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2.3.8 Behauptungssätze sind die Welt

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Wer seine Autorität ins Spiel bringen will, verlässt sich auf sein Amt, seine Position mit Weisungsbefugnis oder auf seine hervorragenden Leistungen oder auf sein Charisma. Manchmal schwankt die öffentliche Meinung, ob Beckenbauer Charisma hatte oder nur ein Genie auf dem Platz war, oder umgekehrt. Den Wiener Schriftsteller Robert Musil machte es noch nervös, als er in der Presse las, ein bestimmtes Rennpferd habe "Genie", wo er annehmen konnte, er sei ein solches. Egal, der Stil der Autorität ist der Behauptungssatz."Elvira ist doof", sagte schon der 6-jährige Oskar, als er auf dem Schulhof aufmüpfig wurde und sich die ersten Konturen seines zukünftigen Weltbildes abzeichneten. "Der Steuertarif ist falsch". "Der Blinddarm muss raus." sagte er später. Mit solchen harmlos wirkenden Sätzen vergewissert man sich selbst, beeindruckt, beeinflusst und lenkt die anderen. Für den Inhalt ihrer Behauptung beanspruchen sie nämlich, es besser begründen zu können und folglich mit mehr Gewicht Bescheid zu wissen als andere. Nur, ein Steuertarif war noch nie richtig und es muss nicht immer der Appendix sein. Die Gebärmutter wird auch sehr gern operiert und auch Knie und Hüfte. Es fällt eben nicht immer auf, dass gerade dort gerne Autorität sich im Stil der Behauptung äußert und schon mal habituell missbraucht wird, wo eine Begründung sehr wesentlich zu ihrem Inhalt dazugehören würde. Behauptungen, zu denen Menschen gelangen, weil sie Autorität haben, erinnern manches Mal fatal an das Konvergenzverhalten von Massen, die sich auf eine Lösung einvernehmlich einigen, obwohl sie falsch ist. Nur ist es hier eine einzelne Entscheidungsperson, die mit sich selbst still vergnügt konvergiert und dann bestimmen darf.

Was der Behauptung grundsätzlich fehlt, ist das anzuführende missing link, das fehlende Bindeglied. Die schlichte Einleitung eines Nebensatzes mit der Konjunktion "weil" macht aus der Behauptung den allseits geschätzten Begründungszusammenhang, der es erlaubt, den Zweifel zielgenau folgen zu lassen und den anderen in seiner Selbstbestimmung zu respektieren, die darin besteht, dass er in der Lage ist, sich selbst ein Bild zu machen."Das sind meine Gründe, du kannst sie selbst beurteilen". Fehlt die Begründung, wird blindes Vertrauen eingefordert, was eher in die Kirche passt als in eine sachliche Auseinandersetzung. In den Naturwissenschaften ist es durchaus üblich, Experimente des Kollegen im eigenen Labor zwecks Überprüfung zu wiederholen. Geistige Gefolgschaft basiert auf Begründungen. Sobald Argumente zählen sollen, auf die man angewiesen ist und die naturgemäß schwächer als Beweise sind, muss der Glaube an die Kompetenz des andern die Lücke schließen. Daher heißt es: Entweder "weil" oder "du musst mir schon glauben"; "denn ich bin dein Lehrer, dein Chef, dein Parteiführer, dein Vater/deine Mutter, dein Vaterland, schlicht und sowieso deine Domina".

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