Читать книгу Allgemeinbildung in der Akademischen Welt - Gerd Breitenbürger - Страница 53
2.4.2 Francis Bacons Methode
ОглавлениеDas Rasiermesser dient der Methode, sich den Bart zu rasieren. Es geht auch elektrisch. Als Metapher verwendet der englische Renaissancephilosoph Roger Bacon (gestorben 1626 in London) diesen Begriff, um Begriffe und Konzepte, ganze Hypothesen "wegzurasieren.", wenn man nur herausfindet, dass sie unnötig sind. Das ist ein sehr früher und wichtiger Beitrag zur Methodenlehre auf der Metaebene: –Wie muss man mit Methodischem umgehen, wie werde ich Methodenbestandteile wieder los. Der Begriff der "Teleologie" (Lehre, dass die Entwicklung zweckmäßig und auf ein Ziel gerichtet ist) ist ein solcher Begriff, der für die NW wegrasiert wurde und was gar nicht so einfach war. "Entelechie" (Aristoteles, "Zielgerichtetheit", etwa des Samens, aus dem eine Pflanze entsteht. Zielstrebige Kraft eines Organs, die seine Entwicklung und Gestaltung lenkt) ist in eben diesem Sinn überflüssig für die Naturwissenschaften geworden. Der Samen verfolgt nicht das Ziel, ein Radieschen zu werden. Es wird einfach eines, absichtslos, verfolgt keine Zwecke, wie der handelnde Mensch es tut. Das "Rasiermesser" ist der erste systematische Gedanke in der Geschichte der wissenschaftlichen Begriffs-Reduktion. Mit der phänomenologischen Epoché ("Wegschneiden") Edmund Husserls (gest. 1938) darf diese Methode nicht verwechselt werden. Diese dient der Wahrheit, indem eine merkmalhafte Redundanz weggeschnitten wird oder eine ganze Fehlentwicklung, die aber erst einmal erkannt sein will. Das Denken muss lange Wege gehen, um sich selbst auf die Schliche zu kommen und neu aufzustellen. Es verläuft nicht streng nach den Gesetzen der Logik, eher, sehr häufig, mäanderförmig. Bei Kuhn, der über die wissenschaftlichen Revolutionen nachgedacht hat, findet sich Näheres. Wenn es nicht durch die Gefilde des Ungenauen abschweifen dürfte, käme es nicht zum Zug und zum Ziel, das ist die andere Seite der Medaille. Den Pfad der Tugend erkennt man erst hinterher, mit seiner eigenen Logik und der durch eine lebendige Phantasie verpulverten Energien. Ein Hohepriester der Genauigkeit war geradezu sprichwörtlich Isaac Newton, dessen idealer Massepunkt, Ausgang seiner Mechanik, nicht genauer gedacht werden konnte. Heute weiss man die Vorteile der Ungenauigkeit zu schätzen und hat sie längst mit der Fuzzy-Logik systematisiert, da man sie dringend brauchte …
Das 17. Jahrhundert hat gründlich mit den Begriffen der ptolemäischen Kosmologie aufgeräumt. Die Bewegungen der Sterne wurden zu kompliziert. Sie ließen sich in diesem System nicht einfach und eindeutig darstellen. Für die Methode ihres Tuns hatten sie keinen Begriff, bis Bacon ihnen sagte, das begriffliche Aufräumen ist so wichtig wie alles andere. Es dient der Wahrheit. Weggeschnitten wird eine begriffliche Redundanz oder Fehlentwicklung, die erst erkannt werden muss. Ohne Bacons Rasiermesser wär das Neue nicht möglich und vom Alten gäbe es zu viel. Im Märchen wurde es längst schon gesagt. Wenn der Tod auf dem Kirschbaum sitzt und nicht heruntersteigen kann, gibt es nur das Alte, das nicht stirbt und für das Junge gibt es keinen Platz. Hier also wäre es in den Köpfen wissenschaftlich leblos, geradezu fossiliert.