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Der Deal mit dem Stoff
ОглавлениеSIEUnsere Beziehung begann mit einem knallharten Deal. Andere lesen schwere Bücher über Feminismus und das Bild vom neuen Mann. Ich habe nach den ersten Zungenküssen Folgendes statuiert: »Wenn du mit mir zusammenbleiben, mit mir Verkehr haben und dich fortpflanzen willst, dann nur unter der Prämisse der Pflichtenteilung.« Dass gnä’ Herr abends vom Tagwerk ermattet in die Pölster plumpst und wartet, bis man ihm das Kind frisch gewickelt zum Lustigen-Papa-Posing reiche: nix da. Die fünf Gebote lauteten fortan so: 1. Du lernst, wie man Presswehen verhechelt. 2. Du darfst beim Windelwechseln keine Gackiphobie simulieren. 3. Du musst Hirse-Karotten-Brei pürieren können. 4. Du gehst zum Elternabend. Und: 5. Du gehst zum Komolka. Das ist das Stoffkaufhaus, bei dem das Kind alle Zutaten fürs Textile Werken erstehen sollte. An einem Samstag war es so weit. Während ich für den Mann Bier und Bauchfleisch sammelte, ging er auf Stoffjagd. An seiner Seite: das Kind. Weiters auf der Handarbeits-Einkaufsliste: Polyesternähseide. Schneiderkreide. Stecknadeln. Als er das vernahm, gab es den heftigsten Disput seit erfolgreicher Vermehrung: »Ich zum Komolka? Bist du verrückt! Jetzt ist aber Schluss mit deiner Halbe-halbe-Paranoia. Da kann ich ja gleich ein Dirndl tragen und mich schminken. Absolut entwürdigend.«
Ich blieb hart und suggerierte ihm, dass ein echter Mann, der seine Mitte gefunden hat, sich durch ein paar banale Ballen Seide, Tüll und Taft nicht aus dem Konzept bringen lassen sollte. Daraufhin er: »Okay, dann räumst du unseren Dreckskeller um und lässt dich als richtige Frau, die ihre Mitte gefunden hat, nicht durch ein paar banale Spinnen aus dem Konzept bringen.« Dann trat er ab. Zwei Stunden später las ich seine Live-vom-Komolka-Postings auf Facebook: »Achtung, eine Durchsage: Der kleine Michi sucht den Ausgang. « Da tat mir der kleine Michi fast ein bissi leid.
ERPflichtenteilung, eh klar. Ich habe einst, als die Kindfrage im Raum stand, diesbezüglich keine Sekunde gezögert und eingewilligt. Natürlich nicht ahnend, dass im imaginären Kleingedruckten auch allerlei heimtückische Formulierungen standen. Wie: »Muss in seiner Rolle als Mann & Papa auch Demütigung ertragen.« Und dabei meine ich nicht die üblichen Tätigkeiten, die etwa ein Karenzvater zu erledigen hat, wie das Wechseln der Windeln, das Zubereiten von Püree-Potpourris oder das Pflegen eines sprachlichen Minimalismus.
Nein, die wahren Hürden taten sich im Laufe der Jahre immer dann auf, wenn ich mich öffentlich quasi entmannen musste. Ich wollte doch immer der sein, der im Supermarkt die Frage stellt, wo er die besten Klingen für die Nassrasur findet. Und was das T-Bone-Steak denn kostet. Und nicht der, der sich im Biomarkt nach dem Weg zum Dinkelreis erkundigt. Und im Park Fachgespräche über Babywinde führt. Aber ich habe mich auch daran gewöhnt. Und dass es mich nervt, wenn auf dem Einkaufszettel Dinge wie Abschminktücher oder Hartweizengrieß stehen, liegt lediglich daran, dass ich immer so lange brauche, bis ich das Zeug endlich finde. Aber alles hat Grenzen. Und ein Besuch beim angeblich legendären Komolka war ein Anschlag auf meine Würde. Meine Frau täuschte Gastgeber-Notwendigkeiten vor und erwiderte auf meine Proteste nur ein lapidares »Jetzt stell dich nicht so an!«. Ich musste mich aber dann anstellen. Nämlich um im Stoffgeschäft, das sich über geschätzte 13 Haupt- und 21 Zubehör- Etagen erstreckt, an eine rettende Verkäuferin zu gelangen. Nie habe ich mich so verloren gefühlt. Denn bis dato wusste ich gar nicht, dass es Polyesternähseide gibt. In mir tobte nur eine Frage: Warum? In der folgenden Nacht habe ich dann von Stoffballen geträumt. Und dass ich als Quilt wiedergeboren werde. Selbstverständlich in Rosa gehalten.