Читать книгу Speedy – Skizzen - Florian Havemann - Страница 61
Kapitel 57: Farbliches Bekenntnis
ОглавлениеSie wollte das wohl noch ein bißchen mehr und in die Länge ziehen, die Verkäuferin, diese Ausnahme von ihrem Berufsalltag, das Besondere, das es für sie bedeutete, statt der Frauen, der Damen, die sie sonst gewohnt war, mit denen sie es in der Regel zu tun hatte, einen Mann mit Unterwäsche einzukleiden, einen Mann in Begleitung einer Frau wie Speedy, die etwas von Wäsche versteht und die es darauf anlegt, ihren Mann pervers mittels weiblicher Wäsche zu verweiblichen – sie sah zwar nicht danach aus, so seriös, so sehr erfahrene Fachkraft, als die sie erschien, aber stille Wasser sind ja bekanntlich tief, und man wundert sich doch oft, was hinter intakten Fassaden für Abgründe lauern, und mir und uns, uns beiden, Speedy und mir, konnte es doch nur recht sein, daß wir gerade an sie, an diese Verkäuferin geraten waren, an eine, der es Spaß machte, uns zu bedienen, eine, die nicht entsetzt, geschockt, empört die Nase rümpfte über uns und unser Begehr. Sie sagte, sie habe den gleichen Hüfthalter und auch in der passenden Größe für mich auch noch in einer anderen Farbe da, in Weiß, und sie sagte es natürlich zu Speedy gewandt und nicht zu mir, auf den es hier so sehr nun wirklich nicht ankam, der dem nur zustimmen konnte, was über ihn entschieden wurde, von Speedy entschieden, und sie fragte, Speedy natürlich, nicht mich, ob sie den mal holen solle, ob Speedy, auf die es dabei allein ankam, wolle, daß ich auch den anprobiere. Vielleicht, sagte sie, stehe mir Weiß sehr gut, vielleicht passe Weiß sehr gut zu meiner blassen Haut. Vielleicht. Und vielleicht hatte sie damit ja auch ganz recht, aber Speedy schüttelte mit dem Kopf, Speedy war da ganz anderer Meinung, anderer Auffassung: Weiß, sagte sie, Weiß käme für mich gar nicht in Frage, ich würde mich doch vollkommen lächerlich machen, würde ich als Weib (und sie nannte mich in dem Moment wirklich ein Weib) unschuldig und rein daherkommen wollen wie eine Jungfrau, und dies war insofern bemerkenswert, als ich für Speedy zu diesem Zeitpunkt noch als jungfräulich gelten mußte – ich meine, insoweit ein Mann, der ja auch für Speedy schon einige sexuelle Erfahrung besaß, überhaupt jungfräulich genannt werden kann, und ich betone hier: er kann, denn prinzipiell ist das möglich, daß ein Mann nicht nur äußerlich verweiblicht, daß er auch zum Weibe gemacht wird und also penetriert wird. Anal. Ich will mich jetzt nicht darüber verbreiten, welche Erfahrungen ich auf diesem Gebiete zu diesem Zeitpunkt schon besaß, und ich besaß die entsprechenden Erfahrungen, nur wußte Speedy davon nichts, und ich habe ihr auch niemals etwas davon erzählt, auch nicht, nachdem sie mich in dem Glauben, mich zu entjungfern, anal penetriert und als Mann zum Weibe gemacht hatte – bemerkenswert war an ihrer Bemerkung auch noch etwas anderes: daß sie davon gesprochen hatte, ich würde mich mit weißer Unterwäsche lächerlich machen. Ja, lächerlich, das war ihr Wort – als ob ich mich nicht schon allein in weiblicher Unterwäsche (welcher Farbe auch immer) lächerlich machte. Aber wahrscheinlich war ihr dieses Wort lächerlich nur deshalb in den Sinn gekommen, weil ich in ihren Augen mit meiner weiblichen Unterwäsche sowieso schon und die ganze Zeit schon lächerlich erschien, vielleicht wollte sie die Verkäuferin auch nur darauf aufmerksam machen, wie lächerlich ich als Mann in meiner weiblichen Unterwäsche war, und daß ich dies auch für sie, die mich in diese weibliche Unterwäsche zwang, dann war, es und in ihren Augen war. Vielleicht. Und vielleicht auch nur unterbewußt, ohne daß sie direkt darauf abzielte, dies die Verkäuferin wissen zu lassen.
