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Enge
ОглавлениеIm Begriff der E. liegt notwendigerweise der Aspekt der Begrenztheit (↗ Grenze). Dieser ist z.B. in Schlucht oder Spalte vordergründig auf den räumlichen Bereich gerichtet. Dagegen ist Weite räumlich unbegrenzt (↗ All), kann aber auch zeitlich oder sozial verstanden werden, wie dies etwa bei der Schriftstellerin Elenore Smith Bowen (1922–2002), alias Laura Bohannan (1984, 85), geschieht. Eine gewisse Nähe zum ↗ Chaos ist vorhanden, das einen Zustand vollständiger ↗ Unordnung oder Verwirrung meint: In der Theogonie des griechischen Dichters Hesiod aus dem 7. Jh. v. Chr. ist das Chaos der Urzustand (↗ Anfang) der ↗ Welt und besitzt in diesem kosmogonischen ↗ Mythos eine Nähe zum ↗ Nichts und der ↗ Leere. Daneben sind die Begriffe E. und Weite mit einem bestimmten Denken (↗ Logos) oder Fühlen (↗ Gefühl) verbunden, worauf auch alltagssprachlich die Attribute wie ‚engstirnig‘ bzw. ‚weitsinnig‘ hinweisen. Es lässt sich ein leibliches Gefühl ableiten, wie es etwa im phänomenologischen Denken bei Maurice Merleau-Pontys (1908–1961) Phénoménologie de la perception von 1945 zu finden ist. In der sog. Neuen Phänomenologie von Hermann Schmitz rückt die unwillkürliche Lebenserfahrung (↗ Erfahrung) in den Mittelpunkt, die jeder Mensch an seinem eigenen ↗ Leib spüren kann. Schmitz geht dabei vom Grundverhältnis von E.ung und Weitung aus, woraus der vitale Antrieb erwächst: Der extreme Punkt der E.ung ist der Leib, wie es etwa in Momenten großen Schreckens (↗ Angst) erlebt werden kann. Diese E. ist Grundvoraussetzung für alle Leiblichkeit. Aus der E., die Schmitz als „primitive Gegenwart“ (Schmitz 1998, 98) bezeichnet, breitet sich die „entfaltete Gegenwart“ in die Dimensionen des Hier (↗ Origo) als dem absoluten Ort, des Jetzt als dem absoluten Zeitpunkt (↗ Zeif), von ↗ Dasein und ‚Dieses‘ als Identität und Verschiedenheit (↗ Differenz) sowie dem Ich als ↗ Moment der Subjektivität aus.
Literatur: Fuchs 2000; Schmitz 1995.
Bohannan, Laura (1984): Rückkehr zum Lachen, Berlin [amerik. 1964].
Fuchs, Thomas (2000): Leib, Raum, Person, Stuttgart.
Schmitz, Hermann (1995): Der unerschöpfliche Gegenstand, Bonn.
Ders. (1998): Der Leib, der Raum und die Gefühle, Ostfildern.
Sebastian Lerch