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VORWORT
Оглавлениеvon Gabriele Kuhn
Eines meiner vielen Lieblingszitate stammt von dem italienischen Regisseur Federico Fellini: »Die Ehe ist ein Spielplan mit gleichbleibendem Repertoire. Folglich sollte man wenigstens die Inszenierung ändern.« Es passt perfekt zu unserer Paar-Kolumne.
Jedenfalls hatte ich die Idee dazu an einem trüben Jännermorgen, als ich Eis und Schnee von meiner Windschutzscheibe kratzen wollte – aber leider feststellen musste: Hui, das Kratzerl ist nicht da! Eh klar, der Mann nebenan hatte sich einen Tag zuvor mein Kratzerl ausgeborgt, mit seinem Versprechen, »mir es eh sofort wieder ins Auto zu legen«. Er kam, kratzte – und vergaß. Für mich besonders blöd: Ich hatte es nämlich sehr, sehr eilig. Und so wähnte ich mich an diesem klirrend kalten Jännermorgen wieder einmal in diesem bestimmten Film, dessen Szenen vor allem aus Déjà-vus und Wiederholungen bestehen. Immer und immer wieder. Das sind jene Momente, wo wir gerne Worte wie diese in den Himmel böllern: »Das darf jetzt bitte net wahr sein. Himmel. Arsch. Und Zwirn. Der nervt!« Das sind weiters jene Momente, wo alles, was irgendwann einmal romantisch, leidenschaftlich und aufregend war, für wenige Sekunden (ja, es können auch Minuten werden, mitunter Stunden) in einem Mix aus Wut und Resignation verschwindet. Und je öfter solche Momente den Beziehungsalltag durchwirken, desto müder schimmert dieser Zauber namens »Liebe«. Motto: »Früher machte er mir den Hof, heute mache ich ihm das Bett.«
Ein Trick
Was mir in dieser »Eine-frierende-Frau-sucht-Eiskratzer «-Situation half, war ein kleiner Trick. Ich betrachtete mich Zornbinkel mit der Bommelmütze von außen – als wär’s ein Film und ich darin der älteste Witz der Welt. Lächerlich in meiner Ehefrauen-Erregung, komisch in meinem »Typisch, er«-Zorn. Siehe da: Plötzlich musste ich lachen. Über mich, die sich an solchen Petitessen erzürnen kann, als wäre wirklich etwas ganz Großes passiert. Über ihn, der den goldenen Regeln des »Michi-Seins« gemäß eh wie immer handelte: vergesslich, schusselig, hoppla und – wurscht. Über dieses »typisch«, das einem dann durch den Kopf jagt und so typisch für das Konstrukt »Ehe« ist. Über die subtile Komik, die in solchen Augenblicken steckt. Denn natürlich sind der Alltag und genau solche Situationen der größte Feind jeder Liebe – auch wenn sie irgendwann noch so atemberaubend begann. Und man sich seinerzeit zu tausend Prozent sicher war: Das ist der Mann fürs Leben! Mit ihm wird alles gut und alles anders. Irgendwann entdeckt man: Ja – stimmt, es ist der Mann fürs Leben. Und ja stimmt, mit ihm ist tatsächlich alles gut und anders – aber eben nicht immer und rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Dazwischen gibt’s großen und kleinen Ärger, großes und kleines Wundern – und oft einmal den Wunsch nach einer Insel. Ohne Mann. Vor allem ohne seine Eigenarten. Was dabei vergessen wird: Auch wir, die davon Genervten, ticken nicht immer richtig.
Das zu schildern, darüber zu schreiben, darauf hatte ich plötzlich sehr große Lust. Es schien mir nicht nur sinnvoll, sondern auch als eine Art Katharsis, um all die großen und kleinen Ehedramen rund um Eiskratzer, Rasenmäher, Einkaufslisten und Ausflüge ins Gartenland zu verarbeiten und einen Hauch distanzierter betrachten zu können. Urschreibstatt Urschreitherapie. Buchstabensuppe statt Tränenmeer. Zeitungspapier statt Scheidungsurkunde. Vor allem aber: lachen statt davonrennen! Also begannen wir das, was wir miteinander und gegeneinander erlebten, unters Mikroskop zu legen – zu sezieren, heranzuzoomen, zu vergrößern, zu konzentrieren, zu sezieren. Daraus entstanden und entstehen wöchentlich Texte, die fragmentarisch das Kabarett namens »Beziehung« beschreiben. Paaradoxe Szenen einer Ehe.
