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Areal
ОглавлениеIm Allgemeinen bezeichnet der Begriff A. ein mehr oder weniger geschlossenes Verbreitungsgebiet eines Phänomens oder Merkmals von Individuen, Gruppen oder ↗ Kulturen. Das Konzept des A.s hat raumwissenschaftlich mindestens zwei Verwendungsweisen: Zum einen als ‚Kultura. (engl. cultural area)‘ in der Anthropologie, und zum anderen als ‚soziales A. (engl. social area)‘ in Forschungen zum ↗ Sozialraum. Besondere Bedeutung erhält der Begriff des Kultura. s allerdings im Anschluss an die Kulturanthropologie der US-Amerikaner Clark Wissler (1870–1947) und Alfred Kroeber (1876–1960), beides Schüler von Franz Boas (1858–1942). Wissler mit seiner Studie North American Indians of the Plains von 1912, besonders aber Kroeber (1917) vertreten dessen Kulturrelativismus und betrachten Kultur als superorganische, d.h. von psychischen und physischen ↗ Prozessen unabhängige Wesenheit, deren jeweilig einzigartige ↗ Entwicklung zwar in einem Verhältnis zu ihrer ↗ Umwelt steht, aber auf diese nicht in Form eines reduktionistischen ↗ Determinismus zurückzuführen ist. In seinem 1939 erscheinenden Werk Cultural and Natural Areas of North America betrachtet Kroeber (1939, 2) ein Kultura. als „regionally individualized type or specific growth of culture“ und entwirft eine zusammenfassende Klassifikation der nordamerikanischen Stämme und Volksgruppen (↗ Volk) in zehn Kultura.e, welche sich hinsichtlich ihrer historisch gewachsenen Kulturformen (auch symbolischer Art), Subsistenzweisen und der zwischen ihnen vorfindbaren Austauschbeziehungen unterscheiden. Die differenzierten Kultura.e können als „lokalisierte Bündel interdependenter Kulturzüge (engl. traits)“ (Stagl 1981, 58) gelten. Die Bedeutung symbolischer Elemente (Kroeber/Kluckhohn 1952, 311) innerhalb des kulturanthropologischen Ansatzes führt zu einer Rezeption in anthropologischen Arbeiten von Marcel Mauss (1872–1950), Claude Lévi-Strauss (1908–2009) aber auch innerhalb der reflexiven Anthropologie von Clifford Geertz (1926–2006). Zu unterscheiden sind vom Kultura. die Begriffe des ‚↗ Kulturkreises‘, wie ihn der Ethnologe Leo Frobenius (1873–1938) im Sinne einer kulturellen ↗ Morphologie einführt, und der ‚Kulturprovinz‘, wie ihn dessen Schüler Hermann Baumann (1902–1972) prägt. Das ‚soziale A. (engl. social area)‘ wird innerhalb der Sozialraumanalyse zu einem Kernbegriff: Hierzu führt deren Begründer Eshref Shevky (1893–1959) in dem mit dem Zukunftsforscher Wendell Bell verfassten Werk Social Area Analysis von 1955 aus: „social areas generally contain persons having the same level of living, the same way of life, and the same ethnic background“ (Shevky/Bell 1955, 20). Konzeptionell ersetzt der Ansatz der social area das ihm vorausgehende (humanökologische) Konzept des ‚natürlichen A.s (engl. natural area)‘ des US-amerikanischen Soziologen und Begründers der Chicagoer Schule der Soziologie Robert Ezra Park (1864–1944), der 1925 zusammen mit Ernest Burgess (1886–1966) und Roderick D. McKenzie (1885–1940) die Studie The City. Suggestions for the Study of Human Nature in the Urban Environment veröffentlicht, worin Chicago exemplarisch in ↗ Zonen oder ↗ Schleifen (engl. loops) unterschiedlicher Funktion – wie ↗ Arbeit und ↗ Wohnen – differenziert wird. Shevky und Bell zielen darauf ab, anhand der Analyse der sozialen A.e in Los Angeles (↗ postmoderner Raum) gleichsam die zunehmende Differenzierung (↗ Differenz) und die wachsende Komplexität zu beschreiben und dabei die sozialräumliche ↗ Gliederung der ↗ Stadt theoretisch und methodologisch greifbar zu machen. Anhand verschiedener Indikatoren (z.B. Anteil der erwerbstätigen Frauen, Miethöhe etc.) für die Dimensionen ‚sozialer Rang‘ (↗ Erhabenheit), ‚Urbanisierung‘ (↗ Urbanität) und ‚ethnische ↗ Segregation‘ typisieren Sheyky und Bell verschiedene A.e. Kritisiert wird in der Folge neben dem methodischen Vorgehen auch die mangelnde Berücksichtigung innerer Heterogenität. Methodisch wird der Ansatz im Zuge der quantitativen Revolution (↗ Wende) über multivariate Verfahren in Richtung der Faktorialökologie weiterentwickelt. Innerhalb der raumwissenschaftlichen ↗ Geographie unterscheidet Dietrich Bartels (1932–1983) zwischen struktur- und funktionsspezifischen A.en. Bartels (1970) sieht dabei die Homogenität von Merkmalsausprägungen innerhalb eines A.s als bestimmend zur Abgrenzung strukturspezifischer A.e an. Funktionsspezifische A.e hingegen können anhand der zwischen den Elementen des A.s vorliegenden Beziehungen nach außen abgegrenzt werden. Vom A. unterscheidet Bartels die Begriffe Gebiet (räumlich begrenzter Erdraumausschnitt) und ↗ Feld.
Literatur: Burnham/Kingsbury 1979; Dafinger 2004; Friedrichs 1983; Werlen 2008.
Bartels, Dietrich [Hg.] (1970): Wirtschafts- und Sozialgeographie, Köln/Berlin.
Burnham, Barry C./Kingsbury, John [Hg.] (1979): Space, Hierarchy, and Society, Oxford.
Dafinger, Andreas (2004): Anthropologie des Raums, Köln.
Friedrichs, Jürgen (1983): Stadtanalyse, Opladen.
Kroeber, Alfred (1917): The Superorganic, in: American Anthropologist 19, 163–213.
Ders. (1939): Cultural and Natural Areas of Native North America, Berkeley.
Ders./Kluckhohn, Clyde (1952): Culture, Cambridge.
Shevky, Eshref/Bell, Wendell (1955): Social Area Analysis, Stanford.
Stagl, Justin (1981): Kulturanthropologie und Gesellschaft, Berlin.
Werlen, Benno (32008): Sozialgeographie, Bern/Stuttgart/Wien.
Jochen Laub