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Aufhebung

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Alltagssprachlich entfaltet sich die Bedeutung von A. zwischen den teilweise entgegengesetzten Bedeutungen von ‚aufheben‘ als ‚eliminieren‘ oder ‚negieren‘ als ‚bewahren‘ sowie räumlich oder im übertragenen (↗ Metapher) Sinne als ‚auf eine höhere ↗ Ebene heben‘. Alle drei Bedeutungen sind impliziert, wenn A. in der erstmals 1817 erscheinenden Enzyklopädie derphilosophischen Wissenschaften im Grundrisse von Georg W. F. Hegel (1770–1831) zu einem Zentralbegriff seiner ↗ Dialektik wird. Während er die ersten beiden Aspekte explizit erwähnt, wird der dritte zwar nicht angesprochen, schwingt aber deutlich mit, wie im zweiten Teil der endgültigen Fassung von 1830 zu lesen ist (§ 96, Zusatz): So findet sich z.B. die ↗ Natur im ↗ Geist aufgehoben; und innerhalb der Kategorie des ↗ Raums als erste der Naturphilosophie wird der Punkt als die Negation des Raums bezeichnet, die sich in der ↗ Linie wiederum selbst aufhebt. Die Linie geht ihrerseits in die ↗ Fläche über, die aber „die aufgehobene Negation des Raums ist, somit Wiederherstellung der räumlichen Totalität (↗ totaler Raum), welche nunmehr das negative Moment in sich hat“ (§256). Der Raum als solch eine innere Negation seiner selbst findet seine Wahrheit im Sichaufheben seiner Momente, d.h. in der ↗ Zeit (§ 257, Zusatz). Die metaphorische Bedeutung von A. im Sinne eines Auf-eine-höhere-Stufe-Hebens schwingt auch im psychoanalytischen Begriff der Sublimierung (von lat. sublimis, für ‚in die ↗ Höhe gehoben‘, aus lat. sub, für ‚unter‘, und lat. limen, für ‚↗ Schwelle‘) mit, der bei Sigmund Freud (1856–1939) die Umwandlung von unterdrückten Triebwünschen in gesellschaftlich anerkannte kulturelle (↗ Kultur) Leistungen meint. Die Sexualtriebe verschieben dabei ihr Ziel (↗ Ende) – etwa auf künstlerische oder intellektuelle Tätigkeiten –, „ohne wesentlich an Intensität abzunehmen“ (Freud 1941, 150). Der Begriff, den schon Friedrich Nietzsche (1844–1900) in einem ähnlichen Sinne verwendet, spielt dabei sowohl auf ‚sublim‘ im Sinne von ‚erhaben‘ (↗ Erhabenheit) an als auch auf die chemische Bedeutung von Sublimierung, was die direkte Umwandlung von festen Körpern in einen gasförmigen Zustand meint. In Menschliches, Allzumenschliches von 1878 wird ‚Sublimierung‘ von Nietzsche explizit unter den Titel des Eröffnungstextes, „Chemie der Begriffe und Empfindungen“, eingeführt. Buchstäblich ist von A. hingegen die Rede – und zwar diesmal im Sinne von Negation –, wenn Günther Anders (1902–1992) von der A. oder auch Annullierung des Raums spricht: Sie resultiert aus der Fähigkeit, unmittelbaren ↗ Kontakt mit Entferntem (↗ Ferne) zu halten. Schon Heinrich Heine (1797–1856) kommentiert 1843 den Siegeszug der Eisenbahn mit der Bemerkung, durch sie würden die Elementarbegriffe von Raum und Zeit schwankend: „Durch die Eisenbahnen wird der Raum getötet, und es bleibt uns nur noch die Zeit übrig“ (Heine 1997, 449). Anders (1970, 127–136) definiert Raum als ein System von ↗ Distanzen: Auf die A. des Raums (und bei ihm auch der Zeit), d.h. der Distanzen, zielt eine Vielzahl menschlicher Geräte wie Telefon (↗ Telepräsenz) und Fernseher (↗ Übertragung) ab. In der ↗ Raumfahrt finde schließlich eine Verdoppelung der A. der Zeit statt. Das Bemühen, die Angewiesenheit auf Vermittlung weitestgehend zu überwinden, bezeichnet Anders (1980, 335–354) als ‚Antiquiertheit des Raums‘ (↗ Verschwinden).

Literatur: Laplanche/Pontalis 1973; Waibel 2004; Wandschneider 1982.

Anders, Günther (1970): Der Blick vom Mond, München.

Ders. (1980): Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 2, München.

Freud, Sigmund (1941): Die ‚kulturelle‘ Sexualmoral und die moderne Nervosität, in: ders.: Gesammelte Werke, Bd. 7, London, 141–167 [1908].

Heine, Heinrich (1997): Lutetia, in: ders.: Sämtliche Schriften, Bd. 5, München, 217–548 [1843].

Laplanche, Jean/Pontalis, Jean-Bertrand (1973): Sublimierung, in: dies.: Das Vokabular der Psychoanalyse, Frankfurt a.M., 478–481 [frz. 1967].

Waibel, Violetta (2004): Raum und Zeit in Hegels Jenaer Systementwürfen, in: Die Eigenbedeutung der Jenaer Systemkonzeptionen Hegels, hg. v. H. Kimmerle, Berlin, 99–116.

Wandschneider, Dieter (1982): Raum, Zeit, Relativität, Frankfurt a. M.

Rüdiger Zill

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