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Eine neue Idee: der Heilige Krieg

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Aber waren sich in diesem Fall die Zeitgenossen dessen bewusst, dass die Predigten von Urban II. und die Eroberung von Jerusalem der Anfang eines neuen Zeitalters waren? Man ist versucht, die Frage mit einem Nein zu beantworten. Die Initiative des Papstes schrieb sich in einen Kontext ein, in dem sich der Konflikt mit der muslimischen Welt seit Langem radikalisiert hatte. In Spanien war die Reconquista bereits fortgeschritten und der permanente Krieg an der frontera zog die Blicke Europas auf sich. Im Orient bedrohte der türkische Vormarsch die letzte christliche Macht an diesem fernen Horizont, nämlich das Byzantinische Reich. 1071 gewann Sultan Alp Arslan die Schlacht bei Manzikert und nahm den Kaiser Romanos IV. Diogenes gefangen. Ausbrüche der Intoleranz, die christliche Gemeinschaften und ausländische Pilger im Heiligen Land heimsuchten, hatten sich nun seit Generationen wiederholt. Bereits 1009 hatte der verrückte Kalif al-Hakim die Grabeskirche abreißen lassen, die allerdings auf Kosten des byzantinischen Kaisers sofort wiedererrichtet wurde.

Das Eingreifen des Papstes eröffnete tatsächlich ein neues Zeitalter. Ein Zeitgenosse, der Mönch Guibert von Nogent, der Verfasser einer der wichtigsten Chroniken dessen, was wir den Ersten Kreuzzug nennen, stellte fest, Gott „instituit nostro tempore praelia sancta“ – „hat in unserer Zeit die Heiligen Kriege eingeführt“.1 Guibert von Nogent besaß die Gabe der prägnanten Formulierungen, wie aus dem Titel seiner berühmt gewordenen Chronik hervorgeht: Gesta Dei per Francos (Gottes Taten durch die Franken). Doch über die Formulierung hinaus rührte er an einen wesentlichen Punkt: Bis dahin konnte in der christlichen Welt von einem gerechten Krieg die Rede sein, aber nie von einem Heiligen Krieg. Und selbst dieses Konzept eines gerechten Krieges hatte sich nur mit Mühe durchgesetzt: Unter den ersten Märtyrern befanden sich Militärs, die die Folter in der Überzeugung über sich ergehen ließen, dass ein Christ nicht zu den Waffen greifen könne. Erst im 5. Jahrhundert gelangte Augustinus zu der Schlussfolgerung, die in Ermangelung von etwas Besserem auch heute noch gültig ist. „Man führt Krieg, um den Frieden zu erhalten.“2 Doch während des ganzen Frühmittelalters erlegte die Kirche dem Krieger, der im Kampf getötet hatte, eine Buße auf, und zwar selbst dann, wenn dies in einem gerechten Krieg unter dem Befehl eines christlichen Herrschers geschah.

Alles änderte sich mit der Pilgerfahrt der Jahre 1095–1099. Als Urban II. allen denen, die aufbrachen, die Vergebung ihrer Sünden garantierte, dachte er sicherlich nicht, dass er die immer schon dem Klerus zustehenden Befugnisse überschritt: Doch die crucesignati begriffen, dass derjenige, der im Namen des Kreuzes tötete, keine Sünde beging. Er erfüllte ganz im Gegenteil den Willen Gottes. Zwei Generationen später war auch der gebildetste Klerus davon überzeugt. Bernhard von Clairvaux, der große Propagandist des Zweiten Kreuzzugs, schrieb in seinem Lob der Tempelritter: „Die Ritter Christi kämpfen in voller Sicherheit die Kämpfe ihres Herrn, ohne zu fürchten zu sündigen, wenn sie Feinde töten, und ohne irgendeine Gefahr zu laufen, wenn sie umkommen: denn der für Christus erhaltende oder gegebene Tod hat nichts von einer Sünde an sich und sichert sogar einen großen Ruhm.“3 Das war nun wirklich ein Heiliger Krieg, in dem man den Märtyrerruhm sowohl gewann, wenn man tötete, als auch, wenn man getötet wurde.

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