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2.5.1 Satire und der reduzierte Rubens

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Interpretieren in den Geisteswissenschaften bedeutet immer, aus einem ganzheitlichen Ansatz heraus zu denken. Wer es fertig bringt, drei Nägel an der Wand auf der documenta in Kassel als Kunst zu interpretieren, muss vermutlich die Kultur des ganzen Abendlandes parat haben, um der Aufgabe gewachsen zu sein. In einem Museum in Frankfurt am Main, das der Volksmund noch selbstinterpretierend „Grüner Hügel“ nennt, hängt als Errungenschaft für die Kunst nach 1945, postmodern und hübsch beliebig, ein blaues Quadrat aus Leinenstoff, etwa 60 auf 60 cm. Mit einer scharfen Klinge sind etwa fünf Schnitte parallel und schräg in das Leinen angebracht. Prompt meinte eine erfahrene Schriftstellerin, blau sei die Farbe der Transzendenz, durch die Schlitze könne der Betrachter in die Transzendenz schlüpfen. Das kann man so sehen und da kann man dem Maler nur dankbar sei; denn der Normalbürger hatte sich das mit der Transzendenz viel schwieriger vorgestellt. Es gab Kritiker, die von Sotttisen sprechen, die in Museen hängen und sie als Ort der Erheiterung erscheinen lassen.

Dem Raub der nackten Sabinerinnen, wie Rubens ihn liebevoll sah, genügt der kulturhistorische Bezug auf die gestaute Triebenergie der frühen Latiner, ihre berechtigten Nachwuchssorgen und die Charakterisierung der Maltechnik in der Werkstatt von Rubens, um ihn als Geschichte einem dankbar abnehmenden Publikum zu erzählen. Die natürliche Freude am Diesseits, das ewig Mollig-Rosige zieht uns hinan. Die Individualität des Bildes, die bei aller Serien-Produktion der "Firma Rubens" gegeben ist, zieht wie selbstverständlich und ohne Zwang eine Fülle interpretatorischer Aspekte an. Bis zu der, davor zu warnen, mit dieser Methode die Geburtenfrage lösen zu können. Die friedliche Variante wurde ja ein paar Jahrhundert später den Mormonen nachgesagt.

Jede Gedächtniskunst beruht auf diesem Verfahren. Rubens hat zum Thema Mollig-Rosig alles verstanden was es zu verstehen gibt. Wer an Rubens denkt, darf an Elvira denken, als sie noch entschieden übergewichtig aber wohl proportioniert war. Die Moppeligen werden so gemocht, weil sie schon rein optisch umfangreich so ins Gewicht, aber noch nicht aus dem Rahmen fallen. Vor diesem Horizont erscheint die Interpretation etwas dürftig, hier habe ein Dampfkessel-Überdruck-Ventil zum Raub von rosigen Frauen geführt. Man muss sich immer überlegen, wie viel Einseitigkeit man sich gestatten will. Nur der Hormondruck wäre erkennbar zu wenig für ein Bild, das vor Sinnesfreude strotzt …

Die Renaissance hat herausfinden wollen, wann man von idealer Schönheit sprechen kann. Allein Albrecht Dürer (1528) hat der Frage vier Bücher gewidmet, wie die menschlichen Proportionen beschaffen sein sollten. Egal, wie man sie berechnet, bei Proportionen spielen die Quantitäten, die Kilos, keine Rolle. Schlank wie bei Cranach, mollig wie bei Rubens, für die Verhältnismäßigkeit ist das unerheblich. Was zählt, ist allein der Geschmack, was finde ich schön. Und heute, was ist interessant.

Die Vorzüge des Visuellen benutzen auch die Modelle in den Wissenschaften. Sie setzen ihren eidetischen (was gesehen wird, wird später anschaulich wieder gesehen) Appeal ein, um mit ihrer rudimentär ästhetischen Wirkung der Erkenntnis zu dienen. Im Gegensatz zur Rubensinterpretation überbetonen sie die Reduktion auf das rein Strukturelle, eben die Strukturen ohne das Fleisch, das Materielle. In der Literatur wie in der Satire oben, profitieren Strukturen in der Art von Modellen dabei ganz erheblich und zusätzlich vom ästhetischen Genuss, um den Inhalt und den Unterhaltungswert zu steigern, quasi in didaktischer Absicht. Parodie und Satire der Schweinchen, die Revolution auf dem Bauernhof machen, sind klar nach einem Modell konstruiert, das beansprucht, politische Erkenntnis zu sein. Sie kann dann chiffremäßig weiter verwendet werden und man versteht: "Bloß keine Verhältnisse wie in Animal Farm." Was die Rede verkürzt und schlanker macht (schneller). In den Wissenschaften gibt es durchaus den ästhetischen Gesichtspunkt der Eleganz, der aber voll und ganz dem inhaltlichen Aspekt untergeordnet ist. Ihn aber auch fördern kann.

Allgemeinbildung in der Akademischen Welt

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