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Kapitel 56: Das unangenehm Angenehme, das aber so sehr Genehme

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Oh, wunderbare Enge, Beengung, Beengtheit, wunderbarste Erinnerungen an diese Enge, Beengung, Beengtheit. Geformt, in Form gebracht, in eine weibliche Fassung, eine feminine Fasson. Eingeengt, eingeschnürt, den Körper bei jeder Bewegung spürend, bei jedem Atemzug. Dazu gebracht, mich aufrecht zu halten, aufrecht zu sitzen, nicht mehr wie ein nasser Sack. Die Wampe in ein schönes rundes Bäuchlein verwandelt, plötzlich Taille, die Andeutung eines weiblich ausladenden Beckens. Ein Po, ein Po mit runden, mit einem Mal wie herausquellenden Pobacken, ein einladender Hintern, richtig gut für einen aufmunternden Klaps darauf, und es können auch zwei sein oder mehr Schläge, bis das Gesäß ganz rot ist, so gerötet, daß auf diesem Gesäß gar nicht mehr gut sitzen ist – oh, was für ein Arsch mit einem Mal, ein Arsch, der sehnsüchtig und erwartungsvoll herausgestreckt werden, der sich der Begierde, dem Verlangen entgegenstrecken, der genommen werden möchte, ein weiblich anmutender Arsch, ein Arsch, der zum Weibe gemacht zu werden, sich wünscht, ein Wunsch-Arsch. Und vorne das kleine Ding fast verschwindend unterm festen Stoff des bis weit herunter reichenden Hüfthalters, das Schwänzchen, das dann steif so gut unter den Hüfthalter geklemmt werden kann, das Pimmelchen, das zwar da ist, aber doch die Weiblichkeit nicht mehr stört. Und dann die Strapse, die breiten Gummibänder, die sich auf den Schenkeln spannen und an den beiden Seiten entlang den Podex einrahmen – oh, ich liebe Strapse, ich liebe die komplizierten Metallverschlüsse, die Strümpfe daran zu befestigen, liebe die geschwungenen Formen der in die Höhe gezogenen Strümpfe. Das nackte Fleisch zwischen Strumpf und Hüfthalter, und dann die Hände sacht darüber gleiten lassen, vom glatten, gespannten Stoff des Hüfthalters, an den Strapsen entlang und über die Haut, die plötzlich so sensible Haut, und dann die zarte Seide der Strümpfe unter den Fingern spürend, das Taktile, das so süchtig macht. Nach Berührungen süchtig macht, nach zärtlichen Berührungen, nach fordernden Berührungen, nach dem festen Griff ins Fleisch der Schenkel hinein. Hände, die meine weiblichen Formen nachfahren, Hände, die mich streicheln, Hände, die meine Taille, mein Becken umfassen, Hände, die nach meinen Lenden fassen, nach meinem Hinterteil grapschen, in das weiblich weich unter dem straffen Hüfthalter hervorquellende Fettpolster meiner Hinterbacken – oh, ich möchte auch oben herum Schwellungen haben, Brüste, aber: oh, ich werde nie Brüste haben, werde nie das Weib sein können, das ich gerne wäre. Nie.

Es platzte einfach so aus mir heraus: »Ich möchte das unbedingt haben«, sagte ich, »so ein Korsett, unbedingt.« Und als ich das gesagt hatte, nachdem es so spontan aus mir herausgeplatzt war, meinem Munde entfleucht, schauten sie mich beide an, die beiden Frauen, Speedy und die Verkäuferin, mit groß aufgerissenen Augen, mit geweiteten Pupillen, und im nächsten Moment dann begannen sie zu lachen, über mich zu lachen, mich auszulachen, und ich stand da, hilflos den beiden ausgeliefert, noch hilfloser als zuvor, und ich verfluchte mich, verfluchte mich dafür, daß ich dies gesagt, mir nicht auf die Zunge gebissen hatte, und es war so gut, daß ich dies ohne alle Überlegung, jenseits aller Scham, aller Hemmungen gesagt, mich zu diesem Wunsch bekannt hatte. Nun war es heraus und in der Welt und nicht mehr zurückzuholen – ich hatte mich definiert, hatte mein Einverständnis mit all dem bekannt, dem Speedy mich ausgesetzt hatte, hatte mich auch dieser fremden Frau, der Verkäuferin gegenüber zu meiner Verweiblichung bekannt, dazu, daß auch ich sie wollte. Und ich wollte das Korsett, wollte unbedingt das Korsett, wollte es noch enger, noch beengter wollte ich mich fühlen, geschnürt und eingeschnürt, wollte schwer atmen können und bei jeder Bewegung noch mehr meinen Körper spüren, wollte eine weiblich schmalere Taille und wollte all dies, auch wenn sie nun über mich lachten, ich wollte es auch, weil sie über mich lachten, die beiden Frauen. Sollten sie doch. Es war so gut, ausgelacht zu werden, und daß Speedy dann spöttisch, mit hochgezogener Augenbraue zu mir sagte: »Du machst ja auch mal den Mund auf«, auch das war gut, und gut war die ganz spontane Reaktion der Verkäuferin, die sagte, sie fände es schade, daß ihr dies nicht vergönnt sei, mir ein Korsett anzupassen, sie hätte es nur zu gerne getan, die schönen Korsettzeiten, die wären in ihrem Laden aber leider vorbei – ja, schade, ich hätte mich gern, nur zu gern von dieser Fachkraft schnüren lassen. Richtig schön eng und von ihr weiblich in Form gebracht. Speedy lachte noch einmal auf, als sie die Verkäuferin so reden hörte, und sagte dann, fragte sie dann lachend, es hätte ihr dies wohl Spaß gemacht, ihre Kundinnen früher wie ein Paket einschnüren zu können – ja, wie ein Paket, richtig schön eng. Sie schaute etwas verdutzt, ein bißchen wie ertappt, die Verkäuferin und sagte dann: ja, es hätte ihr dies wirklich Spaß gemacht, richtig Spaß gemacht, und dann druckste sie einen Moment herum und sagte, als meinte sie, dies brauche eine Erklärung, daß das sicher ein bißchen auch das Gefühl von Rache gewesen wäre, Rache dafür, wie sehr sie als Verkäuferin hier in einem solchen Laden von den Damen geschurigelt würde und herumgeschickt – interessant: eine linke Verkäuferin. Daß es so etwas gibt. Das Schnürkorsett als Mittel des Klassenkampfes. »Habe ich das nicht auch getan«, fragte Speedy, »Sie wegen meinem Mann im Laden herumgejagt?« Die Verkäuferin schüttelte entschieden den Kopf. »Bei Ihnen ist das was anderes«, sagte sie, und Speedy fragte zurück: »Was ist bei uns anders?«, und sie, die Verkäuferin, antwortete: »Bei Ihnen ist alles anders, und Sie glauben nicht, wie gut das tut, mal eine Ausnahme zu haben, was Besonderes.« »Doch, das glaube ich Ihnen«, sagte Speedy, »das glaube ich Ihnen sofort.«

Speedy – Skizzen

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