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Herr Dann, Frau Wann

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SIEWeihnachten ist das Fest der Liebe. Dazu eine kleine Geschichte: Es war einmal eine Frau, die hieß Madame Wann. Eines Tages schmiss sie sich in einen kurzen Rock und trug Lidschatten auf. So besuchte sie die Weihnachtsfeier ihres Arbeitgebers. Nach zwei Gläsern Rotwein saß plötzlich Monsieur Dann an ihrer Seite. Ein junger Mann, penetrant fröhlich. Auf magische Weise verliebten sich die beiden ineinander. Sie zogen zusammen, bekamen ein Kind und nahmen einen Kredit auf. Anfangs musste Frau Wann nur mit den Augen klimpern, schon gingen all ihre Wünsche in Erfüllung. Niemals war der Mist voll, stets war der Eiskasten gefüllt, alles wurde erledigt.

Doch mit den Jahren kamen die Sorgen. Frau Wann lag nachts wach, Fragen spukten ihr durch den Kopf: Wann wird er den Mist ausleeren? Wann wird er den Keller ausmisten? Wann wird er sich um den Garten kümmern? Daneben schlummerte Herr Dann und träumte seinen Lieblingstraum: Dass er alle mit seinem Lieblingswort »Dann!« verzaubern würde. Dass jeder dazu nicken würde, während er vor sich hin prokrastinierte. Schließlich läutete der Wecker und holte ihn an die Seite seiner Frau zurück, die den Wann-Motor anwarf: »Wann wirst du Frühstück holen, wann kaufst du den Christbaum, wann gehst du zum Bankomaten?« Herr Dann hob an und posaunte in den Morgen: »Dann …!« Für Frau Wann war dies das gewisse Dann zu viel. Sie packte ihren Koffer und sagte: »Ciao, ich bin jetzt weg. Vielleicht komme ich ja wieder.« Er fragte: »Wann?« Sie sagte: »Dann!« Jetzt packte Herrn Dann die nackte Panik. Er sprang auf und schrie: »Sofort!« Holte Christbaum, Geld, Frühstück und nahm sich für das nächste Jahr vor, sein Leben weniger aufzuschieben. Sieh an: Sie blieb. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann wurschteln sie so weiter. (Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht zufällig und durchaus erwünscht.)

ERIm Unterschied zu dem herzigen G’schichterl auf der linken Seite hier ein Ereignis, das tatsächlich stattfand und schon sehr typisch ist. In aller Kürze: Man versprach mir vor einem halben Jahr für den November eine Überweisung. Pünktlich am 1.11. war zwar kein Geld da, dafür meine Frau mit der unmissverständlichen Forderung: Ruf dort an! Mein Verweis auf die Tatsache, dass es sich beim November um einen 30-Tage-Zeitraum handelt, löste bei ihr nur dieses gut bekannte und seit Jahrzehnten eingekühlte Geh-Pepperlplausch’-net-Lächeln aus. Ich rief dennoch nicht an und entschied mich stattdessen für ein wenig Geduld. Das hasst sie. Dabei ist die von ihr stets zur Schau getragene Qualität des sofortigen Handelns und Erledigens, des Ruckzuckens, in Wahrheit nichts anderes als die Reaktion auf rasende Ungeduld und quälende Neugier. Weshalb ich mitunter nur aus Boshaftigkeit gerne provokante Wartelisten anfertige.

Es verging von nun kein Novembertag ohne die zunehmend schärfer werdenden Verhörmethoden. Sag, hast du schon? Warum nicht? Was soll das? Das gibt’s doch nicht! Geh, bitte! Wann? Mach! Tu! Mannsbilder! Mah! Oh! Pffff! Und mit jedem süffisanten »Gut, dass du mich erinnerst«, wuchs ihr Zorn. Sie, die ein Baguette noch nie heimgebracht hat, ohne schon auf dem Weg mehrmals davon abzubeißen. Die sich Taschen und Klumpert unter die Achseln klemmt, nur damit sie die Hände frei hat, um die Post schon während des Gehens zur Wohnungstür öffnen zu können. Die am liebsten heute schon 2016er-Rotwein trinken würde. Das (gut abgelegene) Geld kam übrigens in den Morgenstunden des 19. November. Einfach so. Ganz ohne lästiges Insistieren. Na, bitte. Wenn das nicht eine wunderschöne Weihnachtsgeschichte ist.

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