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2.4.3 Beobachtung – Grundlage der Forschung

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Tycho Brahe und andere Astronomen haben im 16. und 17. Jahrhundert über Jahre die Bewegungen der Planeten beobachtet und die Daten in dicken Folianten festgehalten. Die Beobachtung eines Objektes ist eine so zentrale Methode der Datenermittlung in allen Erfahrungswissenschaften, dass sie leicht für die alleinige genommen wird. Man sieht nicht oder man vergisst, dass nicht sichtbare Vorgänge ebenfalls und ganz vorrangig eine Rolle spielen können. Der Forscher muss bereit sein, auch das Unsichtbare zu sehen, das heißt datengebundene und datengesteuerte Indizien zu Gegenständen seiner Spekulationen zu machen, indem er rechnet, explizit.

Die Psychologie, die beim Kleinkind Aufschluss zu finden hofft für spätere Eigentümlichkeiten, nimmt an, dass sehr früh, noch in der Wiege, die Unterscheidungen in der unmittelbaren Umgebung gelernt werden von "bewegt: unbewegt"," belebt: unbelebt"," fremd: zugehörig". Schon in der Wiege ist das Baby auf Zack und schaut, was es so zu lernen gibt. Es gibt für den Psychologen einen emotionalen Austausch, einen vorerst averbalen Dialog, zwischen Mutter und Kind von Wahrnehmung, Einfühlung, Handlung und Reaktion. Er setzt mit der Geburt ein. Ab da kann man die sozialen Beziehungen des Babys beobachten, die sehr viel Späteres, auch Fehlverhalten, begründen können. Die Mutter-Kind- Beziehung wird dabei prägend fürs Leben angesehen. Ein dankbares Forschungsobjekt heute ist das "soziale Lächeln" mit dem ab dem 2. Monat gerechnet werden kann. Das Baby lächelt jeden an, dann, etwa ab dem 8. Monat wird es wählerisch, nur noch die Gesichter, die ihm bekannt sind. Die Neurophysiologen sehen hier eine quasi deterministische Übertragung durch Empathie, die sie "Spiegelung" der Spiegelneuronen nennen. Das "soziale Lächeln" kann man beobachten, keinesfalls aber, was es bedeutet. Ist es Indiz für einen Determinismus oder gerade im Gegenteil, für einen ersten Ausdruck individuellen Geistes, der nur einen Anstoß gebraucht hat. Die Interpretation eines beobachteten Datums ist Sache, die in einem Möglichkeitsraum liegt. In ihm ist sehr vieles möglich, so dass die Untersuchung erst so richtig beginnt.

Davor aber ist noch anzusetzen, dass das Baby ein noch viel aufregenderes Abenteuer überstanden hat, dass es auch nie "vergessen" wird, weniger deutlich wohl beim Kaiserschnitt. Die Geburt durch den Geburtenkanal funktioniert als traumatische Reise in enger Kalibrierung. Der erste Atemzug wird so erleichtert. Entscheidend aber: Das Baby kommt aus der Wärme und lernt zum ersten Mal unsere kalte Welt kennen und damit die Kategorie "Kälte" nach der "Wärme" selbst, auch wenn die Differenz zwischen Bauch und Außenwelt nur ein paar Grad Celsius beträgt. Sogleich auf den Bauch der Mutter gelegt, von ihren Händen auch auf dem Rücken gewärmt, wird menschliche Wärme wieder zugeführt. Und es lernt, dass nach dem uns womöglich unbedeutend erscheinenden Frust wieder der wärmende Ausgleich möglich ist. Das ist der Grund, warum es nicht gleich winselt und heult, sondern optimistisch und zeitlich begrenzt kräht. Es bekommt zudem mit, einfach weil es so geschieht, dass es unnötig ist, die Rückkehr in den Bauch zu wünschen. Oder gar zu planen. Das tut schon mal der Philosoph, der es als Zumutung empfindet, nicht gefragt worden zu ein, ob er überhaupt geboren werden wollte. Die Wärme aber sucht das menschliche Wesen ein ganzes Leben lang. Es ist sein Thema der ersten Minute und bleibt bis zum Schluss, bis zum letzten Atemzug. Goethe meinte auf dem Totenbett "Mehr Licht" und das bedeutet auch mehr Wärme. Vom Methodischen her lässt sich sagen, dass der Psychologe Jean Piaget (er stellte eine Theorie der geistigen Entwicklung des Kindes auf, Lernpsychologe, gest. 1980) bei der Analyse der ersten Eindrücke das übersprungen hat, also wegrasiert, was ganz im Vordergrund stehen müsste, die Entdeckung der Kategorie "Temperatur = seelische Temperatur". Man übersieht, was so selbstverständlich einfach nur da ist. Frieren oder sich behaglich wohl fühlen, das ist elementar für jedes Kleinkind und für jeden Menschen. Es kann Entscheidungen von erheblicher Tragweite beeinflussen. Man muss also seinen Lösungsalgorithmen von Zeit zu Zeit misstrauen. Webfehler im Beobachten und Denken, die früh unterlaufen, bewirken sehr viel später noch Auslenkungen, die Forschungsergebnisse verzerren. Der Begriff "Dialog" hat eine Temperatur-Basis, egal wo und mit wem er geführt wird. Damit er gelingt, muss er die richtige Temperatur haben oder herstellen.

In den Naturwissenschaften wirkt die Foschungswirklichkeit in den meisten Fällen über den Dialog oder unmittelbaren Austausch. Forscher arbeiten am selben Projekt, wiederholen das gleiche Experiment des Kollegen, wenn Zweifel aufkommen. Wenn die Psychologen wie die Behavioristen gleich den Inhalt der Black box wegrasieren, müssen sie einen gewissen theoretischen Aufwand treiben, um eine solche Extravaganz der Forschungsgemeinschaft schmackhaft zu machen. Sie müssen einen Ertrag aufweisen, der die Kosten rechtfertigt. Wie früher beim Barbier, rasieren muss gekonnt sein. Die gegenseitige Kontrolle ist unterkühlt und sachlich.

Diese Wärme als allererste Empfindung im und außerhalb des Bauches will der Mensch. Er springt ins Eiswasser, um die Lufttemperatur, die immer noch 0 Grad und relativ warm sein kann, danach umso mehr zu genießen. Angehende Akademiker sind durch heiße Bratkartoffeln besonders gefährdet. Wo sie zubereitet werden, ist es warm und heimelig. Das ganze Biotop besteht erst einmal aus wärmenden Elementen. Das Kalt-Warm-Wechselbad bringt die französische Sängerin France Gall auf einen einfachen Nenner: "J'ai froid, j'ai chaud, chéri." Sie wünscht sich nicht Kneipp‘sche Anwendungen, sondern eher Wechselbäder der Gefühle oder hat sie schon. Damit spielt das Lied auch auf die liebevolle Beschützung gegen die erste Kälteerfahrung an, auch wenn niemand sich erinnert. In das kalte Wasser der Kritik wird der geworfen, der seine erste akademische Arbeit, die er mit dem leidenschaftlichen Feuer des Wissenschaftlers angefertigt hat, abliefert. Arbeiten merkt man es bisweilen an, wenn sie im Ambiente einer wohlwollenden Freundschaftlichkeit entstanden sind.

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