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Die Aktualität des Kreuzzugs im 16. und 17. Jahrhundert

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Diese Honoratioren waren nicht so weit von der Wirklichkeit entfernt: Bis in die jüngere Vergangenheit hat die Erinnerung an die Kreuzzüge wie eine lebendige Kraft im christlichen Europa agiert. Die Tatsache, dass die religiösen Beweggründe mit den politischen Gründen verschmelzen und die Aufrufe zum Heiligen Krieg immer öfter die Verteidigung nationaler Interessen kaschieren, erscheint uns als ein Indiz dafür, dass die authentische Kreuzzugsgesinnung verloren gegangen ist. Wir glauben jedoch zu Unrecht, dass wir entscheiden können, was authentisch ist. Für die Menschen des 16. und 17. Jahrhunderts war die Koexistenz dieser Beweggründe völlig normal. Martin Luther, der am Anfang die Expansion des Osmanischen Reichs als eine göttliche Strafe für die Sünden der Christen gesehen und deshalb vorgeschlagen hatte, sich ihr nicht zu widersetzen, änderte seine Meinung in der Zeit der ersten Belagerung von Wien im Jahr 1529 und beschloss, man müsse gegen die Türken Krieg führen, um Deutschland und die Christenheit zu verteidigen. Philipp II., der Rey Católico, vertrat die imperialen Interessen Spaniens, als er den Papst um die Erlaubnis für die cruzada, die Finanzierung des Heiligen Kriegs, bat und die Galeerenflotte entsandte, die dann mit den venezianischen Schiffen 1571 die Schlacht von Lepanto gewann.

In Frankreich publizierte der Gelehrte Jacques Bongars 1611 seine Geschichte der Kreuzzüge und übernahm den Titel Gesta Dei per Francos von Guibert von Nogent. Nach ihm bemühte sich dann die französische Geschichtsschreibung um den Nachweis, dass das Epos der Kreuzzüge ein hochgradig französischer Ruhmestitel sei. Doch für die Habsburger, die 1683 Wien noch einmal gegen die Türken verteidigten, hieß der Kampf an vorderster Front auch, dass sie dergestalt dem Heiligen Römischen Reich, wenn auch um einen immer höheren Preis, eine Vorrangstellung unter den christlichen Mächten sicherten. Der Krieg gegen die Türken und die Erinnerung an die mittelalterlichen Kreuzzüge überlagerten sich. Alle hatten übrigens das Gedicht Das befreite Jerusalem von Torquato Tasso gelesen, ein richtiggehendes Kultbuch im Barock, dessen Erfolg den Mythos des Kreuzzugs den nachfolgenden Generationen vermittelte. Indem der italienische Dichter das unauflösliche Band zwischen Rittertum und Kreuzzug bestätigte, schuf er eine kulturelle Bezugnahme von großer Tragweite in einer Zeit, in der die europäische Gesellschaft von einem Blutadel dominiert wurde, der vom mittelalterlichen Rittertum abzustammen behauptete und dessen Werte übernommen hatte.

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