Das hatte natürlich etwas vollkommen Absurdes, Speedys so vehemente Ablehnung des Weiß als Farbe für mich und meine Unterwäsche, absurd wegen ihrer Begründung, absurd, weil doch Speedy sehr wohl weiße Wäsche besaß und immer wieder weiße Wäsche trug, und während sie sie trug, dann doch nicht plötzlich als rein und unschuldig gelten konnte, als jungfräulich gar – Speedy hatte alles, was es so an Farben gibt in ihrer großen Dessouskollektion, zu Hause in ihrem Schrank: weiße und auch schwarze, und ich muß sagen, daß ich, sonst ja nicht so, aber was die weibliche Unterwäsche betrifft, das Schwarz liebe, schon um des starken Kontrastes willen, wegen des graphischen Effekts, aber nicht nur deswegen, auch weil doch das Schwarz der Wäsche die Fragmentierung des Körpers, die so sehr den Reiz von Wäsche ausmacht, so sie denn, auch um zu reizen, getragen wird, noch einmal steigert. Helle Haut gegen das Schwarz des Stoffes, die bedeckten, verdeckten Teile des Körpers gegen die um so mehr nackend und entblößt dann wirkenden – das sieht faszinierend aus, und faszinierend ist auch, wie sich das Bild dann bei jeder Bewegung des Körpers, jeder Veränderung der Position so deutlich wandelnd manchmal geradezu schlagartig verändert. Aber Speedy hatte auch rote Wäsche, rote Wäsche, wie sie bevorzugt von Prostituierten getragen wird, denn Rot, Rot, das ist doch die Farbe der Sünde auch, und Rot leuchtet die Lampe am Bordell, Rotlichtviertel wird der Hurenbezirk genannt, und wenn Speedy mal ganz besonders bei einem ihrer Liebhaber verrucht und nuttig erscheinen wollte, dann trug sie Rot, dann zog sie ihre rote Unterwäsche an. Und ich würde auch sagen, daß Speedy, was ihr weiblich aufreizendes Darunter betrifft, da ihre ganz persönlichen Moden hat, Farben, die sie für eine Zeit bevorzugt, die sie dann aber eine ganze Weile wieder auch nicht mehr trägt, und vielleicht hätte ich mir diese Mühe mal machen sollen, mir das in einen Kalender einzutragen, welche Farben Speedy zu welchen Zeiten trägt, vielleicht wäre dadurch ihrem sexuell-erotischen Innenleben auf die Spur zu kommen, was sich da verändert und wie es sich entwickelt, ob es dabei vielleicht sogar eine gewisse Regelmäßigkeit zu entdecken gibt, mit der bei ihr die Farben wiederkehren, als Stimmungsbarometer auch. Und Speedy hatte neben Schwarz, Weiß und Rot auch sehr viel Lachsrosa in ihrer Wäschesammlung, hautfarbene Wäsche in allen möglichen Variationen, mal mehr ins Rosa gehend, mal in Richtung Beige, und es könnte anfangs durchaus etwas ganz Zufälliges gehabt haben, daß sie mich von ihren vielen verschiedenen und auch verschieden farbigen Wäschestücken immer nur welche in Hautfarbe anziehen und anprobieren ließ – einfach, weil dieses erste Hemdchen, von dem sie glaubte, es würde mir passen müssen, ein hautfarbenes war und ein bißchen später dann ebenso auch diese Seidenstrümpfe, die sie unbenutzt aus dem Schrank holte. Aber sie behielt dies dann bei, und alles, was ich an weiblicher Wäsche von ihr bekam, ausgeborgt bekam, hatte dann diese gleiche Farbe, diese Hautfarbe, als wollte sie ihrem Mann als Frau eine wäschemäßig einheitliche Linie vorgeben, einen