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Der Mann am Herd
ОглавлениеSIENicht einmal eine Eierspeise, vielleicht ein Paar Würstel. Das war, was der Mann nebenan kochen konnte, als ich ihn kennenlernte. Relativ rasch befand ich: So. Sicher. Nicht. Seine Kochkarriere begann dann mit Hirse-Ziegenmilchbrei, den er während seines Vaterkarenzjahres unserer kleinen Tochter zubereitete. Mit den Jahren erweiterte sich das Repertoire – heute halten wir bei folgender Menükarte: Reisfleisch, Schweinefilet im Speckmantel, Tomatensuppe aus der Dose, Butterbrot, überbackene Schinkenfleckerln, Boeuf Stroganoff.
Prekär wird’s, wenn der gute Mann ein kulinarisches Drängen verspürt und findet, es wäre Zeit für etwas Neues. Dann sucht er stundenlang mit dem Zeigefinger in den Kochbuchlandkarten unseres Haushalts – der Jamie Oliver in ihm hungert nach einem Drei-Hauberl-Essen. In dessen Vorfeld es streng verboten ist, die Küche zu betreten. Was insofern blöd ist, als wir Bewohner einer offenen Küche sind, mit direktem Anschluss an den Wohnbereich. Heißt: Wenn er kocht, wird der Rest der Familie in die Schlaf- oder Arbeitsräume verbannt und muss warten, bis ein »Es ist angerichtet!« durch die Räume hallt. Was sehr, sehr lange dauern kann. Und was auch nicht ganz ohne meine niederen Dienste abläuft. Denn zwischendurch kommt er immer wieder extrem empört und nervös zu mir, um sich über Begriffe wie »anschwitzen«, »bähen«, »reduzieren«, »montieren« oder »parieren« zu outrieren. Beziehungsweise höre ich im Viertelstundentakt: »Scheiße, das wird nix, das wird nix, das wird nix.« Ich entgegne dann stets gelassen: »Warum suchst du dir eigentlich immer so wahnsinnig komplizierte Sachen aus? Schuster, bleib bei deinem Reisfleisch.« Erst als unlängst ein Rezept den Einsatz einer Flotten Lotte und eines Spätzlehobels verlangte, hatten wir es endlich wieder einmal richtig lustig.
ERGut essen ist mir mit Sicherheit eines der größten Vergnügen. Kochen hingegen nicht. Und zwar gar nicht. Daher bewundere ich leidenschaftliche und kreative Köche auch so viel mehr als alle anderen Künstler auf der Welt. Der Grund, warum ich mich dennoch regelmäßig dem Stress der Nahrungszubereitung hingebe, ist meine Ehefrau. Ich habe nämlich einst diese 50:50-Sache (fahr-)lässig abgenickt. Vermutlich in der Glückseligkeit nach einem 27-Gänge-Menü mit Weinbegleitung. Heißt: Ich habe Jahr für Jahr mein alltagstaugliches Repertoire um eine weitere Messerspitze an Ideen gewürzt. Was gar nicht so leicht ist. Denn für jemanden, der auf jede Betriebsanleitung mit allergischen Schocks reagiert (ist nur mit Beiried und Bier wieder in den Griff zu kriegen), sind auch die simpelsten Rezepte eine Herausforderung an Geist und Geduld.
Meine Frau ist dabei wenig hilfreich. Denn als wäre die Kochsprache nicht schon mühsam genug (von »Verwenden Sie am besten einen Spezialschöpfer zum Degraissieren« bis »Die Sauce bitte unbedingt langsam legieren«), macht auch sie mir als Informantin das Zubereitungsleben schwer. Und zwar durch fehlende Präzision. Ich hantiere (und fluche) zwar ohnehin als Vierhauben-Eremit vor mich hin, aber gelegentlich begehre ich doch Auskunft von Madame »Le-goût-c’est-moi«. Vorzugsweise nach Mengenangaben. Dann höre ich von ihr aber lediglich Tipps wie »Ach, nur a bisserl« oder »Na, schon eher mehr«. Am liebsten habe ich »Musst halt schauen, nach Gefühl«. Wichtig dabei: Der genervte Unterton muss vor dem Servieren immer leicht angeschwitzt werden.