchen zu üben mit dem Rassismus, wenn man vorher nicht mehr gegen die Juden gehabt hatte als gegen die Bayern, die Sachsen oder die Spagettifresser oder diese dann gegen uns Deutsche, gegen das preußisch Korrekte in uns – also eigentlich nischt, außer das Übliche, Folklore. Aber jetzt wurde es ernst mit dem Anti, und wer nichts weiter groß was gegen die Semiten haben konnte, der mußte an einem anderen Haßobjekt üben – wobei Haßobjekt natürlich einseitig ist und nur oberflächlich stimmt, denn um Bewunderung, heimliche Bewunderung geht’s dabei doch genauso stark, um den Neid, den zumindest untergründigen, auch und besonders bei unseren Juden, und die Frage würde ich schon stellen wollen, was den Nazi da mehr antreibt: der Haß oder ist es doch nicht vielmehr die Angst vor dem Juden und Angst heißt hier eine, die aus dem Gefühl der Unterlegenheit herrührt gegenüber einem kleinen, weit über die ganze Erde hin verstreuten Völkchen, das ich beim besten Willen nicht eine Rasse nennen könnte – da hatte ich’s mit meinem Übungsobjekt leichter, der war eindeutig schwarz und so sehr Neger, daß da kein Vertun möglich war. Den Unterschied zu ihrem deutschen Mann, den hätte eine deutsche Frau auch des Nachts im abgedunkelten Schlafzimmer gemerkt, denn bei so einem schwarzen Schwarzen sieht ja eine Frau nun gar nichts, spürt dafür aber um so mehr.

Also, der Neger saß ganz friedlich da und störte eigentlich keinen und man kann auch nicht sagen, daß es aufgrund seines Verhaltens Anlaß gegeben hätte, die Polizei zu holen. Keine Vergewaltigungen – kam nicht vor. Der Neger hielt sich sittsam zurück und auch, als seine deutsche Dame dann mit ins Spiel kam und auf der Bildfläche erschien, gab es da keinen Zwischenfall, nicht, daß er da gleich sittenlos als Sittenstrolch über sie hergefallen wäre. Das spielte sich alles bloß bei mir im Kopf ab, aber da, hier oben bei mir im hysterisierten Kopf, da sorgte er mächtig für Furore, der Neger, und wirbelte alles noch einmal mehr durcheinander, alles das, was schon nicht mehr wußte, ob ich Männchen bin oder Weibchen und Weibchen, das heißt, heißt auch, daß ich die Augen nicht von ihm abwenden konnte, von diesem Neger, und mir sonst was mit diesem Neger vorstellte, als Frau, als noch nicht befriedigte deutsche Frau. Aber ich würde doch auch sagen und behaupten wollen, daß er nicht nur mich inspirierte, dieser Neger, daß da noch ein paar Weibsen mehr in diesem Laden durch ihn und wegen ihm aufgekratzt waren. Speedy sowieso, das ist klar, aber auch die Gilde der jungen Ladenmädels, würde ich meinen, und ohne diesen Neger kann ich mir das einfach nicht vorstellen, was dann geschah, wie sie sich mir gegenüber verhielten: ihre Schamlosigkeit, ihre impertinente Frechheit mir gegenüber, die Zügellosigkeit ihres Verhaltens. Wie sehr sie mit Speedy mitgingen, wie sehr sie sich in meinem kläglichen Falle engagierten, wie eifrig sie bei der Sache waren, die da hieß: einen deutschen Mann zu entmannen. Geistig und vom Äußeren her. Auch sie hatten doch garantiert immer den Neger mit im Kopf dabei, und hätten ihn gern woanders gehabt, und wie lächerlich ich ihnen erscheinen mußte, als was für ein Witz nur von Mann, das hatte sicher doch auch mit dem Mannsbild zu tun, das sie da in ihrem Laden zu sitzen hatten und das nicht weichen und die deutschen Angelegenheiten innerdeutsche Angelegenheiten lassen wollte.