ganz bestimmten Look, wie die Engländer sagen. Und es könnte das auch so gewesen sein, daß aus ihrer Wahl der Hautfarbe für meine weibliche Unterwäsche eine bewußte erst in diesem Miederwarenladen wurde, in dem Moment, wo die Verkäuferin dort Speedy darauf aufmerksam machte, daß sie den gleichen Hüfthalter auch in Weiß dahabe, daß mir das von ihr dann sofort so vehement abgelehnte Weiß vielleicht sogar gut stehen würde – ihre Begründung war natürlich absurd, ihre erste Begründung dafür, ihre erste, weil sie ja noch, wohl weil Speedy das selber auffiel, wie absurd das gewesen war, was sie als Begründung angegeben hatte, eine zweite nachschob, eine die ihr mehr einsichtig erscheinen konnte, eine, die ich auch dann für mich gelten ließ, und diese Begründung war diese: ihr Mann sei ein Mann, und seine Haut sei eine männlich grobe, und sie wolle ihn also mittels der Wäsche mit einer glatten, einer weiblichen straffen Haut versehen, sie wolle das Gefühl haben, wenn sie ihn anfasse, so berühre sie eine wunderbar weiblich glatte Haut – dieser Mann war ich, von dem sie sprach, und ein bißchen war das ungerecht, denn meine Haut ist ja, im Vergleich jedenfalls zu der anderer, der meisten Männer wohl, eher zart und weich und gar nicht so grob, denn schließlich arbeite ich doch nicht körperlich, und ich lege mich auch nicht wie ein Freikörperkultur-Idiot in die pralle Sonne, da kriege ich ja Kopfschmerzen, ich bevorzuge den Schatten und, gepriesen sei die Firma Nivea, ich creme mir meine Haut ja auch ein, besonders natürlich die meiner Hände nach dem Malen, damit sie schön weich und zart bleibe, und ein bißchen gab mir das auch einen Stich, denn immerhin hatte mir Speedy das immer wieder so gesagt, was für eine erstaunlich glatte Haut ich hätte. Aber erstaunlich glatt für einen Mann, und nun sollte ich Frau sein, für sie eine Frau sein und mußte das also verstehen und akzeptieren, daß da ihre Ansprüche noch einmal andere waren, gesteigerte. Und es gab da noch etwas an dieser zu verstehenden, zu akzeptierenden Begründung, das mir doch schmerzlich aufstieß: etwas an meinen Beinen nämlich, an meinen Männerbeinen, die so gern Frauenbeine gewesen wären, diese so unpassend männliche Behaarung meiner Beine, die mir ein Greuel ist – zwar haben auch manche Frauen Haare an den Beinen und nicht nur wie Speedy auf den Zähnen, die das große Glück hat, auf nahezu unbehaarten Beinen durchs Leben zu gehen, sich mit dann immer wieder von ihr restlos enthaarten Beinen zu ihren diversen Liebhabern ins Bett zu legen, aber Haare an den Beinen, das ist männlich für mich, ein männlicher Makel, und diesen Makel, ich verspürte ihn schmerzlich, und am liebsten hätte ich sie mir längst abrasiert, wo sie mich doch unter den weiblichen Seidenstrümpfen noch mehr störten, obwohl sie durch diese Strümpfe sehr viel weniger zu sehen waren. Aber irgendwie dachte ich doch, die Aufforderung dazu, die Anweisung, der Befehl müsse von Speedy kommen, meiner Führerin auf dem Wege in meine Verweiblichung. Und zum Glück kam er dann ja auch, dieser Befehl, und er kam noch an diesem besagten Tage. Dem 28. Februar, nicht zu vergessen.