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Ein Sommermärchen?

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SIEIm Laufe der vergangenen WM-Wochen habe ich mir oft vorgestellt, es gäbe ein Wesen von einem anderen Stern, das sich in unseren Garten verirrt hat. Von da blickt es in unser Wohnzimmer. Es sieht den Mann nebenan, wie er auf ein Bild an einer weißen Wand starrt und alle zwei, drei Minuten aufspringt, um zu rufen: »Des derf net woa sein! Trottel! Sind die deppert?« Das Wesen staunt. Ein Planetenbewohner, der mit sich schimpft, und mit einem Bild an der Wand! Und dann die Kleidung des Erdenbewohners. Er ist genauso gekleidet wie die elf anderen, die im Bild auf der Wand von links nach rechts laufen. Doch im Unterschied zu den laufenden Erdenbewohnern im Bild hat dieser Mann einen Schal um. Ist ihm kalt?

Und während die anderen elf Erdenbewohner rennen, isst der Mensch ein Sackerl. Der Außerirdische stellt seinen Blick schärfer. Nein, der Mann isst kein Sackerl, sondern etwas aus dem Sackerl, auf dem Erdnusslocken steht. Dann sieht das Wesen, wie ein anderes Exemplar der Spezies Mensch den Raum betritt. Es hat Haare am Kopf und eine Vorwölbung am Oberkörper. »Das muss eine Frau sein«, denkt sich das Wesen. Doch komisch! Es scheint, als wäre die Frau für andere Menschen unsichtbar. Nur so kann sich das Wesen erklären, dass der Mann nicht auf sie reagiert. Sondern auf das Bild an der Wand starrt, flucht und aus einem komisch geformten Gefäß mit der Aufschrift »Hirter« trinkt. Das Wesen hat gelesen, dass es auf der Erde zwei Geschlechter gibt, die zusammen sind, um sich zu vermehren und für das Überleben der Spezies zu sorgen. Das Wesen hätte sich für diese Art der Fortpflanzung interessiert und sie gerne beobachtet. Pech, dass es just zur Fußball-WM auf der Erde vorbeigeschaut hat. Es wird auf seinen Stern zurückkehren und dort vermelden: »Komisch war’s. Ich glaube ja, diese Welt steht nimmer lang.« – Finaaaale!

ERAn Tagen wie diesen: Ein letztes Mal noch darauf hoffen, dass Lionel Messi Weltmeister wird. Ein letztes Sackerl Sportgummi. Ein letztes Mal die Frage meiner Frau: »Und, wer spielt heute?« Dann beginnt die Zeit, in der mir lange nach Mitternacht niemand mehr erzählt, dass im Quartier der deutschen Mannschaft eine »positive Nervosität « herrscht, dass die Einblutung in Mats Hummels’ Oberschenkel kaum noch Probleme macht und dass für den Jogi klar ist und bleibt: »Der Philipp isch’n ganz wichtiger Spieler für uns.« Morgen ist zum elften Mal in meinem Leben die Fußball-Weltmeisterschaft Vergangenheit. Und zum zehnten Mal werde ich mich in eine gepflegte Sinnkrise verabschieden (nur 1974 konnten meine Eltern den postfinalen Schmerz noch locker mit einem Brickerl beenden). Aber auch dieser seltsam melancholische Zustand gehört nun einmal zu einer WM-Endrunde – wie Schneckerl Prohaskas Erklärungen zu Glanzbaraden und Gegenbressing.

Dabei werde ich mich mit dem Lächeln des Fußballnarren nicht nur an die schönsten Szenen des Turniers erinnern. Sondern auch an die schönsten Sätze meiner allerliebsten Ignorantin. Wie: »Ich habe echt keine Lust darauf, jede Einladung abzusagen, nur weil du dich zu einem Soziophobiker entwickelst, der Angst davor hat, während eines unnötigen Eckballs für Costa Rica angesprochen zu werden.« Oder: »Wenn du dir jetzt ernsthaft den Wecker auf drei Uhr stellst, um Elfenbeinküste gegen Japan live zu sehen, darf ich aber bitte schon sofort einen Antrag auf Entmündigung stellen?« Und: »Mich tät’ interessieren, was ein Außerirdischer sagen würde, wenn er dich Erdnusslockenkopf so sehen könnte.« Ein spannender Gedanke. Aber ganz ehrlich: Ich glaube, er würde nur fragen, wie’s steht.

Du machst mich wahnsinnig

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