Aber Speedy tat ja auch alles, so würde ich sagen, um diese drei Ladenmädels, die ich jedenfalls nicht, nicht im Vergleich mit der Fachkraft, mit der wir es in dem ersten, seriösen Geschäft zu tun hatten, Verkäuferinnen nennen würde, obwohl sie das natürlich waren, dazu zu ermuntern, sich auf meine Kosten zu amüsieren, sich aus ihrer Langeweile auch zu befreien – das war natürlich sehr nett von Speedy, sehr mitfühl-, sehr einfühlsam, was diese Ladenmädels betraf und ihren allezeit sonst sicher furchtbar öden Berufsalltag, aber gar nicht nett für mich und so ja auch nicht gemeint von Speedy, außer ich halte ihr zugute, daß sie vielleicht meinte, eine Steigerung täte uns gut, täte besonders auch mir gut, damit mir ja nicht der Nazi wieder einfiele, der Nazi und der Reichstag, der Brand des Reichstages, und wenn sie dies damit bezweckte, dann sei sie gerechtfertigt, denn dazu hatte ich nun wirklich keine Zeit mehr, keinen Teil mehr frei in meinem Gehirn, an das zu denken, was da draußen in der Welt und in diesem Fleckchen Deutschlands Berlin sonst noch vorgehen mochte, ich war ja vollkommen von dem absorbiert, was in diesem Laden geschah, was mir in diesem Laden geschah. Nicht, daß diese jungen Dinger etwa meinten, es müsse sich da mal eine von ihnen dazu bequemen, sich zu ihrer Kundin Speedy zu bemühen und ihr bei ihrer Wahl helfen – nein, bloß nicht, wir waren ja schließlich in einem modernen Geschäft, und so was, das ist doch der Stil der alten, der längst vergangenen Zeit. Aber ich will den drei Grazien nicht unnötig Unrecht tun, denn vielleicht wäre ja eine von ihnen dann doch zu Speedy gegangen und hätte höflich gefragt, ob sie helfen, ob sie behilflich sein könne, und es kam nur nicht dazu, weil Speedy in diesem Laden in ihrer Wahl dessen, was sie für mich interessierte, sehr viel schneller war als in dem ersten, wo sie doch eine ganze Zeit dafür gebraucht hatte. Vielleicht aber war Speedy extra auch deshalb so schnell, damit sie es nicht mit einer von den drei Fräuleins zu tun bekam, sondern mit ihnen allen zusammen. Um sie dann alle mit in das folgende Geschehen einzubeziehen, in den Akt meiner peinlichen Erniedrigung – wenn sie’s darauf genau angelegt hatte, dann war es jedenfalls ein Erfolg. Speedy trat mit einem Nachthemd in der einen Hand, mit einem Unterrock in der anderen dazu, den sie mir vorher nicht angekündigt hatte, an den Verkaufstresen heran, wo die drei gelangweilt zusammenstanden, als wäre es nicht ihr Laden, als hätten sie da gar nichts weiter groß zu tun. Und es machte auch den Eindruck, als löste sich dann eine von ihnen, die große, in die Höhe geschossene Brünette, nur widerwillig aus ihrem Pulk heraus, um Speedy dann doch, wenn’s denn unbedingt sein muß, zu bedienen. Aber mit dieser einen kam auch Bewegung in die anderen beiden, eine undefinierbar Blonde trat einen Schritt in Richtung Kasse, schickte sich gleich auch an, die beiden Sachen, die Speedy ausgesucht hatte, einzupacken, nur die Dritte hielt sich weiterhin im Hintergrund und begann sich ihre Fingernägel daraufhin anzusehen, ob sie denn auch noch ordentlich manikürt wären – was für ein Bild! Moderne Zeiten. Berliner Pflanzen. Junges Gemüse, und das in der klassischen Dreizahl der drei Grazien. Die, die sich zuerst bereit gefunden hatte, doch noch ihren Job zu machen, um das mal englisch modern auszudrücken, sie fragte Speedy, die ihr das Nachthemd, den Unterrock entgegenhielt, ob es das wäre, was sie haben wolle, und im nächsten Moment schon, ohne Speedys Antwort abzuwarten, war sie bei den Preisschildern und gab sie der undefinierbar Blonden an der Kasse weiter. Höchste Zeit also für Speedy