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Der Pokal muss weg – oder: das große Loslassen

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SIEEines Tages zog unsere Kolumne um, wir wechselten Ort und Zeit. Und erschienen von da an immer wieder sonntags. Dabei erzeugt nur der Gedanke an Umzug Panik in mir. Lieber fünf Wimmerln, als einmal mit dem Mann nebenan von da nach dort gehen. Der ist ein Bewahrer. Den muss man sogar zum Loslassen von 1980er-Slips überreden. Dann landen sie erst im Umzugskarton. Beim letzten Ausmist-Prozedere dieser Art stieß ich auf einen Koffer. Schwarz und schwer. Ich dachte: Aha, der Mann führt ein Doppelleben und da drin sind die Beweismittel. Pornos, russischer Pass, Damenstrümpfe.

Zittrig und darauf vorbereitet, dass sich mein Leben gerade ändern könnte, öffnete ich ihn. Was sah ich? Nix Pornos, nix Pässe. Stattdessen offerierten sich mir Pokale, Medaillen und Urkunden. »Michi Hufnagl, geboren 1970, 3. Platz beim Sackhüpfen, 1975. Weiter so!« Ich finde das Sammeln solcher Siegesbeweise total blöd – wir sind ja nicht Steffi Graf und Andre Agassi. Noch blöder finde ich es, wenn Menschen ihre lächerlichen Trophäen für irgendwelche Pimperlturniere in Glaskästen oder auf ihren Klos ausstellen. Wen interessiert’s, ob der Herr Huber oder die Frau Mayer irgendwann Bezirksmeister im Weitspucken waren? Aber: Herzkönig hätte gerne so eine Vitrine gehabt – Motto: Das ist die Chronik meiner großen Momente – das gehört gesehen. Hallo? Du bist ja nicht der Karli Schranz. Umziehen bedeutet loslassen, sagte ich mir also damals in der Koffer-Causa und boykottierte entschlossen seine Sammelwut. Die Zeugnisse seines Tollseins landeten im Schlund eines Plastiksacks, um auf der Deponie für Egomanien entsorgt zu werden. Das war vor zehn Jahren. Das Schöne daran: Er hat’s bis heute nicht bemerkt. Geht doch, Schatzi.

ERVeränderung ist immer eine Herausforderung. Und wenn es nur eine Kolumne ist, die in die Sonntagszeitung, die ja besonders gern gestohl… also … gelesen wird, übersiedelt. Aber Melancholie befällt uns doch alle, wenn wir an Vergangenes denken. Nun ist es zwar so, dass der Montag auf der Hitliste der Bevölkerung eher nicht unter den Top-6 der Wochentage rangiert, aber: Abschied ist Abschied. Und ein solcher fällt manchen eben leichter als anderen. Ich bin grundsätzlich kein manischer Sammler, aber ich erliege beim Aufbewahren von Dingen dennoch zwei wesentlichen Gedanken. 1. Wer weiß, wofür ich das noch einmal brauche? Das mag beim gebrauchten Pinselset aus der Volksschulzeit ein fragwürdiger Ansatz sein. Aber wenn ich dann eines Tages aus 68 Angeboten am Kabelsalat-Buffet das einzig richtige finde, darf ich mir familiärer Hoch-Rufe sicher sein. 2. Ich habe das Recht, selbst zu entscheiden, welche Puzzlesteine meines Lebens ihren Fixplatz im Keller behalten. Denn in Wahrheit ist es ja bei Ausmist-Diskussionen so: Wir trennen uns sehr leicht von Dingen, die anderen gehören. Ich hätte die 127 kg schwere Briefesammlung meiner Frau längst schon entsorgt. Oder deren Ordner mit Abrechnungen aus der Zeit des Vierteltelefons. Aber dann heißt es natürlich: »Bist du verrückt!?«

Sie hingegen befindet, dass der Pokal vom Jugendskirennen 1985 hässlich und unnötig ist. Hässlich stimmt, weil Pokale per se hässlich sind, aber unnötig? Sie weiß ja gar nicht, welche spezielle Sentimentalität ich weit über den Sport hinaus damit verbinde. Ich weiß es zwar auch nicht mehr, aber das muss egal sein. Ich orte bei ihr lediglich ausgeprägten Trophäenneid. Daher habe ich zum Hochzeitstag einen Pokal bestellt, auf dem steht: »Für die beste Ehefrau der Welt.« Aus Boshaftigkeit.

Du machst mich wahnsinnig

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