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Drittraum

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Der Begriff D. (engl. thirdspace) entsteht im Zusammenhang mit Grenzziehungen (↗ Grenze) und Machtverhältnissen (↗ Macht), die in postmarxistischen (↗ Kapital) Urbanitätsstudien im Anschluss an Henri Lefebvres (1901–1991) Theorie symbolischer ↗ Räume der ↗ Repräsentation in La production de l’espace aus dem Jahr 1974 aufgegriffen werden. Nach der ersten Nennung bei Homi K. Bhabha und weiteren Postcolonial Studies wird er zentral bei Edward W. Soja in Thirdspace von 1996. Der Begriff des D.s soll Binaritäten überschreiten, ohne zwei Antagonismen in einem Dritten zu verschmelzen und stillzustellen, und problematisiert dabei auch das Verhältnis des Dualismus von Materiellem und Immateriellem. Bhabha beharrt – entgegen der Vermischung, die in Hybriditätsbegriffen wie bei Stuart Hall (1994) angelegt ist – auf die Unaufhebbarkeit der Spannung in kolonialen wie postkolonialen Räumen (↗ Marginalisierung): Es könne keine Auflösung in einer dialektischen (↗ Dialektik) Synthese geben. Die Spaltung (↗ Zwischen) im ↗ Zentrum des kolonialen ↗ Diskurses ermöglicht subversive Akte; Bedeutung wird stets durch den „third space of enunciation“ (Breger 1999, 70) konstituiert. Für Bhabha (1990, 212) „the importance of hybridity is not to be able to trace two original moments from which the third emerges, rather hybridity to me is the ‚third space‘ which enables other positions to emerge. This third space displaces the histories that constitute it, and sets up new structures of authority, new political initiatives“. Bei Soja wird der D. sowohl metaphorisch (↗ Metapher) für eine methodologische Überwindung von Dualismen in Anspruch genommen als auch auf konkrete Stadtlektüren bezogen, etwa von Los Angeles oder Amsterdam. Damit praktiziert Soja selbst, was er von seinem Konzept erwartet: Nach dem ‚Erstraum‘, dem geographischen oder auch realen, also z.B. einer ↗ Stadt, und dem ‚Zweitraum‘, den er mit Lefebvre als imaginierten Raum (↗ imaginäre Geographie) versteht, geht es Soja (2005) um die Überwindung der Gegensätze beider. Nach Lefebvre (2006) sind alle Räume sowohl mit real-sensorischen als auch symbolischen Realitäten angefüllt; zum Erstraum als ↗ Natur, ↗ Kosmos oder ↗ Physik und Zweitraum als geistige Sphäre (↗ drei Welten) mit logischen (↗ Logik) und formalen (↗ Form) Abstraktionen (↗ Reduktion) tritt der D. als der soziale (↗ Sozialraum) Raum erstens als Fortsetzung der Aufzählung, als distinkte Größe, und zweitens gleichzeitig als transzendierendes Kompositum aller Räume (↗ Aleph) auf. Soja erklärt Michel Foucaults (1926–1984) Begriff der ↗ Heterotopie kurzerhand zu einer Version des D.s: Diese Räume sind hetero, anders als die normalen, aber stehen mit ihnen in Beziehungen der Reflexion, der Spiegelung oder Umkehrung. Andere konzeptuelle Verwandtschaften bestehen zur Kontaktzone (↗ Kontakt) nach Mary L. Pratt (1992, 6), die hiermit den „space of colonial encounters“ bezeichnet, oder zur feministischen Theorie, die sich mit Dualismen wie privat/öffentlich (↗ Öffentlichkeit), männlich/weiblich, materiell/immateriell und ihrer Überwindung beschäftigen (so in dem seit 2001 erscheinenden Onlinejournal thirdspace). In dem Film Thirdspace der US-Science-Fiction-Serie Babylon 5 von 1998 geht es um einen Raum (↗ Raumfahrt), in dem der Ursprung (↗ Anfang) der Seelen vermutet wird und zu dem ein Zugang (↗ Jenseits) ermöglicht wird.

Literatur: Babka/Malle 2012; Rath 2010.

Babka, Anna/Malle, Julia [Hg.] (2012): Dritte Räume, Wien.

Bhabha, Homi K. (1990): The Third Space, in: Identity, hg. v. J. Rutherford, London, 207–221.

Ders. (1997): Die Frage der Identität, in: Hybride Kulturen, hg. v. E. Bronfen, B. Marius u. Th. Steffen, Tübingen, 97–122 [engl. 1987].

Ders. (2000): Von Mimikry und Menschen, in: ders.: Die Verortung der Kultur, Tübingen, 125–136 [engl. 1993].

Breger, Claudia (1999): ‚Gekreuzt‘ und queer, in: Differenzen in der Geschlechterdifferenz, hg. v. K. Röttger u. H. Paul, München, 66–85.

Hall, Stuart (1994): Neue Ethnizitäten, in: ders.: Rassismus und kulturelle Identität, Hamburg, 15–25 [engl. 1992].

Lefebvre, Henri (2006): Die Produktion des Raums, in: Raumtheorie, hg. v. J. Dünne u. S. Günzel, Frankfurt a. M., 330–342 [frz. 1974].

Pratt, Mary L. (1992): Imperial Eyes, London/New York.

Rath, Gudrun (2010): Hybridität und ‚Dritter Raum‘, in: Die Figur des Dritten, hg. v. E. Eßlinger, u.a., Berlin, 137–150.

Soja, Edward W. (2005): Die Trialektik der Räumlichkeit, in: TopoGraphien der Moderne, hg. v. R. Stockhammer, München, 93–123 [amerik. 1996].

Ulrike Bergermann

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