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↗ Raum und Räumlichkeit sind auch für institutionelle Einrichtungen wie das A. von Bedeutung: Der französische Philosoph Jacques Derrida (1930–2004) bspw. versteht in Mal d’archive die Institution des A.s als eine räumliche Ansiedlung (↗ Ortsbindung) der Gesetze. A.e sind der ↗ Ort und der Raum der Gesetze, so wie das Gesetz nach Derrida (1999, 57) „selbst eine Art von Ort“ darstellt. Die Gesetze müssen sich an einem Ort befinden, sie müssen im Raum angesiedelt sein, damit ihre Gesetzeskraft sich entfalten kann: „Kein A. ohne die eingerichtete ↗ Verräumlichung eines Ortes“ (Derrida 1997, 5). Ein Gesetz gilt nur an einem spezifischen Ort, sein Geltungsbereich ist niemals unbeschränkt oder universell. Es wird also zu einem Monument, zu einem räumlichen ↗ Gedächtnis, das die ↗ Zeit im Raum überdauert. Erst der Raum und die Verräumlichung bringen die Gesetze wirklich in die ↗ Welt. Schließlich ist das Gesetz von sich aus etwas, von dem man laut Derrida (1999, 64 u. 69) „niemals sagen kann, ‚da ist es‘ […]. Man weiß nicht, was es ist, wer es ist, wo es sich befindet“. Die Einsetzung dieser „privilegierten ↗ Topologie“ (Derrida 1997, 12) entspricht nach heutigen Informationen dem Verlauf (↗ Reich) der abendländischen (↗ Okzident) A.geschichte. So bezeichnet der Begriff des A.s im antiken Griechenland zunächst nur den Ort und den Raum des A.s, das ↗ Haus des Magistratsangehörigen, der für die Verwahrung der Gesetze verantwortlich ist. Mit dem Begriff des A.s ist das Gebäude, in dem das Schriftgut bewahrt wird, gemeint. Während der Name des A.s die Adresse eines Verwahrungs- und Verwaltungsortes ist, geht diese später auf das dort Verwahrte über. Mit dieser „verbindlichen Ansiedlung“ (ebd., 10) vollzieht sich eine Territorialisierung und Verräumlichung der Gesetze. Darüber hinaus existiert in den athenischen A.en ein räumliches Ablage- und Findsystem, in dem die Dokumente nicht chronologisch, sondern nach einer räumlichen ↗ Ordnung abgelegt werden. Damit ist der Raum schon deshalb Teil der verwahrten Information (↗ Kanal), weil ohne ihn kein Zugang zum ↗ Wissen möglich (↗ Möglichkeit) ist. Gesetze benötigen also dreierlei Raum: Erstens den Raum der ↗ Schrift, der sie aufzeichnet; zweitens den Raum, der zurückgelegt werden muss, um zu diesem Raum der Gesetze zu gelangen (↗ Weg); und drittens der Raum, der im A. zurückgelegt werden muss (↗ Strecke), um zu diesem Schriftstück zu gelangen.

Literatur: Curtius 1868; Ebeling/Günzel 2009; Missiou 2011; Posner 1972; Sickinger 1999.

Curtius, Carl (1868): Das Metroon in Athen als Staatsarchiv, Berlin.

Derrida, Jacques (1997): Dem Archiv verschrieben, Berlin [frz. 1995].

Ders. (1999): Vor dem Gesetz, Wien [frz. 1985].

Ebeling, Knut/Günzel, Stephan [Hg.] (2009): Archivologie, Berlin.

Missiou, Anna (2011): Literacy and Democracy in Fifth-Century Athens, Cambridge.

Posner, Ernst (1972): Archives in the Ancient World, Cambridge.

Sickinger, James P. (1999): Public Records and Archives in Classical Athens, Chapel Hill/London.

Knut Ebeling

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