Und das passiert(e)
Was dann geschah, war schon recht spannend. Erstens: Die Beziehung lief wie immer. Auf, ab, mal so, mal so – in der Gesamtbetrachtung natürlich: for!mi!da!bel! Aber zweitens: Wir hatten plötzlich mehr Spaß an dem, was als »Beziehungsalltag « meistens für Langeweile und Ermattung sorgt. Statt zu resignieren, sagen wir heute: Hey, lustig – das muss ich mir merken, für die nächste Kolumne. Dann erfinden wir natürlich noch ein bissl was dazu, weil – ehrlich: Nix fader als das, was wir erleben, wenn wir am Samstag beispielsweise gemeinsam durch die Gänge eines Supermarkts schlurfen, um zu diskutieren, ob der Ankauf von Koriander und Pak Choi tatsächlich den Ernährungsvorstellungen des gnädigen Herrn entspricht. Das Schöne ist allerdings Punkt drei: die anderen! All die anderen Paare – verlobt, noch nicht verheiratet, bald verheiratet, kurz verheiratet, lange verheiratet, schon wieder geschieden –, die sich an uns wandten und wenden. Die sagen: »Hallo, wart ihr bei uns daheim? Seid ihr Mäuschen, habt ihr Wanzen bei uns angebracht?« Die erzählen – aus ihrem »Typisch du«-Erleben. Die sich wiederfinden – in unserer Welt. Und wir in ihrer. Die uns auf diese Weise mit frischer Inspiration für unsere paaradoxe Gedankenwelt versorgen. Das ist schön –, weil klar wird: Woanders ist das Gras nicht grüner (aber auch nicht hässlicher). Womit Punkt vier folgt: die Sache mit der viel zitierten »Liebe«. Um die geht es nämlich auch. Nur so, weil wir ja sehr häufig gefragt werden: Klar lieben wir einander – immer noch und immer wieder. Vielleicht sogar mehr denn je. Die Liebe und damit der Respekt für das Sein des anderen sind die Hintergrundmelodien unseres Paaradoxons. Konkret: Ohne diese Liebe wäre die Kolumne gar nicht möglich. Aber das, was wir der Liebe zugefügt haben, ist der Humor, ist das Lachen. Beides schafft Distanz, die wiederum schafft Gelassenheit, und wenn gar nix mehr geht, dann vermag wenigstens die Erinnerung daran ein wenig Licht ins akute Liebesdunkel zu bringen. Im besten Fall ist das dann die Brücke, die uns beide wieder verbindet. Weil: Ein bissl was geht immer, auch wenn es im Moment gar nicht so ausschaut. In diesem Sinne wollen wir weitertun – indem wir den Alltag des Liebens mit einem Lächeln durchbrechen und das, was wir tun, so betrachten, als wären wir eine Art Karikatur unserer selbst.
Und sonst? Ach ja – vielleicht noch ein Zitat, zum guten Ende: »Heute ist eine Ehe schon glücklich, wenn man dreimal die Scheidung verschiebt.« So betrachtet: danke, Danny Kaye. Und danke, du Mann nebenan. Es ist ziemlich gut, was wir aneinander haben.
Nun aber: Viel Vergnügen bei der Lektüre dieser Kolumnensammlung, beim Wiedererkennen und hoffentlich: Lachen.
P.S.: Weil es die Tradition so will, finden Sie seine Worte und Gedanken am Ende des Buches. Der Mann nebenan hat sich um das Nachwort gekümmert – vermutlich nach dem Motto: »Das Beste zuletzt.« Dazu fällt mir gleich noch ein Zitat ein – nämlich aus Loriots Film Ödipussi: »Bitte übernehmen Sie diesen Herrn, ich habe einen Termin.«