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Auge-Hand-Feld

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Das A.-H.-F. wird von Helmuth Plessner (1892–1985) in seiner Schrift Die Frage nach der Conditio humana von 1961 ausgehend von der Frage nach dem Wechselverhältnis (↗ Dialektik) zwischen Körperbau und Verhalten beim ↗ Menschen konzipiert, wobei er sich auf evolutions- und humanbiologische Forschungsergebnisse stützt (Plessner 1983, 169–180). Die aufrechte Haltung (↗ Höhe) ist beim Menschen nicht wie bei Primaten eine situationsbedingte (↗ Situation) Reaktion, die sich z.B. bei der Neugier beobachten lässt, sondern vielmehr seine Normalhaltung. Einerseits ermöglicht diese Normalhaltung eine erweiterte Sicht des Auges (↗ Blick), andererseits befreit sie die Hand zum Werkzeug. Im Gegensatz dazu trägt der Fuß den ganzen Körper und steht infolgedessen nicht für den Werkzeuggebrauch zur Verfügung. Das A.-H.-F. erlaubt eine optisch-motorische Koordination (↗ Lokomotion), welche die Emanzipation von der unmittelbaren Umgebung sowie vom eigenen Körper (↗ Leib) gewährleistet und daher nach Plessner mit dem Personenstatus des Menschen zusammenhängt. Von einem ↗ Feld kann in diesem Zusammenhang gesprochen werden, da es nicht um die physikalische Beschaffenheit eines Raums, sondern vielmehr um das subjektive Erleben eines nach lebensweltlichen Relevanzen organisierten Raums geht. Obwohl in Martin Heideggers (1989–1976) Hauptwerk Sein und Zeit von 1927 die Leiblichkeit weitgehend ausgeklammert wird, tauchen Auge und Hand hier insofern in einer grundlegenden Verschränkung auf, als die praktische ‚Umsicht‘, welche die Zuhandenheit von Zeug erschließt, der Abstraktion eines bloß theoretischen Schauens (↗ Theorie) vorausgeht, das sich mit dem bloßen ‚Begaffen‘ von Dingen begnügt (§§15–18). In den beiden Bänden von La geste et la parole aus den Jahren 1964 und 1965 weist der Paläontologe André Leroi-Gourhan (1911–1986) auf die Korrelation zwischen dem aufrechten Gang und dem Freiwerden der Hand als wesentliche Merkmale des Menschen hin. Auf dieser Grundlage vollzieht sich nach Leroi-Gourhan (1988) eine neurophysiologische Entwicklung, durch die Technik, Sprache und Kunst möglich werden. In deutlicher Nähe, wenn auch nicht unter direktem Einfluss Plessners, bezeichnet Peter Sloterdijk (2004, 364–372) die technische ↗ Welt des Werkzeuges und des Kunstwerkes (↗ Kunst) als Chirotop: Es ist der Wirkungsbereich der menschlichen Hände, vergleichbar mit der Welt des Zeugs und der Zuhandenheit nach Heidegger: Die tierischen Pfoten und Tatzen eignen sich zwar ebenfalls in eingeschränktem Maße zum Werkzeuggebrauch, aber nur die menschlichen Hände sind nach Sloterdijk in der Lage, zwischen Mensch und ↗ Umwelt eine solche Sphäre (↗ Atmosphäre) der Vermittlungen hervorzubringen und damit die erforderliche Umweltanpassung vom menschlichen Körper auf die Werkzeuge zu verschieben.

Literatur: Dobeneck 2006; Kämpf 2001; Schneider 2005.

Dobeneck, Holger von (2006): Das Sloterdijk-Alphabet, Würzburg.

Kämpf, Heike (2001): Helmuth Plessner, Düsseldorf.

Leroi-Gourhan, André (1988): Hand und Wort, Frankfurt a.M. [frz. 1964/65].

Plessner, Helmuth (1983): Die Frage nach der Conditio humana, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 8, Frankfurt a.M., 136–217 [1961].

Schneider, Barbara (2005): André Leroi-Gourhan als Ethnologe, München.

Sloterdijk, Peter (2004): Schäume, Frankfurt a. M.

Jens Bonnemann

Lexikon Raumphilosophie

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