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2.5.5 Dago, Feind oder Freund des Kapitalismus?

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Manch einer hat schon im Jugendalter gespürt, dass bei Donald Duck und in Entenhausen mehr zu holen ist. Man ahnte, "Donaldismus ist eine Art Philosophie" (BZ, 18. Juni 2012). Ente Dagobert allerdings hat es in Wahrheit zur Volkswirtschaft gezogen, inspiriert von Fort Knox und in trotziger Haltung zum Bretton-Woods-System, als Gold und Papier paritätisch wurden (Anfang der 70er Jahre). Der Kapitalismus, so problematisch wie jeder andere –ismus, verträgt die Kritik, die er verdient und auch die, die er nicht verdient, eben die aus marxistischer Sicht, da er sie mit der Penetranz des unerschütterlichen Rechthabers wegsteckt. Nur bei der sozialistischen Steigerung von Kritik zu Enteignung und Raub kommt er in Dimensionen, die einer anderen Welt angehören sollten. Das Durchspielen von Möglichkeiten ist allerdings immer eine Form des Denkens, die es grundsätzlich unabhängig von der Komplexität der Aufgabe gibt.

Dagobert ist für viele ein Stereotyp des Kapitalisten als Geizkragen und Ausbeuter, nur am Horten der Dollars interessiert. Die Akkumulation von Golddollars dient aber bei ihm nicht etwa der Wirtschaft, um Erweiterungsinvestitionen zu tätigen, die Wirtschaft in Schwung zu halten. Er hortet das Gold aus sinnlich-perversen Gründen. Schon dieses Fehlverhalten ist derart verwerflich, dass es gerechtfertigt scheint, ihm den Zaster wieder abzunehmen. Auch von Sparen kann keine Rede sein, da nicht nur ganz Entenhausen darunter "den Teil des laufenden verfügbaren Einkommens eines Haushalts" (Gabler, Wirtschaftslexikon) versteht, der in einem jeweiligen einzigen Haushaltsjahr nicht verausgabt wird.

Ein Engagement in der Realwirtschaft hätte ihm deren Risiken beschert. Die Finanzwirtschaft, die von ihr abgekoppelt funktioniert, verspricht sichere Gewinne, zum Beispiel dadurch, dass Arbitragegewinne, also Preisunterschiede auf verschiedenen Märkten, wahrgenommen werden. Das ist so phantasielos, dass ihm nur noch übrig bleibt, dem Sprichwort nach in Gold zu schwimmen. Da gibt es einen Ertrag, der bleibt. Er ist immerhin ästhetisch – haptisch – taktil – libidinös. Nicht gerade wenig.

Er hatte nicht begriffen oder hat ignoriert, dass Eigentum verpflichtet. Umverteilung war ihm sowieso ein Fremdwort. Soziale Marktwirtschaft lag ihm also fern, erst recht ein moderater Keynesianismus, der den arbeitenden Sozialpartnern etwas mehr zukommen lässt durch höhere Löhne, damit über das gesteigerte Einkommen der Arbeitnehmer der Konsum ebenfalls steigt und alle davon profitieren. Er hatte nicht begriffen, dass in einer Gesellschaft auch von Enten rein alles verpflichtet. Adel verpflichtet, das Ehrenwort und der Eid verpflichten, Alimente verpflichten, weil das uneheliche Baby verpflichtet, besonders Reichtum verpflichtet. Bei so vielen Verpflichtungen sind wir das Schema persönlicher Moral gewöhnt. Oder dies alles ist Rauch im Wind. Auch Enten vereinsamen, wenn sie sagen, Moral sei für Hühner.

Können wir ausschließen, dass Enterich Dagobert einen ganz anderen Plan verfolgt? Will er die heimliche Sabotage des Kapitalismus vorbereiten, an den er den Glauben im reifen Entenalter verloren hat? Sind die Panzerknacker die wahren Helden der Systembewahrung, durch deren Aktion der Fluss des monetären Systems gewahrt bleibt, indem die Realwirtschaft wieder zu ihrem Recht kommt?

Dagobert konnte jederzeit und fast unbegrenzt eine Geldmengenpolitik aktiv unterstützen, die das reale Wachstum versorgt. Das Problem einer unzureichenden Goldproduktion, die das wirtschaftliche Wachstum behindert, hätte sich mit seinen Reserven nicht gestellt. Auch hier ist der Enterich nach einer Seite interpretierbar, die für gewöhnlich nicht gesehen wird. Auch wenn Dagobert das viele Gold genießt und heimlich in ihm badet, muss das nicht bedeuten, dass er in der intellektuell-ideologischen Dimension unzulänglich funktioniert. Als eine kleine Schwäche müssen dann seine Tauchgänge allerdings abgehakt werden.