einzuschreiten, und sie tat es, indem sie sagte: »Nicht so hastig, die jungen Damen«, und sie sagte es ein bißchen süffisant und ironisch im Unterton und damit passend also zu diesen drei trägen, gelangweilten Gestalten, die nun gar nicht erstmal wußten, was das solle, was der Grund für Speedys Intervention in ihren Geschäftsgang sein könne. Alle drei schauten auf, erstaunt auf, und Speedy sagte zu ihnen: »Ich glaube nicht, daß sie schon passen dürften«, was dann ihr Erstaunen noch einmal steigerte, aber auch Widerspruch bei den drei angeödeten Grazien hervorrief, die nahezu unisono meinten, auch sagen zu können meinten, ohne daß sie sich dieses Nachthemd, diesen Unterrock näher angeschaut hatten, das würde beides Speedy garantiert passen. Speedy lächelte die drei an, ich sah es von der Seite, lächelte sie mit dem gewinnendsten Lächeln an und sagte: »Ich will doch dieses Nachthemd, diesen Unterrock nicht für mich … «, und dann folgte eine kleine Pause, um die Spannung zu erhöhen, »sondern für meinen Mann hier«, und als sie das gesagt hatte, drehten sich die drei Köpfe der drei Verkäuferinnen, die ich hier nun doch Verkäuferinnen genannt habe, in ihrer offiziellen Funktion, zu mir um, und es schauten mich drei mal zwei Augen mit weit geweiteten Blicken an, und der Mund stand ihnen offen. Die schön rot geschminkten Mäuler und Mündchen. Tja, damit hätten sie wohl niemals gerechnet. Das war ihnen in ihren wenigen Berufsjahren wohl noch nie vorgekommen. Aber Speedy ließ ihnen in ihrer Verblüffung keine Zeit, Speedy sagte, sie wolle da auf Nummer sicher gehen, ihr Mann, also ich, müsse das beides anprobieren können, das Nachthemd und diesen Unterrock, von denen sie nicht annehme, daß sie mir passen dürften, und da dann nickten die drei, soviel Berufserfahrung besaßen sie dann doch schon. »Wir«, sagte Speedy und dieses Wir, so würde ich meinen, dieses Wir, durch das sie sich mit den drei Verkäuferinnen zusammentat, auch gegen mich zusammentat, sollte dann noch von entscheidender Bedeutung sein für den Fortgang des ganzen weiteren Geschehens, »wir sollten da wohl erstmal bei ihm den Brustumfang messen, ich weiß nämlich seine Wäschegröße nicht, jedenfalls nicht die, die wir hier brauchen.« Meinen Brustumfang – welchen meinte sie? Den mit dem männlich leeren BH oder den verzweifelt weiblich ausgestopften? Ich führte meine Hände links und rechts an meine Hosentaschen, wo ich ihre alten Strümpfe zu stecken hatte – als wolle ich sie fragen: soll ich oder soll ich nicht? Und natürlich sollte ich, und also stopfte ich, als wir dann zum zweiten Mal an diesem Tag in dieser Kabine angekommen waren, der zum Anprobieren. Erstmal aber Messen, und die blutjunge Verkäuferin starrte mich dabei an, als hätte sie’s mit einem komplett Verrückten zu tun – hatte sie ja auch, und dieser Verrückte, der sich da so von seiner Frau herumkommandieren ließ und bloßstellen, das war ich, niemand anderer als ich. Der dann Vermessene. Von fachkundiger Hand Vermessene. Und so stand ich da: im BH, dem ausgestopften, mit dem Hemdchen drüber und unten den breiten Hüftgürtel, den ich netterweise gleich hatte anbehalten dürfen, die Strümpfe, die Weiberstrümpfe – ein Bild des Jammers, eine Witzfigur, die Lächerlichkeit selber, zum Gotterbarmen. Aber es erbarmte sich keiner, Speedy, die grausame, trieb es nur noch einmal schlimmer mit mir: nachdem ich oben rum vermessen und die Verkäuferin sich auf die Suche nach dem passenden Nachthemd für mich und einem Unterrock gemacht hatte, zog sie mir die Unterhosen runter – es gab noch etwas anderes zu messen, verdammt noch mal.

Speedy – Skizzen

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