Hier nun die ergebnisoffene Interpretation en detail: Dagobert füllt einen Turm mit seinen Golddollars. Dass er in ihnen auch noch schwimmt und abtaucht, ist zu viel des Guten. Er denkt nicht an das Modell aus der Bibel, an das auch nicht nur jeder vernünftige Enterich denken muss, der nachweislich zum hypomanischen (fast manisch) Übermut neigt. Der Grenzwert ist die besagte Gefahr, man vergleiche mit dem Turmbau, und die Gefahr der Gefahr ist, dass man sie nicht kennen will, auch nicht die Mahnung, nämlich fallende Preise und Deflation, die Flammenschrift an der Wand, wenn das Geld dem Kreislauf entzogen wird.

Es gab für ihn eine eben noch bekömmliche Silo-Füllung mit Gold bis zum Rand, den noch privat und öffentlich geduldeten Kapitalismus. Schwimmen, der leichtsinnige Genuss im Überfluss als sei er ein gar nicht mal langgedienter Bonusempfänger, ist Demonstration im roten Bereich. Es ist die nicht mehr zu überbietende Demonstration desGini-Koeffizienten, wenn die auch so genannte Lorenz-Kurve, nicht ganz so schön wie die der ehemaligen Gini-Nazionale, aber unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit noch viel aufregender ist und geradezu obszön. Die Verteilung der Nettoeinkommen hier der Enten-Gesellschaft als eine krasse Nicht-Verteilung. 99 % haben nichts, die Raff-Ente hat alles. Wer das hier besprochene Handlungsmodell kennt, auch ein Kapitalist liest die Bibel, gerade er, weiß zwar nicht, wo der Grenzwert liegt, aber er weiß, dass es ihn gibt und dass er ihn gerade deswegen die ganze Zeit über einrechnen müsste, um das immer potentiell vorhandene Risiko zu fürchten und rechtzeitig abzufangen. Vorsicht ist die Mutter, Oma und Uromi gerade und besonders auch bei Sparstrumpfmentalitäten mit dem Hang zur Übertreibung. Das schlimmste ist nämlich, Dagobert hortet das Gold und investiert oder konsumiert nicht, was die Wirtschaft ruiniert. Dafür könnte er seine ursprünglichen Aufgaben erfüllen und ganz für die Realwirtschaft mit Krediten, man denke in Goldwährung, da sein. Aber da ist die Rendite nicht attraktiv genug, Kredite werden in der Deflation kaum nachgefragt. Die Gewinne sind nicht interessant, wenn nur sinkende Preise erzielt werden können. Dagobert wird global player, so müssen wir annehmen; denn nur so ist sein fabelhaftes Goldvermögen überhaupt erklärbar. Er tummelt sich auf allen Märkten, Preis- Kurs-, Zinsvorteile ausnutzend, um im Arbitragegeschäft Gewinne zu machen. Gold, das sich selbst vermehrt, dafür bewundern wir ihn auch. Das ist nicht produktiv, nicht der Wirtschaft verpflichtet, sondern ein in sich kreisender Finanzmarkt.

Noch einmal zum Hauptproblem. Dagobert entzieht sein Kapital dem Kreislauf des Leistungsaustauschs und beschleunigt die verderbliche Deflation. Er übersieht den Nebeneffekt des Sparens ohne das Ziel des Investierens, was zunächst die konjunkturelle Entwicklung bremst. Denn die Unternehmer rechnen bei Deflation mit verminderten Gewinnaussichten. Das schlägt sich schließlich bei den Aktien nieder, deren Kurse weniger wachsen. So frönt Dagobert einem Bereicherungsmodell, dem selbst das Unendliche keine Grenze ist und von dem die antike Philosophie meinte, dies sei das Denken der Nur-Kaufleute, die immer nur reicher werden wollen. (Aristoteles). Aber die mussten und müssen, um dieses Ziel zu erreichen, Handel treiben, was allen Beteiligten hinwiederum zugutekommt. Das Schlimme ist an das Gute gekoppelt, deswegen ist es ja so schlimm. Dagobert hält sich in einer doppeldeutigen Situation auf. Er ist ein Profiteur und Saboteur des Kapitalismus zugleich, wie jede Oma auch, die ihr Geld im Sparstrumpf an ihr Bett hängt. Er bewegt sich ausschließlich auf dem Geld- und Goldmarkt, der sowieso des Teufels ist, weil er keine Leistungen befördert und keine Regeln respektiert. Er erzwingt die Revolution geradezu, die auch prompt nicht auf sich warten lässt. Die Panzerknacker schlagen zu, sonst ohne hohes Ansehen, hier fast in göttlicher Mission; denn ihre Ideologie der Umverteilung ist nicht weit her, aber sie ist einleuchtend und letzten Endes willkommen.

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